In dem dynamischen Pflegemarkt müssen Führungskräfte neben der Trendbeobachtung und Marktanalyse in der Lage sein, daraus Strategien abzuleiten und diese operativ umzusetzen. Strategisch zu steuern bedeutet, das Unternehmen, das stetigen aber auch schlagartigen Änderungen der internen und externen Umwelt ausgesetzt ist, optimal gegenüber allen Anspruchsgruppen zu positionieren und langfristig auszurichten. Diese Steuerungsprozesse müssen außerdem fortlaufend überwacht und die Erreichung strategisch wichtiger Ziele muss gemessen werden.
Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Aufgabenstellungen für das Management stellt sich die Frage nach einem ganzheitlichen, aber dennoch komplexitätsreduzierenden und strategieorientierten Managementinstrument, das in der Lage ist, nicht nur finanzielle, sondern auch weitere kritische Erfolgsfaktoren, in ein auf Zukunft und Strategie ausgerichtetes Managementsystem zu implementieren und anhand quantitativer und messbarer Kennzahlen fortlaufend zu überwachen.
Als ein solches Konzept zur strategischen Steuerung, mehrdimensionalen Leistungsmessung und Dokumentation der Aktivitäten eines Unternehmens im Hinblick auf die Strategie wird in der Fachwelt die Balanced Scorecard nach Kaplan und Norton propagiert. Doch die Balanced Scorecard ist ein universelles Konzept, das nicht lediglich auf eine Branche festgelegt ist. Die Ausgestaltung der vier Dimensionen der Balanced Scorecard wird für den jeweiligen organisationalen Zweck individuell festgelegt, der nicht zuletzt durch die internen und externen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen beeinflusst wird. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, wie die Balanced Scorecard an die organisatorischen und marktrelevanten Bedingungen in einer Einrichtung der Altenpflege mit dem Ziel einer zweckdienlichen und gewinnbringenden Nutzung angepasst werden kann.
Die Masterarbeit stellt das Konzept der Balanced Scorecard vor und überträgt es auf eine vollstationäre Pflegeeinrichtung unter Berücksichtigung der aktuellen Problematik, der internen und externen Rahmenbedingungen im Umfeld der Einrichtung sowie der unternehmerischen Zielsetzungen und der strategischen Ausrichtung. Die Anwendbarkeit, Praktikabilität und die Individualisierbarkeit des so entstandenen Managementinstruments werden einer kritischen Prüfung unterzogen.
Inhaltverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation
1.2 Fragestellung und Ziel der Arbeit
1.3 Methodisches Vorgehen und Aufbau der Arbeit
2 Strategische Steuerung
2.1 Die strategische Planung
2.2 Die Strategieimplementierung
2.3 Die Strategiekontrolle
2.4 Strategie und Erfolgsmessung: Traditionelle Kennzahlen des Rechnungswesens vs. ganzheitliches Performance Measurement?
3 Das Konzept der Balanced Scorecard
3.1 Die Balanced Scorecard als modernes Performance-Measurement-Instrument
3.1.1 Die Finanzperspektive
3.1.2 Die Kundenperspektive
3.1.3 Die Prozessperspektive
3.1.4 Die Lern- oder Entwicklungsperspektive
3.1.5 Die Kausalbeziehung zwischen Strategie und Kennzahlen
3.2 Die Balanced Scorecard als strategisches Managementsystem
3.2.1 Vision, Mission und Strategie im Konzept der Balanced Scorecard
3.2.2 Kommunikation und Einbindung in Veränderungsprozesse
3.2.3 Planungs- und Zielsetzungsprozess
3.2.4 Strategisches Feedback und Lernen
3.3 Erfolgreiche Implementierung einer Balanced Scorecard
4 Modifikation der Balanced Scorecard für das Altenzentrum
4.1 Vorstellung der Einrichtung
4.2 Analyseergebnisse
4.2.1 Der aktuelle Stand der Finanzperspektive
4.2.2 Der aktuelle Stand der Kundenperspektive
4.2.3 Der aktuelle Stand der Prozessperspektive
4.2.4 Der aktuelle Stand der Lern- und Entwicklungsperspektive
4.3 Erarbeitung einer globalen Vision und Mission für die Einrichtung
4.4 Identifizierung und Wahl der Strategieziele
4.4.1 Wahl der strategischen Ziele für die Finanzperspektive
4.4.2 Wahl der strategischen Ziele für die Kundenperspektive
4.4.3 Wahl der strategischen Ziele für die Prozessperspektive
4.4.4 Wahl der strategischen Ziele für die Lern- und Entwicklungsperspektive
4.4.5 Das Ursache-Wirkungs-Diagramm und der „Strategiekompass“ der Einrichtung
4.5 Auswahl der Kennzahlen und Zielwerte
4.5.1 Auswahl der Kennzahlen und Zielwerte für die Finanzperspektive
4.5.2 Auswahl der Kennzahlen und Zielwerte für die Kundenperspektive
4.5.3 Auswahl der Kennzahlen und Zielwerte für die Prozessperspektive
4.5.4 Auswahl der Kennzahlen und Zielwerte für die Lern- und Entwicklungsperspektive
