Ein hohes Maß an sozialer Selbständigkeit, eine liberale Erziehung mit partnerschaftlich-demokratischen Eltern und ein breit gefächertes und selbst bestimmbares Medien- und Freizeitangebot: Kindern und Jugendlichen scheint es auf den ersten Blick noch nie so gut gegangen zu sein. Die jetzige Generation ist materiell hervorragend versorgt. Ehemals lebensgefährliche Kinderkrankheiten sind weitestgehend besiegt bzw. relativ problemlos zu kurieren.
Sieht man allerdings genauer hin, so fällt auf, dass die Probleme der Kinder und Jugendlichen heute eher im zwischenmenschlichen Bereich liegen, in der Unsicherheit von Kontakten und Beziehungen. Zwar können sie die angenehmen Seiten der Wohlstandsgesellschaft für sich nutzen, sie bekommen aber auch die Nachteile zu spüren. Selbständigkeit und die Möglichkeit zur Selbstentfaltung stehen sozialer Unsicherheit und den damit verbundenen Irritationen gegenüber.
Gewalt und Aggression sind allgegenwärtig. Neben den in den Medien erscheinenden offensichtlichen Erscheinungsformen wie Krieg (gerade auch wieder aktuell), Kriminalität, ausländerfeindliche Aktionen, sexueller Missbrauch etc. gibt es im Alltag unzählige weniger auffällige: Aggressionen im Straßenverkehr, in der Familie, in der Berufswelt (Mobbing), in der Schule, im Sport und subtilere Formen der psychischen Aggression (z.B. Schikanieren von Untergebenen oder von Dienstleistungspersonal). Viele dieser Verhaltensweisen werden in unserer modernen „Ellbogengesellschaft“ akzeptiert und von den meisten Erwachsenen sogar vorgelebt.
Fast täglich berichten die Medien von Gewalttaten und aggressiven Übergriffe junger Menschen. Hierbei lässt sich feststellen, dass nicht nur deren Anzahl steigt, sondern dass sich vor allem die Qualität der Aggressionen verändert hat. Die immer jünger werdenden „Täter“ haben immer geringere Hemmschwellen. Nicht nur weil die Schule von der zunehmenden Aggressivität besonders betroffen ist, sondern vor allem wegen ihres großen Einflusses auf die Kinder ist es sinnvoll, hier besonderen Wert auf die Förderung der sozialen Kompetenzen zu legen. Die jetzigen und zukünftigen Lehrer2 werden besonders im pädagogischen Bereich gefordert sein. Deshalb ist es notwendig, sich zum Thema Sozialerziehung Gedanken zu machen. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung in die Problemstellung der Arbeit
