Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definitionen
2.1 Nationalismus – eine Ideologie
2.2 Was kennzeichnet eine Feudalgesellschaft?
3. Frankreich – Geburtsland des modernen Nationalismus
4. Ursachen der Entstehung des Nationalismus
4.1 Die Modernisierungstheorie
4.2 Das Bürgertum als Trägerschicht des Nationalismus
4.3 Wiener Kongress und Restaurationsphase – Aufstieg des deutschen Bürgertums
4.4 Entstehung des deutschen Nationalismus
4.5 Sozialer Wandel als Voraussetzung nationaler Bewegungen
5. Fazit
6. Quellenverzeichnis
7. Literaturverzeichnis
Aus der Einleitung:
„Der Begriff Nationalismus ist einer der inhaltlich vieldeutigsten, die es im politischen und wissenschaftlichen Sprachgebrauch gibt.“1 Die Schwierigkeit den Begriff zu definieren zeigt sich zudem darin, dass sich die Historiker und Sozialwissenschaftler nicht einig sind, seit wann man von Nationalismus sprechen kann. Die große Mehrheit sieht jedoch die „Zeit des revolutionären Umbruchs in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts“2 als Entstehungszeitraum an.
Bisher wurden vor allem die verschiedenen Erscheinungsformen des Nationalismus untersucht. Wann, wie und warum der Nationalismus entstanden ist und welcher Entstehungsbedingungen es dafür bedurfte, rückte erst in neuerer Zeit ins Zentrum des Forschungsinteresses3. Mit dem „annus mirabilis´“4 1983 begann ein Umdenken in der Nationalismusforschung. Das historische Phänomen der Nation wird seitdem als menschliches Konstrukt betrachtet.
Auffallend ist die zeitliche Parallelität des Entstehens nationaler Bewegungen mit der „Modernisierung des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens“5 gegen Ende des 18. Jahrhunderts, weshalb die Forschung von einem Zusammenhang zwischen Nationalismus und sozialem Wandel ausgeht.
1 Winkler, Heinrich August, Der Nationalismus und seine Funktionen. In: Winkler, Heinrich August (Hrsg.), Nationalismus, Königstein/Ts. 1985, S. 5.
Vgl. dazu auch Alter, Peter, Nationalismus, Frankfurt am Main 1985, S. 10.
2 Ebd., S. 5.
3 Vgl. Alter, Peter, Nationalismus, Frankfurt am Main 1985, S. 81.
4 Wehler, Hans-Ulrich, Nationalismus. Geschichte, Formen, Folgen, 3. Aufl., München 2007, S. 8. Wehler bezieht seine Aussage, das Jahr 1983 sei das „annus mirabilis“, auf das Erscheinen dreier Bücher zur neuen Nationalismusforschung und den Ideen des neuen Konstruktivismus, verfasst von Ernest Gellner, Benedict Anderson und Eric Hobsbawm.
5 Alter, Peter, Nationalismus, Frankfurt am Main 1985, S. 82.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definitionen
2.1 Nationalismus - eine Ideologie
2.2 Was kennzeichnet eine Feudalgesellschaft?
3. Frankreich - Geburtsland des modernen Nationalismus
4. Ursachen der Entstehung des Nationalismus
4.1 Die Modernisierungstheorie
4.2 Das Bürgertum als Trägerschicht des Nationalismus
4.3 Wiener Kongress und Restaurationsphase - Aufstieg des deutschen Bürgertums
4.4 Entstehung des deutschen Nationalismus
4.5 Sozialer Wandel als Voraussetzung nationaler Bewegungen
5. Fazit
6. Quellenverzeichnis
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Der Begriff Nationalismus ist einer der inhaltlich vieldeutigsten, die es im politischen und wissenschaftlichen Sprachgebrauch gibt.“1 Die Schwierigkeit den Begriff zu definieren zeigt sich zudem darin, dass sich die Historiker und Sozialwissenschaftler nicht einig sind, seit wann man von Nationalismus sprechen kann. Die große Mehrheit sieht jedoch die „Zeit des revolutionären Umbruchs in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts“2 als Entstehungszeitraum an.
