Ist es auch heute, trotz fokussierter Anti-Diskriminierungs-Arbeit, noch nicht möglich,Vorurteile zu überwinden?
Bei meinem Lösungsversuch dieser Fragestellung möchte ich mich auf die Methoden und Prinzipien der Gestaltpädagogik stützen. Dies beruht auf dem Wissen über die Entstehung von Vorurteilen, das wiederum scheinbare Schnittpunkte mit den Ansätzen der Gestaltpädagogik zu haben scheint.
Es soll erörtert werden, ob Stereotypen vielleicht doch einen wahren Kern besitzen, wobei die Forschungen Hintons (2002) und Theorien Hofstedes (2006) [u.a. das 5-Dimensionen Modell]miteinander verglichen werden sollen. In Anlehnung an die hier dargestellten Ergebnisse, wird gezeigt, wie aus einem kulturellen Unterschied ein Vorurteil werden kann. Dabei stehen psychologische und soziologische Erscheinungen wie Ethnozentrismus, Wahrnehmungskonstruktion, kognitive Vereinfachung, Kategorisierung, Sozialisation und das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung im Mittelpunkt. Sie stellen das Stadium dar, in dem Stereotypen entstehen. Zweitens ergeben sich hier mehrere Überschneidungen mit den später dargelegten gestaltpädagogischen Prinzipien.
Das vierte Kapitel soll der Relevanz von Stereotypen und Vorurteilen gelten. Dabei werde ich zuerst auf ihre allgemeinen Wirkungen und Folgen eingehen, da Vorurteile gesellschaftlich oft verpönt sind, kaum aber jemand weiß, warum. Danach möchte ich auch die Bedeutsamkeit von vorgefassten Meinungen auf Seite der Lehrer betrachten und gleichzeitig zeigen, dass niemand frei von Vorurteilen zu sein scheint. Schließlich soll auch die bildungspolitische Wichtigkeit der Abschaffung von Intoleranzen beleuchtet werden. Dazu werde ich beispielhaft die fächerübergreifenden Kompetenzen sowie den Lehrplan Französisch untersuchen.
Danach soll im darauffolgenden Kapitel gezeigt werden, wie Vorurteile abgeschafft werden können und wo die Gestaltpädagogik ansetzt. Dazu werde ich die zwölf gestaltpädagogischen Prinzipien nach Burow (1988) theoretisch auf ihre Möglichkeiten und Grenzen in der Vorurteilsüberwindung untersuchen.
Diese Theorie soll schließlich auch in die Praxis umgesetzt werden. Demzufolge möchte ich in Kapitel 6 meine Erfahrungen mit Gestaltpädagogik, angewendet auf die Vorurteile französischer Schüler über Deutsche, darstellen und herausfinden, ob es tatsächlich möglich ist, Stereotypen mit Hilfe dieser Erziehungswissenschaft zu verhindern.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definition von Stereotyp und Vorurteil
3 Beurteilung des Wahrheitsgehaltes von Stereotypen
3.1 Stereotypen sind falsch
3.2 Stereotypen besitzen einen wahren Kern
3.2.1 Geert Hofstedes 5-Dimensionen-Modell
3.2.1.1 Konträre Ergebnisse: USA – Thailand
3.2.1.2 Ähnliche Ergebnisse: USA – Deutschland
3.3 Fazit zum Wahrheitsgehalt von Stereotypen
4 Vom kulturellen Unterschied zum Vorurteil
4.1 Ethnozentrismus
4.2 Konstruierte Wahrnehmung und kognitive Vereinfachung
4.3 Kategorisierung
4.4 Sozialisation und selbsterfüllende Prophezeiung
4.4.1 Entstehung und Festigung von Vorurteilen
4.4.2 Selbsterfüllende Prophezeiung – Rosenthal & Jacobson (1968)
5 Relevanz und Wirkungen von Stereotypen und Vorurteilen
5.1 Allgemeine Relevanz
5.2 Relevanz für Lehrer: Keller und Dauenheimer (2003)
5.3 Der hessische Lehrplan
5.3.1 Rahmenkompetenzen
5.3.2 Curriculum für das Fach Französisch
6 Überwindung von Vorurteilen im gestaltpädagogischen Kontext
6.1 Definition Gestaltpädagogik
6.2 Möglichkeiten und Grenzen der Überwindung von Vorurteilen durch gestaltpädagogische Maßnahmen
6.2.1 Prinzipien der Gestaltpädagogik nach Burow (1988)
6.2.1.1 Das Prinzip der Konzentration auf den Kontakt
6.2.1.2 Das Hier-und-Jetzt- Prinzip
6.2.1.3 Das Prinzip der Personenzentrierung
6.2.1.4 Das Prinzip der Bewusstheit
6.2.1.5 Das Prinzip des Lernens durch Erfahrung
6.2.1.6 Das Prinzip des Self-Support
6.2.1.7 Das Prinzip der geschlossenen Gestalt
6.2.1.8 Das Prinzip der Integration
6.2.1.9 Das Prinzip der Verantwortlichkeit
6.2.1.10 Das Prinzip dialogischen Lehrens und Lernens
6.2.1.11 Das Prinzip der Synergie
6.2.1.12 Das Prinzip der Freiwilligkeit
6.3 Fazit zu den Möglichkeiten und Grenzen gestaltpädagogischer Prinzipien im Bezug auf Vorurteilsüberwindung
6.4 Unterstützende Funktionsweisen der Prinzipien durch Methoden
6.4.1 Identifikationsübungen
6.4.2 Feedback
6.4.3 Phantasieübungen
6.4.4 Bewegungsübungen
7 Gestaltpädagogik und Vorurteilsüberwindung am Beispiel Frankreich
7.1 Beschreibung der Studie
7.2 Darstellung der Methoden
7.2.1 1. Stunde: Themenbäume „Deutschland und die Deutschen“
7.2.2 2. Stunde: Präsentation der Themenbäume / Kulturmodell Eisberg
7.2.3 3. Stunde: „Aurélie“ – Wir sind Helden
7.2.4 4. Stunde: Präsentation der kreativen Medien, Abschlussfeier und Nachtest
7.3 Auswertung der Testergebnisse
7.4 Zusammenfassung der Testergebnisse
8 Fazit
Bibliographie
Anhang
1 Einleitung
Albert Einstein gilt wohl als einer der genialsten Menschen und größten Physiker aller Zeiten. Das Zitat „Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom.“ stammte ebenfalls von ihm und verweist auf eine schier unmögliche Aufgabe. Doch bedenkt man, dass zu Einsteins Zeiten der griechische Begriff „atomos“, der dem „Atom“ seinen Namen verlieh, noch „unteilbar“ meinte, konnte (vermutlich einige Zeit nach diesem Zitat) das Unmögliche doch möglich gemacht werden. Heute, im Zeitalter der Atomenergieist Einsteins Zitat wohl nur noch zu belächeln.
Wie aber verhält es sich nun mit den vorgefassten Meinungen, mit den Stereotypen und Vorurteilen? Ist es auch heute, trotz fokussierter Anti-Diskriminierungs-Arbeit, noch nicht möglich, diese zu überwinden?
Ich vermute nicht und möchte mich bei meinem Lösungsversuch dieser Fragestellung auf die Methoden und Prinzipien der Gestaltpädagogik stützen. Diese hatte ich schon vor einiger Zeit auf einem Wochenend-Seminar bei Prof. Dr. Burow kennen und lieben gelernt. Die Anwendung der neugewonnenen, erziehungswissenschaftlichen Erkenntnisse verhalf mir schließlich in mehreren Praktika und einem Auslandsaufenthalt als Deutschassistentin an einer französischen Schule zu mehr Freude am Unterrichten, einem besseren Verhältnis zu den Schülern, der Neuentdeckung versteckter, kreativer Fähigkeiten sowie einem gesteigerten Selbstbewusstsein. Wenn also diese Pädagogik innerhalb kürzester Zeit schon so viel erreichen konnte, warum sollte sie dann nicht auch im Kampf gegen Vorurteile das angeblichUndenkbare vollführen können?
Diese Annahme kommt natürlich nicht von ungefähr, sondern beruht auf dem Wissen über die Entstehung von Vorurteilen, das wiederum scheinbare Schnittpunkte mit den Ansätzen der Gestaltpädagogik zu haben scheint.
Bevor aber darauf expliziter eingegangen werden soll, möchte ich zunächst die Begrifflichkeiten „Stereotyp“ und „Vorurteil“ in Abhängigkeit voneinander definieren. Danach soll erörtert werden, ob Stereotypen komplett erfunden sind, oder vielleicht doch einen wahren Kern besitzen. Hierbei möchte ich mich einerseits auf die Forschungen Hintons (2002) stützen, die allesamt beweisen, dass Stereotypen falsch seien. Andererseits werde ich aber auch die Studien Hofstedes (2006) und insbesondere das daraus resultierende 5-Dimensionen-Modell näher betrachten, welches das Bestehen kultureller Differenzen veranschaulicht. Obwohl Hofstedes (2006) Paradigma einzig auf kulturellen Unterschieden beruht, habe ich dieses bewusst gewählt, weil die Auflösung von Vorurteilen im Selbstversuch speziell den kulturell geprägten Klischees französischer Schüler über Deutsche gelten soll. Um die nationalen Unterschiede beispielhaft zu verdeutlichen, werde ich Hofstedes (2006) Entdeckungen im Vergleich der USA mit Thailand und Deutschland darstellen.
In Anlehnung an die hier dargestellten Ergebnisse, möchte ich schließlich zeigen, wie aus einem kulturellen Unterschied ein Vorurteil werden kann. Dabei stehenpsychologische und soziologische Erscheinungen wie Ethnozentrismus, Wahrnehmungskonstruktion, kognitive Vereinfachung, Kategorisierung, Sozialisation und das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung im Zentrum meiner Aufmerksamkeit und sollen durch die Schilderung verschiedener Experimente ergänzt und bewiesen werden. Diesen Prozessen möchte ich deswegen ein besonderes Augenmerk schenken, weil sie zunächst das Stadium darstellen, in dem Stereotypen entstehen.Es sei an dieser Stelle noch einmal auf Einstein verwiesen, der sagte, dass ein bestehendes Vorurteil schwer zu zerstören wäre. Demgemäß scheint es leichter zu sein, letzteres schon im Entstehungsprozess zu stoppen – als ein bereits bestehendes Klischee zu zerstören. Zweitens ergeben sich hier mehrere Überschneidungen mit den später dargelegten gestaltpädagogischen Prinzipien.
Das vierte Kapitel soll der Relevanz von Stereotypen und Vorurteilen gelten. Dabei werde ich zuerst auf ihre allgemeinen Wirkungen und Folgen eingehen, da Vorurteile gesellschaftlich oft verpönt sind, kaum aber jemand weiß, warum. Danach möchte ich auch die Bedeutsamkeit von vorgefassten Meinungen auf Seite der Lehrer betrachten und gleichzeitig zeigen, dass niemand frei von Vorurteilen zu sein scheint. Schließlich soll auch die bildungspolitische Wichtigkeit der Abschaffung von Intoleranzen beleuchtet werden. Dazu werde ich beispielhaft die fächerübergreifenden Kompetenzen sowie den Lehrplan Französisch untersuchen.
Nachdem nun die Entstehung von Vorurteilen sowie deren Bedeutung erläutert wurde, soll im darauffolgenden Kapitel gezeigt werden, wie diese abgeschafft werden können und wo die Gestaltpädagogik ansetzt. Dazu werde ich die zwölf gestaltpädagogischen Prinzipien nach Burow (1988) theoretisch auf ihre Möglichkeiten und Grenzen in der Vorurteilsüberwindung untersuchen.
Diese Theorie soll schließlich auch in die Praxis umgesetzt werden. Demzufolge möchte ich in Kapitel 6 meine Erfahrungen mit Gestaltpädagogik, angewendet auf die Vorurteile französischer Schüler über Deutsche, darstellen und herausfinden, ob es tatsächlich möglich ist, Stereotypen mit Hilfe dieser Erziehungswissenschaft zu verhindern.
2 Definition von Stereotyp und Vorurteil
Vorurteile beruhen auf stereotypen Wahrnehmungen. Um mit einer Definition des Begriffs „Stereotyp“ zu beginnen, möchte ich mich zunächst auf eine Begriffsbestimmung von Hinton (2000: 6 ff.) stützen. Dieser nennt drei Merkmale, um die Begrifflichkeit zu erläutern.
Die erste Komponente besteht demnach aus der Identifikation einer Personengruppe gemäß einer bestimmten Charakteristik. Das kann eine Nationalität betreffen (z.B. „die Deutschen“, „die Amerikaner“), eine religiöse Glaubenseinstellung (z.B. Moslems, Christen) oder eine Ethnie (z.B. Afro-Amerikaner). Stereotypen können auch geschlechtsspezifisch sein, d.h. die Verallgemeinerung von Männern oder Frauen, wie beispielsweise „Frauen können schlecht einparken“. Möglich ist es auch, jene Zuschreibungen gegenüber einem bestimmten Alter (z.B. „Teenager“), einem Beruf („Beamte“) oder Haarfarbe – man denke nur an die zahlreichen Blondinen-Witze. Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Gruppierungen und die dazu „passenden“ Attributionen. Kurz: Denkbar ist jede Charakteristik die für die zuschreibenden Personen auch nur vorstellbar ist.
Diese Gruppenidentifikation führt schließlich zur Abspaltung gegenüber der restlichen, undifferenzierten Masse. Indem jene „identifizierte“ Gruppe aus dem Kontext der restlichen Gesellschaft vorgehoben wird, kommt es zur Unterscheidung gegenüber anderer Gruppen bezüglich der attribuierten Definitionen. Das heißt beispielsweise, dass wir die Gruppe „die Deutschen“ durch bestimmte Merkmale von anderen nationalen Gruppen unterscheiden. So entsteht etwa der Stereotyp „die Italiener sind unpünktlich“ (und demgegenüber „wir Deutsche sind pünktlich“).
Das nächste Merkmal ist die Zuschreibung jenes herausgefundenen Merkmals gegenüber der Gruppe als Ganzes. Im Beispiel oben wäre das die Verallgemeinerung also „ die Italiener“ statt „ einige Italiener“ und betrifft damit jedes Mitglied der identifizierten Gruppe.
Letztendlich kommt es zur Zuschreibung der herausgefundenen Charakteristika auf eine bestimmte Person, sobald entdeckt wird, dass diese Person Teil der identifizierten (und stereotypisierten) Personengruppe ist. Das bedeutet beispielsweise, dass, sobald wir herausfinden, dass jemand Italiener ist, wir ihm die Eigenschaften „mutterliebend“, „warmherzig“ und „unpünktlich“ zuschreiben würden.
Demzufolge stellen sich nach Hinton (2000) nachstehende Merkmale eines Stereotyps heraus: (1) Gruppenidentifikation, (2) Zuschreibung von Charakteristika zu jener Gruppe und (3) Attribution jener Charakteristika zu jedem Mitglied der Gruppe. Es sei der Erklärung Hintonsjedoch noch hinzugefügt, dass jene Vorurteile positiv und negativ ausfallen können (4). Die Deutschen werden beispielsweise oft als ordentlich und pünktlich beschrieben (positiv), können jedoch auch als kalt und humorlos (negativ) dargestellt werden.
Um später die richtige methodische Vorgehensweise herauszufinden soll im Folgenden herausgefunden werden, ob jene Verallgemeinerungen tatsächlich realitätsnah sind. Bezüglich des Wahrheitsgehaltes von Stereotypen gibt es allerdings unterschiedliche Ansichten, die es in dem folgenden Abschnitt zu untersuchen gilt.
3 Beurteilung des Wahrheitsgehaltes von Stereotypen
3.1 Stereotypen sind falsch
Hinton (2000) setzt sich unter Berufung auf diverse andere Autoren für die Theorie ein, dass Stereotypen falsch seien. Diesbezüglich beruft er sich auf Katz &Braly (1933), die der Auffassung sind, dass Stereotypen fehlerhafte Vorurteile darstellen würden und in dessen Folge korrektes Denken unmöglich sei. Vor allem bestünde das Problem, dass viele Klischees negativ behaftet seien und deswegen zu [negativen] Vorurteilen führen. Aus diesem Grund schlugen Katz &Braly (1933) vor, diesen Prozess zu verhindern beziehungsweise zu stoppen.
Auch 20 Jahre später hielt sich jene Auffassung aufrecht. Stereotypen wurden weiterhin als „inkorrekte Generalisierungen“ (vgl. Hinton 2000: 11) bezeichnet. Zusätzlich wurde diskutiert, dass sich jene Generalisierungen bzw. Übergeneralisierungen konsequent festhielten – ungeachtet neuer Informationen oder anderer Umstandsveränderungen.
Brown (1965) unterstrich den Fall des Generalisierens als solchen, wodurch die Individualität jedes Einzelnen vollkommen ignoriert werden würde. Das Problem bestünde folglich darin, dass eine gewisse Anzahl einzigartiger Personen als gleich(wertig) angesehen würde. Stereotypen seien diesbezüglich eine Generalisierung und würden individuelle Unterschiede ignorieren (vgl. Hinton 2000: 12).
Der nächste Punkt in Browns (1965) Argumentation ist die Tatsache des kulturellen Absolutismus oder Ethnozentrismus von Stereotypen, die diese inkorrekt werden lässt. Hiermit sei der Glaube gemeint, dass unsere stereotypisierenden Ansichten die richtige Auffassung seien, um unsere (Um-)Welt wahrzunehmen. Unsere Normen würden als die einzig wahren aufgefasst – anstelle sie als eine Möglichkeit von vielen anzusehen.
Eine weitere Schwierigkeit bestünde darin, dass Stereotypen im Allgemeinen so beschrieben werden, als lägen sie in der Natur des bewerteten Menschen. Als Beispiel für jenes Phänomen führt Hinton (2002: 13) „Faulheit“ an, die gewisse Ethnien von höheren Stellungen im Arbeitsalltag abhalten würde. Jenes Vorurteil missachte jedoch soziale und die Umwelt betreffende Umstände (d.h. Apartheid, institutionalisiertes Vorurteil etc.), die diese Personen vom arbeitsweltlichen Aufstieg abhielten.
Alle aufgeführten Ansätze, die die Falsifizierung von Stereotypen zu beweisen versuchen, mögen teilweise richtig sein. Es muss jedoch auch einen wahren Kern geben, denn wie sonst ist es möglich, dass bestimmte Eigenschaften einer bewerteten Gruppe von mehreren (unabhängigen) Bewertern geäußert werden?
3.2 Stereotypen besitzen einen wahren Kern
Triandis (1994) ist hier ganz anderer Meinung. Seines Erachtens besitzen Stereotypen immer einen wahren Kern. Jene Aussage mag kontrovers sein, gewinnt allerdings an Unterstützung, schaut man sich das 5-Komponenten Modell Geert Hofstedes an.
3.2.1 Geert Hofstedes 5-Dimensionen-Modell
In den späten 60er und frühen 70er Jahren untersuchte der Psychologe Geert Hofstede die kulturellen Unterschiede im Arbeitskontext. Hierzu wurden in 53 Ländern 116.000 IBM-Mitarbeiter befragt. Jene empirische Studie resultierte schließlich in den 4 Dimensionen für Kulturen, die heute einen kulturellen und gruppenbezogenen Überblick beziehungsweise Einblick geben können.Sie sind „Aspekte einer Kultur“ und lassen sich „im Verhältnis zu anderen messen und vergleichen“[1]. Später fügte Hofstede noch eine weitere Dimension hinzu, sodass sich letztendlich fünf Unterscheidungsdimensionen ergaben:
- PDI – Power Distance (Machtdistanz). Jene Komponente beschreibt das Verhalten der untersuchten Kulturgruppe bezüglich Macht.
- IDV –Individualism (Kollektivismus versus Individualismus) zeigt, welche der Haltungen bevorzugt wird, d.h. kollektivistisch oder individualistisch.
- MAS – Maskulinity (Maskulinität versus Femininität) schildert, ob eine Kultur eher maskulin oder feminin geprägt ist.
- UAI – UncertaintyAvoidance (Unsicherheitsvermeidung) veranschaulicht den Umgang mit Unsicherheit.
- LTO – Long-Term-Orientation (Langzeit- versus Kurzzeitorientierung) gibt die Größe des Planungshorizontes einer Gesellschaft an.
3.2.1.1 Konträre Ergebnisse: USA – Thailand
Auf diesen Kriterien basierend ergaben sich demzufolge verschiedene Ergebnisse im kulturellen Vergleich, die stereotypische Aussagen unterstützen könnten. Wie beispielsweise am Vergleich Thailand – USA sichtbar ist, scheinen diese Nationen kulturell gesehen sehr verschieden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 kulturelle Dimensionen Thailands nach Hofstede (2006)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 kulturelle Dimensionen der Vereinigten Staaten von Amerika nach Hofstede (2006)
Angefangen am Beispiel der Machtdistanz (PDI) lässt sich deutlich erkennen, dass die fernöstliche Kultur Thailands eine ungleiche Machtverteilung besitzt, wobei die Akzeptanz gegenüber jener ungleichen Machtverteilung von der Mehrzahl der dort lebenden Menschen akzeptiert wird. Dies äußert sich in verschiedenen Bereichen, wie etwa der Kindererziehung (d.h. Kinder müssen gehorsam sein und ihre Eltern mit Respekt behandeln), Bildung (statt Eigeninitiative der Schüler geht hier jegliche Initiative vom Lehrer aus), im Beruf (Mitarbeiter werden in Entscheidungen nicht miteinbezogen, sondern erwarten es, Anweisungen zu erhalten) und in der Politik (Tendenz zur Zentralisierung). Ganz anders verhält es sich hier in den USA, wo der PDI-Index um ca. 15 Punkte geringer ist, was bedeutet, dass hier die Auffassung existiert, dass die gesellschaftliche Ungleichheit so gering wie möglich sein sollte. Politisch gesehen bedeutet dies beispielsweise die Vorliebe für Demokratie, was ebenfalls in anderen Bereichen wie Bildung und Kindererziehung der Fall ist. Auch im beruflichen Alltag wünschen sich die Mitarbeiter ein Mitentscheidungsrecht. Im Allgemeinen wurde durch Hofstedes (2006) Untersuchungen gezeigt, dass neben den Vereinigten Staaten alle deutschsprachigen Länder, Skandinavien, Israel, Kanada und Großbritannien geringe Machtdistanzwerte zeigten. Im Gegensatz dazu wurden in den meisten asiatischen, osteuropäischen, lateineuropäischen und arabischen Ländern hohe Machtdistanzwerte gefunden.