2. Theoretischer Teil
2.1 Soziale Kompetenz
2.2 Soziales Lernen
2.3 Fairness, Fairnesserziehung im Sportunterricht
2.3.1 Geschichte oder: Vom „sportsman“ zum „fairen Foul“
2.3.2 Begriffsbestimmung
2.4 Sportspiele
2.4.1 Fairnesserziehung durch Spiele?
2.4.2 Probleme der Fairnesserziehung im Sportunterricht
2.4.2.1 Das Wesen des Sportunterrichts
2.4.2.2 Das Transferproblem
2.5 „Ultimate Frisbee“ – Das absolute Spiel
2.5.1 Geschichte
2.5.2 Die Frisbee – Scheibe
2.5.3 Das Spielfeld
2.5.4 Spielablauf und Grundregeln
3. Unterrichtseinheit
3.1 Planungszusammenhang
3.2 Sachanalyse
3.2.1 Der Sternschritt
3.2.2 Der Rückhandwurf
3.2.3 Der Vorhandwurf
3.2.4 Das Fangen
3.3 Bedingungsfeldanalyse
3.3.1 Institutionelle Voraussetzungen
3.3.2 Lerngruppe
3.4 Begründung der Unterrichtseinheit
3.5 Intentionen
3.5.1 Motorische Lernziele
3.5.2 Kognitive Lernziele
3.5.3 Sozial-affektive Lernziele
3.6 Didaktisch – methodische Vorüberlegungen
3.7 Darstellung der Unterrichtseinheit
3.8 Ausgewählte Unterrichtsstunden mit Analyse
3.8.1 Begründung der Auswahl
3.8.2 4. Stunde
3.8.2.1 Didaktisch – Methodische Begründungen
3.8.2.2 Analyse und Auswertung
3.8.3 7. Stunde
3.8.3.1 Didaktisch – Methodische Begründungen
3.8.3.2 Analyse und Auswertung
3.9 Reflexion der Unterrichtseinheit
4. Ergebnisse und Ausblick
5. Literatur
6. Eidesstattliche Erklärung
Anhang
1. Einführung in die Problemstellung der Arbeit
Ein hohes Maß an sozialer Selbständigkeit, eine liberale Erziehung mit partnerschaftlich-demokratischen Eltern und ein breit gefächertes und selbst bestimmbares Medien- und Freizeitangebot: Kindern und Jugendlichen scheint es auf den ersten Blick noch nie so gut gegangen zu sein. Die jetzige Generation ist materiell hervorragend versorgt. Ehemals lebensgefährliche Kinderkrankheiten sind weitestgehend besiegt bzw. relativ problemlos zu kurieren.[1]
Sieht man allerdings genauer hin, so fällt auf, dass die Probleme der Kinder und Jugendlichen heute eher im zwischenmenschlichen Bereich liegen, in der Unsicherheit von Kontakten und Beziehungen. Zwar können sie die angenehmen Seiten der Wohlstandsgesellschaft für sich nutzen, sie bekommen aber auch die Nachteile zu spüren. Selbständigkeit und die Möglichkeit zur Selbstentfaltung stehen sozialer Unsicherheit und den damit verbundenen Irritationen gegenüber.
Gewalt und Aggression sind allgegenwärtig. Neben den in den Medien erscheinenden offensichtlichen Erscheinungsformen wie Krieg (gerade auch wieder aktuell), Kriminalität, ausländerfeindliche Aktionen, sexueller Missbrauch etc. gibt es im Alltag unzählige weniger auffällige: Aggressionen im Straßenverkehr, in der Familie, in der Berufswelt (Mobbing), in der Schule, im Sport und subtilere Formen der psychischen Aggression (z.B. Schikanieren von Untergebenen oder von Dienstleistungspersonal). Viele dieser Verhaltensweisen werden in unserer modernen „Ellbogengesellschaft“ akzeptiert und von den meisten Erwachsenen sogar vorgelebt.
Fast täglich berichten die Medien von Gewalttaten und aggressiven Übergriffe junger Menschen. Hierbei lässt sich feststellen, dass nicht nur deren Anzahl steigt, sondern dass sich vor allem die Qualität der Aggressionen verändert hat. Die immer jünger werdenden „Täter“ haben immer geringere Hemmschwellen.
Nicht nur weil die Schule von der zunehmenden Aggressivität besonders betroffen ist, sondern vor allem wegen ihres großen Einflusses auf die Kinder ist es sinnvoll, hier besonderen Wert auf die Förderung der sozialen Kompetenzen zu legen. Die jetzigen und zukünftigen Lehrer[2] werden besonders im pädagogischen Bereich gefordert sein. Deshalb ist es notwendig, sich zum Thema Sozialerziehung Gedanken zu machen.
