Deutschland schreibt zwar an der Oberfläche in zunehmenden Maße europäische Geschichte,während es aber, bei genauerer Betrachtung, mehr und mehr ein Spielball internationaler Kräfte, auch über Europa hinaus, ist.
Inhalt
1. Europapolitische Evidenz und Ursachen der Erpressbarkeit
2. Das Spiel der Allianzen: Erbfeindschaft, Freundschaft, Partnerschaft und Komplizität
3. Der nationalstaatliche Machtpoker in den internationalen Beziehungen (in Englisch 19)
4. Weitere geopolitische Evidenz der Erpressbarkeit
5. Innenpolitische Ursachenforschung
6. Deutsch-jüdische Beziehungen (in Englisch)
1 Europapolitische Evidenz und Ursachen der Erpressbarkeit
Betrachtet man neuere geschichtliche Ereignisse in den internationalen Beziehungen und eventuell intrakulturelle Wechselwirkungen in dieser Nation, so scheint sich einige Evidenz für die potentielle Gefahr der Erpressung abzuzeichnen:
Mario Monti drohte kürzlich das europäische Wachstumspaket ex-post nach vorheriger Zustimmung zu abzulehnen, sofern Deutschland keine Konzessionen im Bereich des Eurostabilisierung machen würde, die von Bedeutung für sein Land sind.
Man möchte Deutschland in die unübersehbare Logik der Vergemeinschaftlichung der Schulden im Euroraum, z.B. in der Gestalt der Eurobonds, hineinzubugsieren.
Zuvor hatten insbesondere die romanischen Kulturen, allen voran Frankreich, die Bremse hinsichtlich weiterer Eurostabiliserungsbemühungen über Haushaltskonsolidierungen zu ziehen gedroht, falls Stabilisierungs- und Wachstumsmaßnahmen nicht parallelisiert würden.
Frau Merkel wurde offenbar, gleich einem deutschen Au-pair Mädchen von den Latinos Mario, Mariano und Francois in einem nächtlichen Verhandlungsmarathon regelrecht aufs Kreuz gelegt und hat jene Zugeständnisse gemacht, die nun nur noch seitens des Bundesverfassungsgerichtes einer Revision unterzogen werden und unwirksam gemacht werden können.
Den Drohungen, der subtilen Einschüchterung und Bezirzung, insbesondere einer blonden deutschen Kanzlerin, die, wie bereits durch Merkozy illustriert, den Charmeur und Jägerinstinkt bei den dunkleren Latinos auslöst und die nur von einem behinderten Finanzminister Sekundanten in den wirtschaftspolitischen Duellen unterstützt wird, kann, so scheint es, auch - und vielleicht eben gerade - eine deutsche Kanzlerin nicht wiederstehen. Wer die Schwächen des Partners kennt, kann sie zu seinen Gunsten nutzen. Doch die Bewusstheit um dieselben und die Tendenz von Partnern, diese auszunutzen, zeugt von Selbst- und Fremdkenntnis. Dadurch wird die Schwäche in mancher Hinsicht in Stärke verwandelt.
Drohungen, Schmeicheleien, Liebes- und Aufmerksamkeitsentzug stellen eine Kontinuität zur Politik des leeren Stuhls Frankreich inbezug auf dessen Europapolitik Mitte der sechziger Jahre dar. Insgesamt heißt es, ihr Deutschen habt eine historische, politische und kulturelle Bringschuld aufgrund der wiederholten großen Kriegsgreuel, insbesondere aufgrund eurer gegenwärtigen Wirtschaftskraft, zu begleichen und wenn ihr nicht in Einklang mit unseren europäischen Partnerwünschen handelt, dann aktivieren wir euer psychologisch-kulturelles Abhängigkeitssyndrom inbezug auf uns; jenes des wirtschaftlichen Riesen mit seinen kulturellen und daher politischen Schwächen. Die gezielte Nutzung dieses Schwachpunktes wirkt wie der den Riesen Goliath vernichtende Kieselstein Davids, biblisch gesprochen oder mythisch, wie die verwundbare Schwachstelle Siegfrieds, deren Kenntnis durch Hagen ersterem zum Verhängnis wurde. Und dieses Muster oder Pattern der internationalen Beziehungen wird innenpolitisch und gesellschaftlich in dem Verhältnis der Migranten zu den Deutschen, zu letzterer Ungunsten repliziert. Der opportunistische Materialismus der internationalen Beziehungen ist in dem opportunistischen Materialismus der intrakulturellen interkulturellen Beziehungen widergespiegelt, die somit beide echter Solidarität als einziger Basis für eine nachhaltige Zukunft entbehren und daher solange konfliktträchtig sind und bleiben, bis die Beziehungen nicht nur dem Materialismus, sondern auch geistigen Werte genügen.