Ein noch deutlicherer Unterschied ergibt sich bezüglich der Kategorie Individualismus vs. Kollektivismus (IDV). Während jenes Kriterium in Thailand nur 15 Punkte ausmacht, die USA jedoch 89 Punkte aufweist, findet sich hier eine Differenz von circa 74 Punkten. Wir haben es in Thailand also mit einer kollektivistischen Kultur zu tun. Exemplarisch bedeutet dies, dass Kinder dazu erzogen werden, „in Wir-Begriffen zu denken“[2]. Beziehungen stehen im Vordergrund, sodass die eigene Identität „im sozialen Netzwerk begründet ist, dem man angehört“[3]. Direkte Auseinandersetzungen werden aus diesem Grund umgangen. Typisch seien auch Großfamilien, wo Schutz und Loyalität von wesentlicher Bedeutung sind.
Das Gegenteil ist also der Fall für den Großteilder US-Amerikaner, wo jeder Mensch heranwächst, um primär für sich selbst und im Anschluss daran schließlich für seine direkte Familie zu sorgen. Während in Thailand noch vorrangig in „Wir- Begriffen“ gedacht wird hier dazu erzogen, in „Ich-Begriffen“ zu denken. Die eigene Identität begründet sich deswegen nicht im harmonischen Zusammenleben eines Netzwerkes, sondern im Individuum selbst. Meinungsverschiedenheiten werden nicht gemieden, um den gemeinschaftlichen Frieden zu wahren, da dies als unaufrichtig gelten würde. Stattdessen ist es in individualistisch orientierten Ländern wichtig, die eigene Meinung zu kommunizieren und gilt als Zeichen für Aufrichtigkeit. Während in kollektivistischen Gesellschaften wie Thailand der soziale Kontakt gegenüber dem Erledigen einer Aufgabe Vorrang hat, ist in den individualistisch geprägten USA das Gegenteil der Fall. Hier steht die Aufgabenausführung vor der zwischenmenschlichen Beziehung. So gilt es als Ideal, dass sich Einstellungen beziehungsweise Beförderungen im beruflichen Alltag allein durch Fertigkeiten und Regelungen ergeben, wohingegen dies in Thailand nur möglich sei, wenn die Wir-Gruppe des Mitarbeiters berücksichtigt würde[4].
Der nächste auffallende Unterschied liegt im Bereich Makulinität – Feminität (MAS). Dieser Index erzielte im US-amerikanischen Raum knapp 60 Punkte, im thailändischen jedoch nur die Hälfte. Die Ergebnisse sind konform mit denen der vorangegangenen Kategorie, was beispielsweise an der Interpretation des geringen Maskulinitätswert Thailands deutlich wird. Denn nach Hofstede (2006: 33)[5] sagen derartige Ergebnisse aus, dass die vorherrschenden Belange in einer Gesellschaft das Kümmern um Mitmenschen und das Bewahren der Werte seien (diese sozialfürsorgliche Auffassung war schon im hohen Kollektivismus-Wert Thailands vorzufinden). Materielle Werte seien demzufolge unwichtig, Bescheidenheit ist erstrebenswert. Neu und anders ist jedoch der Gleichklang der geschlechtsspezifischen Rollenverteilung. Denn während diese in maskulinen Gesellschaften klar gegeneinander abgegrenzt seien, finden wir in femininen (d.h. bei einem niedrigen MAS – Wert) Gruppenwie Thailand das Gegenteil vor. Hier ist es die Aufgabe beider Geschlechter sich um zwischenmenschliche Beziehungen zu bemühen und auch Männern wird zugestanden, sensibel zu sein. Das bedeutet zum Beispiel, dass auch im Familienverhältnis Mutter wie Vater für Gefühle aber auch Fakten zuständig seien. In der Schule wählen Jungen und Mädchen (im Idealfall) dieselben Fächer. Die hohen MAS – Ergebnisse der USA stehen neben der geschlechtsspezifischen Rollenverteilung auch für eine starke Erfolgsorientierung. Das bedeutet zum einen, dass die Erwartungshaltung gegenüber Männern Ehrgeiz und Härte sind, während die der Frauen Sensibilität und die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen darstellt. Jungen und Mädchen wählen in der Schule unterschiedliche Fächer und in der Familie ist der Vater Ansprechpartner für faktische Angelegenheiten, die Mutter für Gefühle. Zum anderen kennzeichnen diese Resultate die hohe Stellung von Geld und anderer materieller Dinge. Fairness, Wettbewerb und Leistung sind deswegen im Arbeitsalltag besonders wichtig (auch hier ist ein Bezug zum Individualitätsindex vorfindbar). Während in den feminineren Gesellschaften schulisches Versagen der Rede nicht wert sei, ist es in maskulinen Nationen katastrophal. Zu den maskulinen Ländern gehören gemäß Hofstedes (2006) Untersuchung die Slowakei, Japan, Ungarn, Österreich, Deutschschweiz, Venezuela und Italien sowie alle englischsprachigen Länder. Skandinavien, die Niederlande, lateinamerikanische und osteuropäische Länder zählen zu den Nationen mit femininen Idealen.
Eine ebenfalls merkliche Differenz zeigt sich in der Langzeit- bzw. Kurzzeitorientierung. Mit 50 Punkten in diesem Bereich zeigt Thailand eine Langzeitorientierung die sich in der „Anpassung von Traditionen an moderne Gegebenheiten“[6] zeigt. Demzufolge stehen die Beachtung der Tugenden und die Bereitschaft, sich für einen bestimmten Zweck unterzuordnen an oberster Stelle. Ziele sollen in jenen Kulturen durch Beharrlichkeit erreicht werden, Sparsamkeit ist erstrebenswert. Als Staaten mit charakteristischer Langzeitorientierung gelten alle ostasiatischen Länder. Europa befinde sich bis auf Großbritannien, Tschechien und Spanien im mittleren Bereich. Einen niedrigen Wert im LTO-Bereich zeigen neben den USA Pakistan, Tschechien, Spanien, die afrikanischen Länder sowie die Philippinen. Jene Kurzzeitorientierung äußert sich in der Erwartung schneller Ergebnisse und den „sozialen Druck beim Geldausgeben“, auch wenn sich dabei verschuldet wird. Sparsamkeit ist demzufolge eine untergeordnete Eigenschaft.
Der geringste Unterschied besteht im Faktor Unsicherheitsvermeidung. Während sich Thailand hier im mittleren Bereich befindet, zeigen die Vereinigten Staaten mit 40 Punkten eine schwache Unsicherheitsvermeidung. Kennzeichnend sind hier geringer Stress und ein „subjektives Gefühl des Wohlbefindens“[7]. Harte Arbeit wird demzufolge nur dann als sinnvoll aufgefasst, wenn sie tatsächlich notwendig ist. Präzision und Pünktlichkeit sind untergeordnet. Staaten mit einer schwachen Unsicherheitsvermeidung, wie beispielsweise auch Schweden, die Niederlande, Großbritannien und Irland, zeigen Toleranz gegenüber abweichenden Gedanken oder Verhaltensweisen und Innovationen. In der Kindererziehung sind lockere Regeln hinsichtlich Tabus kennzeichnend. Im schulischen Bereich sind Open-end Lernsituationen und Diskussionen bei den Schülern beliebt.
Da sich, wie schon erwähnt, Thailand im mittleren Spektrum befindet, sei an dieser Stelle die starke Unsicherheitsvermeidung von Nationen wie Frankreich, Belgien, Japan, Russland und Griechenland exemplarisch dargelegt. Sie äußert sich in der Begegnung der alltäglichen Unsicherheit. Denn anders, als beispielsweise in den USA wird diese als bedrohend empfunden und muss bekämpft werden. Diese Auffassung ist mit einem erhöhten Stresspotential und dem subjektiven Angstgefühl verbunden. Es gibt hier starre Regeln in der Kindererziehung hinsichtlich Tabus. Im schulischen Kontext müssen Lernsituationen strukturiert sein, richtige Antworten sind bei den Schülerinnen und Schülern beliebt. Innovationen wird hier mit Misstrauen oder Angst begegnet, abweichende Gedanken werden unterdrückt. Eine ähnliche Erfahrung konnte ich auch im Feldversuch beobachten.
3.2.1.2 Ähnliche Ergebnisse:USA – Deutschland
Wie im vorangegangenen Beispiel deutlich wurde, ergaben sich in Folge Hofstedes (2006) Studien signifikante Unterschiede im nationalen Vergleich zwischen Thailand in den USA. Zieht man nun noch die Ergebnisse Deutschlands hinzu, fällt hingegen die Ähnlichkeit zu den Vereinigten Staaten auf:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 kulturelle Dimensionen Deutschlands nach Hofstede
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 kulturelle Dimensionen USA nach Hofstede
Wie schon in den Graphiken ersichtlich, zeigen sich nur geringe bis gar keine Abweichungen in den Feldern Machtdistanz (PDI), Maskulinität – Feminität (MAS) und Langzeitorientierung (LTO). Nennenswert wäre neben der mittleren Unsicherheitsvermeidung Deutschlands (60 Punkte) im Vergleich zum geringeren UAI-Wert der USA (40 Punkte) vor allem die relativ hohe Differenz im Bereich Individualismus. Denn während die USA hier besonders hohe Ergebnisse (ca. 89 Punkte) aufzeigt, bewegt sich Deutschland (etwa 62 Punkte) im Mittelfeld, mit nur leichter Tendenz zum Individualismus.
Hofstedes (2006) empirische Studien verdeutlichen, dass Unterschiede zwischen Kulturen tatsächlich existieren. Die Vermutung, dass derartige Unterschiede zu Stereotypen werden und jene Vorurteile tatsächlich einen wahren Kern besitzen ist deswegen naheliegend. Im folgenden Abschnitt näher auf jene Annahme eingegangen werden, indem der Prozess des Stereotypisierens erläutert wird.
3.3 Fazit zum Wahrheitsgehalt von Stereotypen
Es wurde in diesem Abschnitt deutlich, dass Stereotypen an sich nicht wahr sind aber auf nachgewiesenen kulturellen oder sozialen Differenzen beruhen. Natürliche, sozial-und kognitionspsychologische Prozesse führen jedoch dazu, dass aus dem Unterschied ein Vorurteil werden kann. Wenn wir also Stereotypen überwinden wollen, darf deren Ursprung nicht unbeachtet bleiben.
4 Vom kulturellen Unterschied zum Vorurteil
Kulturelle Unterschiede führen in den meisten Fällen zu Stereotypen. Dafür gibt es drei bedeutende sozial- und kognitionspsychologische Gründe. Diese sind Ethnozentrismus, die konstruierte Wahrnehmung und die Kategorisierung. Diese legen den Grundstein für die Wahrnehmung von Unterschieden und können schließlich zur Bildung von Stereotypen führen. Hinzu kommt an dieser Stelle die Rolle der erziehenden Parteien (d.h. Familie, Freunde, Schule) sowie der Medien.
4.1 Ethnozentrismus
Nach Seelye (1994) bezeichnet Ethnozentrismus ein Syndrom, das sich durch drei Merkmale auszeichnet:
1. Integration und Loyalität gegenüber Mitgliedern der sogenannten „in-Group“
2. Feindliche Einstellung zwischen „in-“ und „out-Group“
3. Positive Selbstbetrachtung gegenüber dem abfälligen Stereotypisierens von Eigenschaften der „out-Group“
Lassen Sie mich zunächst kurz die Begriffe der „in-“ beziehungsweise „out- Group“ erläutern, bevor auf die Merkmale des ich auf die Merkmale des Ethnozentrismus eingehe. Als in-Group (dt. auch „Eigengruppe“) wird jene Gruppe bezeichnet zu der sich ein Individuum zugehörig fühlt und mit der er sich identifiziert. Diese Identifikation kann aufgrund verschiedener Merkmale erfolgen. Dazu gehören beispielsweise Alter, Nationalität, Religion oder auch Sexualität. Im Gegensatz dazu stellt die „out-Group“ oder auch „Fremdgruppe“ die Gruppe dar, mit der sich das Individuum nicht verbunden fühlt. Die sozialen Beziehungen, die zu einem „Wir-Gefühl“ wie in der Eigengruppe führen, fehlen hier. Jene Divergenz zwischen Eigen-und Fremdgruppe kann in kürzester Zeit zu Stereotypen führen, wie das Minimalgruppen-Experiment Henri Tajfels im Jahr 1986 (vgl. Tajfel& Turner 1986) zeigte.
In diesem Experiment wurden die Probanden in zwei Versuchsgruppen, geteilt, die man vorher durch Zufall (Münzwurf) oder aufgrund trivialer Eigenschaften zusammengestellt hatte. Die Versuchspersonen kannten sich vorher nicht. Dann wurden sie gebeten einen gewissen Geldbetrag unter zwei anderen Versuchsteilnehmern aufzuteilen. Dabei war ihnen nicht bekannt, wer jene Teilnehmer waren, sondern lediglich, ob sie zur eigenen Gruppe gehörten oder zur Fremdgruppe. Ebenso wurde ihnen enthalten, welche Personen explizit zur Eigen- beziehungsweise Fremdgruppe gehörten und ob sie diese später kennenlernen würden. Beide Gruppen bestanden demzufolge nur in der Vorstellung der Probanden und wurden deswegen als Minimalgruppen definiert. Trotzdem führte das Experiment zu dem Ergebnis, dass die Versuchspersonen die Mitglieder der eigenen Gruppe deutlich bevorzugten – waren sie ihnen auch unbekannt. Die Mitglieder der out-Group wurden zwar fair behandelt, aber dennoch benachteiligt. Da sich die Probanden mit der eigenen Gruppe identifiziert hatten, spricht man an dieser Stelle auch von der sozialen Identität.
Wie durch die Ergebnisse jenes Experimentes verdeutlicht wurde, bedarf es noch nicht einmal des abfälligen Stereotypisierens beziehungsweise einer feindlichen Einstellung gegenüber der Fremdgruppe, um die Entwicklung des Ethnozentrismus auszulösen. Allein die Identifikation mit der Eigengruppe scheint auszureichen, um eine fremde Gruppe zu benachteiligen. Dennoch geht aus dem Experiment Tajfels (1986) noch nicht klar hervor, dass aus der Benachteiligung tatsächlich Vorurteile oder Stereotypen resultierten. An dieser Stelle tritt jedoch die Denkweise des Ethnozentrismus ein, die besagt, dass die Normen der eigenen Kultur die richtigen wären und anhand derer die andere (sozusagen die „Fremd-Kultur“) bewertet wird. Je weiter die Normvorstellungen der anderen Kultur von denen der eigenen abweichen, desto negativer werden sie empfunden und oft auch als „falsch“ degradiert[8].
Man mag hier vermuten, dass nur fremdenfeindliche Individuen über jenen Ethnozentrismus verfügen, was jedoch nur teilweise richtig ist. Sicher ist wohl dass letzterer bei Menschen mit Xenophobie stärker ausgeprägt ist. Dennoch scheint der Prozess, der zum Ethnozentrismus führt nicht nur natürlich, sondern sogar lebensnotwendig zu sein, da er eng verknüpft ist mit der konstruierten Wahrnehmung.
4.2 Konstruierte Wahrnehmung und kognitive Vereinfachung
Anstelle hier mit einer konkreten Definition von „konstruierter Wahrnehmung“ zu beginnen, möchte ich Ihnen kurz an einem Beispiel verdeutlichen, dass diese einem natürlichen Prozess unterliegt und auch Sie Ihre Wahrnehmung konstruieren. Schauen sie sich dazu bitte folgende Grafik[9] an:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Haben Sie auch gelesen „Paris in the spring“? Dann ist dies der Beweis für die Konstruktion der Wahrnehmung. Denn tatsächlich steht im Inneren der Pyramide geschrieben „Paris in thethe spring“. Der englische Artikel ist doppelt vorhanden, wird jedoch von unserem Gehirn nicht wahrgenommen, da wir im Laufe unseres Lebens beziehungsweise Englischunterrichtes lernten, dass ein Artikel nicht in doppelter Form vor einem Nomen auftaucht. Wir lesen demzufolge nur „Paris in the spring“ und nehmen das tatsächliche Vorhandensein des doppelten Artikels nicht wahr.
Lippmann (1949) erklärt jenes Phänomen mit der Funktion unseres Gehirns, den tatsächlichen Input zu filtern, denn würden wir jegliche Information, die uns im alltäglichen Leben begegnet aufnehmen, wäre unser Gehirn derartig überlastet, dass eine Wahrnehmung nicht mehr möglich wäre. Wir ordnen demzufolge die aufgenommene Information bestimmten Kategorien zu und erstellen einen sogenannten Prototyp.
4.3 Kategorisierung
Zwei Beispiel hierzu: Man stelle sich vor, man ist nachts mit dem Auto unterwegs. Die Straßen sind leer, aber plötzlich tauchen zwei weiße Lichter auf der Gegenfahrbahn auf. Wir gehen folglich davon aus, dass es sich um ein anderes Auto handeln muss. Einem Schiff oder Flugzeug auf der Straße zu begegnen ist gemäß unserer Erfahrungen unmöglich. Je nachdem, ob sich die entgegenkommenden Lichter höher oder niedriger befinden, können wir sogar unterscheiden, ob es sich um ein Auto oder einen Bus beziehungsweise Lastkraftwagen handelt. Ebenso können wir von der Farbe der Lichter entscheiden, ob sich das Fahrzeug auf uns zu bewegt, oder ob es vor uns fährt. Ein weiteres Beispiel, in dem uns unsere konstruierte Wahrnehmung einen Streich spielt, ist folgendes: Sicherlich ging es Ihnen auch schon einmal so, dass Sie sich in einem Geschäft haben von einer Schaufensterpuppe hinter oder neben ihnen erschrecken lassen, weil Sie davon ausgingen, es handele sich um eine Person. Auch hier nimmt unser Gehirn die typisch menschlichen Eigenschaften (Größe, Hautfarbe, Gliedmaßen usw.) wahr und ordnet es in die Kategorie „Mensch“ ein, obwohl es sich in Wirklichkeit um eine Puppe handelt.
In ähnlicher Weise funktioniert auch die Bildung von Stereotypen. Jedoch besteht hier das Problem, dass sich das Denken in Kategorien längerfristig festsetzt (vgl. Klauer 2008: 23). Man spricht an dieser Stelle insbesondere von sozialen Kategorien, die Klauer wie folgt definiert:
„Soziale Kategorien sind Gruppen von Menschen, die im sozialen Miteinander häufig zusammengefasst gesehen, diskutiert und bewertet werden. Grundlage der Zusammenfassung kann ein äußerlich sichtbares Merkmal sein, wie die Hautfarbe oder das Geschlecht, oder eine geteilte Überzeugung, wie die Religions-oder Parteizugehörigkeit, aber auch die Ähnlichkeit zu einem Typ von Mensch wie zum Beispiel dem Typ „Karrierefrau“. Kategorien betreffen Gruppierungen mit einigem zeitlichen Bestand. Sie können unterschiedlich umfangreich sein, und einzelne Kategorien können in Subkategorien zerfallen. Zum Beispiel können in der Kategorie der Europäer Subkategorien, Deutsche, Engländer, Franzosen und so weiter, unterschieden werden. Jeder Mensch ist Mitglied vieler sozialer Kategorien.“ (Klauer 2008: 23)
Der Definition Klauers sei zunächst zuzustimmen, jedoch muss ergänzt werden, dass der Prozess der Kategorisierung nicht willentlich geschieht, sondern ein natürlicher Vorgang der kognitiven Vereinfachung, wie schon oben erwähnt. Ebenfalls möchte ich an dieser Stelle betonen, dass jeder Mensch Mitglied vieler sozialer Kategorien sei. Das bedeutet also nicht nur, dass jeder von uns durch den natürlichen Prozess des Kategorisierens der Erstellung von Stereotypen schuldig ist, sondern gleichzeitig auch Opfer von Vorurteilen werden kann. Das Bewusstsein über jenen Sachverhalt ist insbesondere für die später vorgestellten gestaltpädagogischen Möglichkeiten von großer Bedeutung.
Who said what? – Paradigma Taylors et al. (1978)
Die soziale Kategorisierung verläuft spontan, wie das klassische Experiment von Taylor, Fiske und Ruderman (1978) beweist. Hier wurden die Probanden gebeten, einer Diskussion von sechs Männern, die aus Vorschlägen bezüglich einer Werbekampagne bestand, zu folgen. Von diesen sechs Männern waren drei schwarz und drei weiß. Die Diskussion wurde den Versuchspersonen von einem Tonband vorgespielt, wobei ein Diaprojektor das Bild des jeweiligen Sprechers zeigte. Die Testpersonen sollten nun entweder dem Gespräch einfach folgen oder sich für einen späteren Test merken, wer welchen Vorschlag gemacht hatte.