Eine wichtige Rolle bei dieser Aufgabe spielen dabei die Sportlehrer, weil der Sportunterricht eine gute Möglichkeit bietet, die Schüler emotional geöffnet, leidenschaftlich und engagiert zu treffen und sie so positiv zu beeinflussen. Durch seine besonderen Interaktions- und Kommunikationsstrukturen, wie z.B. Situationen des Miteinander und Gegeneinander, des Wettkampfes, der Gestaltung, des Spiels u.v.m. Im Gegensatz zu dem primär auf die Vermittlung von Sachwissen ausgerichteten Lernen in den anderen Fächern, werden dem Sportunterricht besondere Möglichkeiten der Sozialerziehung zugeschrieben. Im Sportunterricht sind die Gelegenheiten, soziale Erfahrungen zu machen, besonders häufig, weshalb hier eine Einflussnahme zu Gunsten prosozialen Verhaltens äußerst aussichtsreich erscheint. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass bereits seit den siebziger Jahren eine intensive Diskussion in der Sportpädagogik geführt wird, inwieweit der Sportunterricht intentionale soziale Erziehungsziele beinhalten solle. Das Ergebnis dieser Überlegungen spiegelt sich im aktuellen Lehrplan für das Fach Sport wider. Erziehung zur Fairness und Kooperation sind als wichtige Ziele aufgeführt und erstmals sollen diese beiden Verhaltensweisen auch in die Notengebung einfließen. Es wird also nicht nur auf Weiten, Zeiten und Technik, sondern auch auf die Sozialerziehung großer Wert gelegt.
Um diese Vorgaben mit Erfolg durchzuführen, benötigt man Formen des Sports, die diese gewünschten Verhaltensweisen fördern. Im demnächst erscheinenden neuen Rahmenplan für das Fach Sport sollen soziale Lernziele noch ausführlicher und in größerem Umfang gefordert werden.
Um meine Motivation für das Thema der Arbeit darzulegen, möchte ich zwei Situationen aus dem Sportunterricht beschreiben:
1) Stundenbeginn: Die Klasse trifft sich auf zwei zu einem „L“ zusammengestellten Bänken. Ohne eine Sitzordnung vorgegeben zu haben, nehmen auf der einen Bank nur Mädchen, auf der anderen nur Jungen Platz. Es ist beinahe unmöglich, in dieser Klasse Jungen und Mädchen zusammen zu bringen. Dieses Verhalten ist störend für Partner- oder Gruppenarbeiten sowie Mannschaftsspielen und kostet viel Zeit.
2) Streitigkeiten untereinander sind in dieser Klasse nichts Außergewöhnliches. Wegen unfairem Verhalten geraten Jungen mit Jungen in Spielen aneinander. Mädchen werden in Spielen von Jungen ignoriert und kaum mit einbezogen. Konflikte werden handgreiflich gelöst, Beleidigungen und lautstarke Äußerungen beherrschen die Diskussionen.
In zahlreichen Unterrichtseinheiten ist von mir versucht worden, diesen Verhaltensweisen entgegen zu wirken und die Einstellung der Schüler gegenüber Mitspielern und Gegnern fairer und respektvoller zu gestalten. Besonders das koedukative Problem sollte angegangen werden. Aber schon bei den Planungen und erst recht nach den Analysen wurde deutlich, dass mein Vorhaben durch die Voraussetzungen sehr schwer umzusetzen war.
Dann habe ich mich – angeregt durch eine Fortbildung – mit neueren alternativen Sportarten und Freizeitsportarten beschäftigt und einige Artikel gelesen, in denen die Vorzüge gegenüber anderen bewährten Sportspielen aufgezeigt worden sind. Da gerade beim Ultimate Frisbee Vorteile bei der Vermittlung sozialer Ziele im Vordergrund standen, entschied ich mich, eine Unterrichtsreihe durchzuführen. Ich war überzeugt, Ultimate Frisbee bietet durch seinen Grundgedanken und seine Spielidee die Möglichkeit, soziale Kompetenzen zu fördern und weiter zu entwickeln. Vor allem das Zusammenspiel und die Achtung des Gegners werden durch dieses Spiel betont. Die Chance, koedukativ zu arbeiten, ohne dass Jungen oder Mädchen von vorn herein benachteiligt waren, klang sehr verlockend.