Bisher wurden vor allem die verschiedenen Erscheinungsformen des Nationalismus untersucht. Wann, wie und warum der Nationalismus entstanden ist und welcher Entstehungsbedingungen es dafür bedurfte, rückte erst in neuerer Zeit ins Zentrum des Forschungsinteresses3. Mit dem „annus mirabilis´“4 1983 begann ein Umdenken in der Nationalismusforschung. Das historische Phänomen der Nation wird seitdem als menschliches Konstrukt betrachtet.
Auffallend ist die zeitliche Parallelität des Entstehens nationaler Bewegungen mit der „Modernisierung des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens“5 gegen Ende des 18. Jahrhunderts, weshalb die Forschung von einem Zusammenhang zwischen Nationalismus und sozialem Wandel ausgeht. Möglich wäre deshalb, dass der Nationalismus ein Ergebnis des Untergangs der Feudalgesellschaft ist, denn das Auflösen einer gesellschaftlichen Ordnung hinterlässt eine Lücke und verlangt das Bilden von neuen gesellschaftlichen Bindungen. Neben den politischen Umwälzungen, die seit der Französischen Revolution 1789 die politische Mobilisierung der Bevölkerung zur Folge hatten, startete in England eine wirtschaftliche Revolution, die Industrialisierung. Zusammen leiteten sie eine „Epoche des Leonard Schroeder beschleunigten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandels ein“6, in der die traditionellen Werteordnungen zerbrachen. „Der Zerfall traditioneller Legitimität, regionaler oder ständischen Bindungen schuf Raum für neue Loyalitäten.“7 Der Nationalismus als Integrationsideologie gab neue Orientierung und integrierte das von alten Bindungen losgelöste Individuum wieder in einer Gesellschaft, die Nation.
2. Definitionen
2.1. Nationalismus - eine Ideologie
Zu Beginn der Hausarbeit muss der Begriff Nationalismus definiert werden, denn wie Miroslav Hroch festgestellt hat, herrscht heute eine „Verwirrung um den Nations- und Nationalismusbegriff“8 und bis heute gibt es keine allgemeinverbindliche Definition.9 „Die Phänomene Nation und Nationalismus stell(t)en Theoretiker stets vor ein großes Rätsel, denn sie sind mächtig, zugleich jedoch ohne jede greifbare oder gar rationale Theorie, zumal beständig eine Veränderung der Form stattfindet.“10
Nationalismus ist „eine auf die moderne Nation und den souveränen Nationalstaat als die zentralen Werte bezogene Ideologie, die geeignet ist, soziale Großgruppen zu integrieren und sie durch nat. Identifikation gegen die andersstaatl. Umwelt abzugrenzen. N. entsteht entweder als Ideologie von Gesellschaftsschichten (z.B. des Bürgertums), die infolge wirtschaftl. oder sozialer Wandlungsprozesse aufsteigen, oder als Ideologie eines sich seiner selbst bewußt werdenden Volkes gegenüber einem übernat. Herrschaftsverband. […] Als polit. Ideologie gewann er […] erst seit der Frz.
Revolution durch die Verbindung mit den demokrat. Ideen der Selbstbestimmung und die Volkssouveränität überragende Bedeutung.“11 In der heutigen internationalen Diskussion der Experten wird der Nationalismus „als eine nach Möglichkeit neutrale Abkürzung für ein extrem einflussreiches Ideensystem gebraucht.“12
So sieht Eugen Lemberg den Nationalismus als Integrationsideologie. Es ist nicht ein gemeinsames Merkmal, wie etwa die Sprache, sondern „ein System von Vorstellungen, Wertungen und Normen, ein Welt- und Gesellschaftsbild“13, das den Nationalismus definiert. Peter Alter erweitert diese Definition, indem er ihn noch als „politische Bewegung“14 beschreibt, die große Bevölkerungsgruppen politisch mobilisieren kann. Im Gegensatz zu den Gedanken der Aufklärung ist das Individuum nicht Mitglied der Menschheit oder Weltbürger, sondern fühlt sich in erster Linie einer bestimmten Nation zugehörig.15
„Der moderne Nationalismus ist ein Kind der Französischen und Amerikanischen Revolution“16, obwohl der Ursprung des Nationalismus „tief in der Vergangenheit verwurzelt“17 ist.