Danach legten die Testleiter den Probanden Fotos der Diskussionsteilnehmer sowie eine Liste der gemachten Vorschläge vor. Nun sollten die Fotos den Vorschlägen zugeordnet werden.
Taylor et al. (1978) konzentrierten sich hierbei auf die Fehler, die beim Zuordnen gemacht wurden. Dabei unterschieden sie zwei Typen: Zum einen Fehler, die sogenannte Kategoriegrenzen überschritten (d.h. die Aussage eines weißen Diskussionsteilnehmers wurde der eines schwarzen zugeordnet) und Fehler, die innerhalb der Kategoriegrenze gemacht wurden (d.h. die Aussage eines weißen Diskussionsteilnehmers wurde beispielsweise einem anderen weißen Sprecher zugeordnet). Das Ergebnis jener Untersuchung war folgendes:
„Das wesentliche Resultat bestand darin, dass die Fehler innerhalb der Kategorien deutlich und signifikant häufiger auftraten als die Fehler zwischen den Kategorien. Das bedeutet, dass die Kategorisierung nach Hautfarbe spontan erfolgte und bei den Zuordnungen verwendet wurde, obwohl den Versuchspersonen nicht bewusst war, dass die Hautfarbe irgendeine Rolle spielen könnte. Der Effekt zeigt sich insbesondere auch bei den Versuchsteilnehmern, die gar nicht auf einen späteren Zuordnungstest vorbereitet waren.“ (Klauer 2008: 25)
Auch hier sei noch einmal angemerkt, dass die Zuteilung nicht nur spontan war, sondern meines Erachtens ebenfalls einem kognitiven Sparprozess unterlag. Doch wie schon Tajfels (1986) Minimalgruppen - Experiment zeigte, besteht eine weitere Prozesseigenschaft des Kategorisierens in der sogenannten Akzentuierung beziehungsweise kategorialen Differenzierung, also der Unterscheidung zwischen Eigen-und Fremdgruppe mit verbundener Präferierung.
4.4 Sozialisation und selbsterfüllenden Prophezeiung
4.4.1 Entstehung und Festigung von Vorurteilen
Das Aufkommen von Stereotypen beginnt also zunächst damit, dass, wie schon im vorangegangenen Abschnitt erwähnt, wir uns in einer bestimmten gesellschaftlichen Eigengruppe bewegen. Diese ist immer auch mit Werten und Normen verbunden. Alles, was hiervon abweicht, wird als fremd wahrgenommen.
Der nächste Schritt ist die Begegnung mit dem Fremden.Zumeist passiert dies im Kindesalter zunächst über eine Quelle in der Eigengruppe. Dies können beispielsweise die Eltern sein, die Bewohner der ehemaligen DDR als „faul“ bezeichnen, oder eine Tante, die im Ausland war und hiesige Menschen als „warmherzig“ oder „unpünktlich“ empfand. Kinder besitzen jedoch noch zu wenig Weltwissen, um sich hier eine eigene Vorstellung machen zu können, sodass die Aussagen der Familienangehörigen, Peergroup, Lehrer oder anderer Personen noch als „wahr“ hingenommen werden.
Anschließend braucht es nur noch eine ähnliche Aussage von einer zweiten Quelle, um das Vorurteil zu festigen, wie eine Befragung von Barrett & Short (1992) bestätigte.
Hier wurde die Auffassung von 216 englischen Kindern im Alter von 5 bis 10 Jahren von Deutschen, Italienern und Franzosen untersucht. Ältere Kinder ordneten den Nationen dabei differenziertere Eigenschaften zu. Dies ist meines Erachtens rückzuführen auf das erweiterte Weltwissen der Kinder – zeigt aber auch, dass sich soziale Kategorien schrittweise festigen und erweitern. Die Kinder zwischen 8 und 10 Jahren ordneten demzufolge den Deutschen die Merkmale aggressiv und hart arbeitend zu, die Spanier und Italiener wurden als friedlich bezeichnet. Auf Nachfrage, woher die getesteten Kinder denn Ihre Informationen bezogen hätten, wurde neben den Eltern und Schulfreunden vor allem das Fernsehen genannt.
Es könnte also möglich sein, dass Kinder von einem Familienmitglied erzählt bekommen „Deutsche sind aggressiv“ und definieren damit die Fremdgruppe sowie eine zugeordnete Kategorie. Erfährt nun das Kind eine ähnliche Beurteilung der Deutschen durch eine andere Quelle, wird jene Aussage gefestigt. Das Kind geht unbewusst davon aus, dass die Deutschen aggressiv seien, da es jene Auslegung aus verschiedenen Überlieferungen erfuhr. Im Folgenden werden gemäß gesteuerter Wahrnehmung dann nur noch diese Theorie unterstützenden Merkmale wahrgenommen. Konträre Beweise werden eliminiert. So kann dasselbe englische Kind als Jugendlicher während eines Schulaustausches in Deutschland Gleichaltrige kennenlernen und wird dabei von einer aggressiven Haltung der Deutschen ausgehen. Damit werden zwei Phänomene angestoßen. Erstens wird sich das englische Kind vorrangig auf hitzige Eigenschaften konzentrieren; konträre Eigenschaften werden dabei kaum bis gar nicht wahrgenommen. Zweitens wird sich gemäß der Einstellung, dass Deutsche hitzig seien, eine Anti-Haltung einstellen (z.B. abweisendes oder aggressives Verhalten, Angst etc.). Jene Haltung ruft sodann die vermutete Aggressivität beim Gegenüber hervor, da die stigmatisierte Person vermutlich das unpassende Verhalten nicht nachvollziehen kann.Die Soziologie beschreibt jenen Effekt als selbsterfüllende Prophezeiung (Vgl. Greitemeyer 2008: 80 ff.) und ist in jedem Bereich des täglichen Lebens auffindbar, wie bereits durch mehrere Studien gezeigt wurde.
4.4.2 Selbsterfüllende Prophezeiung – Rosenthal & Jacobson (1968)
Ein Beispiel aus dem schulischen Bereich zur selbsterfüllenden Prophezeiung wurde durch die Studie Rosenthals und Jacobsons (1968) erbracht. Hierbei wurde der Intelligenzquotient von Schülern einer Schulklasse zum Jahresbeginn gemessen. Den Lehrern erzählte man, dass so herausgefunden werden könne, welche Kinder im kommenden Jahr besonders große akademische Fortschritte machen würden. Diese Kinder wurden als „latebloomers“ bezeichnet, jedoch tatsächlich per Zufall (Losentscheid) ermittelt. Acht Monate später mussten alle Kinder noch einmal denselben Intelligenztest bearbeiten. Das Ergebnis war schließlich, dass alle „latebloomers“ im Vergleich zu den anderen Schülern und Schülerinnen tatsächlich einen IQ-Zuwachs verzeichnen konnten.
Dieses Phänomen konnte von nachfolgenden Studien unterstützt und erweitert werden. Demzufolge sei die Leistungsveränderung gemäß selbsterfüllender Prophezeiung in beide Richtungen möglich. Das heißt, gingen die Lehrer von einem Leistungszuwachs (Pygmalion-Effekt) aus, trat dieser ein – genauso wenn an einen Leistungsabfall (Golem-Effekt) geglaubt wurde.
5 Relevanz und Wirkungen von Stereotypen und Vorurteilen
5.1 Allgemeine Relevanz
Vorurteile gelten als gesellschaftlich verpönt, als „unakzeptabel“ und „negativ“. Warum aber ist das so, wurde doch eben noch bewiesen, dass jeder Mensch des Stereotypisierens schuldig ist? Laut Petersen und Six (2008) werden in der Literatur hierfür zwei Klassen der Begründungen aufgeführt.
Die sozial-normativen Gründe, die gegen Vorurteile sprechen beruhen auf der Verletzung folgender Normen: a) die Norm der Rationalität, da vorschnell über andere Menschen geurteilt wird, b) die Norm der Gerechtigkeit, da diese verlange, alle Menschen gleich zu behandeln und c) die Norm der Mitmenschlichkeit, „die Toleranz und Humanität von allen für alle verlangt“ (Petersen &Six 2008: 271).
Auf der ökonomisch-monetären Seite wird argumentiert, dass durch Vorurteile und soziale Diskriminierungen gesellschaftliche Konflikte entstünden, die wiederum in Unruhen, Streiks oder kriminellen Handlungen resultieren könnten. Für Organisationen könne dies zur einer negativen Beeinflussung der Produktivität oder des Organisationsklimas führen. Auf den schulischen Kontext würde dies beispielsweise die Einschränkung der Lernfähigkeiten oder Konflikten führen, die ebenfalls den Lernprozess verhindern. Andererseits gilt die Schule auch als institutionelle Vorbereitung auf das Leben als Erwachsene, die sozial und interkulturell gebildet sind. Weiterführende Gründe, die für die Beseitigung von Voreingenommenheit und Stereotypen sprechen gibtes deswegen sicherlich viele.
Im historisch-politischen Kontext erinnere man sich beispielsweise an den Kolonialismus oder an Deutschland im Nationalsozialismus, wo Vorurteile geschickt genutzt wurden, um politische Ziele durchzusetzen. Auch heute sollte man Stereotypen gegenüber die Augen offenhalten. Der Handelsraum wurde vom nationalen auf den internationalen Raum ausgedehnt und erfordert einerseits die Berücksichtigung kulturelle Differenzen sowie einen rücksichtsvollen Umgang mit ihnen, wenn es beispielsweise zu internationalen Transaktionen und internationaler Zusammenarbeit kommt. Andererseits sehe ich auch hier ein Zusammenwirken von Politik und Wirtschaft, die sich verschiedener Stereotypen bedienen, um Drittweltländer auszubeuten.
Da der schulische Bereich später meiner Arbeitswelt entsprechen wird, möchte ich mich jedoch im folgenden Abschnitt durch die Darstellung des Stereotype Threat Experiment den negativen Auswirkungen von Vorurteilen noch einmal gesonderte Aufmerksamkeit schenken und jene Auswirkungen exemplarisch und empirisch festhalten.
Daneben möchte ich die curriculare Relevanz der Vorurteilsbeseitigung darstellen. Dabei werde ich mich zum einen auf die fächerübergreifenden Kompetenzen und zum anderen auf die fachlichen Inhalte im Fremdsprachenunterricht Französisch berufen.
5.2 Relevanz für Lehrer : Keller &Dauenheimer (2003)
Kellers &Dauenheimers (2003) Stereotype Threat Experiment konnte die negativen Auswirkungen von Vorurteilen im Klassenzimmer empirisch belegen. Sie machten gleichzeitig darauf aufmerksam, dass auch Lehrer des Stereotypisierens schuldig sind und zeigten die Folgen auf, die jenes Verhalten auf die Leistungsfähigkeit der Schüler hatte.
Die sogenannte Stereotype ThreatTheory begründet sich auf dem Faktum, dass jedes Individuum einer bestimmten sozialen Kategorie angehörtund dem Wissen darüber, aufgrund jener Zugehörigkeit Opfer von Vorurteilen zu werden. Dieses bedrohende Angstgefühl wird in der Sozialpsychologie als „Stereotype Threat“ (ST) bezeichnet. Jenes Gefühl tritt laut Keller (2008) genau dann auf, wenn sich Individuen
„in einer Situation befinden, in der sie befürchten (a) auf Basis von negativen Stereotypen beurteilt zu werden bzw. (b) durch ihr eigenes Verhalten negative Stereotypen bezüglich ihrer Gruppe unbeabsichtigerweise zu bestätigen.“ (Keller 2008: 88)
In Verbindung mit jener Angst wurde herausgefunden, dass ST-getestete Probanden deutlich schlechtere Testergebnisse erzielten, wenn sie sich mit der stigmatisierten Gruppe identifizierten – obwohl das tatsächliche Leistungsvermögen jener Personen bessere Ergebnisse hätte zulassen müssen[10]. Es wird hierbei angenommen, die Konfrontation mit negativen Stereotypen zu einer Distanzierung gegenüber einem bestimmten (Themen-) Bereich führe. Jene Annahme konnte durch folgendes Feldexperiment durch Keller und Dauenheimer (2003) empirisch belegt werden.
Hierbei wurden Schülerinnen und Schüler einer 10. Klassenstufe verschiedener Realschulen gebeten, einen Mathematiktest zu lösen. Dabei teilte man die Klassen in zwei Gruppen. Die erste Gruppe erhielt vor dem Lösen der Aufgaben einen Text, der den nachfolgenden Test als „eine Zusammenstellung von Aufgaben“ beschrieb, der in vorangegangenen Studien eine unterschiedliche Leistung von Jungen und Mädchen feststellte, wobei die männlichen Testpersonen angeblich bessere Leistungen erzielt hätten.
Die zweite Gruppe erhielt ebenfalls einen Text, der die Aufgabenstellung als bereits getestete Studie kenntlich machte, jedoch schnitten in jener fiktiven Studie Mädchen und Jungen gleich ab.
Der eigentliche Mathematiktest war dagegen für jede der beiden Gruppen derselbe. Keller &Dauenheimer (2008) wollten auf diese Weise die Anwendbarkeit der STT auf den Geschlechtsstereotyp Jungen seien besser in Mathematik als Mädchen untersuchen. Die Bestätigung jener Theorie zeigte sich schließlich in den Ergebnissen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 Mathematikleistung als Funktion der Beschreibung des Tests nach Keller &Dauenheimer (2003)[11]
Wie deutlich zu sehen ist, erzielten die Mädchen, deren Test die geschlechtsneutrale Information bezüglich mathematischer Leistung vorausging, deutlich bessere Ergebnisse. Sie übertrafen damit sogar das Ergebnis der Jungen, die derselben Gruppe angehörten. Dies würde beweisen, dass das Vorurteil in jener Gruppe nicht anwendbar war, das heißt die Mädchen konnten sich nicht mit dem Stereotyp, dass Mädchen schlecht in Mathematik seien, identifizieren. Im Umkehrschluss sei nun das Ergebnis der Jungen vergleichend herangezogen. Die männlichen Testpersonen erzielten gemäß der STT nämlich genau dann bessere Ergebnisse, wenn sie sich der stereotypisierten Gruppe des mathematisch-begabten Geschlechts zugehörig sahen – was der Fall war, wenn sie vor dem Test die Information erhalten hatten, dass Jungen besser als Mädchen abschnitten.
Nach Keller (2008) beweise dieses Ergebnis nicht nur, dass das Vorurteil von Leistungsunterschieden gemäß bestimmter sozialer Gruppen angezweifelt werden könne, sondern auch den Einfluss von angewendeten Stereotypen auf die Leistung.
Wenn es um die Lösung von Stereotypen im Schulalltag geht, sollte man deswegen neben der Schulung von Kindern und Jugendlichen, auch in der Ausbildung der Lehrer jene Problematik aufgreifen. Dies sollte nicht nur im Studium oder im Vorbereitungsdienst geschehen, sondern ebenfalls durch Weiterbildungsangebote kontinuierlich verbessert werden.
5.3 Der hessische Lehrplan
5.3.1 Rahmenkompetenzen
Die Behandlung von Vorurteilen und Stereotypen in der Schule ist nicht explizit durch bildungspolitische Richtlinien festgelegt. Jedoch ergibt sich für alle Fächer der Sekundarstufe I die Möglichkeit, jene Thematik im Kontext des Kompetenzenmodels anzubringen. Als Beispiel sei hier der Curriculum im Fach Ethik(Sekundarstufe I)[12] dargestellt, der eine Auseinandersetzung mit Vorurteilen oder interkulturellen Differenzen vor allem im Bereich der Sozialkompetenz vorsieht:
„Sozialkompetenz
- Soziale Wahrnehmungsfähigkeit: Die Lernenden nehmen unterschiedliche Bedürfnisse, Emotionen,Überzeugungen sowie Interpretationen sozialer Realität in Beziehungen (Partner,Gruppen, größere Gemeinschaften, Gesellschaften) wahr. Sie versetzen sich in die Lage anderer(Empathie, Perspektivenübernahme), erfassen und reflektieren den Stellenwert ihres eigenenHandelns.
- Rücksichtnahme und Solidarität: Die Lernenden respektieren die Meinungen und Verhaltensweisenanderer, sie sind aufmerksam gegenüber ihren Interaktionspartnern, nehmen Anteil anderen Wohlergehen und zeigen Solidarität.
- Kooperation und Teamfähigkeit: Die Lernenden bauen tragfähige Beziehungen zu anderenauf, respektieren die bestehenden sozialen Regeln und arbeiten produktiv zusammen. Sie tauschenIdeen und Gedanken mit anderen aus, bearbeiten Aufgaben in Gruppen und entwickelnso eine allgemeine Teamfähigkeit.
- Umgang mit Konflikten: Die Lernenden vertreten ihre Interessen in Konflikten engagiert, abernicht aggressiv und verletzend. Sie begründen ihre Position und tragen zu konstruktiven Lösungenbei.
- Gesellschaftliche Verantwortung: Die Lernenden übernehmen Mit-verantwortung innerhalbder demokratischen Gesellschaft, sie achten und schützen die demokratischen Grundrechteund nehmen ihre Mitsprache- und Mitgestaltungsrechte wahr.
- Interkulturelle Verständigung: Die Lernenden nehmen die kulturelle Prägung von Kommunikation,Handlungen, Werthaltungen und Einstellungen wahr. Sie sind aufgeschlossen gegenüber anderen Kulturen und reflektieren ihre eigenen Positionen und Überzeugungen in derKommunikation mit Menschen anderer kultureller Prägung.“ (Auszug aus dem hessischen Lehrplan Ethik, Sekundarstufe I, S. 8f.)
Im Bereich der sozialen Wahrnehmungsfähigkeit gilt es folglich den Jugendlichen soziale oder kulturelle Unterschiede zunächst bewusst zu machen, um daraufhin bestimmte Verhaltensweisen zu erläutern, die als andersartig gelten und demzufolge zu Vorurteilen führen könnten. Neben dem respektvollen Umgang mit dem Fremden (vgl. dazu auch „Rücksichtnahme und Solidarität“) sollen die Schülerinnen und Schüler hier lernen, sich in die Situation des anderen zu versetzen, um schließlich nicht nur das eigene Handeln, sondern auch das des anderen nachvollziehen zu können.
Der nächste augenfällige Punkt im Bereich Sozialkompetenz ist das Lernen der „gesellschaftlichen Verantwortung“. Neben der Wahrung demokratischer Grundrechte sehe ich hier insbesondere auch das verantwortungsvollen Verhaltengegenüber andersartigen Einstellungen beziehungsweise das Abstellen vorurteilsbehafteter Gedanken, um demokratisches Handeln gewährleisten zu können.
Am eindeutigsten wird jedoch im letzten Teilaspekt „Interkulturelle Verständigung“ auf einen vorurteilsfreien Umgang wertgelegt. Dies betrifft vor allem die Beziehung zu anderen Kulturen sowie die Bewertung kulturell geprägter Handlungen als solche.
5.3.2 Curriculum für das Fach Französisch
Auch im Fremdsprachenunterricht wird der Bedeutung von interkulturellen Fähigkeiten ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit geschenkt. Zwar finden auch hier die Begrifflichkeiten „Vorurteil“ beziehungsweise „Stereotyp“ keine eindeutige Nennung, jedoch lassen diverse Themenfelder des hessischen Lehrplans die Einführung jener Begriffe und die damit verbundenen Probleme offen. So wären beispielsweise gleich eingangs die Ziele des Französischunterrichts genannt, wobei eine besondere Betonung interkultureller Kompetenzen auffällig ist:
„Erstes Ziel des Französischunterrichts ist die Entwicklung der mündlichen und schriftlichen Kommunikationsfähigkeit zur Bewältigung von außerschulischen Sprachverwendungssituationen bei Aufenthalten im Ausland, im beruflichen Umfeld, im Kontakt mit ausländischen Bürgern (themenbezogene Unterhaltung) und im akademischen Studium. Interkulturelles Lernen steht daher im Mittelpunkt des Französischunterrichts. Dies schließt erste Begegnungen mit fiktionalen Texten der frankophonen Literatur ein.
Dem Französischunterricht kommt im Rahmen der sich weiter entwickelnden bilingualen Bildungsangebote eine besondere Bedeutung zu, denn der bilinguale Sachfachunterricht erfordert großes sprachliches Können sowie eine erweiterte interkulturelle Kompetenz. Auf diese dynamische Entwicklung und die damit verbundene Forderung nach Mehrsprachigkeit der europäischen Bürgerinnen und Bürger muss sich schulische Bildung in Hessen, insbesondere gymnasiale Bildung, einlassen, um im internationalen Wettbewerb weiterhin bestehen zu können.“ (Auszug aus dem hessischen Lehrplan Französisch 2001: 3)
Zunächst sehe ich hier eine Anwendungsmöglichkeit in der „Bewältigung außerschulischer Sprachverwendungssituationen“, da ein Zugehen auf Menschen, die eine andere Sprache sprechen, nicht nur Mut, sondern in gleichem Maße auch eine Loslösung von Vorurteilen erfordert. Noch deutlicher wird die Bewusstwerdung jener Problematik jedoch in folgenden Punkten: „Aufenthalten im Ausland“, „Kontakt mit ausländischen Bürgern“ sowie im Zentralbegriff des „Interkulturellen Lernens“, welcher noch einmal gesonderten im thematischen Abschnitt des hessischen Lehrplans betont wird:
„Inhalte/Themen des Französischunterrichts:
a) Interkulturelles Lernen
Die Unterrichtsinhalte (Situationen, Themenbereiche) der gesamten Sekundarstufe I orientieren sich an dem übergeordneten Thema „Begegnung mit dem Anderen“. Dies schließt sowohl die reale Begegnungssituation in Form von Begegnungsprogrammen ein (Kennenlernen der Alltagssituationen im Zielland) als auch die virtuelle Begegnung mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie als auch die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Geschichte und Kultur des anderen Landes.“(Auszug aus dem hessischen Lehrplan Französisch 2001: 5)
Wie deutlich zu erkennen ist, zielt vor allem die Sekundarstufe I auf die Begegnung mit Sprechern der Fremdsprache. Es kann erst hierbei, aber auch schon vorher zur Bildung von Stereotypen kommen oder gekommen sein. Für den ersten der beiden Fälle, wäre es von äußerster Wichtigkeit, als Lehrer Vorurteile nicht erst entstehen zu lassen. Für den zweiten Fall bietet sich an dieser Stelle eine gute Gelegenheit, mit den bereits gebildeten Vorurteilen aufzuräumen. Es könnte dafür entweder eine Doppelstunde oder gar eine Projektwoche genutzt werden.