Ich möchte in dieser Arbeit darlegen, dass Ultimate Frisbee ein Sportspiel ist, das den Forderungen des Rahmenplans nachkommt und sich besonders für das soziale Lernen eignet. Daher stelle ich folgende Thesen auf:
These 1
Ultimate Frisbee ist in besonderem Maße geeignet, soziale Kompetenzen und vor allem die Fairness der Schüler zu fördern.
These 2
Ultimate Frisbee ist ein neues, motivierendes Sportspiel, bei dem Jungen und Mädchen gemeinsam lernen können, ihren Umgang miteinander zu verbessern.
2. Theoretischer Teil
2.1 Soziale Kompetenz
In der Literatur findet man die Begriffe ‚soziale Kompetenzen’, ‚soziale Kompetenz’ oder ‚Sozialkompetenz’. Die beiden letzteren werden synonym gebraucht. Die ‚sozialen Kompetenzen’ beschreiben die einzelnen Bausteine, aus denen sich die Fähigkeit ‚Soziale Kompetenz’ zusammensetzt. Nach STEINHÜBEL könnten diese Bausteine sein[3][4]:
- Selbstbewusstsein
- Einfühlungsvermögen
- Kommunikationsfähigkeit
- Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit
- Konfliktfähigkeit
Bislang gibt es zum Begriff ‚Soziale Kompetenz’ keine einheitliche Definition. Die einen betonen die Kooperationsfähigkeit, andere legen den Schwerpunkt auf Einfühlungsvermögen und für Dritte ist der Umgang mit Konflikten zentral.
Eine Definition von sozialer Kompetenz wird erschwert durch den Umstand, dass sie nicht allein vom Individuum her, sondern auch von sozialen Anforderungen und Situationsmerkmalen her bestimmt werden muss. D.h., dass ein Verhalten in einer Situation als sozial kompetent, in einer anderen aber als sozial inkompetent gelten kann.
Bei BIELSKI findet man Definitionen unterschiedlicher Autoren: „HINSCH und PFINGSTEN (1983) definieren soziale Kompetenz „…als die Verfügbarkeit und Anwendung von kognitiven, emotionalen und motorischen Verhaltensweisen, die in bestimmten sozialen Situationen zu einem langfristig günstigen Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen führen.“ Von SOMMER wird soziale Kompetenz „…als die Verfügbarkeit und angemessene Anwendung von Verhaltensweisen (motorischen, kognitiven und emotionalen) zur effektiven Auseinandersetzung mit konkreten Lebenssituationen, die für das Individuum und/oder seine Umwelt relevant sind“ definiert.“[5]
Eine spezielle Definition sozialer Kompetenz von Kindern besagt, dass ein Kind sozial kompetent ist, wenn es bei anderen Kindern seiner Alterstufe (Peer-Group) beliebt ist.[6]
Diese Verhaltensweisen, die soziale Kompetenz ausmachen, sind zudem altersabhängig. JUGERT u.a schlagen deshalb vor:
„Eine einfache Form, soziale Kompetenz zu präzisieren, ergibt sich aus der Orientierung am Entwicklungsverlauf und den daraus resultierenden Entwicklungsaufgaben. Kinder und Jugendliche – so das Konzept von Havighurst (1982) – übernehmen durch die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Anforderungen neue Aufgaben und Rollen.“[7]
Für Kinder und Jugendliche könnten folgende Aufgaben Ziel der Entwicklung sozialer Kompetenz sein[8]:
- Kontaktaufnahme zu anderen
- Führen förderlicher Gespräche
- Hilfe geben und annehmen
- Wahrnehmen anderer und als gleichwertig achten (im Hinblick auf geschlechtsspezifische und kulturelle Unterschiede)
- Einfühlen in andere
- Aktives Zuhören
- Treffen und Einhalten von Vereinbarungen
- Konstruktiver Umgang mit Konflikten und Störungen
- Übernahme von Funktionen in Gruppen
2.2 Soziales Lernen
Der Begriff „soziales Lernen“ ist weder in der allgemeinen noch in der Sportpädagogik eindeutig definiert. Er wird missverständlicher Weise auf verschiedenen Ebenen gebraucht, er bezeichnet zum einen die Zielebene erzieherischen Handelns, zum anderen macht er Aussagen über den Erziehungsprozess und die Sozialformen des Unterrichts. Wegen seiner unklaren Verwendung soll zunächst eine Begriffsanalyse erfolgen, die die genaue Bedeutung in dieser Arbeit klärt.[9]
Im englischen Sprachraum beschreibt der Begriff „soziales Lernen“ die Imitation als „sozial induzierte Form des Lernens“. Bei uns tauchte er erst um 1970 auf, wurde aber sofort interessiert aufgenommen, was zu einer Vielzahl von Beiträgen und Definitionsversuchen führte.