In der Tat, Deutschland ist kulturhistorisch bedingt erpressbar und an gewissen Schnittstellen, wie in der gegenwärtigen personellen Konstellation, kann die Erpressungspsychologie subliminal greifen, falls sie nicht rational voll bewusst durchdacht und in das Verhandlungskalkül miteinbezogen wird. Mangelnde Bewusstheit, Naivität und Bevormundung aufgrund eines kulturhistorischen Abhängigkeitssyndroms, gleich eines Adoleszenten von seinen Senioren, können die gesamte Außenpolitik pervertieren, sofern es keine volle Erkenntnis seiner selbst, sowie der Verhandlungspartner gibt.
Europapolitik wird nicht immer nach objektiven Kriterien gestaltet. Die deutsch- französische Partnerschaft war laut einem ehemaligen französischen Konsul ein reiner Willensakt und kam somit nicht von Herzen. Eigentlich wollten wir nicht mit euch, heißt das. Wie sehr hier Partnerschaft eventuell verfremdet wird, ist eine Frage, der politische Analysten nachgehen sollten, sofern sie noch objektiv sind.
Und wieviele Zugeständnisse werden von Schäuble noch gefordert, die er willens ist, zu erfüllen, um seinem emotionalen Bedürfnis, Eurogruppenchef zu werden, zu genügen – eine emotional bedingt strategische Schwäche, die europäische „Partner“ für die Erpressung von Zugeständnissen nutzen können, bis sein Wunsch, wenn überhaupt, in Erfüllung geht, da man eine derartige strategische supranationale Schlüsselposition nur ungern jemand anvertraut, mit dem man nur eine Zwangspartnerschaft eingegangen ist. Langfristig orientierte strategische und kulturelle Motive stehen da im Wege.
Doch die Geschichte fordert beide Nationen heraus, ihre auf Gedeih und Verderb arrangierte Partnerschaft, trotz großer Inkompatibilität, mit Gottes Hilfe fortzuentwickeln. Das erkannte bereist der Franzose Schuman, der Pionier der europäischen Integration, unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg.
Dem Versöhnungsgottesdienst in der Kathedrale von Reims im Jahre 1962, bei dem sich die vormaligen Erbfeinde, repräsentiert durch General Ch. de Gaulle und K. Adenauer symbolisch vor Gott und der Geschichte aussöhnten, un dessen 50. Jubiläum dieser Tage begangen wurde, folgte alsbald der Bund (gleich einem Ehebund) des Elyséevertrags über die deutsch-französische Freundschaft, die eine auf historischer Erkenntnis basierende Zweckgemeinschaft ist. Doch, sind nicht die arrangierten Ehen eben jene, die die Zeit überdauern, könnte man unter kulturvergleichendem Blickwinkel, der dafür spricht, positiv argumentieren.
Die unmögliche Partnerschaft unter den Schutz des Schöpfers zu stellen war und ist die einzige Möglichkeit – denn bei Gott ist nichts unmöglich – Inkompatibilitäten zu überbrücken, die kurzfristig nicht ausgelöscht werden können. Die Herrschaftsansprüche vor dem Hintergrund unveräußerlicher kultureller Identität werden fortdauern. Doch letztendlich könnten die beide verbindenden Werte der christlichen Zivilisation den geschichtlichen Determinismus überwinden und zu einem integrierten Kontinuum, wie vor der Teilung des Fränkischen Reiches, nicht zuletzt unter dem weltgeschichtlichen Druck einer interdependenten Überlebensinitiative im Kontext den neuen geopolitischen Machtverhältnissen der Zukunft hinführen. Die Logik des Spiels der Allianzen lässt alle Optionen auf dem Tisch.