Ein ganz anderer Schwerpunkt findet sich jedoch in den Richtlinien der Sekundarstufe II wieder. Hier wird ganz eindeutig auf die Stereotypen-Problematik eingegangen:
„Fachliche Kompetenzen
Im Rahmen der faclichen Kompetenzerweiterung setzt der Unterricht in der gymnasialen Oberstufe besondere Akzente auf kulturelle und ästhetische Kompetenzen. Sachtexte vermitteln fachliches Faktenwissen und ermöglichen darüber den Zugang zu kulturellen, gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Sachverhalten und Kontroversen in historischer und aktueller Sichtweise. Im Sinne einer rezeptionsästhetisch orientierten Literaturdidaktik erfahren Schülerinnen und Schüler bei der Beschäftigung mit Literatur die Wirkung künstlerischer Gestaltungsmittel als kreativen Prozess, indem sie aktiv an der Erschließung eines literarischen Textes beteiligt werden und somit der kreative Gebrauch der Fremdsprache angeregt wird. Die Auseinandersetzung mit fiktionalen und nichtfiktionalenTexten ist Teil eines umfassenden zielsprachlichen Kulturunterrichts, der die traditionellen Teilbereiche Sprache, Landeskunde und Literatur miteinander verbindet. Vorrangige Zielsetzung im fremdsprachlichen Unterricht ist das interkulturelle Lernen, das über Fremderfahrung zur eigenen Identitätsfindung führt. Dazu gehören:
- Schärfung der interkulturellen Wahrnehmung
- Vertiefung eines Problembewusstseins im Bereich von Auto- und Hetero-Stereotypen
- Erwerb von Kategorien zur Systematisierung kultureller Handlungsmuster
- Erwerb einer der interkulturellen Situationangemessenen Handlungskompetenz
- interkulturelle Reparaturtechniken
- Sensibilisierung für die Grenzen interkulturellen Verstehens
- Befähigung zur Empathie und (aktiven) Toleranz gegenüber dem Fremden“ (Auszug aus dem hessischen Lehrplan Französisch 2001: 11)
In Übereinstimmung mit dem hessischen Lehrplan ist es meines Erachtens also von sehr hoher Wichtigkeit, die Schüler und Schülerinnen auf jene Problematik aufmerksam zu machen.
6 Überwindung von Vorurteilen im gestaltpädagogischen Kontext
Pates et al. (2010) benennen mehrere pädagogische Konzepte, die der Überwindung der sozialen oder kulturellen Diskriminierung dienlich sind. Dabei unterscheiden sie zwischen allgemeinen, „merkmalsübergreifenden“ Konzepten, wie beispielsweise die Menschenrechtspädagogik oder die Friedens-und Toleranzerziehung, und den Schulen, die Vielfaltsmerkmale und damit verbundene Konflikte behandeln sollen. Zu dieser Gruppe gehören beispielsweise die interkulturelle oder die integrative Pädagogik.
Allen diesen Erziehungswissenschaften sei gemein, dass sie Probleme, die aus soziale Ungerechtigkeiten und Fragestellungen ergeben, ins pädagogische Feld übertrugen und hier bearbeiten. Ebenfalls sei ihre Funktionsweise identisch, da keiner der Ansätze weder einen Zusatz zur „Regelpädagogik“, noch eine einmalige „pädagogische Intervention“ darstelle (vgl. Pates et al. 2010: 79). Stattdessen „begreifen sie ihr Wirken als Querschnittaufgabe, die als entsprechende Grundhaltung alle Bereiche von Bildung und Erziehung überformen soll.“ (Pates et al. 2010: 79)
Dem sei sicherlich zu zustimmen. Ich denke, dass sich speziell entwickelte Erziehungsansätze für den sozialen und kulturellen Bereich vortrefflich eignen. Im Jahr 2010 nahm ich jedoch an einem von Prof. Dr. Burow geleiteten Gestaltpädagogik-Seminar teil und bin seitdem von der Anwendung jener Methoden überzeugt. Ich denke, dass sich für die Lösung von Vorurteilen im schulischen Kontext insbesondere jene Pädagogik geeignet ist. Dazu muss jedoch zunächst darauf eingegangen werden, wodurch sich diese auszeichnet.
6.1 Definition Gestaltpädagogik
Die Gestaltpädagogik entwickelte sich aus verschiedenen psychologischen und therapeutischen Strömungen. Nach Reichel & Scala (1996) zählen zu diesen beispielsweise die Humanistische, die Tiefen- und Gestaltpsychologie sowie die Reformpädagogik Freinets, Montessoris und anderer. Dazu kamen verschiedene pädagogische Konzepte wie beispielsweise die themenzentrierte Interaktion Ruth Cohns und Ideen aus der Gestalttherapie und des Psychodramas, sodass der Begriff „Gestaltpädagogik“ verschiedene Dimensionen annahm. Jene Form des Erziehens und Unterrichtens bezeichnet demzufolge nicht nur eine präzise Didaktik oder Methodik, sondern ist viel mehr als das: Gestaltpädagogik steht für eine komplexe Haltung.
Die Überzeugung, dass der Mensch als „Selbst“ immer in seiner Umwelt zu verstehen sei, steht hierbei im Zentrum. In ihrer Anwendung versucht die Gestaltpädagogik deswegen zunächst auf die Bedürfnisse eines Individuums einzugehen, bevor sie einen Wachstumsprozess einzuleiten versucht, der auf die Veränderung des Individuums und der Umwelt abzielt :
„Dadurch, daß der Mensch lernt, er selbst zu werden, verändert sich auch sein Verhältnis zu seiner Umwelt. Andererseits erkennt er, daß er, um sich selbst zu finden, auch seine Umwelt verändern muss.“(Burow&Scherpp 1981: 127).
Jener Prozess geschieht jedoch parallel: Man findet zu sich selbst und seinen Platz in der Gesellschaft und kann auf diese Weise auch auf die Gesellschaft einwirken. Lernprozesse sollten gemäß gestaltpädagogischen Ansichten demzufolge ganzheitlich verlaufen, um jene relative Gleichzeitigkeit, zu begünstigen.
Warum aber eignet sich der gestaltpädagogische Ansatz ebenfalls gut zur Überwindung von Vorurteilen? Diese Frage soll nun beantwortet werden.
6.2 Möglichkeiten und Grenzen zur Überwindung von Stereotypen und Vorurteilen durch gestaltpädagogische Maßnahmen
6.2.1 Prinzipiender Gestaltpädagogik nach Burow (1988)
Die Gestaltpädagogik beruht gemäß Burow (1988)auf einer Reihe gewisser Paradigmen. Diese scheinen auf den ersten Blick sehr gut für die Vermeidung von Vorurteilen geeignet, bergen aber auch Gefahren. Deswegen müssen bestimmte Elemente beachtet werden, da die Prinzipien andernfalls Stereotypen verstärken könnten. Burow (1988) geht folglich von den nachstehenden 12 Maximen aus:
- das Prinzip der Konzentration auf den Kontakt
- das Hier-und-Jetzt Prinzip
- das Prinzip der Personenzentrierung
- das Prinzip des Lernens durch Erfahrung
- das Prinzip des Self-Support
- das Prinzip der geschlossenen Gestalt
- das Prinzip der Integration
- das Prinzip der Verantwortlichkeit
- das Prinzip des dialogischen Lehrens und Lernens
- das Prinzip der Synergie
- das Prinzip der Freiwilligkeit
Jene Prinzipien sind laut Burow(1988) in der Gestaltpädagogik handlungsleitend und dienen als Richtlinien, die helfen sollen, die Lehr-und Lernprozesse zu analysieren und strukturieren (vgl. Burow, 1988: 98). Weiterhin ist es so, dass alle Prinzipien miteinander verbunden sind und erst durch diese Verknüpfung funktioniert die Gestaltpädagogik als einheitliches Ganzes.Im Folgenden möchte ich jene Prinzipien und deren Anwendbarkeit auf die Vorurteilsproblematik jedoch einzeln beleuchten.
6.2.1.1 Das Prinzip der Konzentration auf den Kontakt
Jenes Prinzip beruht auf der Ganzheitlichkeit zwischen Körper, Geist und Seele im Individuum selbst, sowie dessen Kontaktherstellung zu einem anderen Menschen oder einer Sache (Ich-Du), innerhalb einer Personengruppe (Ich-Wir) und schließlich der Welt (Mensch-Kosmos). Um diese Beziehungen zu verdeutlichen hiereine graphische Darstellung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6 Kontaktherstellung im Individuum selbst: Körper-Geist-Seele bzw. Denken-Fühlen-Handeln
Bevor sich ein Individuum ganzheitlich in der Welt „bewegt“, müssen die Kontaktprozesse „in ihm selbst“ erfolgen, dass heißt Denken, Fühlen und Handeln in Einklang gebracht werden. Diese Ganzheitlichkeit auf der individuellen Stufe bildet die Grundlage für alle weiteren Kontaktprozesse. Dabei ist es natürlich auch möglich, dass jene „Grundebene“ Anlass zu Kontaktprozessen auf den folgenden Ebenen gibt. Dies wurde beispielsweise auch in der selbsterfüllenden Prophezeiung deutlich. Denn besteht ein Einklang von Körper, Geist und Seele, trägt der Mensch jene positive Ausstrahlung nach außen und wird folglich auch ein positives Feedback von seinem Gegenüber bekommen. In diesem Beispiel würde also die Ich-Du-Ebene durch Gleichklang auf der individuellen Ebene (Ich-Ebene) positiv beeinflusst:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Beeinflussung der Ich-Du-Ebene durch Ganzheitlichkeit von Körper, Geist und Seele auf der Ich-Ebene
Man könnte jene Theorie ebenfalls auf die Annahme der selbsterfüllenden Prophezeiung beziehen, wenn es beispielsweise um die Beseitigung kultureller Vorurteile geht. Wie schon weiter oben gezeigt wurde, ist für die Bestätigung eines bereits bekannten Stereotyps nur noch die Bestätigung durch die stigmatisierte Person selbst notwendig, um ein Vorurteil zu festigen. Wollen wir jedoch dieses verhindern, muss mit der Anti-Diskriminierungsarbeit schon genau hier begonnen werden. Das heißt zunächst, dass die Kinder und Jugendlichen über den Prozess und die Auswirkungen der selbsterfüllenden Prophezeiung aufgeklärt werden müssen. Daneben muss die Berücksichtigung der Kontaktprozesse beispielhaft erläutert werden. Dies kann auch situativ geschehen.
Wie im Zusammenhang mit der Studie Barrett & Shorts (1992) beispielhaft über jenen Prozess aufgeklärt wurde, müsste man einem Kind, das bereits durch Familienmitglieder Vorurteile bezüglich der Deutschen lernte also idealerweise vor dem Schüleraustausch den Prozess der selbsterfüllenden Prophezeiung erläutern und dann auf die Wahrnehmung der Ich- sowie der Ich-Du-Ebene hinweisen, sowie auf deren Auswirkungen bewusstmachen. Das heißt also: „ Was genau nimmst du wahr? Beachte die Körpersignale, die aus dir kommen! Welche Körpersignale gibt dein Gegenüber? “ (vgl. Burow 1988)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Die Ich-Wir-Ebene
Die Schwierigkeit hier ist jedoch, dass sich das Prinzip der Konzentration auf den Kontakt am Besten vor dem „Ich-Du-Kontakt“ im schulischen Kontext behandelt wird, das heißt vor der Begegnung mit einer Person, die stigmatisiert werden könnte. Sind sich Individuen bezüglich jener Prozesse zum Zeitpunkt des stattfindenden Kontakts nicht bewusst, ist es natürlich auch nicht möglich, das Wissen gegen die Festigung der Vorurteile anzuwenden! Ferner besteht die Gefahr, dass sich Kinder nicht ihrer selektiven Wahrnehmung bewusst sind und jene selektierte beziehungsweise stereotypisierte Wahrnehmung ihres Gegenübers als „realistisch“ interpretieren und so das Vorurteil festigen. Es bedarf folglich Präzision bei der Vermittlung dieser Phänomene!
Eine nächste Möglichkeit der Überwindung von Vorurteilen sehe ich auf der folgenden, der Ich-Wir-Ebene, die den Kontakt zwischen der Einzelperson und einer Gruppe als Ganzes beschreibt. Meines Erachtens könnte die Herstellung von Kontaktprozessen zwischen dem deutschen Kind („Ich“) auf einem Schüleraustausch in England durch die Herstellung eines Kontaktprozesses zur Austauschfamilie („Wir“) den Unterschied zwischen Stereotyp und kulturellem Unterschied verdeutlichen. Denn ist sich das Kind über die bereits genannten Prozesse bewusst und kann seine Wahrnehmung kritisch überprüfen, sodass Ganzheitlichkeit auf der „Ich-„und auf der „Ich-Du-Ebene“ hergestellt wurde, könnte es die Familie ebenfalls in ihrer Vielschichtigkeit wahrnehmen. Es würde so bewiesen werden, dass nicht alle Engländer gleich sind, sondern jeder besonders.
Andererseits besteht auch auf dieser Ebene wieder die Gefahr der „verzerrten“ Wahrnehmung, die zu einer Behinderung des Kontaktprozesses führt. Das Kind könnte sich beispielsweise von der Gastfamilie abspalten und die Beziehung nicht mehr als „Wir“ ansehen, sondern als „Ich“ und „Ihr“. Würde demnach ein Kontaktprozess hier vermieden, könnte das genau zum Gegenteil, nämlich der Vorurteilsverstärkung, beitragen. Denkbar wäre auch, dass hier zur Bildung von Kategorien verstärkt wird, indem sich das Kind mit dem „Wir“ als Deutsche/r identifiziert. Zwar funktioniert hier der Kontaktprozess gegenüber den anderen Deutschen, jedoch nicht im interkulturellen Austausch.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6 Letzte Ebene: Ich-Welt bzw. Ich-Kosmos
Dieselbe Gefahr betrifft ebenfalls die Einheit zwischen Mensch und Kosmos (bzw. Mensch-Welt). Anstatt jene Ebene zum Verstehen bestimmter Handlungsweisen in Verbindung mit kulturell verschiedenen Hintergründen zu sehen, wäre es auch möglich, dass Rassismus verstärkt würde, indem von eigenen kulturellen Normvorstellungen als „richtig“ und von anderen als „falsch“ ausgegangen wird.
Zusammenfassend bedarf es also der sorgfältigen Vorbereitung des Lehrers, den Schülern jene Prozesse und Möglichkeiten bewusst zu machen. Daneben kommt hier ebenfalls das Prinzip der Freiwilligkeit zur Geltung, da ohne die freiwillige Einstellung der Schüler, einen Kontaktprozess erstellen zu wollen bzw. zuzulassen, aus dem „Ich“ kein „Wir“ wird. Wenn also das Prinzip der Kontaktherstellung zur Überwindung von Stereotypen dienen soll, müssen beide Parteien, Lehrer und Schüler daran arbeiten – Gestaltpädagogik scheint also nicht als „Selbstläufer“ zu funktionieren, sondern erfordert Engagement!
6.2.1.2 Das Hier-und-Jetzt-Prinzip
Grundlegend für das Heraufkommen jener „Norm“ war die Kritik Perls an der Überbewertung vergangener Gegebenheiten, wie sie in der Psychoanalyse vorzufinden war. Dem stellte er die Hypothese gegenüber, dass der Kontakt des Klienten mit seiner gegenwärtigen Erfahrung ausreiche, um dem persönlichen Wachstum dienlich zu sein (vgl. Burow, 1988: 100).
Im gestaltpädagogischen Kontext bedeutet jene Prämisse, dasdie gegenwärtigen, die Lernsituation beeinflussenden Faktoren wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Demzufolge haben gemäß jener Pädagogik auch Störungen in der Klasse Vorrang, sodass der Lernstoff erst vermittelt werden kann, wenn Unstimmigkeiten beseitigt wurden. Dies spricht einerseits für einen positiven Umgang mit Vorurteilen, die sich zwischen den Kindern oder in der Lehrer-Schüler-Beziehung ergeben. Denn auf diese Weise werden Vorurteile situativ behandelt, dass heißt genau dann, wenn sie auftreten.
Andererseits ist jenes Prinzip aber auch dann anwendbar, wenn es darum geht, die aktuelle Wahrnehmung der Schüler/innen zu schärfen. Burow (1988: 100) nennt hierfür den exemplarischen Arbeitsauftrag „Achte darauf, was im Hier-und-Jetzt bei dir im Vordergrund des Interesses steht.“, der sich ebenfalls auf die Vermeidung von Vorurteilen übertragen lässt. Um sich hier wieder auf das Beispiel des Schüleraustausches zu beziehen, könnten so die Kinder vor der Abreise mit jener Methode vertraut gemacht und schließlich gebeten werden, sich während des Austausches eine oder zwei Situationen zu schaffen, in denen sie ganz genau auf ihre Gefühle und Wahrnehmungen im Hier und Jetzt achten (im übertragenen Sinne also „Achte darauf, was im Hier-und-Jetzt bei dir im Vordergrund deiner Gefühlswelt / deiner Wahrnehmung steht“) und kritisch auf den bereits vorhandenen Stereotyp beziehen. Allerdings erfordert auch diese Methode die Freiwilligkeit der Lerner, sowie die kritische Überwachung der eigenen Wahrnehmung, welches sicherlich nicht zu jeder Zeit möglich ist.
6.2.1.3 Das Prinzip der Personenzentrierung
Burow (1988: 100) bezieht sich hierbei auf Rogers (1974, 1984) Konzept des prozessorientierten Lernens. Personenzentrierung gemäß Rogers bezeichne die „intersubjektive Begegnung von Person zu Person“, die Ziel jedes Lehr-und Lernprozesses sei (Burow 1988: 100). Die ideale zwischenmenschliche Atmosphäre wäre demzufolge von Achtung, „uneingeschränkt positiver Betrachtungsweise“, Einfühlungsvermögen und „persönlicher Glaubwürdigkeit“ (vgl. Rogers 1984: 127, zitiert in Burow 1988: 101) gekennzeichnet. Sollte es einem Lehrer also gelingen, jenes Prinzip konsequent zu befolgen steht der Überwindung von Vorurteilen definitiv nichts mehr im Weg.
Dennoch muss hier angemerkt werden, dass es sich bei der Personenzentrierung Rogers um einen Idealzustand handelt, der Konsequenz und Ausdauer erfordert. Dies betrifft den Lehrer bei der Konfliktlösung oder Vermittlung von Anti-Diskriminierungstaktiken, aber auch das freiwillige Verhalten der Schüler, sich auf einen respektvollen Umgang einzulassen.
Ebenso muss hier beachtet werden, dass dem Lehrer in jenem Prinzip eine sehr wichtige Rolle zukommt. Rogers betont hier nämlich, dass die intrinsische Motivation des Lehrers gegenüber des zu vermittelnden Stoffs ausschlaggebend für die Aufnahme der Lerninhalte auf Schülerseite sei. Im Kontakt zu sich selbst und zu seiner Lerngruppe würde der (Gestalt-)Pädagoge nämlich dazu befähigt sein, den „Funken der Begeisterung“ überspringen zu lassen (vgl. Burow 1988: 101). Dem sei durchaus zuzustimmen, jedoch erfordert dies im Umkehrschluss eine vorurteilsfreie Einstellung des Lehrers, die sozusagen den „Funken des respektvollen, einfühlsamen Umganges mit dem Fremden“ überträgt.
6.2.1.4 Das Prinzip der Bewusstheit
Die Gestaltpädagogik beruft sich bei der Erfüllung jenes Paradigmas auf den therapeutischen und den philosophischen Kontext. In der Therapie wird der Mangel an Selbst-Bewusstheit als ein Grund für die Verzerrung der Wahrnehmung und Kontaktunterbrechung gesehen. Um Neurotiker von jenem Manko zu heilen, und neue Verhaltensweisen (d.h. Kontaktfähigkeit) zu fördern, musste diese Bewusstheit, auch „ awareness “ genannt, geschult werden. Die Patienten sollten sich demzufolge der Wahrnehmung der Prozesse, die „im Hier-und-Jetzt“, im und mit dem Indivduum selbst und um es herum vorgingen, widmen.Im philosophischen Kontext stehe die Bewusstheit für die „Erkenntnis der Bedingungen des menschlichen Seins“ (Burow 1988: 102).