Ein Grund für die Verwirrung um den Begriff liegt in der unterschiedlichen Auslegung des Wortes „sozial“. Im Alltagsgebrauch wird ihm automatisch eine positive Wertung zugeschrieben, also synonym mit „von der Gesellschaft erwünscht“ (= prosozial). In der Psychologie (wie auch in anderen Wissenschaften) hingegen ist der Begriff „sozial“ wertneutral. Er besagt lediglich, dass etwas in irgendeiner Form der Interaktion mit anderen geschieht, beinhaltet also sowohl pro- als auch antisoziale Verhaltensweisen. Jede Teildisziplin der Sportwissenschaft (Sportpsychologie, Sportsoziologie, Sportpädagogik, Sportdidaktik) greift auf unterschiedliche Definitionsansätze zurück, so dass es erforderlich wird, sich auf einen zu beschränken. Ein Vorstellen der verschiedenen Ansätze soll an dieser Stelle unterbleiben, da sie für die weitere Bearbeitung der Themenstellung nicht unbedingt erforderlich sind. In der Sportpädagogik wird meist „Sozialisation“ als Überbegriff für alle Prozesse verwendet, die den Menschen in seine soziale Umwelt integrieren und zur Entwicklung seiner Persönlichkeit beitragen, wobei das soziale Lernen als Teil der Sozialisation verstanden wird, „der auf intentionalen pädagogisch gesteuerten Lernprozessen beruht…, d.h. für den z.B. Lehrer im Unterricht absichtsvolle Lernsituationen arrangieren.“[10]
Zwar könnte man kritisieren, dass hier nicht unterschieden wird zwischen sozialem Lernen und sozialem Lehren oder – berechtigterweise – bemängeln, dass soziales Lernen auch nicht-intentional erfolgen kann oder auch antisoziale Verhaltensweisen sozial gelernt werden. Durch die notwendigen Unterscheidungen würde jedoch die Behandlung sehr umständlich und verwirrend erfolgen müssen. Da diese zugegebenermaßen etwas unschärfere Begrifflichkeit in der Sportpädagogik und -didaktik aber durchaus gebräuchlich ist, soll sie für diese Arbeit herangezogen werden, zumal Unklarheiten nicht auftauchen sollten, da sich aus der Themenstellung erkennen lässt, dass es sich um intentionales soziales Lernen und damit logischerweise ausschließlich um die Vermittlung prosozialer Verhaltensweisen dreht.