2.2. Was kennzeichnet eine Feudalgesellschaft?
Der Feudalismus (auch: Feudalsystem) ist im engeren Sinne eine „Bez. für eine Form der sozialen, wirtschaftl. und polit. Ordnung, in der eine adlige Oberschicht vom Herrscher lehnsrechtlich mit Grundherrschaft sowie polit. und gesellschaftl. Vorrechten ausgestattet wird. […] Durch die feudale Grundherrschaft erlangte [...] die Oberschicht die volle Überlegenheit über die anderen Schichten, die teils in weitere feudale Stufen geordnet waren, teils als Untertanen (Hintersassen, Hörige, Leibeigene) außerhalb des eigentl. Lehnsverbandes standen. […] Eine strenge Hierarchie von Treuebeziehungen hielt dieses System zusammen.“18
Folglich ist eine Feudalgesellschaft ein Gesellschaftssystem, das von personalen Beziehungs- und Abhängigkeitsverhältnissen gekennzeichnet ist, die man Personenverbandsstaat nennt. Feudalgesellschaften sind in Europa Agrargesellschaften gewesen, die hierarisch gegliedert waren und in denen es eine kleine privilegierte Schicht gab, die über die Mehrheit herrschte. Die Zeit des Feudalismus reichte vom Frühmittelalter bis zur Französischen Revolution. Bis dahin wurden die Grund- und Gutsherren als die ökonomisch und sozial herrschende Gruppe angesehen und es existierte eine staatsfreie Sphäre, in die die vormoderne Staatlichkeit nicht hineinreichte. In der Französischen Revolution wurde der Begriff féodalité als politischer Kampfbegriff für die Bezeichnung der alten gesellschaftlichen Verhältnisse verwendet.
3. Frankreich - Geburtsland des modernen Nationalismus
Frankreich gilt als das Geburtsland des modernen Nationalismus. Der französische Geistliche Emmanuel Joseph Sieyès, genannt Abbé Sieyès, schreibt in seiner Flugschrift Qu´est-ce que le tiers-état?(dt.: Was ist der Dritte Stand?), veröffentlicht Ende 1788, dass der Dritte Stand, der 98% der französischen Bevölkerung umfasst, ALLES ist, jedoch keinerlei politische Mitbestimmung im Staat hat. Der Dritte Stand, in dem sich im 18. Jahrhundert das Bürgertum und die Intellektuellen formierten, sei ein „gefesseltes und unterdrücktes Alles.“19 Der Dritte Stand ist die Stütze des Landes, aber die beiden privilegierten Stände, Adel und Klerus, haben alle politische Macht inne, obwohl der Dritte Stand der Träger und Motor der französischen Wirtschaft ist. Sieyès definiert Nation als eine Gemeinschaft rechtsgleicher Bürger, die durch ein Parlament repräsentiert wird. Beides ist in Frankreich zu diesem Zeitpunkt aber nicht vorhanden. Für ihn verkörpert nur der Dritte Stand die Nation. Die ersten beiden Stände sind von der Nation ausgeschlossen, weil sie durch ihre Privilegien nicht die gleichen Rechte wie die Angehörigen des Dritten Standes haben. Daraus abgeleitet ist die französische Nation eine politische Willensgemeinschaft, der Wille des einzelnen entscheidet, ob er der Nation zugehörig ist (Voluntarismus). Zur Nation gehört, wer sich der Revolution des Dritten Standes anschließt. Im Verlauf der Französischen Revolution konstituierten sich die Abgeordneten des Dritten Standes in der Versammlung der Generalstände am 17. Juni 1789 zur Nationalversammlung. Sie stützten sich dabei auf Rousseaus Idee der Volkssouveränität ohne die der Nationalismus undenkbar wäre.20 Demnach haben alle Menschen von Natur aus gleiche Rechte und das Volk ist der alleinige Ursprung der Herrschaftslegitimation sowie Herrscher über sich selbst. Sieyès begründete damit, dass es alleine der Nationalversammlung zustehe, den Gesamtwillen der Nation auszudrücken. Die Begriffe Nation und féodalité wurden zu Kampfbegriffen gegen die ständische Ordnung. „Allein die Nation war die Quelle der Macht.“21 Mit der Revolution der Bauern im Sommer 1789 und den Augustbeschlüssen wurden in Frankreich die feudalen Privilegien abgeschafft.