Es ergibt sich also folgende Definition für Bewusstheit im gestaltpädagogischen Sinn:
„Bezogen auf den Lernprozess dient die Förderung von Bewußtheit – zunächst verstanden als Selbst-Bewußtheit – der Selbst-Erkenntnis und dem Herausfinden des eigenen Lernwegs. Darüberhinaus dient die Förderung von Bewußtheit – in einem umfassenden Sinn – der vertieften Erfahrung und Erkenntnis der Bedingungen des Seins und zielt somit auf eine Bewußtseinserweiterung ab.
Gestaltpädagogik legt – jedenfalls zum gegenwärtigen Entwicklungsstand – einen besonderen Schwerpunkt auf die Förderung der bewußten Wahrnehmung der Ebenen des Lernprozesses, die bisher weitgehend vernachlässigt wurden. Es handelt sich hier z.B. um die Erfahrung und den Ausdruck von Gefühlen, den Kontakt mit Stimmungen, inneren Bildern, Formen intuitiven Denkens u.ä.“ (Burow 1988: 102)
Wie also schon im Hier-und-Jetzt-Prinzip angedeutet, geht es auch hier um die genaue Beobachtungder eigenen Wahrnehmung.Burow (1988) nennt diesbezüglich folgenden, möglichen, Auftrag: „Sei dir bewußt, was in dir, mit dir und um dich herum geschieht.“ (Burow 1988: 102)
Auch dieses Prinzip ist nur dann wirkungsvoll, wenn sich die Schüler/innen über die möglichen Tücken ihrer Wahrnehmung bewusst sind und erfordert folglich die Information über den Lehrer. Das bedeutet: erst die Information überdie Möglichkeit der konstruierten Wahrnehmung, dann Training der kritischen Perzeption. So sehe ich auch das folgende, von Burow (1988) gegebene, Übungsbeispiel für die Vorurteilsproblematik als hervorragend geeignet:
„Zwei Gruppenmitglieder sitzen sich gegenüber und sollen in einem ersten Schritt beschreiben, was sie am anderen sehen (externe Ebene). In einem weiteren Schritt sollen sie beschreiben, was sie dabei fühlen (interne Ebene). Im letzten Schritt werden sie aufgefordert, dem anderen die eigenen Phantasien über ihn mitzuteilen (mediative Ebene).“(Burow 1988: 102)
6.2.1.5 Das Prinzip des Lernens durch Erfahrung
Diese Verfahrensweise stellt nach Burow (1988) kein besonderes Charakteristikum der Gestaltpädagogik dar, da jene Norm in vielen verschiedenen Erziehungswissenschaften bereits betont wurde. Jedoch kommt in der Gestalttherapie die Selbsterfahrung als besonderer thematischer Schwerpunkt hinzu. Den Neurotiker kennzeichne laut Perls folglich eine erschwerte Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln. Deswegen stelle das Hauptziel hierbei dar, den „Erfahrungsfluss“ (wieder) herzustellen. Dies wiederum verlange „… Blockierungen an der Kontaktgrenze zum Gegenstand der bewußten Erfahrung zu machen“ (Burow 1988: 103).
Man mag hierzu denken, dass es gefährlich sein könnte, wenn bereits vorurteilsbehaftete Erfahrungen vorliegen und diese dann auch noch zum Thema gemacht werden. Dem ist jedoch nicht so:
„Wenn also, um ein Beispiel zu nennen, ein Klient vorwiegend über seine Schwierigkeiten, Kontakt zu anderen zu bekommen, spricht, würde der Gestalttherapeut keine Analyse objektiver Faktoren dieser Schwierigkeiten einleiten und nicht über Theorien zu diesem Thema reden, sondern die Erfahrung der Gruppensituation im Hier-und-Jetzt zum Lernen veränderter Verhaltensweisen nutzen.“ (Burow 1988: 103)
Auf das Problem des Vorurteilens bezogen würde dies also bedeuten, dass, sobald es zum Auftreten oder der Äußerung eines Vorurteils kommt, nicht über soziale beziehungsweise kulturelle Unterschiede, die Tücken der Wahrnehmung und den Fakt des Kategorisierens gesprochen würde. Stattdessen müsste die Erfahrung in dem Augenblick, in welchem sie auftritt, direkt zur Veränderung des Verhaltens genutzt werden. Dies zeigt die situative Einsetzbarkeit der Gestaltpädagogik und wäre darüber hinaus noch eine gute Möglichkeit, eine bereits existierende Voreingenommenheit zu zerstören. Dennoch besteht die Schwierigkeit auch genau in ihrer problemgegenwärtigen Anwendbarkeit. Das bedeutet zwar, dass jenes Prinzip hilft, wenn ein akutes Problem bezüglich Stereotypen in der Klasse besteht, sofort angewendet werden kann – allerdings löst es nicht Intoleranzen im Allgemeinen. Denn meistens ist es doch so, dass der Lehrer nicht immer präsent ist, wenn jene „Kontaktschwierigkeit“ auftritt. Dies könnte vor allem für den Fremdsprachenunterricht schwierig in der Durchführung zu werden. Denn „Lernen durch Erfahrung“ verbietet simulierte (interkulturelle) Situationen:
„Goodman sieht als ein wesentliches Kriterium für persönlich bedeutungsvolles Lernen durch Erfahrung in der „Echtheit“ der Lernsituation gegeben. Echtheit bedeutet, daß die Lösung eines Problems im Hier-und-Jetzt sich als sachliche Notwendigkeit ergibt und nicht ein „Ernstfall“ simuliert. Die Lösung des Problems muß für den einzelnen und die Gruppen von Bedeutung sein, um ein ausreichendes Interesse hervorzurufen.“ (Burow 1988: 104)
Für interkulturelle Stereotypen, wie sie beispielsweise im Fremdsprachenunterricht besprochen werden, sehe ich deshalb nur die Möglichkeit der Simulation. Diese könnte beispielsweise in der Erzählung von Erlebnissen bestehen, in denen die Schüler/innen sich mit einem Stereotyp konfrontiert sahen. Jene Situation könnte wiederum Anreiz zum Rollenspiel geben (Wie fühl sich der Urteilende, wie der Verurteilte?), um die Empathie der Kinder bzw. Jugendlichen zu trainieren. Dennoch würde es hier bei einer künstlich geschaffenen Situation bleiben!
6.2.1.6 DasPrinzip des Self-Support
„Self-Support“ beruht auf der gestalttherapeutischen und-pädagogischen Annahme, dass jeder Mensch „ein weitgehendes Potential an selbstunterstützenden Fähigkeiten besitzt“ (Burow 1988: 105). Demzufolge ist es Ziel und Aufgabe, jenes Potential bewusst zu machen und demgemäß ein „Verhaltensrepertoire“ aufzubauen.
Im Prinzip des Self-Supports sehe ich deswegen eine vortreffliche Möglichkeit zur Anstoßung der Kontaktprozesse auf der „Ich-Du-Ebene“, denn, wie in 6.2.1.1 schon angedeutet, kann ein positives Selbstempfinden, nach außen getragen, auch zur Verbesserung der Beziehung mit meinen Mitmenschen sorgen. Bezogen auf das Beispiel des angeblich aggressiven Deutschen, dessen (stereo-)typische Haltung jedoch nur eine Reaktion auf entgegengebrachtes Misstrauen sein könnte würde dies folgendes bedeuten: Nehmen wir an, das englische (bereits urteilende) Kind würde vor dem Schulaustausch durch gestaltpädagogische Maßnahmen vorbereitet. Hierbei würde ihm gemäß dem oben genannten Prinzip ein neues „Selbstwertgefühl“ geschenkt. Damit meine ich beispielsweise, dass man ihm zeigen würde, wie unvoreingenommen und respektvoll es mit Menschen umgehen kann und wie es dazu fähig ist, den natürlichen (selektiven) Wahrnehmungsprozess zu hinterfragen. Jene Vorbereitung könnte also dazu führen, dass das Kind wieder anfängt, an diese Seite in sich zu glauben und tatsächlich unvoreingenommen den Austauschpartner als solchen – ohne Vorurteile – wahrnimmt. Gemäß der Theorie der sich selbst erfüllenden Prophezeiung würde dies wiederum bedeuten, dass das Kind statt Misstrauen Interesse ausstrahlt und der anfängliche Stereotyp durch die Wahrheit ersetzt würde.
Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass der Aufbau dieser „selbstunterstützenden Verhaltensweisen“ gleichfalls die Unterstützung der persönlichen Autonomie anstrebe:
„In dem Maß, in dem die Person ein Selbstbewußtsein ihrer Möglichkeiten zur Selbsthilfe entwickelt, wird sie unabhängiger von den Eingriffen der Umwelt und ist in der Lage, eine tragfähige Identität zu entwickeln.“ (Burow 1988:106)
Nicht nur, dass dies bedeuten würde, dass Kinder und Jugendliche bereits bestehende Vorurteile bei erfolgreicher Herstellung des Self-Supports beginnen, kritisch zu hinterfragen, sondern auch auf der Seite des Stigmatisierten sehe ich hier eine tolle Möglichkeit. So könnte beispielsweise der einzige Junge im Französischkurs von sich sagen: „Ich weiß, ihr (Mädchen) denkt, Jungen wären nicht für Sprachen gemacht, aber ich bin doch der lebende Gegenbeweis!“
Aufpassen sollte man als Lehrer hier jedoch darauf, nicht die bereits vorhandene Vorstellung des „Ich bin besser, als die anderen“ zu fördern, da dies nur zum erneuten Aufkommen von Abwertungen und Vorurteilen kommen könnte. Ein Schüler, der vom Lehrer als „der Beste in Mathe“ bezeichnet werden würde, könnte seine Klassenkameraden als „dumm“ charakterisieren, obwohl er beispielsweise nur in einem bestimmten Themenfeld „der Beste“ war. Bewertungen bezüglich derartiger „versteckten Potentiale“ sollten demzufolge nicht stattfinden – es genügt meines Erachtens der Hinweis auf deren Existenz!
6.2.1.7 Das Prinzip der geschlossenen Gestalt
Das Prinzip der geschlossenen Gestalt beruht auf der Gewohnheit des Menschen, angefangene Aufgaben nach der Unterbrechung fortzuführen, um sie zu beenden.
Dieses Verhalten ergibt sich schon auf der kognitionspsychologischen Ebene, womit die Wahrnehmung von geschlossenen Linien als Figur oder die Ergänzung von Linien gemäß Erfahrungswerten zu einer Form gemeint sei:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: Wahrnehmung der geschlossenen Gestalt
Bei Betrachtung von Abbildung 9 gehen wir gemäß unserer Erfahrung davon aus, dass der dunkelblaue Kreis einen hellblauen Kreis überdecken würde. Dabei ist jedoch gar nicht sicher, dass es sich bei der hellblauen Figur tatsächlich um einen Kreis handelt. Denn theoretisch könnte die hellblaue Figur auch folgendermaßen aussehen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 10: Mögliche Form der hellblauen Figur
Für die Gestaltpädagogik bedeutet diese Erkenntnis zweierlei Dinge. Zum einen muss „dem Prozeß der flexiblen Bildung von Gestalten Aufmerksamkeit geschenkt werden“ (Burow 1988: 106). Für die Problematik des Vorurteilens wäre hier einerseits großartige Chance zu sehen, da im Zuge jenes Prinzips wieder auf die Tücken unserer Wahrnehmung und dem damit verbundenen Aufkommen von Stereotypen hingewiesen werden kann:
„Auf der einen Seite gibt die Untersuchung und Bewußtwerdung der Art und Weise der eigenen Gestaltbildung einen Aufschluß über die eigenen Muster der Wahrnehmung, erweitert somit den Wahrnehmungsspielraum und damit letztlich das Verhaltensrepertoire.“ (Burow, 1988: 107)
Andererseits ergibt sich mit Hinblick auf die derzeitige Organisation des Unterrichts jedoch auch ein nicht unbedeutendes Problem. Denn das Prinzip der geschlossenen Gestalt steht auch für die Möglichkeit, angefangene Aufgaben abschließen zu können – was bei 45 Minuten im klassischen Unterricht kaum durchführbar ist. Oft müssen Aufgaben auf den nächsten oder übernächsten Tag verlegt werden, wenn sie nicht zu Hause als Hausaufgabe abgeschlossen werden sollen. Jene Schwierigkeit fiel mir auch im Selbstversuch auf. Zwar sind die Unterrichtsstunden in Frankreich zehn Minuten länger, als in Deutschland, dennoch reichten 55 Minuten fast nie aus, um eine angefangene Methode oder Aufgabe abzuschließen. Alles in allem betrifft dies jedoch nicht nur die Vorurteils-Problematik, sondern gilt für jedes Thema. Ich sehe aus diesem Grund die Einführung gewisser Projektwochen mit thematischem Schwerpunkt (dies ist anwendbar auf das Themenfeld Vorurteile) als besonders geeignet, um dem „Zeitproblem“ zu entkommen. Man muss sich jedoch darüber bewusst sein, dass eine solche Unterrichtsveränderung auch auf Kosten anderer Prinzipien (ich denke hierbei speziell an das Hier-und-Jetzt-Prinzip, d.h. spontan auftretende Vorurteile, sind in einer Projektwoche sicherlich seltener) gehen könnte.
6.2.1.8 Das Prinzip der Integration
Das Integrationsprinzip befindet sich sozusagen in allen bereits genannten sowie den noch zu nennenden Grundsätzen wieder, da es Ziel der Gestaltpädagogik ist, den Menschen als Ganzes wahrzunehmen sowie alle Ebenen und auch alle Prinzipien miteinander zu verbinden, sozusagen zu integrieren. Demzufolge sei hier noch einmal auf die Herstellung von Kontaktprozessen verwiesen, denn auf jener Ebene bedeutet „integrativ“ die Verbindung von Körper, Geist und Seele im Individuum selbst und schließlich die Kontaktherstellung zwischen allen anderen angrenzenden Bereichen.
Diese Theorie bedeutet, bezogen auf die gestaltpädagogische Praxis, dass Kinder beispielsweise gemäß ihres Lerntyps unterschiedlich gefördert werden. Gleichzeitig bedeutet dies, Lernsituationen zu ermöglichen, in denen mit allen Sinnen gelernt wird. Der positiven Wirkung jenes Vorgehens kann ich nur zustimmen, denn meine eigene Erfahrung zeigte mir, dass entdeckendes Lernen mit allen Sinnen nicht nur die Motivation der Kinder und Jugendlichen fördert, sondern auch den Lernprozess positiv unterstützt.
Dennoch muss gesagt werden, dass die Förderung von Integrationsprozessen auf zwei wichtigen Voraussetzungen beruht, nämlich Akzeptanz und Vielfaltunterstützung. Genau hier sehe ich eine eventuelle Schwierigkeit im Bezug auf Vorurteile, da sich diese gerade durch gegenteilige Konnotationen auszeichnen. Wie soll schließlich durch Akzeptanz und Unterstützung der Vielfalt sich mit einer Thematik beschäftigt werden, die die Andersartigkeit betont und abwertet und demzufolge von Inakzeptanz gekennzeichnet ist? Die Beziehung zwischen dem Themenfeld „Vorurteil“ und dem Integrationsparadigma scheint demzufolge auf den ersten Blick widersprüchlich, das gestaltpädagogische Prinzip ungeeignet. Doch auch hier sehe ich die Möglichkeit, die Vielfalt und Akzeptanz anzubringen. Man muss jene Begriffe nur auf den Lernstoff als solchen beziehen. Das bedeutet Vielfalt bezüglich Lernmethoden anwenden und Akzeptanz gegenüber dem Themenfeld schaffen. Bezogen auf den Kontakt würden wir uns hier auf der„Es-Ebene“(Thema „Vorurteile“) befinden. Erst wenn hier ein Einklang geschaffen wurde – das bedeutet, die Kinder nehmen den Lernstoff an, kann auf die übergeordnete Beziehung („globe-Ebene“, d.h. soziales und ökologisches Umfeld) zwischen dem Kind und dem tatsächlichen Vorurteil in der Realität Einfluss genommen werden. Dies erfordert natürlich auch den persönlichen Bezug des Kindes zum Thema „Vorurteil“:
„In der Auseinandersetzung mit der persönlich geprägten Fassung des Begriffs und seiner theoretischen Formulierung bilden die Schüler eine neue Vorstellung.“ (Burow, 1988: 109)
6.2.1.9 Das Prinzip der Verantwortlichkeit
Gemäß der existenzialistischen Anschauung, wird jeder Mensch in ein Leben hineingeboren, das wiederum der ständigen Entscheidung bedarf. Im Laufe seines Lebens lernt das Individuum schließlich, dass Entscheidungen immer mit positiven oder negativen Folgen verbunden sind und begreift, für diese Folgen (gemäß der getroffenen Entscheidungen) Verantwortung zu übernehmen.
In der Gestalttherapie schrieb Perls Neurotikern die Unfähigkeit zu, Verantwortung für Entscheidungen und die daraus resultierenden Folgen zu übernehmen. Dies zeigte sich beispielsweise darin, dass für eine negative Auswirkung eine andere Person schuldig gemacht wurde. Die Betroffenen mussten folglich wieder lernen, zwischen beeinflussbaren und unbeeinflussbaren Situationen unterscheiden zu können, um den Teil ihrer Eigenverantwortlichkeit zu erkennen.
Es ist also ersichtlich, dass die Fähigkeit für sich selbst Verantwortung zu tragen eine sehr große Rolle im Leben jedes Menschen spielt. Die Gestaltpädagogik möchte jenen Prozess positiv unterstützen. Dazu sei es gemäß Burow (1988) nötig, konsequent Situationen zu schaffen, in denen die Schüler/innen diese Fähigkeit trainieren können. Eine Möglichkeit stelle diesbezüglich die „freundliche Frustration“ dar, welche meint, dass der Lehrer „nichts tut, was die Schüler selbst können“ (Burow 1988: 111). Dabei ist jene Methode eng verknüpft mit dem Prinzip des Self-Supports, das besagt, dass Individuen weitaus mehr zu tun vermögen, als sie tatsächlich glauben.
Bezüglich der Thematisierung von Vorurteilen und der damit verbundenen Probleme erachte ich jenes Problem ebenfalls für wichtig, da auch hier der respektvolle Umgang miteinander betont wird:
„Auf der Mikrostruktur der interaktionellen Beziehungen der Schüler untereinander erfordert das Prinzip der Verantwortung die bewußte Reflektion und Thematisierung von Formen verantwortlichen bzw. unverantwortlichen Umgangs miteinander“ (Burow 1988: 111)
Demzufolge gilt es hier insbesondere zu reflektieren und zu thematisieren, was verantwortungsvoller Umgang bedeutet und wie er sich darstellt. Ich sehe hier deshalb die Möglichkeit des self-monitorings (d.h. Überwachen meiner eigenen Entscheidungen und die damit verbundenen Folgen, die ich zu verantworten haben könnte) im Bezug auf die Wahrnehmung von Stereotypen. Wenn also beispielsweise ein Gespräch mit einem Austauschpartner aus England stattfindet, würde dies bedeuten, meine eigene Entscheidung, diese Person zu stigmatisieren, zu überdenken. Dabei ist es wichtig zu reflektieren „Wohin führt mich meine Beurteilung, der Stereotyp treffe zu?“ und „Kann ich die Verantwortung für die wohlmöglich negativen Folgen tragen?“. Hier würde gleichzeitig das Prinzip der Bewusstheit und der Konzentration auf den Kontakt einwirken.
Ein Problem sehe ich hier dennoch in der Bewertung von Handlungen anderer Personen gemäß „verantwortungsvoll“ nicht „verantwortungsvoll“. Diese darf niemals isoliert und aufgrund persönlicher Einstellungen zustande kommen, wenn es um Vorurteile geht. Denn jene Wertung würde nur dazu beitragen, mich selbst über die anderen zu stellen und zwischen „richtig“ und „falsch“ zu entscheiden. Bei kulturellen Stereotypen empfiehlt es sich deswegen, Handlungen hinsichtlich ihrer Verantwortlichkeit im Bezug auf den kulturellen Hintergrund der handelnden Person zu untersuchen.
6.2.1.10 Das Prinzip dialogischen Lehrens und Lernens
Auch hier finden wir zahlreiche Verbindungen zu den bereits genannten Maximen. So beispielsweis zur Kontaktfähigkeit. Denn das Prinzip des dialogischen Lehrens und Lernens bedeutet in erster Linie, dass die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden sowie innerhalb der Gruppe der Lernenden Vorrang hat. Sollte beispielsweise eine soziale Ungereimtheit im Klassenraum bestehen, muss diese zuerst beseitigt werden, bevor mit der Stoffvermittlung begonnen werden kann.
Man kann jenes Paradigma ebenfalls auf die Thematik der Stigmatisierung beziehen. Bevor ein Stereotyp beseitigt werden kann, sollte zunächst die Beziehung, die zwischen „Opfer“ und „Verurteilendem“ besteht, untersucht und verbessert werden. Das Problem hierbei ist jedoch, dass eine positive Veränderung der zwischenmenschlichen Beziehung kaum möglich ist, so lange ein Vorurteil besteht. Die zweite Schwierigkeit besteht darin, dass kulturelle Stereotypen oftmals für eine ganze Gruppe an Menschen gültig ist (die sich realistischerweise meistens in weiter Ferne befinden), sodass eine explizite Beziehungsverbesserung in jenem Fall kaum möglich ist.
