Sprachwissenschaftliche und logische Untersuchungen von Verwandtschaftstermini im Deutschen und Vietnamesischen
Sprachvergleiche sind zunächst für die Übersetzung und die Entwicklung von Unterrichtsmaterial von besonderer Bedeutung. Durch die Globalisierung werden Fremdsprachenkenntnisse und das Verständnis
fremder Kulturen in Wissenschaft, Diplomatie und Wirtschaft ebenfalls
immer bedeutsamer. Die Bedeutung sprachvergleichender Studien nimmt
daher ebenfalls zu.
Der Vergleich von Fremdsprachen mit der eigenen Muttersprache kann zu
einem besseren Verständnis anderer Völker und Kulturen führen. Die
Sprache und die Gedanken- und Gefühlswelt einer Kultur sind eng
miteinander verbunden; die Analyse der Sprache kann daher elementare
Strukturen der Gesellschaft und des Denkens aufzeigen. 1 Die
systematische Analyse der Sprachen und das Herausstellen der
Besonderheiten der untersuchten Sprachen können Sachverhalte
verdeutlichen und zu neuen Einsichten führen.
Einen Beitrag dazu soll diese Arbeit leisten, indem sie die Strukturen der
Verwandtschaft und deren Terminologien im Deutschen und im
Vietnamesischen mit Hilfe der Logik untersucht und einen Vergleich
anstellt.
Um eine Modellierung der Verwandtschaftstermini und der
zugrundeliegenden Beziehungen zu ermöglichen, benötigt man die
Relationslogik, da es sich bei Verwandtschaftsbeziehungen um Relationen und den Verwandtschaftstermini um Relatoren handelt. Im Folgenden wird diese Logik in dem sprachwissenschaftlichen Rahmen dieser Arbeit angemessener Komplexität von der Prädikationstheorie ausgehend entwickelt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Logik
2.1 Prädikationstheorie
2.2 Junktorenlogik
2.2.1 Grundlagen der Junktorenlogik
2.2.2 Junktoren
2.2.3 Regeln und Gesetze der Junktorenlogik
2.3 Quantorenlogik
2.3.1 Grundlagen der engeren Quantorenlogik
2.3.2 Regeln und Gesetze der engeren Quantorenlogik
2.3.3 Erweiterte Quantorenlogik
2.4 Algebra der Klassen, Mengenlehre
2.5 Relationslogik
2.5.1 Relationen
2.5.2 Eigenschaften von Relationen
3. Verwandtschaftstermini
3.1 Familie und Verwandtschaftsbeziehungen
3.1.1 Verwandtschaft
3.1.2 Deszendenz
3.1.3 Verwandtschaftsterminologien
3.2 Verwandtschaftstermini des Deutschen
3.3 Verwandtschaftstermini des Vietnamesischen
4. Relationslogische Analyse
4.1 Definition der benötigten Relationen
4.2 Logische Analyse
4.2.1 Relationskompositionen
4.2.2 Deutsche Verwandtschaftsterminologie
4.2.3 Vietnamesische Verwandtschaftsterminologie
5. Auswertung und Schlussbetrachtung
Eidesstattliche Erklärung
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Internet-Quellen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Reduktion der Quantoren, Quantorenwechsel
Abbildung 2: Symbole des Verwandtschaftsdiagramms
Abbildung 3: Bilineare Deszendenz
Abbildung 4: Ambilineare Deszendenz
Abbildung 5: Kindreds
Abbildung 6: Kongatische Lineage
Abbildung 7: Patrilineare Deszendenz
Abbildung 8: Matrilineare Deszendenz
Abbildung 9: Eskimo-Terminologie
Abbildung 10: Hawaii-Terminologie