4.6 Festlegung strategiefördernder Maßnahmen und Aktionen
5 Resümee und kritische Reflexion der Arbeit
Literaturverzeichnis:
Anhang 1: Unternehmensleitbild
Anhang 2: Pflegeleitbild
Anhang 3: Darstellung der strategischen Ziele der Finanzperspektive
Anhang 4: Darstellung der strategischen Ziele der Kundenperspektive
Anhang 5: Darstellung der strategischen Ziele der Prozessperspektive
Anhang 6: Darstellung der strategischen Ziele der Lern- und Entwicklungsperspektive
Anhang 7: Darstellung des Ursache-Wirkungs-Diagramms der Einrichtung
Anhang 8: Darstellung des „Strategiekompasses“ der Einrichtung
Anhang 9: Darstellung der Kennzahlen und Zielwerte der Finanzperspektive
Anhang 10: Darstellung der Kennzahlen und Zielwerte der Kundenperspektive
Anhang 11: Darstellung der Kennzahlen und Zielwerte der Prozessperspektive
Anhang 12: Darstellung der Kennzahlen und Zielwerte der Lern-und Entwicklungsperspektive
Anhang 13: Projektplan für die strategiefördernden Maßnahmen der einzelnen Perspektiven
Anhang 14: Zuordnungsmatrix der einzelnen Aktionen zu den strategischen Zielen
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 3-1 Antriebskräfte für die Lern- und Entwicklungsperspektive
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 2-1 Der strategische Managementprozess
Abbildung 2-2 Strategische Planung
Abbildung 2-3 Strategieimplementierung
Abbildung 2-4 Strategiekontrolle
Abbildung 2-5 Schritte der Prämissenkontrolle
Abbildung 2-6 Schritte der Durchführungskontrolle
Abbildung 2-7 Schritte der strategischen Überwachung
Abbildung 2-8 Traditionelle Leistungsmessung und Performance Measurement
Abbildung 3-1 Beispiel für die Umsetzung einer Perspektive
Abbildung 3-2 Die Perspektiven der Balanced Scorecard
Abbildung 3-3 Kausalkette für die Kundenperspektive
Abbildung 3-4 Das Wertkettenmodell
Abbildung 3-5 Leistungstreiber und Leistungsgrössen der Lern- und Entwicklungsperspektive
Abbildung 3-6 Die Kausalitätsbeziehungen der Perspektiven der Balanced Scorecard
Abbildung 3-7 Die Balanced Scorecard als Managementsystem
Abbildung 4-1 Strategiematrix zur Ermittlung des Grades der strategischen Bedeutung von Zielen
Abbildung 4-2 Matrix zur Einordnung von strategischen Projekten
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation
Die vielseitigen Anforderungen im Gesundheitswesen stellen Manager und Verantwortliche heutzutage vor komplexe Herausforderungen. Der Pflegemarkt wird von Gesetzgeber und Kostenträgern streng reguliert. Die einerseits durch regionale Überkapazitäten bedingte schwankende Auslastung vielerorts und die festgeschriebenen pauschalierten Vergütungsätze andererseits stellen soziale Einrichtungen vor einen immensen Kostendruck. Viele Organisationen sehen sich lediglich in der Lage, auf diese Trends mit einem unpräzise definierten Sparkurs zu reagieren, der nicht selten auf Kosten der Dienstleistungsqualität und damit der Marktfähigkeit[1] ausgetragen wird. Im eng geschnürten „Kostenkorsett“ bleiben zukunftsorientierte Investitionen und innovative Projekte oftmals auf der Strecke und erlauben Organisationen nicht, sich qualitätsmäßig weiter zu entwickeln und ihre Marktposition zu stärken oder zu verbessern.
Die Bemühungen des Gesetzgebers um flächendeckende Transparenz für die Verbraucher gehen mit einem zunehmenden Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern im Gesundheitswesen einher, in dem Qualität zu einer entscheidenden Variablen wird. Kunden werden immer mündiger und betrachten Dienstleistungsangebote differenzierter und kritischer. Parallel dazu steigen die Marketingbemühungen der Einrichtungen und damit der Wettbewerb um eine bessere Position auf dem Markt.
Bereits heute sind der Fachkräftemangel und die Folgen des demografischen Wandels deutlich zu spüren. Die Arbeitnehmer in der Pflege werden immer älter und die Einrichtungen stehen auch hier in Konkurrenz zueinander um die besten „Hände“ und „Köpfe“ der Branche. Doch die Personalarbeit ist nicht mit dem Gewinnen und Einstellen von neuen Mitarbeitern erledigt. Aus moderner Sicht bedeutet erfolgreiche Personalentwicklung, Arbeitnehmer durch fortlaufende Qualifizierung, Fort- und Weiterbildung zukunftsfähig zu machen, sie an der Organisationsentwicklung zu beteiligen, ihnen Verantwortung zu übergeben und sie in ihrer Entwicklung zu begleiten. Die Personalführung und -entwicklung der Zukunft muss aktuelle und künftige Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Trends berücksichtigen.