Dennoch sehe ich eine Möglichkeit in der Betonung empathischen Verhaltens, zu dem die Gestaltpädagogik mit diesem Prinzip versucht zu „erziehen“. Das betrifft im Zusammenhang mit der Abschaffung kultureller Stereotypen im Unterricht natürlich vorrangig die Schüler, welche Handlungsweisen einem bestimmten (kulturellen) Beweggrund zuzuordnen lernen. Andererseits betrifft dies aber auch den Lehrer, der, wie mehrfach betont wurde, selbst nicht frei von Vorurteilen ist. So kann auch der Lehrer bestimmte Schüler als „faul“ oder „fleißig“ ansehen und mit jener Beurteilung den Kontaktprozess zwischen ihm und den Lernenden unterbrechen. Stattdessen ermöglicht dialogisches Lernen auch dem Lehrenden gegenüber die Möglichkeit, jeden Schüler in seiner Vielschichtigkeit wahrnehmen zu können:
„Der Kern der Dialogischen Beziehung besteht nach Buber (vgl. Buber 1923)[13] in einer Begegnung, in der wir einem Menschen oder einem Ding ganz nah, die volle „Gegenseitigkeit“ (a.a.O., S. 20) erfassen, die Einzigartigkeit erkennen, von der Gegenwart dieses „Du“ ganz ausgefüllt werden. Diese Beziehung unterscheidet sich grundlegend von einer Form, in der wir „über“ die Person nachdenken, sie bewerten, vergleichen oder einen Nutzen aus ihr zu ziehen suchen (vgl. Quittmann 1985, S. 333)[14] “ (Burow 1988: 113)
Demzufolge stellt der Kern jener Beziehung genau den erstrebenswerten, vorurteilsfreien Zustand des gegenseitigen und urteilsfreien Wahrnehmens in allen Facetten. Hinzukommt die Verwerfung jeglicher Hierarchien und stattdessen eine stetige Beachtung demokratischer Umgangsformen und Inhalte.
6.2.1.11 Das Prinzip der Synergie
Der Synergiebegriff ist gemäß Burow (1988) in verschiedenen Wissenschaften auffindbar und betont das Erlernen eines neuen Umgangs mit der uns umgebenden Umwelt. Dieser setzt natürlich eine veränderte Wahrnehmung sowie neu erlernte Verhaltensweisen voraus. Gemäß Vester (1980) kann dies auch bedeuten, dass ein behutsames, steuerndes, Eingreifen notwendig ist, um das Funktionieren bestimmter Systeme zu optimieren. (Hierin besteht übrigens einer der in der Literatur vertretenen Kritikpunkte, die Gestaltpädagogik würde – anders als beispielsweise die Freinet Pädagogik – steuern.) Ebenso bedarf es einer „differenzierten Einfühlung in die komplexen Zusammenhänge, die im und auf das System wirken“ (Burow 1988: 114).Die starke Betonung der Empathie steht demzufolge für eine gute Voraussetzung, auch die Rolle von Stereotypen in der Gesellschaft in Zusammenhang mit dem Synergiefeld zu bringen. Dies betrifft nicht nur ihre Entstehung durch Kategorisierung, sondern ebenso das Verständnis gegenüber (kulturellen oder sozial geprägten) Handlungsweisen und weist ebenso auf die zerstörenden Auswirkungen auf das gesellschaftliche System hin, die die Folge von Vorurteilen darstellen. „Vernetztes Denken“ ist demzufolge eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren einer vorurteilsfreien Gesellschaft.
Burow (1988) schlägt an dieser Stelle eine Methode vor, die sich auch für das Verständnis bestimmter Handlungen aufgrund der „persönlichen Vernetztheit“ mit der eigenen Umwelt eignen. Da hier folglich die Empathie sowie das Verstehen von Zusammenhängen trainiert wird, denke ich, dass jene Methode auch im Hinblick auf Stereotypen eingesetzt werden kann:
„Aus der Fülle der Möglichkeiten der unterrichtlichen Berücksichtigung des Prinzips der Synergie, möchte ich hier nur kurz die aus dem Psychodrama stammende Methode des „sozialen Atoms“ anführen. Die Schüler setzen sich durch ein Symbol in den Mittelpunkt eines Blattes und gruppieren darum herum die für sie wichtigen Dinge und Personen ihres Lebens. In einem zweiten Schritt versetzen sie sich in diese Dinge bzw. Personen (Identifikation) und schreiben Sätze, in denen sie mitteilen, welche Bedeutung sie für sie haben. Auf diese Weise können sie ihre Eingebundenheit in soziale und ökologische Zusammenhänge, je nach thematischer Schwerpunktsetzung und methodischer Umsetzung (Inszenierung eines sozialen Atoms mit Personen usw.) konkret erfahren.“ (Burow 1988: 116)
Macy (1986) betont in einem ähnlichen Zusammenhang auch die Gefahr der Verdrängung. Denn dadurch, dass Ängste verdrängt würden, könne keine Kraft zum Widerstand aufgebracht werden. Dabei nennt sie das Beispiel eines atomaren Infernos. Jene Gefahr würde von vielen Menschen aus Angst verdrängt, sodass sich die Mehrheit der Bevölkerung in ihrem Widerstand gegen diese Bedrohung gelähmt sehe. Das Beispiel lässt sich meines Erachtens auch auf Stereotypen übertragen, denn viele Menschen können sich (aufgrund einer unzureichenden Selbst-Bewusstheit im Zusammenhang mit der negativen gesellschaftlichen Konnotation von Vorurteilen) nicht eingestehen, dass auch sie Voreingenommenheiten hegen. Deswegen ist es im schulischen Kontext die Aufgabe des Lehrers, den Schülern jene Verdrängungsmechanismen in Verbindung mit neu erlernten Wahrnehmungsfähigkeiten zu vermitteln, das Problem sozusagen „an der Wurzel zu packen“. Denn ist es so, dass wir uns nicht über unsere stereotypischen Gedanken bewusst werden (wollen), kann gemäß Macys Inferno-Beispiel auch nicht dagegen angekämpft werden. Dies ließe sich auch mit der Suchttherapie vergleichen, in der es die erste Aufgabe des Süchtigen ist, sich sein Problem einzugestehen (auch hier würde gemäß gestaltpädagogischer Annahmen ein Kontakt auf der „Ich-Ebene“ hergestellt).
6.2.1.12Das Prinzip der Freiwilligkeit
Auch hier ergibt sich ein teilweiser Widerspruch zur Vorurteilsproblematik. Denn ist es nicht so, dass Stereotypen viel eher freiwillig (ja, automatisiert) auftauchen, als die Annahme von Lösungsversuchen?
„Wenn Freiwilligkeit bedeutet, die Grenze der Freiheit (aufgrund von Rahmenbedingungen, eigenen Vorstellungen usw.) deutlich zu machen und Räume echter Freiheit davon abzugrenzen, so beinhaltet die Verwirklichung dieses Prinzips zugleich die Anerkennung von Zwang als einem Merkmal gegenwärtiger Existenzbedingungen. Gestaltpädagogik zielt darauf ab, diesen Zwang bewußt zu machen, um den Schülern eine Möglichkeit zu geben, zu entscheiden, wo sie sich anpassen oder auflehnen wollen. Die Verantwortung dafür müssen die Schüler selbst übernehmen. Sie kann ihnen nicht vom Lehrer angenommen werden, denn die würde ein mangelndes Ernstnehmen der Person bedeuten und wichtige Lernmöglichkeiten abschneiden.“ (Burow 1988: 117 f.)
Dabei ist es die Aufgabe des Lehrers, die Schülerhaltung zum vermittelten Stoff genau zu beobachten. Denn zeigt sich eine ablehnende Haltung ihrerseits, ist es nicht nur Unsinn, sondern spricht es sogar gegen die gestaltpädagogische Haltung, den Kindern den Lernstoff gegen ihren Willen „einzuimpfen“.
Hierbei könnte ein Problem bestehen, tatsächlich gegen Vorurteile vorzugehen. Denn wenn die Lernenden der festen Überzeugung sind, Stereotypen seien wahr, ist es nicht möglich, sie auf freiwilliger Basis vom Gegenteil zu überzeugen. Zwar könnte hier auch die allgemeine gesellschaftliche Ablehnungshaltung helfen, sich der Thematik gegenüber zu öffnen, scheint mir jedoch zu unsicher. Aus diesem Grund gehe ich davon aus, dass es der sorgfältigen Benutzung der anderen Prinzipien erfordert, um die Schüler zur Freiwilligkeit gegenüber der Überwindung bereits gefestigter Stereotypen zu motivieren. Dies kann beispielsweise durch Kontaktförderung oder durch eine kritische Selbstwahrnehmung gemäß des Hier-und-Jetzt Grundsatzes erfolgen.
6.3 Fazit zu den Möglichkeiten und Grenzen gestaltpädagogischer Prinzipien im Bezug auf Vorurteilsüberwindung
Es wurde folglich gezeigt, dass gestaltpädagogische Prinzipien durch eine starke Betonung der Mitmenschlichkeit, Empathie und Kontaktherstellungvoller Möglichkeiten für die Überwindung von Vorurteilen stecken.
Dennoch müssen verschiedene Dinge beachtet werden, um von jenen Möglichkeiten profitieren zu können.
Zunächst muss gesagt werden, dass der Anknüpfungspunkt gestaltpädagogischer Ansätze schon ein Vorurteil braucht. Das mag kontrovers klingen, entspricht aber dem Hier-und-Jetzt-Prinzip. Denn gemäß jenem Grundsatz sollte ein Problem aufgegriffen werden, sobald es existiert. Nicht vorher und nicht danach. Das bedeutet also, dass mit der Lösung von Stereotypen dann begonnen werden muss, sobald der Lehrer (im schulischen Kontext) eine solche Situation in der Klasse wahrnimmt. Erst zu diesem Zeitpunkt kann also den Schüler/innen die Eigenarten der Wahrnehmung, Klassifikation und sich selbst erfüllenden Prophezeiung et cetera verdeutlicht werden. Und erst nach der erfolgreichen Ausführung dieser Prinzipien ist es möglich, dass weitere Vorurteile verhindert bzw. verringert werden können.
Auch in diesem Kontext ergibt sich eine Kontroverse. Denn wurde eben noch erklärt, dass es einer stereotypisierenden Person benötigt, um hier mit gestaltpädagogischen Maßnahmen zu arbeiten, bedarf es gleichzeitig gemäß mehrerer Prinzipien (Dialogisches Lernen, Synergie, Personenzentrierung etc.) einer offenen und vorurteilslosen Persönlichkeit. Dennoch sehe ich hier die Chance, dass im Zuge der persönlichen Entwicklung, die die Gestaltpädagogik immer wieder mit Hilfe jener Paradigmen zu fördern versucht, gleichzeitig auch stigmatisierendes Verhalten verschwindet.
Indem die Gestaltpädagogik vor allem den Kontakt und die Wahrnehmung sowie die damit verbundenen Prozesse thematisiert, scheint sie perfekt für die Überwindung von Vorurteilen geeignet. Dabei muss gesagt sein, dass die erläuterten Wahrnehmungsprozesse und die sich daraus ergebenden Probleme, sich vor allem durch Komplexität auszeichnen. Demzufolge ist es zu hinterfragen, ab welchem Alter die Schüler eine entsprechende geistige Reife besitzen, um diese Prozesse zu verstehen.Vor allem gegenüber jüngeren Kindern sehe ich bezüglich des Lehrers die einzige Möglichkeit in der Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehung sowie in der Rolle als vorurteilsfreies Vorbild. Natürlich möchte ich das Prinzip des Self-Supports sowie die damit verbundene Gewissheit, dass auch jüngere Kinder weitaus höhere Leistungsressourcen besitzen, als das sie sich vorstellen könnten nicht missachten. Es gilt jedoch auch als Lehrer sich seiner Verantwortlichkeit zu bedienen. Komplexe Prozesse, wie sie beispielsweise die Wahrnehmung darstellt, könnten Grundschüler meines Erachtens zu stark verwirren. Deswegen denke ich, dass die detaillierte Erläuterung von Kontaktprozessen sowie das Training der Selbst-Bewusstheit erst ab Sekundarstufe I erfolgen sollten. In diesem Alter halte ich die Schülerinnen und Schüler für durchaus „reif“, auch komplexere Umstände nachvollziehen zu können (natürlich sollte der Lehrer auch hier den Lernstoff altersgerecht anpassen!). So könnte den Kindern beispielsweise durch Methoden wie Meditation oder ähnliche Wahrnehmungsübungen gezeigt werden, wie sie ihre Wahrnehmung trainieren und den Kontakt zu sich selbst herstellen – bevor jenes Wissen schließlich im (erneut auftretenden) Fall eines Vorurteils (z.B. Schulaustausch) erprobt wird.
Dies setzt konsequentes Training und das stetige (Wieder-) Aufgreifen von (situativ) auftretenden Vorurteilen voraus. Gestaltpädagogik ist kein Selbstläufer und erfordert das ständige Engagement von Lehrern und Schülern!
In der situativen Anwendbarkeit sehe ich deswegen auch ein hohes Potential, da Vorurteile meines Erachtens immer wieder auftreten werden, bis sich jenes Verhalten schließlich ändert. Das Lernen der Thematik „Vorurteile“ muss deswegen nicht unbedingt als Lernstoffeinheit behandelt werden. Ich denke, dass sich das Verhalten allein schon durch regelmäßige Anwendung der Gestaltpädagogik im Unterricht auch auf jenes gesellschaftliche Phänomen (sozusagen „nebenbei“) einstellen wird. Auf der anderen Seite muss dieses Thema jedoch als Einheit auftauchen, um das Prinzip der geschlossenen Gestalt zu erfüllen. Hier ergibt sich aber das Problem der Unterrichtsorganisation. Denn innerhalb von einigen Wochenstunden, die dann auch noch in 45 minütige Einheiten aufgeteilt werden, lässt sich selten ein Thema beenden.
Daraus sei zu schließen, dass die konsequente Durchführung von Gestaltpädagogik und der damit einhergehenden Prinzipien im alltäglichen Unterricht plus die Behandlung der Stereotypen-Problematik (innerhalb einer Projektwoche) dafür sorgen kann, dass vorurteilbehaftetes Verhalten verbessert werden kann.
Ich möchte noch einmal auf das hohe Maß an Verantwortlichkeit und Freiwilligkeit, das den Schüler/innen innerhalb jener erziehungswissenschaftlichen Ansätze zugestanden wird, verweisen. Man mag hier argumentieren, dass es nun dem Jugendlichen selbst zugestanden wird, seine Auffassung und das damit verbundene Verhalten zu ändern, was absolut zutrifft. Dies sollte jedoch nicht negativ beurteilt werden, denn erstens können wir die Lernenden nicht zwingen, das Verhalten zu ändern, da jede/r einzigartig ist und jede/r ein Recht darauf hat zu sein, wie er/sie ist. Zwang führt demzufolge auch nicht zur Veränderung. Zweitens erfolgt letztere nicht in der Aufforderung, sich zu verändern, sondern ist Teil gestaltpädagogischen Handelns, das sich durch den respektvollen Umgang miteinander auszeichnet. Das Überdenken eigener Handlungen sowie die Veränderung urteilenden Verhaltens passiert deswegen im Zuge gestaltpädagogischen Unterrichts „nebenbei“ und teilweise auch unbewusst. Auf methodischer Seite ließe sich durch unterhaltsame Identifikationsübungen die Empathie oder durch Meditationsübungen die Kontaktherstellung fördern.
Ebenfalls erforderlich ist eine Änderung des Lehrerverhaltens. Nicht nur, dass dieser selbst vorurteilsfrei sein muss (Prinzip der Personenzentrierung), sondern ebenso sollten alle genannten Prinzipien so präzise wie möglich ausgeführt werden. Insbesondere seien hier auch die Faktoren „awareness“ und Spontanität ergänzend hinzugefügt, um situativ auftretende Vorurteile erkennen und schließlich durch gestaltpädagogische Maßnahmen behandeln zu können. Dem Lehrer kommt demzufolge eine zentrale Rolle in der Vorurteilsüberwindung gemäß Gestaltpädagogik zu. Das Problem hierbei besteht jedoch in der Lehreraus- und –weiterbildung.
Alles in allem muss gesagt werden, dass sich gestaltpädagogische Maßnahmen vortrefflich für die Überwindung von Vorurteilen nutzen lassen, da sich theoretisch gesehen viele Schnittstellen zwischen der Stereotyp-Entstehung und dem gestaltpädagogischen Ansatz der Prinzipien ergeben. Dabei gilt es jedoch präzise auf die korrekte Durchführung der genannten Maximen zu achten. Zusätzlich ist davon auszugehen, dass hierbei eine gewisse Zeit nötig ist, um eine positive Einstellung gegenüber dem Fremden zu erzielen. Eine Verhaltensänderung zum offenen, seine Wahrnehmung kritisch reflektierenden und empathischen Individuum ist sicherlich nicht in einer Doppelstunde durchzusetzen. Ebenso bedeutet Gestaltpädagogik nicht nur die Anwendung der Prinzipien und Methoden, sondern erfordert ebenso die innere Überzeugung des Lehrenden. Gestaltpädagogik ist keine Entertainment-Pädagogik, sondern fußt auf psychologischen Erkenntnissen. Wir sprechen demzufolge von Unterricht auf hohem Niveau!
6.4 Unterstützende Funktionsweisen der Prinzipien durch Methoden
Um nun also das Beste aus dem gestaltpädagogischen Ansatz herauszuholen, und die benannten Probleme zu umgehen, seien im Folgenden einige Methoden genannt. Ich habe diese gewählt, da sie sich meines Erachtens am Besten für den Anti-Diskriminierungszweck eignen.
6.4.1 Identifikationsübungen
Gemäß des Synergieprinzips halte ich es für sehr sinnvoll, im Rahmen der Anti-Diskriminierungserziehung Identifikationsübungen und Rollenspiele durchzuführen. Hierbei könnte man den Kindern und Jugendlichen zeigen, warum sich eine Person in bestimmten Situationen so und nicht anders verhält. Soziale oder kulturelle Vernetzungen werden auf diese Weise deutlich, sodass erkannt werden kann, warum eine bestimmte Entscheidung die richtige war.
Beispiele
Im Rahmen eines Schauspieltrainings, an dem ich zu meiner eigenen Schulzeit teilnahm, sollte jedes Mitglied einen Schuh mitbringen. Das konnte also ein Kinderschuh, eine Pantoffel oder auch ein Damenpumps sein. Die Gruppe nahm im Stuhlkreis Platz und jeder musste eine Geschichte aus der Sicht seines Schuhs erzählen: Wo wurde ich gefunden? Was sind Probleme in meinem Leben? Was war der schönste Tag in meinem Leben? usw. Erst heute erkenne ich übrigens, dass es sich damals um eine Identifikationsübung handelte, um uns Empathie zu lehren, was in der Rolle als Schauspieler natürlich von primärer Wichtigkeit war.
Eine andere Möglichkeit zum Training des Einfühlungsvermögens ist folgende Identifikationsübung, die mit einem Rollentausch verbunden ist (vgl. Johnen 1999: 56 ff.). Diese Übung basiert auf James Krüss Gedicht „Das schwarze Schaf“, das im Anhang zu finden ist.
Das Gedicht handelt von einem schwarzen Schaf, das von seinen neun Brüdern aufgrund seiner Farbe tagtäglich verspottet wird. Eines Tages taucht schließlich ein Wolf auf, um eins der Schafe zu reißen. Alle Tiere fliehen, bis auf das schwarze Schaf. Dieses ist aufgrund der Hänseleien so deprimiert, dass es den Wolf bittet, es zu töten. Durch die Andersartigkeit des Schafes ist dieser jedoch so verstört, dass er die Flucht ergreift und nie wieder kommt. Die nächsten zwei Tage wird das schwarze Schaf von seinen Brüdern als Held gefeiert. Am dritten Tag kehrt jedoch der Alltag zurück und mit ihm der Spott der anderen.
Zur Identifikationsphase schlägt Johnen (1999: 57) folgende Aufgabenstellung vor:
„Versuch Dir jetzt vorzustellen, daßDu das schwarze Schaf auf einer Wiese stehen siehst. Im Hintergrund grasen seine „weißen Brüder“ und beblöken es ab und zu.
Schau Dir das Schaf ganz genau an. Wie sieht es aus? Wie fühlt es sich?
Stell Dir jetzt vor, Du bist dieses Schaf. Wie fühlst du Dich? Was sagen Deine Brüder zu Dir? Was sagst Du zu Deinen Brüdern?“
Johnen (1999: 57) empfiehlt hierbei, vor der Identifikationsübung eine Entspannungsübung durchzuführen und nach stattgefundener Identifikation den Lernern auch die Möglichkeit zu geben, ihre Erfahrungen als schwarzes Schaf durch das Malen eines Bildes zu visualisieren. Dies halte ich für eine sehr gute Idee, da so auch die Schüler Gefühle darstellen können, die ihnen mit Worten schwerfallen.
Natürlich lässt sich das Aufgabenbeispiel auch auf bestimmte kulturelle oder soziale Stereotypen umschreiben.
6.4.2 Feedback
Zur besseren Einschätzung des eigenen Verhaltens schlagenBurow und Scherpp (1981) das Feedback als wichtige Methode vor. Dies sei ebenfalls wichtig, um „feststellen zu helfen, ob Ansicht und Wirkung meines Handelns nicht auseinanderklaffen.“ (Burow 1981: 91).
Auch dabei gilt es, besondere Regeln zu beachten. So muss ein Feedback beispielsweise immer in Ich-Botschaften verpackt werden.Daneben gilt Folgendes (Burow und Scherpp (1988) berufen sich dabei auf Frech et al. 1977/78).):
a) Regeln für den Feedback-„Sender“:
- Gib Feedback, wenn der andere es hören kann.
- Gib Feedback so konkret, so direkt wie möglich.
- Gib Feedback möglichst unmittelbar.
- Gib Feedback, indem du dich selbst miteinbeziehst, eigene Gefühle äußerst.