Abbildung 11: Irokesen-Terminologie
Abbildung 12: Kreuz- und Parallelvettern/-Cousins
Abbildung 13: Crow-Terminologie
Abbildung 14: Deutsche Verwandtschaftsterminologie als Stammbaum von Ego
Abbildung 15: Vietnamesische Verwandtschaftsterminologie als Stammbaum von Ego
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Wahrheitstabelle der Negation
Tabelle 2: Wahrheitstabelle der Konjunktion
Tabelle 3: Wahrheitstabelle der Adjunktion
Tabelle 4: Wahrheitstabelle der Implikation
Tabelle 5: Wahrheitstabelle der Äquivalenz
Tabelle 6: Wahrheitstabelle der Kontravalenz und der Disjunktion
Tabelle 7: Operatorpräzedenz der Junktorenlogik
Tabelle 8: Regeln und Gesetze der Junktorenlogik
Tabelle 9: Operatorpräzedenz der Quantorenlogik
Tabelle 10: Substitutions- und Pränexitätsgesetze
Tabelle 11: Regeln und Gesetze der Mengenlehre / Klassenalgebra
Tabelle 12: Allgemeines Klassifikationsmodell der Verwandtschaftsverhältnisse
Tabelle 13: Veränderungen der deutschen Termini der Klasse K1
Tabelle 14: Veränderungen der deutschen Termini der Klasse K3
Tabelle 15: Zuordnung der Relationskompositionen zu den Klassen des allgemeinen Klassifikationsmodells
Tabelle 16: Deutsche Termini der Klasse A (Affinalverwandte)
Tabelle 17: Deutsche Termini der Klasse K (Kollateralverwandte)
Tabelle 18: Deutsche Termini der Klasse L (Linearverwandte)
Tabelle 19: Vietnamesische Termini der Klasse A (Affinalverwandte)
Tabelle 20: Vietnamesische Termini der Klasse K (Kollateralverwandte)
Tabelle 21: Vietnamesische Termini der Klasse L (Linearverwandte)
1. Einleitung
Sprachvergleiche sind zunächst für die Übersetzung und die Entwicklung von Unterrichtsmaterial von besonderer Bedeutung. Durch die Globalisierung werden Fremdsprachenkenntnisse und das Verständnis fremder Kulturen in Wissenschaft, Diplomatie und Wirtschaft ebenfalls immer bedeutsamer. Die Bedeutung sprachvergleichender Studien nimmt daher ebenfalls zu.
Der Vergleich von Fremdsprachen mit der eigenen Muttersprache kann zu einem besseren Verständnis anderer Völker und Kulturen führen. Die Sprache und die Gedanken- und Gefühlswelt einer Kultur sind eng miteinander verbunden; die Analyse der Sprache kann daher elementare Strukturen der Gesellschaft und des Denkens aufzeigen.1 Die systematische Analyse der Sprachen und das Herausstellen der Besonderheiten der untersuchten Sprachen können Sachverhalte verdeutlichen und zu neuen Einsichten führen.
Einen Beitrag dazu soll diese Arbeit leisten, indem sie die Strukturen der Verwandtschaft und deren Terminologien im Deutschen und im Vietnamesischen mit Hilfe der Logik untersucht und einen Vergleich anstellt.
Um eine Modellierung der Verwandtschaftstermini und der zugrundeliegenden Beziehungen zu ermöglichen, benötigt man die Relationslogik, da es sich bei Verwandtschaftsbeziehungen um Relationen und den Verwandtschaftstermini um Relatoren handelt. Im Folgenden wird diese Logik in dem sprachwissenschaftlichen Rahmen dieser Arbeit angemessener Komplexität von der Prädikationstheorie ausgehend entwickelt.