In diesem dynamischen Markt müssen Führungskräfte neben der Trendbeobachtung und Marktanalyse in der Lage sein, daraus Strategien abzuleiten und diese operativ umzusetzen. Strategisch zu steuern bedeutet, das Unternehmen, das stetigen aber auch schlagartigen Änderungen der internen und externen Umwelt ausgesetzt ist, optimal gegenüber allen Anspruchsgruppen zu positionieren und langfristig auszurichten. Das strategische Management versucht, den Anpassungsbedarf des Unternehmens zu reduzieren und gleichzeitig die Anpassungsfähigkeit zu erhöhen. Wettbewerbsrelevante Ressourcen müssen identifiziert und ausgebaut werden. Diese Steuerungsprozesse müssen außerdem fortlaufend überwacht und die Erreichung strategisch wichtiger Ziele muss gemessen werden. Eine weitere wichtige Aufgabe des strategischen Managements ist die Verknüpfung zwischen strategischen Zielsetzungen und deren operativen Umsetzung.
Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Rahmenbedingungen und Aufgabenstellungen für das Management stellt sich die Frage nach einem ganzheitlichen, aber dennoch komplexitätsreduzierenden und strategieorientierten Managementinstrument, das in der Lage ist, nicht nur finanzielle, sondern auch weitere kritische Erfolgsfaktoren, in ein auf Zukunft und Strategie ausgerichtetes Managementsystem zu implementieren und anhand quantitativer und messbarer Kennzahlen fortlaufend zu überwachen.
1.2 Fragestellung und Ziel der Arbeit
Als ein solches Konzept zur strategischen Steuerung, mehrdimensionalen Leistungsmessung und Dokumentation der Aktivitäten eines Unternehmens im Hinblick auf die Strategie wird in der Fachwelt die Balanced Scorecard[2] nach Kaplan und Norton propagiert. Doch die Balanced Scorecard ist ein universelles Konzept, das nicht lediglich auf eine Branche festgelegt ist. Die Ausgestaltung der vier Dimensionen der Balanced Scorecard[3] wird für den jeweiligen organisationalen Zweck individuell festgelegt, der nicht zuletzt durch die internen und externen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen beeinflusst wird. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, wie die Balanced Scorecard an die organisatorischen und marktrelevanten Bedingungen in einer Einrichtung der Altenpflege mit dem Ziel einer zweckdienlichen und gewinnbringenden Nutzung angepasst werden kann. Die Masterarbeit stellt das Konzept der Balanced Scorecard vor und überträgt es auf eine vollstationäre Pflegeeinrichtung unter Berücksichtigung der aktuellen Problematik, der internen und externen Rahmenbedingungen im Umfeld der Einrichtung sowie der unternehmerischen Zielsetzungen und der strategischen Ausrichtung. Die Anwendbarkeit, Praktikabilität und die Individualisierbarkeit des so entstandenen Managementinstruments soll einer kritischen Prüfung unterzogen werden.
1.3 Methodisches Vorgehen und Aufbau der Arbeit
Zunächst werden im Kapitel 2 die Grundcharakteristika strategischen Handelns beschrieben und die Unterschiede zwischen strategischem Management und strategischem Controlling erläutert. Ebenso werden traditionelle, rechnungswesensnahe Leistungsmessung und ganzheitliche, mehrdimensionale Leistungsmessung kritisch gegenübergestellt. Im Kapitel 3 werden die theoretischen Grundlagen der Balanced Scorecard als Instrument strategischen Controllings und deren Elemente vorgestellt. Im praktischen Teil ab Kapitel 4 fließen die daraus gewonnenen Erkenntnisse in die angestrebte Modifikation der Balanced Scorecard für die Pflegeeinrichtung ein. Als Fundament der angestrebten Balanced Scorecard werden nach einer kurzen Vorstellung der Einrichtung Vision und Mission herausgearbeitet. Zudem werden für jede der vier Perspektiven strategische Ziele, Kennzahlen und Aktionen zur Erreichung der angestrebten Ziele definiert. Als Ergebnis wird eine exemplarische Balanced Scorecard dargestellt. Im abschließenden Kapitel 5 werden die Fragestellung der Masterarbeit und die Thematik einer kritischen Reflexion unterzogen.