- Du sollst im Feedback den anderen nicht analysieren, dich nicht über ihn stellen.
Vor allem die letzte Regel ist im Zusammenhang mit Stereotypen zu betonen, da eine vorurteilsfreie Haltung sich dadurch auszeichnet, nicht vergleichend zu bewerten, das heißt jemanden im Sinne von „besser“ oder „schlechter“ einzuordnen.
b) Regeln für den Feedback-Empfänger
- Höre erst einmal ruhig und aufmerksam zu.
- Nimm nur an, was du für dich akzeptieren kannst.
Feedback kann im Unterricht auf drei Bewusstseins-Ebenen gegeben werden (äußere & innere Wahrnehmung; Phantasien) und ist demzufolge nahezu immer einsetzbar.
6.4.3 Phantasieübungen
Phantasieübungen sind in der Gestaltpädagogik eine beliebte Methode, werden aber auch in anderen Erziehungswissenschaften eingesetzt. Meines Erachtens sind sie vor allem im Kontext der Stereotypen-Überwindung äußerst nützlich, weilhierdurch die rechte Gehirnhälfte, Sitz des intuitiv-bildhaften Denkens und der assoziativen Vorstellungswelt, stimuliert wird. Da diese Seite im stark rational geprägten Schulunterricht nicht oder kaum angeregt wird, ergibt sich durch Phantasieübungen eine ideale Möglichkeit, die Ungleichheit aufzuheben.
Denn nur, wenn beide Gehirnhälften genutzt, das heißt analoges und rationales Denken, verbunden werden, können wir „unser ganzes Potential ausschöpfen“ (Burow et al. 1987: 39). So würde das auch für die Behandlung von Vorurteilen bedeuten, dass eine Stimulierung der rechten Gehirnhälfte unabdingbar ist. Denn, wie Burow et al. (1987) betonen, führt eine Aktivität jener Hemisphäre zum Auftauchen nichtbewußter, unterbewußter und überbewußter Ereignisse, sodass hier besonders die „awareness“ trainiert wird.
Angewendet auf das Themenfeld der kulturellen Stereotypen könnte man beispielsweise folgende Phantasiereise initiieren:
Stelle dir vor, du befindest dich in einem Café in London. Du wartest auf eine Freundin. Und beginnst dein Umfeld zu beobachten. Was siehst du? Und was hörst du? Was kannst du fühlen?
Ich bin mir sicher, dass einige Kinder nach in der Auswertungsphase auch stereotypische Aussagen machen werden wie „In meiner Phantasie hat es geregnet“, oder „Zwei Gentleman traten ein und machten Witze“ und dadurch Anlass geben könnten, über nationale Vorurteile zu sprechen.
Um die Qualität der Phantasiereise zu steigern, empfehlen Burow et al. (1987), vor Ausführung der Methode eine Entspannungsübung durchzuführen, was ich ebenfalls sehr wichtig halte, da auf diese Weise der erfolgreiche Kontakt im Individuum (Denken-Handeln-Fühlen) hergestellt werden kann.
6.4.4 Bewegungsübungen
Die Körperübungen dienen nicht nur der Auflockerung und Entspannung, sie fördern ebenfalls spielerisch den zwischenmenschlichen Kontakt und sind demzufolge auch bezüglich Stereotypen geeignet. Dabei können die Schüler/innen in Paaren gegeneinander, miteinander und füreinander in Kontakt treten (vgl. Burow et al. 1987):
a) Gegeneinander
- Schiebt euch gegenseitig mit den Schultern weg;
- Stoßt euch mit den Händen voneinander ab.
- Versucht, einander mit den ausgestreckten Händen wegzuschieben.
- Ein Partner legt die Hände an den Körper des anderen und umfaßt ihn von hinten etwa oberhalb des Gürtels. Der Festgehaltene soll jetzt seine ganze Kraft einsetzen, um sich zu befreien.
b) Miteinander
- Ein Partner legt sich steif auf den Boden, und der andere rollt ihn weg (zuerst mit Widerstand, dann mit Unterstützung des Partners).
- Versucht, euren Partner so klein (so groß) wie möglich zu machen.
c) Füreinander
- Macht aus eurem Partner einen Stuhl und setzt euch drauf.
- Ihr sollt jetzt aus eurem Partner ein Haus bauen. Es kommt ein Gewitter. Ihr müsst schnell in das Haus. Jetzt scheint die Sonne, ihr geht aus dem Haus
Besonders für Vorurteile, die innerhalb des Klassenverbandes bestehen, sehe ich eine tolle Möglichkeit der Kontaktherstellung auf der „Ich-Du-Ebene“. Dabei würde ich Schritt für Schritt von den Körperübungen, die gegeneinander gerichtet sind über diejenigen, die miteinander durchgeführt werden schließlich zu den Übungen, die füreinander getan werden übergehen. Indem sich die Kinder untereinander auf diese Weise besser kennen und um sich sorgen lernen, sehe ich auch auf der symbolischen Ebene eine Annäherung an vorurteilsfreies Handeln. Denn während bei den Übungen gegeneinander noch gezeigt wird, wie schwer es ist, gegen jemanden anzutreten, wird bei den Aufgaben füreinander deutlich, dass es viel leichter ist, kein Einzelkämpfer zu sein. Die Abschaffung von Auseinandersetzungen (gegeneinander), die auf Vorurteilen beruhen könnten, werden symbolisch durch die gegenseitige Sorge (füreinander) ersetzt.
7 Gestaltpädagogik und Vorurteilsüberwindung am Beispiel Frankreich
7.1 Beschreibung der Studie
Um die Wirkung gestaltpädagogischer Maßnahmen auf die Überwindung von Stereotypen zu untersuchen, unterrichtete ich vier Wochen lang eine Deutschklasse des LycéeMargueritte in Verdun (Frankreich). Dabei konzentrierte ich mich speziell auf die nationalen Stereotypen, die die Franzosen gegenüber den Deutschen hegen. An meiner Studie nahmen 9 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 16 und 17 Jahren teil.
Ich hatte mich für jenen Vorurteilstypus entschieden, da mir dieser besonders leicht messbar zu sein schien. Hinzu kommt, dass ich die französische Schulorganisation während meines Auslandaufenthaltes als stark zentriert empfand. Durch mehrere Hospitationen wurde deutlich, dass hier vor allem Frontalunterricht praktiziert wurde. Dies entspricht ebenfalls der Studie Hofstedes (2006) und dem Ergebnis der starken Unsicherheitsvermeidung Frankreichs. Da, wie weiter oben schon erwähnt, sich diese durch die Präferenz „richtiger Antworten“ statt „open-end Diskussionen“ auszeichnet, schien mir eine französische Klasse sehr gut für die Anwendung gestaltpädagogischer Maßnahmen geeignet. Viele der Kinder kannten es nicht, dass man sich auch zusammen in einen Kreis setzte und diskutierte, denn das eigentliche Lehrer-Schüler-Verhältnis ist hier durch eine autoritäre, ranghafte, Beziehung gekennzeichnet. Die Anwendung der Gestaltpädagogik war für die Jugendlichen somit eine komplett innovative Vorgehensweise der Unterrichtsgestaltung.
7.2 Darstellung der Methoden
Neben der Beachtung der oben genannten Prinzipien wendete ich folgende Methoden an:
7.2.1 1.Stunde: Themenbäume „Deutschland und die Deutschen“
Die erste Stunde begann ich mit der Informationssammlung. Dies geschah durch die Methode der „Themenbäume“. Im Hintergrund ließ ich leise Entspannungsmusik spielen. Jeder der Jugendlichen bekam 5 farbige Zettel. Darauf sollten die Schüler/innen ihre Assoziationen zu „Deutschland und den Deutschen“ schreiben, während sie sich im Klassenraum frei bewegen durften. (Hier ergab sich für mich gleich die erste Überraschung, denn die Schüler/innen wollten sich sofort wieder an die Tische setzen, die ich vorher an die Wände geschoben hatte.) Die beschriebenen Blätter wurden schließlich fallen gelassen. Nachdem die Begriffkärtchen beschrieben waren, forderte auf, „Themenstapel“ mit Hilfe der fallengelassenen Blätter zu bilden. Es ergaben sich die Gruppen „Ein Baum von Liebe und Freundschaft“ (Fokus auf persönliche Verbindungen mit Deutschland – das Mädchen hatte eine deutsche Mutter und einen französischen Vater und verbrachte die ersten 5 Lebensjahre in Deutschland); „Ein kultureller Austausch“ (dieser Baum war einem Schüleraustausch und den damit verbundenen Erlebnissen gewidmet) und schließlich der Freizeitbaum (hier wurden alle Freizeitaktivitäten, denen man in Deutschland nachgehen konnte, festgehalten.).
Bevor jedoch die Bäume vorgestellt werden konnten, wurde die Stunde durch das Läuten der Schulglocke unterbrochen. Wir mussten die Fertigstellung demzufolge auf die nächste Stunde verschieben und konnten das Prinzip der geschlossenen Gestalt nicht erfüllen.
7.1.2 2. Stunde: Präsentation der Themenbäume / Kulturmodell „Eisberg“
In der zweiten Stunde bat ich die Schüler/innen und Schüler, ihre Themenbäume vorzustellen. Diese Präsentationen habe ich auf der beiliegenden CD als kurzen Videoclip festgehalten.
Hier fiel auf, dass die Jugendlichen im Bezug auf Deutschland kaum Stereotypen nannten. Das könnte einerseits daran liegen, dass sie sich vor mir (als Deutsche) nicht trauten, ein Vorurteil anzubringen (dies würde gleichzeitig bedeuten, dass an dieser Stelle zwischen mir und den Schülern eine Kontaktgrenze bestand). Andererseits könnte dies auch davon zeugen, dass Stereotypen für die Schüler keine hohe Relevanz darstellten.
Nach der Zusammenfassung der genannten Stereotypen im Vergleich zur französischen Kultur (die Deutschen trinken Bier, die Franzosen Wein; Deutsche essen kleiner Mahlzeiten über den Tag verteilt, Franzosen essen drei Mal am Tag und hierbei in mehreren Gängen, etc.) führte ich mit der Gruppe eine Phantasiereise in die Antarktis durch.
Die Aufgabe lautete hierbei:
„Stellt euch vor, wir fliegen heute noch in die Antarktis, um dort im Meer auf einem Boot zu fahren. Unser Ziel ist es, die Eisberge der Antarktis zu sehen. Stellt euch jetzt vor, wir sind auf dem Boot. – Ihr könnt auch die Augen schließen. – Was könnt ihr sehen? Wie fühlt ihr euch? Was könnt ihr riechen?
Wir fahren weiter. Jetzt könnt ihr einen Eisberg sehen. Wie sieht der in eurer Phantasie aus? Was fühlt ihr jetzt?
Es wird langsam dunkel und wir müssen wieder zurückfahren. In unserem Hotel treffen wir uns, um uns unsere Erlebnisse zu erzählen und die Fotos zu zeigen.
Ihr könnt nun wieder die Augen öffnen.“
Dann bat ich die Schülerinnen und Schüler, mir ihre Erlebnisse zu erzählen. Es wurden die Begriffe „kalte Luft“ und „Stille“ genannt. Die Entdeckung des Eisberges wurde als beeindruckend beschrieben, es wurde auch von „klopfenden Herzen“ und „Ehrfurcht“ gesprochen.
Jetzt bat ich einen Freiwilligen, mir das gemachte Foto seines Eisberges zu zeigen, indem er diesen an die Tafel malen sollte[15]. Ich war durchaus überrascht, als der Junge den Eisberg so darstellte, dass sich ein Teil über dem Wasser und ein Teil unter dem Wasser befand. Er erläuterte dies damit, dass der Touristenführer auf dem Boot erklärt hätte, dass der größte Teil eines Eisberges unter Wasser sei, und nur ein kleiner Teil sichtbar wäre.
Hier knüpfte ich direkt an das kulturelle Eisbergmodell Edgar Scheins an. Demnach seien 20 % einer Persönlichkeit beziehungsweise Kultur sichtbar und 80 % lägen im Verborgenen. Ich fragte die Klasse, welche Dinge sie während ihres Schulaustausches in Deutschland wahrgenommen hätten. Gemeinsam ordneten wir die Begriffe den entsprechenden Teilen des Eisberges zu.Schließlich zeigte ich den Schülern am Beispiel des „Wahrnehmungsdreiecks“, dass ich auch Ihnen zu Beginn meiner Arbeit vorstellte (à Paris in thethe spring). Und bat die Kinder, nachdem sich jeder das Bild leise ansah, mir zu sagen, was sie denn gelesen hätten. Bis auf ein Mädchen hatten alle Schüler die Doppelung des Artikels überlesen und waren sozusagen „in die Falle ihrer Wahrnehmung getappt“. Dies wendete ich wiederum auf die 80 % des Eisberges an, die man aufgrund jener Prozesse nur differenziert wahrnimmt.
Nachdem wir mit dieser Übung abgeschlossen hatten, teilte mir ein Schüler mit, dass er noch etwas ergänzen wolle. Natürlich gestand ich ihm seinen Wunsch zu und er malte ein Boot mit einem Männchen, das ins Wasser sprang. Dann sagte er: „Das ist der Mann, der in die Kultur eintaucht“. Ich war wirklich fasziniert, wie die Schüler die Vielschichtigkeit des Modells erkannten und den Lernstoff direkt anwendeten.
7.1.3 3.Stunde: „Aurélie“ – Wir sind Helden
Die nächsten Stunden wollte ich der Erstellung kreativer Medien widmen, um die Thematik abzuschließen (à Prinzip der geschlossenen Gestalt). Deshalb Verwendete ich das Lied „Aurélie“ der deutschen Popgruppe „Wir sind Helden“[16]. Zusätzlich hielt ich jenes Lied für besonders geeignet, da die Hauptfigur Aurélie eine Französin ist, die sich stereotypisch über die „flirtunfreudigen“ Deutschen ärgert. Den Hauptteil der Unterrichtsstunde widmeten wir dem Textverständnis, da jenes Lied viele deutsche Idiome enthält, die im Französischen keine adäquate Übersetzung besitzen[17].
Aufgrund der akuten Zeitknappheit konnte diese Übung nicht mit der anschließenden kreativen Medienverarbeitung enden. Ich bat die Jugendlichen deswegen, ob sie mir einen Gefallen tun und den Fortgang der Geschichte durch das Erstellen eines Mediums erzählen könnten. Dies geschah auf freiwilliger Basis, denn mir war es im Rahmen meines Praktikumsvertrages nicht erlaubt, den Schüler/innen Hausaufgaben aufzutragen. Sie wussten also, dass sie jene Aufgabe nicht erfüllen mussten.
7.1.3 4. Stunde: Präsentation der kreativen Medien, Abschlussfeier und Nachtest
Umso mehr war ich deswegen überrascht, dass jede Gruppe das Ende der Liebesgeschichte um Aurélie medial verarbeitet hatte. So entstand beispielsweise Aurélies Tagebuch, in welches die Schülerinnen auch ihre eigenen Erlebnisse des Schüleraustausches einfließen ließen (à Kontaktherstellung zwischen „Ich“ & „Du“). Daneben entstand ein Comic, der die glücklich endende Suche nach Liebe darstellte und schließlich auch ein Märchen[18].
Ich hatte für diesen Tag Kakao und Gebäck vorbereitet, um die Einheit „nationale Vorurteile“ mit Präsentation der kreativen Medien abzuschließen. Die Schüler/innen und Schüler zeigten mir und ihren anderen Klassenkameraden stolz ihre Werke. Ich war überrascht, was die Jugendlichen (trotz eines straffen Zeitprogrammes und entgegen ihres Bewusstseins, dass die die von mir gestellte Bitte nicht hätten erfüllen müssen) geschaffen hatten!
Um meine Studie zu vollenden, führte ich in dieser Stunde auch den Nachtest durch.
7.3 Auswertung der Testergebnisse
Um die Auswirkung gestaltpädagogischer Maßnahmen zu testen, ließ ich die Jugendlichen vor und nach meinem Projekt einen Fragebogen ausfüllen.
Dazu listete ich im Vor-und Nachtest eine Reihe von Stereotypen auf, die mir während meines Praktikums ein Jahr vor Ausführung der Studie begegnet waren[19]. Die häufigsten Vorurteile waren hierbei die Deutschen seien umweltfreundlich, tränken gerne Bier, äßen fortwährend und seien liebenswürdig. Vor und nach der Anwendung gestaltpädagogischer Maßnahmen ergab sich folgende Verteilung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 11 Verteilung von nationalen Stereotypen vor (Vortest) und nach (Nachtest) der Anwendung von Gestaltpädagogik
Wie erkennbar ist, konnte die Hälfte der genannten Vorurteile vermindert werden. Die Attribute „reinlich“ und „genau/präzise“ blieben jedoch bestehen. Erstaunlich ist die Zunahme der Eigenschaft „fleißig“. Ich führe dieses Ergebnis zunächst auf einen (wenn auch geringen) Teilerfolg der Gestaltpädagogik im Bezug auf Vorurteile zurück, da bei der Hälfte der angegebenen Stereotypen ein Rückgang zu verzeichnen ist. Die Zunahme des Attributs „fleißig“ ließe sich darauf schließen, dass zwischen Vor und Nachtest zeitlich gesehen 4 Wochen lagen. „Reinlich“ und „präzise“ waren Eigenschaften, die tendenziell eher weniger mit den Deutschen in Verbindung gebracht wurden. Ich halte es diesbezüglich für möglich, dass einige der Jugendlichen vergaßen, was sie im ersten Fragebogen angegeben hatten oder im ersten Fragebogen nicht an jene Vorurteile dachten.
Auf die Frage im ersten Test, nach der Quelle der angekreuzten Klischees, wurde mit 8 Punkten die Bestätigung durch eigene Erfahrungen („ich habe den Stereotyp selbst wahrgenommen“) genannt. Die eigene Wahrnehmung sei diesbezüglich als Hauptquelle für Vorurteile betont. Ich sehe hier ein sehr großes Potential für gestaltpädagogische Maßnahmen, da hier immer wieder die eigene Wahrnehmung trainiert und auf Kontaktprozesse fokussiert wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 12: Angegebene Quellen der genannten Stereotypen (Vortest)
Wie zu erwarten war, stellte die zweitgrößte Quelle die Sozialisation durch die Familie dar, an dritter Stelle wurden die Freunde genannt. Hierbei fällt jedoch auf, dass die deutschen Freunde oder Austauschpartner öfters genannt wurden, obwohl die Schülerinnen und Schüler seltener mit diesen in Kontakt standen. Das Ergebnis ließe sich meines Erachtens deswegen erklären, weil deutsche Freunde nicht nur durch Gespräche über nationale Klischees diese bestätigten, sondern auch über das eigene Verhalten, dass die französischen Jugendlichen gemäß der Theorie der konstruierten Wahrnehmung beobachteten.
Damit bewahrheitete sich die oben dargestellte Theorie der Vorurteilsbildung. Da bis auf ein/e Schüler/in jede/r Befragte/r angab, die vorurteilsbehafteten Beschreibungen selbst bestätigt gesehen zu haben, finden wir hier die Verbindung von bereits generierten kategorisches Zuschreibungen mit der konstruierten Wahrnehmung beziehungsweise sich selbsterfüllenden Prophezeiung. Überraschenderweise wurde die Mediensozialisation durch den Fernseher nur einmal genannt.
Das nächste Augenmerk im Vortestgalt der eigenen Empfindung der Jugendlichen gegenüber der Überwindung von Vorurteilen. Demnach fragte ich sie „Glaubt ihr, dass man Stereotypen überwinden kann?“ und ließ sie zwischen „ja“ und „nein“ wählen. Das Ergebnis war, dass die geringe Mehrheit im Verhältnis von 5:4 sich dagegen entschied, und die gestellte Frage mit „nein“ beantwortete. Da sich im Nachtest jedoch eine leichte Verminderung einstellte, ist davon auszugehen, dass die Schüler vor der Anwendung von Gestaltpädagogik sich ihrer eigenen Ressourcen noch nicht bewusst waren (à Prinzip des Self-Supports). Denn tatsächlich war es doch möglich, die Vorurteile leicht einzuschränken. Dies wird ebenfalls durch die Ergebnisse im Nachtest bestätigt. So gaben vier von neun Befragten an, dass der Unterricht gegen ihre persönlichen Vorurteile vorgehen konnte:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 12 Vergleich Vortest – Nachtest:Antworten der Schüler auf die Fragen „Kann man Stereotypen supprimieren?“ (Vortest) und „Konnte mein Unterricht eure persönlichen Vorurteile abschaffen?“ (Nachtest)
Dies würde ebenfalls beweisen, dass die Jugendlichen an Self-Support gewonnen haben, und sich der Fähigkeit bewusst geworden sind, was mit Hilfe von differenzierter Wahrnehmung möglich ist.
Um herauszufinden, ob vorher schon über jene Problematik gesprochen wurde, hatte ich im Vortest diese Frage gestellt. Es stellte sich heraus, dass alle Befragten schon Erfahrungen mit der Thematik im Unterricht gesammelt hatten. Dennoch bestanden zu dieser Zeit Vorurteile. Ich schließe daraus, dass im schulischen Kontext kaum an der Verhinderung von Vorurteilen gearbeitet, sondern durch das Herausstellen von Unterschieden die Fähigkeiten des Kategorisierens und gesteuerten Wahrnehmens sogar noch verstärkt wurden.