Der Nationsgedanke des Abbé Sieyès und die politische Mobilisierung der Trägerschichten des Nationalismus standen vor der Beseitigung der Feudalgesellschaft, weshalb der Nationalismus nicht ein Ergebnis des Untergangs der Feudalgesellschaft ist, sondern ihre Ursache.
[...]
1 Winkler, Heinrich August, Der Nationalismus und seine Funktionen. In: Winkler, Heinrich August (Hrsg.), Nationalismus, Königstein/Ts. 1985, S. 5. Vgl. dazu auch Alter, Peter, Nationalismus, Frankfurt am Main 1985, S. 10.
2 Ebd., S. 5.
3 Vgl. Alter, Peter, Nationalismus, Frankfurt am Main 1985, S. 81.
4 Wehler, Hans-Ulrich, Nationalismus. Geschichte, Formen, Folgen, 3. Aufl., München 2007, S. 8. Wehler bezieht seine Aussage, das Jahr 1983 sei das „annus mirabilis“, auf das Erscheinen dreier Bücher zur neuen Nationalismusforschung und den Ideen des neuen Konstruktivismus, verfasst von Ernest Gellner, Benedict Anderson und Eric Hobsbawm.
5 Alter, Peter, Nationalismus, Frankfurt am Main 1985, S. 82.
6 Ebd.
7 Ebd.
8 Hroch, Mirsolav, Das Erwachen kleiner Nationen als Problem der komparativen sozialgeschichtlichen Forschung. In: Winkler, Heinrich August (Hrsg.), Nationalismus, Königstein/Ts. 1985, S. 155.
9 Vgl. Alter, Peter, Nationalismus, Frankfurt am Main 1985, S. 13.
10 Stich, Torben B.F., Die Nationalismustheorie von Eric J. Hobsbawm. In: Salzborn, Samuel (Hrsg.), Staat und Nation. Die Theorien der Nationalismusforschung in der Diskussion, Stuttgart 2011, S. 32f. Stich zitiert hier Hobsbawm: „Nationalism is probably the most powerful political phenomenon of our century […], but analysis has found it remarkably hard to come to grips with it.” (Hobsbawm, Eric J., Some reflections on nationalism. In: Nossiter, Thomas J./Albert H. Hanson/Stein Rokkan (Hrsg.), Imagination and Precision in the Social Sciences. Essays in memory of Peter Nettl, London 1972, S. 385-406.
11 Art. Nationalismus, In: Meyers Enzyklopädisches Lexikon in 25 Bänden, 16. Band, 9., völlig neu bearb. Aufl., Mannheim 1976, S. 780.
12 Wehler, Hans-Ulrich, Nationalismus. Geschichte, Formen, Folgen, 3. Aufl., München 2007, S. 13.
13 Lemberg, Eugen, Nationalismus, Bd. 2, Reinbek 1964, S. 52.
14 Alter, Peter, Nationalismus, München/Zürich 1994, S. 20. Zit. nach: Weidinger, D., Nation, Nationalismus, Nationale Identität. Hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1998, S. 26f.
15 Vgl. Alter, Peter, Nationalismus, Frankfurt am Main 1985, S. 14f.
16 Ebd., S. 61.
17 Kohn, Hans, Die Idee des Nationalismus. Ursprung und Geschichte bis zur Französischen Revolution, Frankfurt 1962, S. 9.
18 Art. Feudalismus, In: Brockhaus. Die Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden, Studienausgabe, 7. Band, 20. überarb. u. akt. Aufl., Leipzig 2001, S. 255f.
19 Sieyès, Emmanuel Joseph, Qu´est-ce que le tiers-état?. Zit. nach: Schmitt, Eberhard und Reichardt, Rolf (Hrsg.), Emmanuel Joseph Sieyès. Politische Schriften 1788-1790, 2. Aufl., München-Wien 1981.
20 Vgl. Kohn, Hans, Die Idee des Nationalismus. Ursprung und Geschichte bis zur Französischen Revolution, Frankfurt 1962, S. 9.
21 Alter, Peter, Nationalismus, Frankfurt am Main 1985, S. 61.
- Quote paper
- Leonard Schroeder (Author), 2011, Nationalismus – zwangsläufiges Ergebnis des Untergangs der Feudalgesellschaft im 19. Jahrhundert?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/196406
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