2 Strategische Steuerung
Wenn Unternehmen in der sozialen Marktwirtschaft langfristig ihre Existenz sicherstellen wollen, müssen sie dafür Sorge tragen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen, die durch die Vereinigung von Angebot der Anbieterseite und Nachfrage der Abnehmerseite entstehen, am Markt aussichtsreich positioniert und abgenommen werden.[4] Dies setzt einen Prozess der permanenten systematischen Auseinandersetzung mit der Frage nach der notwendigen Anpassung des Unternehmens (=Angebot) an die zukünftig veränderten Bedürfnisse seiner Umwelt (=Nachfrage) voraus. Igor Ansoff[5] war einer der ersten Managementforscher, der erkannt hat, dass es die primäre Aufgabe der Führung ist, „systematisch die zukünftigen Herausforderungen für das Unternehmen zu antizipieren und darauf ausgerichtete Strategien zu entwickeln, um die Herausforderungen zu bewältigen“.[6] Auch weitere Autoren schließen sich dieser Ansicht an.[7]
Anders zum Ausdruck gebracht: Die zentrale Aufgabe des strategischen Managements besteht in Aufbau und Steuerung des Unternehmens als einem sozio-technischen System mit dem Ziel der Integration und Befriedigung der aktuellen und zukünftigen Bedürfnisse aller Anspruchsgruppen, die als Stakeholder bekannt sind. Diese stetigen aber auch schlagartigen Änderungen der internen und externen Umwelt setzen einen umfassenden Entwicklungsprozess in Gang, dessen Ziel eine optimale Gesamtpositionierung des Unternehmens gegenüber allen Anspruchsgruppen ist. Folglich zielen Strategien auf die langfristige Entwicklung und Sicherung der Fähigkeiten des Unternehmens und auf Existenzsicherung durch Erschließung und Ausbau von Erfolgspotenzialen ab, während die kurz- bis mittelfristige Umsetzung der Strategien in betrieblichen Prozessen sowie deren Wirtschaftlichkeit dagegen Aufgabe des operativen Managements ist.[8] Eine präzise Definition des Strategiebegriffs findet man bei Gälweiler:
„Strategie bedeutet demnach, sein Denken, Entscheiden und Handeln an den übergeordneten oder obersten Zielen oder Zielvoraussetzungen zu orientieren und sich dabei nicht durch vordergründige Dringlichkeiten, d.h. Augenblicksvorteile und –nachteile, ablenken zu lassen.“[9]
Bei Kortendieck findet man eine Formulierung der Aufgabe des strategischen Managements:
„Strategisches Management hat die Aufgabe, den Anpassungsbedarf richtig einzuschätzen und wenn möglich für die Einrichtung zu reduzieren und gleichzeitig die Anpassungsfähigkeiten zu erhöhen, um langfristig die Existenz der Einrichtung unter Beibehaltung der Einrichtungsphilosophie zu sichern“.[10]
In der Literatur sind die Begriffe strategisches Management und strategisches Controlling nicht eindeutig voneinander zu unterscheiden, eine Abgrenzung fällt schwer.[11] Man kann auch behaupten, dass es gewisse funktionelle und institutionelle Überschneidungen gibt. Dennoch handelt es sich um zwei verschiedenen Funktionen bzw. Institutionen.[12]
Die Definition des Begriffs Controlling hat sich im Laufe der Jahre immer wieder verändert. In der Literatur findet man kaum eine einheitliche Beschreibung, dennoch muss gesagt werden, dass die Unterschiede im Controllingverständnis in der Auslegung der funktionellen Aspekte des Controllings[13] und in der Frage der institutionellen Verankerung zu finden sind. Controlling wird oft mit der letzten Phase der Kontrolle im Managementprozess in Verbindung gebracht, als – überspitzt gesagt – Soll-Ist-Vergleich, dessen einzige Aufgabe die Kontrolle der Budgeteinhaltung bzw. Budgetüberschreitung ist. Dieses vergangenheitsorientierte Verständnis vom Controlling kann nicht seiner Bedeutung gerecht werden und wird von vielen Autoren angefochten.[14] Bei Loffing & Geise wird das Controlling als die Vervollständigung des Managementzyklus[15] mit einer Informations-, Steuerung- und Lenkungsaufgabe beschrieben.[16] Bei Eisenreich, Halfar, & Moos wird auf die klassische Perspektive des rechnungswesennahen, finanzorientierten Controllings hingewiesen, aber gleichzeitig unterstrichen, dass die Tendenz in der Sozialwirtschaft in Richtung integrierter Controllingssysteme geht, mit Aufgabenbereichen, die sich aus dem Informations- und Steuerungsbedarf der Organisation ergeben. Sie weisen dem Controlling fünf Funktionsbereichen zu: Transparenz, Koordination, Moderation, Informationsversorgung und Gestaltung.[17] Pracht & Bachert heben auch die historische Nähe zum Rechnungswesen hervor und betonen, dass „…der Vorgehensweise des Controllings ein kybernetisches Modell zugrunde liege mit den Elementen Planung, Ausführung, Kontrolle und Rückkoppelung“.[18] Hier wird einerseits die Nähe zum Verständnis vom Managementzyklus, andererseits aber auch die wenig trennscharfe Abgrenzung dazu deutlich.