2. Logik
2.1 Prädikationstheorie
Als elementare Operation des Sprechens ist die Prädikation anzusehen. Hierbei werden Gegenstände der Umgebung oder Gegenstände, die in der Vorstellung existieren, mit einem Wort der Sprache belegt und auf diese Weise klassifiziert.2
Die Definition eines Gegenstandes liefert die Logische Propädeutik - die Vorschule des richtigen Redens und Denkens3: „Ein Gegenstand in der Welt ist etwas, das wir mit einem Wort unserer Sprache bezeichnen - das ist der Grundsatz der Logischen Propädeutik.“4 Ein Gegenstand ist also alles, worüber man sprechen kann, d. h. wofür es in der Sprache ein Wort gibt.5
Die Wörter der Sprache, mit denen Gegenstände belegt werden, heißen Prädikatoren. Der Vorgang des Zusprechens eines Prädikators ist die Prädikation, die an einem Gegenstand vollzogen wird. Prädikatoren sind generelle sprachliche Bezeichnungen, die sich auf Eigenschaften von Gegenständen oder deren Beziehungen untereinander beziehen.6
Zu den Prädikatoren zählen die Substantive, die Adjektive sowie die Verben; des Weiteren werden einige Adverbien wie „schnell“, die auch als Adjektive betrachtet werden können, ebenfalls zu den Prädikatoren gezählt.7 Die Substantive werden als Gegenstandsausdrücke, die anderen Wortarten als Eigenschaftsausdrücke bezeichnet. Einem Gegenstand können theoretisch beliebig viele Prädikatoren zugesprochen werden, beispielsweise kann man einem Substantiv „Haus“ mehrere Adjektive wie
„groß“, „blau“, „bewohnt“, etc. zuordnen. Gleichzeitig kann mehreren Gegenständen der gleiche Prädikator zugeordnet werden - so werden z. B. alle Häuser mit dem Prädikator „Haus“ bezeichnet. Auch das Absprechen eines Prädikators - „Dies ist kein Haus“ - ist eine Prädikation. Welchem Gegenstand welcher Prädikator zugesprochen werden darf, erlernt der Sprecher einer Sprache durch den alltäglichen Sprachgebrauch: der Prädikator „fliegt“ darf beispielsweise keinem Haus zugesprochen werden.8
Da Ein Prädikator beliebig vielen Gegenständen zugesprochen werden kann, ist mit einer Prädikation immer dann eine konkrete Zeigehandlung verbunden, wenn ein bestimmter Gegenstand gemeint ist. Man muss auf den gemeinten Gegenstand zeigen und sagen: „Dieser Gegenstand“. Es gibt daher eine sprachliche Bezeichnung, die nicht von einer Zeigehandlung abhängt, den Eigennamen. Die Benennung eines Gegenstandes mit einem Eigennamen wie „Peter“, wird nicht als Prädikation angesehen, da diese Benennung genau einen bestimmten Gegenstand bezeichnet. Eine Klassifikation wird durch eine Benennung nicht vorgenommen.9
Bei den Eigennamen handelt es sich um singuläre sprachliche Bezeichnungen, die nur genau einen einzigen Gegenstand betreffen. Eigennamen werden auch als Nominatoren bezeichnet.10 Unbekannte Gegenstände können zunächst nur mit einem Eigennamen benannt werden. Einem mit einem Eigennamen benannten Gegenstand können dann Prädikatoren zugesprochen werden: „Peter hat braunes Haar.“ Am Anfang des Bezeichnens steht daher die Benennung mit einem Eigennamen.11
Es hängt vom Vokabular (also den verfügbaren Prädikatoren) der jeweiligen Einzelsprache ab, was ihr Sprecher überhaupt als Gegenstand wahrnimmt. Gleichzeitig wird die Entwicklung des Vokabulars auch von der Wahrnehmung und den Notwendigkeiten des Lebens beeinflusst.12
Im Deutschen existiert genau eine Bezeichnung für Schnee, es gibt einige Adjektive, die die Beschaffenheit des Schnees beschreiben. Ein Sprecher des Deutschen wird daher unterschiedlich beschaffene Schneearten nicht als verschiedene Gegenstände wahrnehmen, sondern unterschiedliche Eigenschaftsausdrücke für die Beschreibung desselben Gegenstandes verwenden. Im Inari-Saamischen hingegen existieren 21 verschiedene Wörter für Schnee. Die Inari-Saamen leben nördlich des Polarkreises in Lappland, Schnee ist daher ein bedeutsamer Teil ihrer Lebenswirklichkeit. Die 21 verschiedenen Bezeichnungen dienen der Bezeichnung verschiedener Arten von Schnee. Die Wahrnehmung unterschiedlicher Gegenstände hat in diesem Fall zur Entwicklung der verschiedenen Gegenstandsausdrücke bzw. Prädikatoren geführt.13