Adenauer und De Gaulle, Kohl und Mitterand, Schmidt und Giscard d’Estaing Merkozy und, unter Vorbehalten, Francois und Angela, das sind die Replizierungen eines einmal initialisierten Patterns, das hoffentlich auf Fels und nicht auf Sand gebaut wurde und somit hoffentlich irreversibler ist, als die vorausgehende Achterbahn bilateraler Beziehungen. Im Vertrauen auf diese Perspektive darf man aber dennoch nicht blind sein, denn der Teufel geht auch in den kollektiven Bereichen umher wie ein brüllender Löwe und versucht, soviele Völker und Individuen zu verschlingen und in den Abgrund zu zerren, wie es dessen Machtanspruch zu sein scheint und die ganze christliche Zivilisation herausfordern, auch in der Gestalt des Kampfes der Kulturen und Zivilisationen, dem die Menschen daher bisweilen machtlos ausgeliefert zu sein scheinen. In anderen Worten, man sollte angesichts der zeit- und aufwandresistenten kulturellen und politischen Problemlösungsversuchen die eschatologische Dimension nicht gänzlich ausklammern und die Lösung im ethischen Bewusstsein der Individuen und der strategischen nationalen und internationalen Akteure suchen. Diese, der kulturellen übergeordneten Ebene, kann die soziokulturelle Konditionierung steuern, weil sie außer der höchsten Instanz der Rechenschaftspflichtigkeit der Individuen und Völker keine andere anerkennt. Und hier gibt es in unserem westlichen Kulturkreis christlich-jüdischer Zivilisation nur eine, nur ein Weg. Er ist die „voie roylale“ (der Königsweg) des allintegrativen Königsweges. Die Zivilisation und die dadurch bedingte Wertegemeinschaft kann über alle historisch-kulturell-politischen Konflikte hinweg, über eine reine Zweckgemeinschaft hinaus, zu einer menschlichen Solidargemeinschaft führen. Die zeitlichen Herausforderungen werden dabei in das integrative Überzeitliche konfliktlösend eingebettet.
Ich möchte einen Aufsatz über deutsch-französische Beziehungen einflechten, der die bilateralen interkulturellen Barrieren erkennen und überwinden helfen kann.
2 Das Spiel der Allianzen: Erbfeindschaft, Freundschaft, Partnerschaft und Komplizität
So lautet die Bilanz der deutsch-französischen Beziehungen über die letzten Jahrhunderte. Es ist kein gut nachbarschaftliches Verhältnis, auch nicht unter dem Blickwinkel der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit, die Frankreich auf seine Fahnen geschrieben hat, soweit sie auf andere Anwendung finden sollen. Nichts liegt mir ferner, als ein Spielverderber zu sein, es sei denn, eines bösen Spiels, denn ich habe in Paris studiert und wünsche nichts mehr als eine konstruktive und gute Beziehung zwischen diesen beiden Kernländern Westeuropas. Das Ziel besteht vielmehr in der Etablierung einer nachhaltigen, echten, auf gemeinsamen Zivilisationswerten gründenden Einvernehmlichkeit bei gleichzeitigem Respekt der Diversität in jeder Hinsicht.
Mangels effektiver deutscher Emanzipation – vom Wirtschaftlichen abgesehen – steht Deutschland immer noch unter der Fuchtel Frankreichs, da es seine wahre Identität nicht erlangen konnte. Deshalb tut sich unsere Regierung immer noch zu schwer, einen eigenen Standpunt zu entwickeln und zu vertreten. Insbesondere eine Dame an der Staatsspitze lässt sich allzu leicht, aus diversen Gründen, an der Nase herumführen. Freundschaft lebt aber sowohl vom Einfühlungsvermögen als auch von komplementären Standpunkten. Sind sie nicht komplementär, so herrscht ein Machtverhältnis, das Freundschaft negiert. Es wird dann bestenfalls zur Komplizität, um wiederum andere an der Nase herumzuführen.
Und solange man unter der Fuchtel von anderen steht, gibt es dann wieder welche, die diese Schwäche auszunutzen suchen. Die mangelnde Identität und die geistige Unterjochung laden andere regelrecht ein, das geschwächte deutsche Haus zu infestieren, es auszunutzen und zu plündern und es schließlich mehr und mehr zu beherrschen. Das erklärt einige Schwachpunkte der Immigrationsdebatte, deren Problematik also tiefer liegt und ganzheitlicher kausal erklärt werden muss, als sich in oberflächlichen Schuldzuweisungen zu ergehen.
Doch solange die Deutschen ihr Haus nicht in Ordnung bringen können, sind sie selbst verantwortlich für ihre Situation. Letztendlich hängt alles an ihrem eigenen Bewusstseinsentwicklungsstand ab, der Fähigkeit, endlich eine zivilisierte, kultivierte eigene unabhängige Identität zu entwickeln, sowie es Briten, Spanier, Italiener und Franzosen, alle älteren Nachbarnationen vorgemacht haben. Es geht um die Emanzipation. Mit einem emanzipierten Volk springt man dann nicht respektlos um. Es flößt Achtung ein, nicht Furcht vor strotzender materieller Macht als Kompensierung nichtvorhandener geistiger Macht.