Die Bedeutung des strategischen Controllings und die Abgrenzung zwischen den Begriffen strategisches Management und strategisches Controlling bzw. deren Zusammenhang hängen eng mit der historischen Entwicklung übergeordneter strategischer Managementaufgaben zusammen. Die zunehmenden Dynamisierung, Hochqualifizierung und Komplexität des Unternehmensumfelds führten zu einer immer enger werdenden Spezialisierung der für das Management relevanten Aufgabenbereiche und einer notwendigen Akzentualisierung der strategischen Steuerung.[19] Für Unternehmen wurde es zunehmend wichtiger, einen stabilen strategischen Rahmen zu schaffen, aus dem sich konvenable operative Maßnahmen ableiten ließen. Die Bereiche der Koordination, das Priorisieren von Strategien, die Notwendigkeit von zeitiger Anpassung an veränderte Umfeldbedingungen und das Entscheiden gewannen zunehmend an Bedeutung. Konsequenterweise haben Manager heute ein hervorragendes disziplinübergreifendes Wissen, benötigen aber bei signifikanten Problemen das Spezialwissen von Experten. Diesbezüglich schreibt Reichmann: „Das Management konzentriert sich auf die Koordination und Durchführung von dringlichen Entscheidungen und muss darauf vertrauen, dass wichtige Entscheidungen sorgfältig analysiert und möglichst beschlussfähig vorstrukturiert werden. Der Controller hält dem Management damit ´den Rücken frei´, indem er für anstehende Entscheidungen alternierende Problemlösungsstrategien antizipativ erarbeitet.“[20]
Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen kann man den Begriff strategisches Controlling folgendermaßen definieren: Das strategische Controlling unterstützt die strategische Unternehmensführung in ihren Bemühungen, das Unternehmen an veränderte Umweltbedingungen anzupassen und langfristige Erfolgspotenziale zu sichern und zu erhalten. Demzufolge kommen ihm im Rahmen des strategischen Managementprozesses von der Zielfindung bis zur Realisation und Kontrolle Planungs-, Koordinations-, Informationsversorgungs- und Kontrollaufgaben zu.
Wie bereits oben ausgeführt, stellt die strategische Steuerung eines Unternehmens einen kontinuierlichen Prozess (Abbildung 2-1) dar. Dieser beginnt mit einer Analyse der internen und externen Umwelt, aus der sich nachfolgend eine Planungs-, Implementierungs- und Kontrollphase ableiten. Aus der Auswertung der Kontrollphase und unter wiederholter Berücksichtigung der internen und externen Umfeldanalysen ergeben sich neue Planungsvorhaben. Demzufolge wiederholt sich dieser Vorgang kontinuierlich in einer Feedback-Schleife.[21]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-1 Der strategische Managementprozess[22]
Nachfolgend werden die strategischen Controlling- und Managementprozesse kurz skizziert.
2.1 Die strategische Planung
Der strategische Planungsprozess kann in fünf Phasen gegliedert werden wie in folgender Abbildung 2-2 dargestellt. Wie bereits bemerkt, spielen die Umwelt des Unternehmens und die organisationsinterne Situation eine zentrale Rolle bei strategischen Überlegungen. Deswegen stellt eine gründliche Analyse des Marktes und der eigenen Positionierung darin nach einer weitgefassten Richtungsformulierung und nach einer Eingangsanalyse der strategischen Ausgangssituation einen wesentlichen Baustein der Planung dar. Hier gilt es, interne und externe Chancen und Risiken zu identifizieren und zu erfassen.[23] Die umfeldrelevanten Faktoren sollten nicht lediglich Trends aus dem gesamtwirtschaftlichen und branchenbezogenen Segment berücksichtigen, sondern auch gesellschaftliche und politische Tendenzen miteinbeziehen. Das Ergebnis dieser Analyse sollte die Identifikation kritischer, rentabilitätsgefährdender Faktoren sowie die Ermittlung erfolgsrelevanter Potenziale und strategischer Geschäftsfelder sein.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-2 Strategische Planung[24]
Bei der internen Analyse werden die eigenen Stärken und Schwächen in Relation zu den Marktkonkurrenten ermittelt und ein Unternehmensprofil der Schwächen und Stärken sowie eine Beurteilung der Ertragsaussichten erstellt. In der Phase der strategischen Analyse nimmt der Controller Informations-, Planungs- und Kontrollaufgaben wahr.
Aus der auf diese Art und Weise erfolgten strategischen Analyse werden nachfolgend Strategien abgeleitet, formuliert und entwickelt (Phase der Strategieentwicklung), während in der Phase der Strategiebewertung diese in Hinblick auf Kosten und Nutzen bewertet werden, z.B. durch eine Nutzwertanalyse. In dieser Phase treten eher die koordinierenden und moderierenden Funktionen des Controllers in den Vordergrund.[25] Der Planungsprozess wird mit der Entscheidung für eine Strategie abgeschlossen.