Man kann die Bedeutung eines Prädikators als seinen Inhalt auffassen. Der Inhalt bzw. die Intension eines Prädikators ist der einzelne unbestimmte Gegenstand, dem er aufgrund von Konvention oder Gewohnheit durch alltäglichen Gebrauch zugesprochen werden darf. Die Intension eines Prädikators ist das, was er uns zu verstehen gibt.14
Der Intension eines Prädikators steht seine Extension, d. h. sein Umfang, gegenüber. Die Extension eines Prädikators ist die Gesamtheit aller Gegenstände, denen er aufgrund seiner Intension zugesprochen werden darf.15
Zwei Prädikatoren können intensional verschieden aber extensional gleich sein. So haben die beiden Prädikatoren „Paarzeher“ und „Wiederkäuer“ eine unterschiedliche Intension - sie beziehen sich auf unterschiedliche Merkmale eines Lebewesens, aber sie umfassen, da alle Paarzeher auch Wiederkäuer und alle Wiederkäuer auch Paarzeher sind, genau die gleiche Menge von Lebewesen. Es ist unmöglich, dass zwei Prädikatoren bei gleicher Intension extensional verschieden sind. Bei Synonyma handelt es sich um Prädikatoren, die sowohl intensional als auch extensional gleich sind. Der Normalfall ist allerdings die Verschiedenheit von Intension und Extension, er gilt für die meisten Vergleiche von Prädikatoren.16
Der Vorgang des Belegens von Gegenständen mit Worten der Sprache also die Prädikation - erfolgt in Form von gültigen, den Regeln der Grammatik folgenden, Sätzen der Sprache. Das Hauptmerkmal eines Satzes ist daher seine Prädikativität.17
Sätze können auf unterschiedliche Weise gebraucht werden - die verschiedenen Arten des Satzgebrauchs werden als Sprechakte 18 bezeichnet. Ein Sprechakt bezieht sich nicht auf den konkreten Inhalt eines Satzes, sondern auf den Zweck, den der Sprecher mit der Äußerung des Satzes verfolgt. Sätze können in deskriptiver, expressiver und evokativer Weise verwendet werden. Der deskriptive Gebrauch dient der Feststellung von Fakten, der expressive Gebrauch dient dem Ausdruck von Gefühlen des Sprechers und der evokative Gebrauch eines Satzes richtet einen Appell an den Adressaten. Sätze werden meistens nicht ausschließlich auf eine einzige der Weisen gebraucht; so hat beispielsweise der deskriptive Satz „Ich habe Hunger.“ auch einen evokativen Zweck - der Sprecher wünscht, dass der Adressat reagiert und ihm etwas zu essen beschafft. Ein Satz, dessen Gebrauch überwiegend deskriptiv ist, wird als Aussage bezeichnet. Eine Aussage ist also ein Satz, der die Wirklichkeit beschreibt, d. h. eine Prädikation vollzieht, ohne vorrangig dem Ausdruck von Gefühlen oder dem Bewirken einer Reaktion beim Adressaten zu dienen.19
[...]
1 Vgl. Lévi-Strauss (1977), S. 35 ff.
2 Vgl. Detel (2007), S. 23.
3 Vgl. Seiffert (1996), S. 27.
4 Seiffert (1996), S. 28.
5 Vgl. Seiffert (1996), S. 31.
6 Vgl. Detel (2007), Band 1, S. 25.
7 Vgl. Quine (1980), S.173 ff.
8 Vgl. Seiffert (1996), S. 32 ff.
9 Vgl. Seiffert (1996), S. 34 ff.
10 Vgl. Detel (2007), Band 1, S. 25.
11 Vgl. Seiffert (1996), S. 34 ff.
12 Vgl. Seiffert (1996), S. 30.
13 Vgl. Haarmann (2006), S. 58 ff.
14 Vgl. Seiffert (1996), S. 59.
15 Vgl. Seiffert (1996), S. 59.
16 Vgl. Seiffert (1996), S. 60 ff.
17 Vgl. Sommerfeld, Starke (1998), S. 158.
18 Vgl. Meibauer (2001), S. 86 ff.
19 Vgl. Detel (2007), Band 1, S. 22.
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