Schließlich wollte ich auch herausfinden, ob mein Eindruck, den ich bezüglich des französischen Unterrichts hatte, tatsächlich so sei und fragte im Nachtest, ob mein Unterricht anders gewesen wäre im Vergleich zur alltäglichen Vorgehensweise der anderen (französischen) Deutschlehrer. Neun von neun Befragten beantworteten diese Frage mit „ja“. Auf Nachfrage, was denn anders gewesen sei, wurde mehrfach geantwortet, dass wir mehr kommuniziert hätten („on a parlétous le temps“ / „plus communiqué“/ etc.), die Schüler in Gruppen gearbeitet hätten und die Atmosphäre alles in allem „cool“ gewesen sei.
Um dies genauer darstellen zu können, fragt ich nach den Erfahrungen jeder Methode. Dabei unterschied ich zwischen der Motivation, die Übung zu erledigen (d.h. „War die Methode kreativ?“ und „War die Methode sinnvoll?“) und dem Kontaktprozess, den ich zwischen mir und den Schülern herstellen wollte, da ich als Deutsche sozusagen ein doppeltes Handicap hatte. Das Ergebnis jener Befragung war durchgehend positiv.
Jedoch variierten die Beurteilungen bezüglich der Methoden.
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Abbildung 13: Bewertung der eingesetzten Methoden
Demzufolge wurde die Methode der Themenbäume sowie das Eisbergmodell (+ Phantasiereise) am kreativsten eingeschätzt. Diese Methoden waren auch jene, die nach Angaben der Schüler sich auf die Beziehung zu mir am positivsten auswirkten. Die könnte meines Erachtens an der Förderung der rechten Gehirnhälfte durch jene Phantasieübungen liegen. Zwar war die Umsetzung Hausaufgabe ebenfalls sehr kreativ, wurde aber nicht so positiv bewertet, da sie meines Ermessens mit zusätzlichem Arbeitsaufwand verbunden war.
Ebenfalls nennenswert ist die positive Atmosphäre, die durch den veränderten Unterricht durch alle Befragten bestätigt wurde.
Die letzte Frage galt der Menge des Erlernten gemäß Introspektion. Die Frage lautete also: „Wie viel hast du gelernt? Bewerte gemäß folgender Skala von 1 bis 5 (1 = nichts; 5 = viel)!“[20] Nur ein Schüler gab an, wenig gelernt zu haben, die Mehrzahl gab jedoch an, etwas bis viel dazu gelernt zu haben:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 14: Frage nach der Quantität neu erlernter Informationen
Im Detail nannten einige der Schüler/innen folgende Informationen, die dazugelernt wurden:
- „Stereotypen sind mit Eisbergen vergleichbar“ („stéréotypessont des icebergs“)
- „Viele Menschen hegen Stereotypen, auch wenn diese übertrieben sind“ („beaucoup de gensont des stéréotypesalorsquec’estexagéré“)
- „…, dassKlischeesüber die Deutschennichtimmerwahrsind“ („… que les clichés sur des allemands en autres pays ne sont pas toujours vrais“)
- „…, dass es immeraucheineversteckteEigenschaftgibt, die dieanderennichtkennen, die aber interessantist“ („…qu’il y a toujours quelque chose de caché, que des autres ne savent pas mais qui est intéressant“)
7.4 Zusammenfassung der Testergebnisse
Die Befragung bestätigte, dass gestaltpädagogische Maßnahmen zur verbesserten Wahrnehmung von Stereotypen führten und demzufolge die bereits existierenden Vorurteile durch ein realistischeres Bild ersetzen konnten. Demzufolge konnten die Hälfte der im Vortest angegebenen Stereotypen reduziert werden. Darüber hinaus bestätigte die Mehrheit der Befragten gemäß Introspektion, mehrere Informationen dazugelernt zu haben. Ich halte diese Ergebnisse für erweiterbar, da ich erstens keine komplett ausgebildete Gestaltpädagogin bin und sicherlich nicht innerhalb von vier Unterrichtseinheiten alle Prinzipien berücksichtigen konnte, was insbesondere für das Prinzip der geschlossenen Gestalt gilt. Dennoch hatte ich bei der Auswertung des Nachtest das Gefühl, den Jugendlichen „die Augen geöffnet“ zu haben. Die Entstehung von Vorurteilen könnte dadurch schon „an der Wurzel gepackt“ und somit verhindert werden. Diese kritische Wahrnehmung („awareness“) ist ebenfalls definitiv ausbaufähig, allerdings braucht es, wie schon vermutet, eine konsequente Durchführung der gestaltpädagogischen Prinzipien und stetes Wahrnehmungstraining. Da jedoch eine leichte Bewusstseinsveränderung schon nach vier Stunden zu spüren war, sehe ich eine große Chance stereotypisches Denken einzudämmen.
Zusätzlich denke ich, dass allein das positive Feedback zeigt (die Mehrheit der Befragten bezeichnete die angewendeten Methoden als sinnvoll, kreativ und verbesserte angeblich die Lehrer-Schüler-Beziehung auf positive Art und Weise), dass Gestaltpädagogik ein hohes Motivationspotential hat. So war ich ebenfalls positiv überrascht, dass alle Schüler die freiwillige Hausarbeit kreativ und ordentlich erledigt hatten.
Ein weiterer Vorteil besteht in der gesteigerten Kommunikation, was insbesondere im Fremdsprachenunterricht von hoher Bedeutung ist und meistens vernachlässigt wird. Selbst schüchterne Schüler/innen trauten sich in der Fremdsprache zu reden. Für mich, als angehende Lehrerin war es ein Wohltat zu sehen, wie die Schüler/innen Spaß am Unterricht hatten.
So bin ich zusammenfassend der Meinung, dass insbesondere der Lehrerausbildung noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Zwar ist es möglich Gestaltpädagogik-Seminare an der Universität zu besuchen, dennoch sind diese bedauerlicherweise eher rar. Denn betrachtet man die positiven Auswirkungen jener Erziehungswissenschaft, sollte diese doch weitaus öfters Anwendung finden.
8 Fazit
Es wurde deutlich, dass Vorurteile auf Stereotypen beruhen. Diese zeichnen sich durch vier Merkmale aus: die Gruppenidentifikation, die Zuschreibung von Charakteristika zu jener Gruppe, sowie die Attribution jener Charakteristika zu jedem Mitglied der Gruppe. Die dadurch entstandenen Vorurteile können positiver und negativer Natur sein.
Bezüglich des Wahrheitsgehaltes von Stereotypen konnte Hintons (2002) Aussage, Stereotypen seien falsch, mit Hilfe des 5-Dimensionen-Modells von Geert Hofstede (2006) widerlegt werden. Letzteres verdeutlicht bestehende kulturelle Unterschiede zwischen mehreren Staaten und wurde beispielhaft an den Nationen USA, Thailand und Amerika vollzogen. Stereotypen und die daraus resultierenden Vorurteile besitzen somit einen „wahren Kern“, der auf jenen nachweisbaren Unterschieden beruht.
Dennoch bedarf es mehrerer Faktoren, um einen (kulturellen) Unterschied in eine Intoleranz zu verwandeln. Ethnozentrismus stellt hierbei einen von fünf Einflüssen dar. Er benennt das Präferieren der Eigengruppe gegenüber einer Fremdgruppe, wobei die Handlungen letzterer an den Normen der eigenen Gruppe degradiert werden. Dies konnte durch Tajfels (1968) Minimalgroup-Paradigma bestätigt werden.
Weitere Gründe sind in der konstruierten Wahrnehmung, sowie in den kognitiven Sparprozessen zu sehen. Weil der Mensch tagtäglich einem Overflow an Informationen ausgesetzt ist, aber nicht alle wahrnehmen kann, filtert er diesen Input, er „konstruiert“ sich seine Wahrnehmung, um so das Denken zu strukturieren und das Gehirn entlasten zu können. Eng damit verbunden ist der Prozess des Kategorisierens. Hierbei werden andere Individuen gemäß eigner (d.h. fremdartiger) Eigenschaften in bestimmte Schemata eingeordnet, sozusagen ein Prototyp erstellt. Wird dieser Prototyp wiederum auf die anderen Mitglieder der Outgroup übertragen, kommt es zur Entstehung des Stereotyps.
Hierbei giltdie Sozialisation durch Familienmitglieder, Freunde oder auch die Medien als eine wichtige Quelle. Gemäß dem Prinzip der konstruierten Wahrnehmung sowie der sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden die Stereotypen schließlich gefestigt. Zusätzlich erschweren jene wahrnehmungsverzerrenden Prozesse die Abschaffung der Voreingenom-menheiten. Dass dieser Prozess ein natürlicher ist und demzufolge jeder stereotypisiert, konnten Rosenthal und Jacobson (1968) mit ihrem Experiment bezüglich der selbsterfüllenden Prophezeiung beweisen, in dem selbst Lehrer nicht frei von jenem Prozess waren.
Folglich war bezüglich der Relevanz von Vorurteilen auch die Seite der Lehrer zu betrachten. In der Stereotype ThreatTheory Keller und Dauenheimers (2003) wurde deutlich, dass Lehrer keine Vorurteile gegenüber ihrer Schüler hegen sollten, da sich dies sogar auf die Leistungsfähigkeit der Lernenden auswirken könnte. In ihrem Experiment war es Keller und Dauenheimer (2003) nämlich gelungen nachzuweisen, dass Schülerinnen schlechter in einem Mathetest abschnitten, wenn diesem ein geschlechtsstereotypischer Text, der besagte, dass Mädchen schlechter als Jungen abschneiden würden, vorangegangen war.
Im Allgemeinen werden Vorurteile aus gesellschaftlicher Sicht aus sozial-normativen und ökologisch-monetären Gründen abgelehnt. Diesbezüglich lässt der hessische Lehrplan auch in den fachübergreifenden Rahmenkompetenzen sowie in den fachspezifischen Vorschriften Raum für das Behandeln jener Thematik.
Da sich die Gestaltpädagogik vor allem durch ihre starke Betonung von Wahrnehmungs-und Kontaktprozessen auszeichnet (und damit am Entstehungspunkt von Vorurteilen ansetzt), ist es bei korrekter Ausführung der zwölf Teilprinzipien möglich, hierdurch Vorurteile zu überwinden. Bei ungenauer Ausführung jener Maximen können sich aufgrund der Überschneidungspunkte aber auch Probleme ergeben. Deswegen ist es ratsam, zusätzlich die gestaltpädagogischen Methoden wie beispielsweise Phantasie-oder Bewegungsübungen anzuwenden, um den „Stein ins Rollen zu bringen“ und ein Gefühl für gestaltpädagogisches Lehren und Lernen zu bekommen.
Die theoretische Vermutung, dass durch die Überschneidungender Gestaltprinzipien und dem Entstehen von Stereotypen zu deren Auflösung beitragen könnte, wurde im Feldversuch am Beispiel der kulturellen Vorurteile bestätigt durch Introspektion und den Vergleich von Vor-und Nachtest bestätigt.
Um nun zurück auf Einsteins eingangs aufgeführte Aussage zu kommen, muss gesagt werden, dass sich Vorurteile wohl doch etwas leichter als Atome zerstören lassen. Da ich meine Arbeit mit einem Zitat von Herrmann Hesse beginnen ließmöchte ich sie auch diesen schließen und gleichzeitig den Kommentar zum Zitat Einsteins noch ergänzen:
„Man muss das Unmögliche versuchen,
um das Mögliche zu erreichen.“
- Hermann Hesse -
Bibliographie
Barrett, M. & Short, J. (1992). Images of European people in a group of 5-10-year-old English schoolchildren. British Journal ofDevelopmentalPsychology, 10, 339-363.
Bierhoff, Hans-Werner &Rohmann, Elke (2008). Sozialisation. In:Petersen, Lars Eric &Six, Bernd (Hrsg). Stereotype, Vorurteile und Soziale Diskriminierung. Theorien, Befunde und Interventionen. Weinheim & Basel, Beltz Verlag. 301-310.
Brown, R. (1965). Social psychology. London: Collier-Macmillan.
Buber, M. (1923). Ich und Du. In Dialogisches Leben (1947). Zürich.
Burow, O.A., Quitmann, H. &Rubeau, M.P (1987). Gestaltpädagogik in der Praxis. Salzburg: Otto Müller Verlag.
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Transkulturelles Portal [Verfasser unbekannt] (2011). Kulturdimensionen nach Hofstede. URL: http://www.transkulturelles-portal.com/index.php/5/52 (20.12.2011).
Transkulturelles Portal [Verfasser unbekannt] (2011): Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung. URL: http://www.transkulturelles-portal.com/index.php/5/52/525 (20.12.2011).
Transkulturelles Portal [Verfasser unbekannt] (2011): Maskulinität vs. Feminität. URL: http://www.transkulturelles-portal.com/index.php/5/52/523 (20.12.2011).
Transkulturelles Portal [Verfasser unbekannt] (2011): Unsicherheitsvermeidung. URL: http://www.transkulturelles-portal.com/index.php/5/52/524 (20.12.2011).
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Vester, F. (1980). Neuland des Denkens, Stuttgart: DVA.
ANHANG
A. Lehrmaterialien
James Krüss
Das schwarze Schaf
Es war einmal ein schwarzes Schaf,
das hatte weiße Brüder.
Es kaute friedlich, stumm und brav
Das Gras der Wiese wieder.
Doch spottete die Brüderschar,
weil es so schwarz wie Kohle war.
Dann fielen Tränen groß und schwer,
ins Gras der Wiese nieder.
Tagtäglich grämte es sich mehr
Bei dem Gespött der Brüder.
Denn es ist schwer, so ganz allein
Ein armes, schwarzes Schaf zu sein.
Nun kam einmal ein Wolf daher,
der heulte angsterregend.
Neun weiße Schafe blökten sehr
Und flohen in die Gegend.
Neun Schafe flohen von den Zehn,
Das schwarze nur blieb traurig stehen.
Zum Wolfe schlich das schwarze Tier
Mit tiefgebeugtem Nacken.
Komm her, Herr Wolf! Ich warte hier.
Du darfst mich ruhig packen.
Beende meinen Lebenslauf,
Und friß mich bitte auf!
Der Wolf begann, sich auf der Stell
Die Lippen abzuschlecken.
Jedoch das Fell, das schwarze Fell,
Erfüllt den Wolf mit Schrecken.
Er steht. Er lugt. Ein Sprung. Ein Blick.
Der Wolf flieht in den Wald zurück.
Neun Schafe rings am Wiesenrand
Bestaunen ihren Bruder.
Neun Schafe suchen unverwandt
Den Wolf, das böse Luder.
Jedoch der Wolf erscheint nicht mehr.
Neun weiße Schafe staunen sehr.
Zwei Tage galt das schwarze Schaf
Als Held für seine Brüder.
Es freute sich und kaute brav
Das Gras der Wiese wieder.
Doch als der dritte Tag begann,
Da fing das Spotten wieder an.
Vergessen war der Wolf im Wald,
Vergessen die Gefahren.
Man lacht, man schreit, es klingt, es schallt:
Du Biest mit schwarzen Haaren!
Das schwarze Schaf kaut grünes Gras.
und denkt sich traurig dies und das.
Quelle: Krüss, James (Verfassungsjahr unbekannt). Das schwarze Schaf. URL: http://www.bepa-galerie.de/Schafe/ (21.12.2011)
B. Studie: Vorurteile Französischer Schüler über Deutsche
i) Fragebogen / Vortest
ii) Fragebogen / Nachtest
iii) Dokumentation der Studie
1. Stunde (Siehe auch Medien-CD)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Der Freizeit-Baum“ (Marc & Camille)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„ Ein kultureller Austauschbaum“ (Lise & Marion)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
"Ein Baum von Liebe und Freundschaft" (Mélodie, Nathalie & Julie)
2. Stunde: Eisbergmodell
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tafelbild 2. Stunde (Phantasiereise & Eisbergmodell). Die Markierung zeigt ein „in die Kultur eintauchendes Männchen“ und wurde von einem Schüler ergänzt.
3. Stunde: Aurélie – Wir sind Helden
Wir sind Helden
Aurélie
Aurélies Akzent ist ohne Frage sehr charmant
Auch wenn sie schweigt wird sie als wunderbar erkannt
Sie brauch mit Reizen nicht zu geizen
Denn ihr Haar ist Meer und Weizen
Noch mit Glatze fräß ihr jeder aus der Hand
Doch Aurélie kapiert das nie
Jeden Abend fragt sie sich
Wann nur verliebt sich wer in mich
Aurélie so klappt das nie
Du erwartest viel zu viel
Die Deutschen flirten sehr subtil
Aurélie so klappt das nie
Du erwartest viel zu viel
Die Deutschen flirten sehr subtil
Aurélie die Männer mögen dich hier sehr
Schau auf der Straße schaut dir jeder hinterher
Doch du merkst nichts weil sie nicht pfeiffen
Und pfeiffst du selbst die Flucht ergreifen
Du musst wissen hier ist weniger oft mehr
Ach Aurelie in Deutschland braucht die Liebe Zeit
Hier ist man nach Tagen erst zum ersten Schritt bereit
Die nächsten Wochen wird gesprochen
Sich auf's Gründlichste berochen
Und erst dann trifft man sich irgendwo zu zweit
Aurélie so klappt das nie
Du erwartest viel zu viel
Die Deutschen flirten sehr subtil
Aurelie so einfach ist das eben nicht
Hier haben andre Worte ein ganz anderes Gewicht
All die Jungs zu deinen Füßen wolln sie küssen auch die Süßen
Aber du merkst das nicht
Weil er dabei von Fussball spricht
Ach Aurelie du sagst ich solle dir erklärn
Wie in aller Welt sich die Deutschen dann vermehren
Wenn die Blumen und die Bienen in Berlin nichts tun als grienen
Und sich nen Teufel um die Bestäubungsfrage schern
Aurélie so klappt das nie
Du erwartest viel zu viel
Quelle: Wir sind Helden (2003): Aurélie. URL: http://www.lyricsbox.com/wir-sind-helden-lyrics-aurelie-nkv6fw9.html (21.12.2011).
4. Stunde: Vorstellung der medialen Verarbeitung des „Aurélie“-Lieds
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der "Aurélie-Comic"
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das "Aurélie-Tagebuch"
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das "Aurélie - Märchen"
[...]
[1] Transkulturelles Portal [Verfasser unbekannt] (2011). Kulturdimensionen nach Hofstede. URL: http://www.transkulturelles-portal.com/index.php/5/52 (20.12.2011).
[2] Transkulturelles Portal [Verfasser unbekannt] (2011): Kollektivismus vs. Individualismus. URL: http://www.transkulturelles-portal.com/index.php/5/52/522 (18.12.2011)
[3] Ebd.
[4] Vgl. Transkulturelles Portal [Verfasser unbekannt] (2011): Kollektivismus vs. Individualismus. URL: http://www.transkulturelles-portal.com/index.php/5/52/522 (18.12.2011)
[5] Vgl. Transkulturelles Portal [Verfasser unbekannt] (2011): Maskulinität vs. Feminität. URL: http://www.transkulturelles-portal.com/index.php/5/52/523 (20.12.2011).
[6] Transkulturelles Portal [Verfasser unbekannt] (2011): Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung. URL: http://www.transkulturelles-portal.com/index.php/5/52/525 (20.12.2011).
[7] Transkulturelles Portal [Verfasser unbekannt] (2011): Unsicherheitsvermeidung. URL: http://www.transkulturelles-portal.com/index.php/5/52/524 (20.12.2011).
[8] VglInstitut für Interkulturelle Kompetenz und Didaktik [Verfasser unbekannt, Datum unbekannt]: Ethnozentrismus und Polyzentrismus-Perspektiven bei Beschreibung von Kultur. URL:http://www.ikud.de/Ethnozentrismus-und-Polyzentrismus.html (20.12.2011).
[9] Bildquelle: URL: http://www.sichp.co.uk/res/default/parisinthespring.jpg. (20.12.2011).
[10] Jenes Leistungsvermögen soll den Schüler/innen im gestaltpädagogischen Prinzip des Self-Supports wieder bewusst werden.
[11] Quelle: Keller, Johannes (2008: 93)
[12] Hessisches Kultusministerium. Bildungsstandards und Inhaltsfelder. Das neue Kerncurriculum für Hessen. Sekundarstufe I – Gymnasium. S. 8 f.URL: http://www.iq.hessen.de/irj/servlet/prt/portal/prtroot/slimp.CMReader/HKM_15/IQ_Internet/med/133/1332d149-f868-821f-012f-31e2389e4818,22222222-2222-2222-2222-222222222222 (20.11.2011)
[13] Buber, M. (1923). Ich und Du. In Dialogisches Leben (1947). Zürich.
[14] Quittmann, H. (1985). Humanistische Psychologie. Göttingen: Hogrefe.
[15] Das Tafelbild hierzu finden Sie im Anhang
[16] Der Text ist ebenfalls im Anhang zu finden.
[17] Hierzu gehörten beispielsweise „weniger ist oft mehr“, „aus der Hand fressen“, „sich gründlich beriechen“, „wenn die Blumen und Bienen grienen“ etc.
[18] Auszüge der entstandenen Arbeiten sind im Anhang zu finden.
[19] Innerhalb einer Unterrichtsstunde, die ich mit mehreren Klassen unterschiedlicher Jahrgänge hielt, bat ich die Schüler/innen, mir alle Stereotypen zu nennen, die ihnen im Zusammenhang mit Deutschland in den Sinn kamen.
[20] „Veuillez évaluer la quantité des informations apprises (Combien avez-vous appris: 1= rien; 2 = un peu, 3 = suffisamment; 4 = plusieurs; 5 = beaucoup)“
- Quote paper
- Stefanie Schliephorst (Author), 2012, Vorteilhaft Vorurteile verurteilen: Die Überwindung von Stereotypen durch Gestaltpädagogik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197420
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