Tausend Jahre Geschichte seit der Teilung des Fränkischen Reiches Karls des Großen sind eine Geschichte des Bruderkriegs, der sich zu einer Erbfeindschaft um die Vorherrschaft in Europa entwickelt hat. Unter diesem Machtkampf scheint jedoch ein tieferliegender Konflikt zu schwelen, der bisweilen die grundsätzliche gegenseitige Ablehnung postulierte. Dies gilt es zu beleuchten und zu beheben, um die Weichen für einen nachhaltigen und keinen Schönwetterfrieden und -freundschaft, die keinen Bestand haben, zu stellen. Die Erbfeindschaft ist in den letzten Jahrhunderten eskaliert und hat zu drei epochalen Konflikten mit großem Kollateralschaden für die beiden Länder, sowie Europa und die ganze Welt geführt.
Deshalb ist es im Interesse all dieser Akteure weltweit, dass dieses Verhältnis nachhaltig und zum Vorteil und nicht zum Nachteil aller geordnet wird.
Diese Erkenntnis hat sich allmählich durchgesetzt und die Partner mussten sich, trotz ihrer scheinbaren Inkompatibilität, die wir hier etwas durchleuchten möchten, zu einer Zweckpartnerschaft gegen ihren eigenen tieferen Willen durchringen, um diesen verheerenden Kreislauf zumindest versuchsweise zu unterbrechen. Deshalb hat man versucht, nach dem zweiten Weltkrieg unter der Ägide der sogenannten Architekten Europas, wie z. B. Maurice Schumann in Frankreich, die Situation eines geschwächten Deutschlands zu nutzen, um seine potentielle materielle Macht in Gestalt der Bergbauindustrie (Kohle und Stahl) in die zu schaffende Montanunion einzubinden und sie als Grundlage klassischer Kriegsindustrie mitzubeherrschen. Es ist eine Zwangsmaßnahme unter historischem Druck gegen den tieferen Willen der Akteure gewesen, die jedoch beiden entgegenkam, Deutschland in der Gestalt einer beginnenden Rehabilitierung in der Folge der von ihm verursachten Kriegsgreuel und Frankreich konnte dadurch auf die Welle der deutschen Wirtschaftskraft aufspringen und sie mitreiten und gleichzeitig in einem strategisch maßgeblichen Sektor mitbestimmen.
So ist ein Zweckrapport entstanden, den man in der Folge in der Gestalt der Romverträge vertieft hat, um die beiden psychologischen Motive unter dem zusätzlichen Druck des Zwanges der ideologischen Bipolarisierung der Welt und mit der Absegnung der USA, die einen möglichst starken europäischen Partner gegen die kommunistische Bedrohung schätzten, voranzutreiben. Im Zuge der alten und neuen historischen Zwänge ist eine Zwangspartnerschaft entstanden, die insbesondere von französischer Seite ein reiner rationaler Willensakt ohne Beteiligung des Herzens gewesen zu sein scheint. Und Deutschland konnte auf Grund der neuen historischen Situation der ideologisch bipolarisierten Welt die politische Reemanzipation und Rehabilitierung betreiben, denn eine Ausklammerung Westdeutschlands aus dem westlichen Verbund, der auch über die NATO gefördert wurde und die Veränderung der strategischen Balance durch das Entgleiten Westdeutschlands aus der Einflusssphäre des Westen in das ideologisch antagonistische Camp wäre zu riskant gewesen für geopolitische Gleichgewicht.
Westdeutschland war gewissermaßen das Zünglein an der Waage des weltpolitischen strategischen Gleichgewichts und in dem geteilten Berlin, in dem sich diese Situation gewissermaßen in konzentrierter Form kristallisierte, spitzte sich diese Lage noch zu: eine geteilte Stadt in einem geteilten Land an der Nahtstelle zwischen den beiden ideologischen Blöcken. - Aufgrund der Symbolträchtigkeit dieser geopolitischen Koordinate auf dem strategisch-ideologischen Schachbrett der Welt konnte Kennedy durchaus feststellen: „Ich bin ein Berliner“. Es war die mikroskopische Version der weltpolitischen Lage, der er sich verpflichtet sah.- Deutschland war als ein Schauplatz für den Kampf zwischen den Ideologien bestimmt und beide Teile nuklear entsprechend aufgerüstet; gewissermaßen eine Intention der historischen Nemesis, die durch die Auflösung der Sowjetunion nun besänftigt zu sein scheint.