Ziel und Inhalte sozialen Lernens sind schwierig zu operationalisieren, zum einen, weil die Bewertung sozialer Verhaltensweisen als gut oder schlecht subjektiv ist, zum anderen auch aufgrund verschiedener Vorstellungen innerhalb einer Gesellschaft und eines Zeitraumes. Als allgemein erstrebenswertes Ziel wäre Gemeinschaftsfähigkeit zu nennen, die man in folgende Einzelziele untergliedern könnte[11]:
- Hilfsbereitschaft
- Friedfertigkeit
- Kooperationsfähigkeit
- Selbstbeherrschung
- Soziale Sensibilität (Empathiefähigkeit)
- Selbstbehauptung
- Konflikt-/ Kommunikationsfähigkeit
- Toleranz
- Verantwortungsbewusstsein
- Höflichkeit
Die Förderung von sozialer Kompetenz geht in die gleiche Richtung wie die oben genannte Gemeinschaftsfähigkeit.
2.3 Fairness, Fairnesserziehung im Sportunterricht
Fairness ist ein eindeutiger Begriff, zumindest scheint das so. Aber schon an der Bedeutungsvielfalt des Wortes „fair“[12] ist zu erkennen, dass dem keineswegs so ist. Sowohl im Alltagsgespräch als auch in der Fachliteratur wird Fairness unterschiedlich gebraucht bzw. verstanden. Vielfältige Begriffsbestimmungen und Definitionsversuche, die zum größten Teil recht unscharf dieses Abstraktum beschreiben sind seit der Entstehung des Wortes zu finden.
2.3.1 Geschichte oder: Vom „sportsman“ zum „fairen Foul“
„Fair“ und „Fairness“ sind Begriffe, die bereits im England des Mittelalters ein standesgemäßes (=anständiges) Verhalten der Oberschicht beschreiben. Der Bedeutungsgehalt reicht von „passend, angenehm, schön“ bis „gerecht, gleichberechtigt“.[13] [14] Dem „sportsman“,, der dem Großbürgertum oder der Aristokratie angehörte, war das Gewinnen unwichtig; er wollte einen möglichst unterhaltsamen Zeitvertreib, er nutzte den Sport sogar, um Ehrlichkeit, Redlichkeit und gönnerische Gesten zu demonstrieren. Während des 19. Jahrhunderts fanden in der Zeit der Industrialisierung dann auch die damals vorherrschenden „bürgerlichen“ Werte (Leistung, Gewinnstreben, Ehrgeiz) Einzug in den Sport, der sich nun auch den unteren Gesellschaftsschichten öffnete. Damals wurde der Sport erstmals von der Pädagogik benutzt, um den verwöhnten und oft motivationsarmen Kindern in den „public schools“ das Leistungsprinzip nahe zu bringen. Dabei wurde das „Fair play“ zum Leitgedanken der moralischen Erziehung.
Bevor die Kommerzialisierung im Sport einsetzte, war es z.B. noch üblich, auch bei größeren offiziellen Tennisturnieren dem stärkeren Spieler zu Beginn des Spiels ein „Handicap“ (=Rückstand) zu geben, um dem schwächeren die gleichen Gewinnchancen einzuräumen. Ab 1920 verschwanden dann diese Regelungen und eine Aufweichung des Fairnessgedankens setzte ein zugunsten einer stärkeren Leistungs- und Erfolgsbetonung. Die Fairness wurde immer mehr als die bloße Einhaltung der Spielregeln verstanden.