2.2 Die Strategieimplementierung
In der Phase der Strategieimplementierung sollen aus den strategischen Überlegungen operative Maßnahmen abgeleitet und geplant werden. Einige Autoren sehen die Phase der Strategieimplementierung nicht als separate Phase des strategischen Controllings an, sondern als Teil der Planungsphase, weil es sich hier ebenso um eine planende, gedanklich antizipative Tätigkeit handelt. Reichmann[26] weist diese Aufgabe der Phase der strategischen Planung zu, ebenso Sobhani[27] und Kortendieck[28]. Der Autor der vorliegenden Arbeit teilt die Sicht von Pracht & Bachert, die die Strategieimplementierung als separate Phase des strategischen Controllings betrachten.[29] Die Strategieimplementierung beinhaltet eine spezifische Problem-stellung, aus der sich eine charakteristische Aufgabe für diese Phase ableitet. Das zentrale Problem der Strategieimplementierung entsteht aus der Tatsache, dass Strategien eher richtungsorientiert sind, d.h. sie sind inhaltlich sehr breit gefasst, beinhalten keine zeitlichen und ressourcenrelevanten Aussagen und bedürfen deswegen einer Konkretisierung.[30] Daraus ergibt sich die zentrale und kritische Aufgabe in der Phase der Strategieumsetzung, die Schnittstellen zum operativen Controlling zu gestalten.[31]
Die wesentlichen Unterschiede zwischen dem strategischen und operativen Management müssen besonders berücksichtigt werden. Strategisches Management ist konzeptionell orientiert, nicht immer praxisnah und ist gekennzeichnet durch eine breite thematische und zeitliche Dimension. Während strategisches Controlling in Dimensionen wie Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken denkt, und als Ziel Existenzsicherung und Erfolgspotenziale hat, richtet operatives Controlling den Fokus auf die Dimensionen Kosten und Leistungen, Aufwände und Erträge und hat die Wirtschaftlichkeit im Zentrum der Überlegungen.[32]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-3 Strategieimplementierung[33]
Es muss folglich geplant werden, in welche konkreten Zielvorgaben Strategien heruntergebrochen werden und welche Aktionen für jedes einzelne Ziel festzulegen sind. Diese Maßnahmen müssen auf Relevanz, Risiko und Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden und mit zeitlichen, inhaltlichen und ressourcenerforderliche Vorgaben in einer Reihenfolge abgebildet werden. Ferner muss diese Strategieimplementierung für jeden betroffenen Bereich des Unternehmens erfolgen.
2.3 Die Strategiekontrolle
Bei dem Prozess der Implementierung einer Strategie ergeben sich immer zwei Fragen:
1. Wird die Strategie richtig umgesetzt?
2. Wird die richtige Strategie umgesetzt?
Hierbei ist die Rede von operativer Kontrolle (1) und strategischer Kontrolle (2). Während die operative Kontrolle bereits vollzogene und damit messbare Handlungen als Gegenstand hat, versucht die strategische Kontrolle, noch nicht vollzogene Vorgänge zu evaluieren, d.h. es wird die Stimmigkeit in der Zukunft liegender Aktionen und Maßnahmen überprüft.[34] Die Notwendigkeit dieser Evaluation ergibt sich aus der zunehmenden Vielschichtigkeit der unternehmerischen Umwelt und aus der sich daraus ergebenden Bedeutsamkeit strategischer Führungsentscheidungen. Anders formuliert: Die strategische Kontrolle ist ein Instrument zur Überprüfung und Vervollständigung der strategischen Planung. Reichmann definiert den Begriff strategische Kontrolle folgendermaßen: „Die strategische Kontrolle ist (…) ein Instrument zur Anpassung der strategischen Planung an veränderte Umweltbedingungen“.[35]
Da die vorliegende Arbeit sich mit den Begriffen strategisches Management und Controlling beschäftigt, wird an dieser Stelle die Frage nach der operativen Kontrolle außer Acht gelassen. Der Fokus liegt auf der Untersuchung des Begriffs strategischer Kontrolle. Wie bereit erwähnt, hat die strategische Kontrolle zukunftsorientierte Ereignisse als Gegenstand, sie untersucht, ob immer noch die richtige Strategie verfolgt wird. In der Literatur werden die Begriffe Prämissenkontrolle, Durchführungskontrolle und strategische Überwachung unterschieden.[36]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-4 Strategiekontrolle[37]
Dabei ist es Aufgabe der strategischen Prämissenkontrolle, die präzisen, kritischen Planannahmen hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit der tatsächlichen Entwicklung zu überwachen. Planen setzt abstraktes Denken voraus und beinhaltet intern und extern fokussierte Annahmen (z.B. Marktentwicklungen bzw. Technologie- oder Personalentwicklungen). Die Prämissenkontrolle wird während des gesamten Strategieumsetzungsprozesses eingesetzt und muss sicherstellen, dass strategische Planungen an veränderte Situationen angepasst werden. Die logischen Prozess-Schritte sind nachfolgend in Abbildung 2-5 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-5 Schritte der Prämissenkontrolle[38]