Das Hinauszögern der europäischen Integration mit zahlreichen Memoranda und Integrationsplänen im Hinblick auf die europäische Wirtschafts- und Währungsunion - mit Highlights wie der französischen Politik des leeren Stuhls - sind ein Indiz für die wirklichen Einstellungen der Partner, insbesondere Frankreichs. Je mehr die Aufgabe von Souveränität, die machtpolitischen und kulturellen Interessen tangiert waren, desto schwieriger wurde die Integrationsgestaltung. Das kann eben dahingehend interpretiert werden, dass das politische Zweckdenken und nicht das Ideal einer echten Partnerschaft prägend war.
Doch mit Verdun und dem deutsch besetzten Paris im Hinterkopf vor dem historischen Hintergrund und der gesamtpolitischen Weltlage hatte man wenig Alternativen und man hat das Spiel der Allianzen unter den gegebenen Bedingen eben optimal in seinem Interesse weitergespielt. Unter dem weiteren Druck geopolitischer Veränderungen in der Gestalt der Emergenz der Schwellenländer, die das weltwirtschaftliche, zivilisatorische und geopolitische Gleichgewicht in einer Jahrtausendperspektive zu verändern drohen, hat man sich schließlich mit der Erfordernis eines europäischen Zweckbündnisses zur Verteidigung nicht nur der wirtschaftspolitischen Interessen und des Erbes des christlichen Zivilisation abgefunden und den regionalen europäischen Block der nun mehr multipolarisierten Welt durch das Sigel einer gemeinsamen Währung als eine geistige Wertegemeinschaft sanktioniert.
Aus einer Not- und Zweckgemeinschaft wurde eine unabdingbare Allianz für das Überleben beider und weiterer europäischer Akteure. Konkurrierende Interessen mussten dabei in den Hintergrund treten. Die französische Force de Frappe (Nukleare Streitmacht), die historische kulturelle Mission und Frankreichs koloniale Dimension würden seinem Bedürfnis nach Prestige ja weiterhin, trotz Abtretung sektorieller Souveränität an supranationale europäische Institutionen der Gemeinschaft unter Ihren sich synchron mit dem europäischen Integrationsgrad wandelnden Bezeichnungen, dienen.
Es ist eben diese Degradierung einer historischen Weltmacht zu einer Provinz in einem integrierten europäischen Staatengefüge, die eine Zäsur im nationalen Größenbewusstsein mit sich bringt und schmerzlich ist. Der Nichtbeitritt des vereinigten Königreichs zur Eurozone ist heute noch durch dieses Motiv bedingt.
Die historischen Basiskoordinaten werden auch in die EU hineingetragen und die Machtansprüche werden nun etwas zivilisierter im Zeichen der weltwirtschaftlichen Interdependenz gelöst. Keines der beiden Länder kann für sich allein Weltpolitik und Weltwirtschaft erfolgreich gestalten, weder für sich noch für andere. Die Technik und die Globalisierung, sowie die Zivilisationsherausforderung und die Verlagerung des Weltgesamtgleichgewichts durch die Emergenz der asiatischen Tiger, bzw. Drachen, allen voran des großen chinesischen Tigers und des indischen Elefanten, bildlich gesprochen, erfordern nunmehr eine konstruktive Bündelung vormals antagonistischer Kräfte zur Konfliktprophylaxe und -lösung in diversen strategischen Bereichen, in denen Alleingänge nicht mehr fruchten; in der Weltwirtschafts- und Finanzmarktregulierung, in der Raumforschung, der Klimafrage, der fundamentalistischen Bedrohung etc. ist es erforderlich, die geistigen und materiellen Ressourcen über die Antagonismen hinweg zweckdienlich in nicht-Nullsummenspielen zu bündeln.
Alle materiellen Zweckrationalitäten können aber nicht über die nach wie vor im Bewusstsein der Völker aktive Symptomatik hinwegtäuschen, die Jahrhunderte von Geschichte bedingt hat; eine zeitweise Aussetzung dieser gegenseitigen Bedingtheiten unter dem Druck der Umstände konnte sie nicht ganz beseitigen.
Der französische historische Wille zur Macht und nationales Denken, die gegenwärtig von einem genealogisch fremdkulturellen Präsidenten zusätzlich überkompensiert werden müssen, um sich als guten Franzosen auszuweisen, spielen nach wie vor eine Rolle. Dies ist natürlich auch eine Chance der Mediation zusammen mit einer Kanzlerin die vom fremdkulturellen Ursprungsland der Vorfahren dieses Staatschefs – vermittels ihrer ostdeutschen Geschichte – nicht so weit entfernt ist.
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- Citation du texte
- D.E.A./UNIV. PARIS I Gebhard Deissler (Auteur), 2012, Die innen- und außenpolitische Erpressbarkeit des deutschen Volkes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197522
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