Mit zunehmendem Einfluss der Industrie und damit des Geldes verschwand der ursprünglich „edle“ Hintergrund im Leistungssport und ist seitdem eigentlich nur noch bei Amateuren anzutreffen. Ein faires Verhalten im originären Verständnis wird heute als exotisch und mutig, in bestimmten Kreisen und Kulturen sogar als Schwäche angesehen (Sprichwort: „Der Ehrliche ist der Dumme“). Durch die Bedeutungsverschiebung entwickelten sich sogar paradoxe Begriffe wie zum Beispiel das „faire Foul“ im Fußball. Es herrscht das so genannte elfte Gebot[15]: „Du sollst dich nicht erwischen lassen“ oder, anders ausgedrückt, die Wasserballermoral: „Oben lächeln, unten treten.“
2.3.2 Begriffsbestimmung
Aufgrund der oben beschriebenen historischen Entwicklung des Begriffes „Fairness“ gibt es in der Fachliteratur enger und weiter gefasste Definitionen, die aber alle drei Merkmale als gemeinsamen Nenner haben:
1. Chancengleichheit herstellen
2. Einhaltung der Regeln
3. Achtung des Gegners
MÜLLER definiert Fairness für den Sportbereich: „Fairness zeigt sich im Rahmen sportlicher Wettkampfhandlungen im Bemühen der Sportler, die Regeln konsequent auch bei erschwerten Bedingungen einzuhalten, im Interesse der Chancengleichheit keine unangemessenen Nachteile des Gegners auszunutzen und den Gegner nicht als Feind zu sehen, sondern als Person zu achten.“[16]
Nach MÜLLER hat LENK als erster den Fairnessbegriff differenziert betrachtet. Er unterschied zwischen formeller und informeller Fairness. Erstere beinhaltet lediglich das Einhalten der Regeln und Vereinbarungen, also der „Muss-Normen“, die auch vom Schiedsrichter – falls vorhanden - eingefordert werden können und deren Nichtbeachtung normalerweise mit allgemein bekannten Sanktionen bestraft wird. Die informelle Fairness meint die „Soll-Normen“, sprich: Achtung und Respekt vor dem Gegner, Ehrlichkeit, Wahrung der Chancengleichheit etc., deren Übertretung nicht bestraft werden kann, höchstens durch Missachtung durch die Mitspieler.
Für die Fairnesserziehung im Sportunterricht sollten natürlich beide Aspekte von Bedeutung sein. Eine adäquate Begriffsbestimmung für Pädagogen liefert meines Erachtens RÖTHIG[17]:
Die Fairness gebietet vor allem
- die Anerkennung und Einhaltung der Spielregeln,
- den partnerschaftlichen Umgang mit dem Gegner,
- die Fähigkeit, sich in kritischen Situationen des Kampfes und des Wettstreits von der eigenen Rolle zu distanzieren,
- auf gleiche Chancen und Bedingungen zu achten,
- das Gewinnmotiv zu „begrenzen“,
- „rechte Haltung in Sieg und Niederlage“,
- „echten Einsatz der eigenen Kräfte“.
Nach diesem Verständnis ist jemand, der nicht unfair ist, noch kein fairer Sportler. MÜLLER beschreibt die verschiedenen Ebenen von Fair Play: „Das informelle Fair Play kleidet gleichsam den formellen Rahmen aus, gibt ihm sein charakteristisches Aussehen, seine ‚Raumatmosphäre’.“[18]
[...]
[1] Vgl. Pühse 1994, 15ff
[2] In dieser Arbeit verwende ich aus stilistischen Gründen nicht gesondert die weibliche Form: „Lehrer“ meint also: „Lehrerinnen und Lehrer“
[3] Zitate werden ohne Anpassung an die neue deutsche Rechtschreibung übernommen.
[4] Vgl. Steinhübel 2002, 1
[5] Bielski 2002, 1
[6] Vgl. Bielski 2002, 2
[7] Jugert u.a. 22002, 9f
[8] Vgl. Jugert u.a. 22002, 9ff
[9] Vgl. Pühse 1990, 20ff
[10] Pühse 1990, 32
[11] Vgl. Keller/Hafner 1999, 10
[12] Siehe 2.3.1
[13] Vgl. Lenk/Pilz 1989, 40ff
[14] Vgl. Lenk/Pilz 1989, 23
[15] Vgl. Lenk/Pilz 1989, 13
[16] Müller 2002, 10
[17] Vgl. Röthig 1983, 131
[18] Müller 2002, 11
- Arbeit zitieren
- Christian Karp (Autor:in), 2003, Förderung sozialer Kompetenzen durch Fairnesserziehung im Schulsport mit Hilfe ausgewählter Sportspiele, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19575
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