Während die Prämissenkontrolle den gesamten Prozess der Strategieimplementierung begleitet, setzt die strategische Durchführungskontrolle ab der Phase der Strategieumsetzung ein. Ihre Aufgabe liegt in der Auswertung der bis dato umgesetzten Pläne und Maßnahmen, in dem Feststellen von Abweichungen anhand von Zwischenzielen[39] und in der sich daraus ergebenden Prognose, inwieweit die strategischen Endziele wie geplant erreicht werden können. Anschließend können bei Notwendigkeit Umsteuerungen vorgenommen werden.[40] Die wichtigste Frage lautet: Liegt eine Gefährdung der Gesamtstrategie vor? Die Prozessschritte dieser Planfortschrittskontrolle sind anschließend in Abbildung 2-6 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-6 Schritte der Durchführungskontrolle[41]
Die Prämissen- und die Durchführungskontrolle beziehen sich immer auf die eingeschlagene strategische Richtung und setzen eine sorgfältige und vollständige Planung voraus. Sie sind aber damit selektiv und nicht geeignet, unplanmäßig und unvermutet auftretende Ereignisse zu kontrollieren. Die Aufgabe der strategischen Überwachung liegt in der kontinuierlichen Beobachtung des externen und internen Umfelds des Unternehmens auf bisher vernachlässigte oder unvorhergesehene Ereignisse, in der Ermittlung derer Relevanz für die Strategie sowie in der Ableitung von Gegenmaßnahmen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-7 Schritte der strategischen Überwachung[42]
Sie ist als eine globale, unselektive Kontrolle, eine Art Bedrohungen registrierendes „strategisches Radar“ zu verstehen.[43] Die Prozessschritte der strategischen Überwachung sind in Abbildung 2-7 dargestellt. Mit der Prämissen-, Durchführungskontrolle und der strategischen Überwachung wird der strategische Managementzyklus abgeschlossen.
2.4 Strategie und Erfolgsmessung: Traditionelle Kennzahlen des Rechnungswesens vs. ganzheitliches Performance Measurement?
Der strategische Managementprozess ist auf die Sicherung der Existenz und des Erfolges des Unternehmens ausgerichtet, indem – wie bereits erwähnt – eine Reduktion des Anpassungsbedarfs und eine Erhöhung des Anpassungsvermögens angestrebt werden. In Bezug auf die Revision und Messung des Strategieerfolges geht es um die Frage, welche Daten und Informationen das Management braucht, um die Strategieumsetzung verfolgen und lenken zu können. Dabei müssen folgende Fragen beantwortet werden:
- Welche sind die aussagekräftigsten Kriterien und Indikatoren für die Strategieziele Erfolg und Effizienz?
- Gibt es Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Kriterien und wie sind diese gestaltet?
- Kann anhand dieser Kriterien und Maßstäbe eine Prognose der zukünftigen Strategieerreichung in Aussicht gestellt werden?[44]
Bei der Steuerung des Unternehmens in Bezug auf existenzsichernde Zielvorgaben dominieren immer noch Systeme und Kennzahlen des betrieblichen Kosten- und Rechnungswesens. Die Fragen, wie gut es einem Unternehmen geht und ob es erfolgreich ist, versucht man anhand finanzwirtschaftlicher Größen abzulesen. Dies wird von vielen Autoren kritisiert und entspricht nicht den Anforderungen des heutigen Informationszeitalters.[45] Zum einen ist das traditionelle Rechnungswesen vergangenheitsorientiert. Es liefert Informationen, inwieweit das Unternehmen in der Vergangenheit finanziell erfolgreich war. Eine unmittelbare Beeinflussung der Messdaten bzw. ein Früherkennungssystem sind nicht möglich. Für eine Prognose zukünftiger Entwicklungen gibt das Rechnungswesen nur bedingt Grundlage. Zum anderen sind Finanzgrößen wie Gewinn und Verlust oder Return on Investment nicht direkt beeinflussbar. Generell „denkt“ das Rechnungswesen in den Kategorien Kosten und Erträge. Wie Gewinn und Verlust mit den anderen Erfolgsfaktoren wie Qualität, Service, Produkte oder Marketing zusammenhängen, ist nur schwer zu interpretieren. Aus diesem Grund versucht man oft in der Praxis, den Erfolg anhand finanzorientierter Grüßen zu messen und durch Kostenreduktion und/oder Preissteigerung zu verbessern. Diese Vorgehensweise wendet den Blick von weiteren wichtigen unternehmensinternen und externen gesellschaftlichen, sozialen und gesamtökonomischen Kriterien wie Produktentwicklung, Prozessqualität, Personalentwicklung sowie Kundenbedürfnisse und Markttendenzen ab.[46] Kaplan & Norton formulieren das Problem deutlich:
„Finanzielle Kennzahlen sind nicht dazu geeignet, den Weg des Unternehmens durch das Wettbewerbsumfeld zu führen und zu bewerten. Sie sind nur schwache Indikatoren für Wertschöpfung oder dafür, was während der vergangenen Berichtsperiode falsch gemacht wurde. Finanzielle Kennzahlen zeigen eine, aber nicht alle Seiten vergangener Aktionen und sagen nichts darüber aus, was jetzt oder in Zukunft für die finanzielle Wertschöpfung getan werden muss“.[47]
Anders gesagt: Finanzielle Leistungsindikatoren bieten den Vorteil, dass sie verschiedene Geschäftstätigkeiten in einer Kennzahl, wie z.B. Gewinn vereinen. Sollte aber eine Beeinflussung des Erfolges bzw. Mißerfolges (hier in Form von gemessenem Gewinn bzw. Verlust) stattfinden, muss die vorangegangene Aggregationsleistung rückgängig gemacht werden und die Ursachen für den Erfolg bzw. Misserfolg gesucht werden. Leistungstreiber und Wertschöpfungsfaktoren wie Kundenbeziehungen und Kundenzufriedenheit, Prozessgeschwindigkeiten und Prozessqualität, Lieferanten und Dienstleister, Mitarbeiterqualifikation, Produkte und Dienstleistungen, Wissen, Information oder Innovationsfähigkeit müssen untersucht und gemessen werden. Die Herausforderung bei der Strategieumsetzung besteht darin, ein umfassendes System kritischer Indikatoren, ergänzt durch die monetären Größen des traditionellen Rechnungswesens, aufzubauen und die gegenseitigen Wechselwirkungen zu ermitteln.[48] Diese sog. Key Performance Indicators werden von den strategischen Zielsetzungen abgeleitet und stellen „quantifizierbare Messgrößen zur Kommunikation und Steuerung der Unternehmensergebnisse“.[49] Solche Steuerungssysteme sind unter dem Begriff Performance-Measurement-Systeme bekannt.[50]
Performance-Measurement-Systeme weisen eine breitere Funktionalität als reine Kennzahlensysteme auf. Sie sind ganzheitliche Managementsysteme, die der mehrdimensionalen, zukunftsorientierten und aggregierten Leistungsmessung und Unternehmenssteuerung dienen. Ganzheitlichkeit bedeutet hier, dass diese Leistungsmessung die strategische, taktische und operative Ebene umfasst. Dabei bezieht sich die Messung nicht ausschließlich auf traditionelle, rein finanzielle Leistungsgrößen wie Umsatz, Gewinn oder Return on Investment, sondern auch auf nichtfinanzielle Größen wie Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit, Anzahl der Neukunden, Leistung und Verhalten von Mitarbeitern, Fluktuationsraten usw. Diese sogenannten „weichen“ Faktoren sollen auch im Unternehmen kommuniziert werden und als Grundlage von Beurteilungen und Entlohnungssysteme dienen.[51] Einen Vergleich zwischen traditioneller Leistungsmessung und Performance Measurement stellt die nachfolgende Abbildung 2-8 dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-8 Traditionelle Leistungsmessung und Performance Measurement[52]
In der Praxis existieren viele Konzepte und Modelle von Performance-Measurement-Systemen. Das bekannteste und in der Praxis meist verbreitete Konzept ist die Balance Scorecard nach Kaplan und Norton, die im nachfolgenden Kapitel vorgestellt wird.
3 Das Konzept der Balanced Scorecard
Anfang der 1990er-Jahre wurde ein Forschungsprojekt unter der Leitung von R.S. Kaplan und D.P. Norton an der Harvard-Universität mit dem Ziel, die traditionellen rechnungswesenorientierten Kennzahlensysteme den gestiegenen Umweltanforderungen anzupassen, durchgeführt. Grund für das Projekt war die Kritik, dass die damals vorhandenen finanziellen Kennzahlensysteme in den USA eindimensional waren.[53] Die Balanced Scorecard ergänzt die traditionelle Finanzperspektive und die dazugehörigen Kennzahlen um weitere drei Perspektiven[54]: die Kundenperspektive, die interne Prozessperspektive und die Lern- und Entwicklungsperspektive, die auch Mitarbeiter- bzw. Innovationsperspektive genannt wird.[55] Zudem sollte bei dem o.g. Projekt die Wirksamkeit von Strategien verbessert werden. Kaplan und Norton hatten festgestellt, dass trotz hervorragender Strategieplanung Probleme bei derer Umsetzung auftauchten.
Die Balanced Scorecard steuert das Verhalten, indem sie Strategie in die praktische Tat umsetzt. Die Stärke der Balanced Scorecard liegt dementsprechend einerseits in ihrer Ganzheitlichkeit als Managementsystem zur Umsetzung und Operationalisierung der Strategie und andererseits in ihrer Mehrdimensionalität als modernes Performance-Measurement-System. Aus der Verknüpfung dieser Eigenschaften ergibt sich die Ausgewogenheit der Balanced Scorecard. Sie knüpft am zentralen Problem der strategischen Steuerung an: die auf Vision und Mission ausgerichtete Umsetzung der Strategie in operative Initiativen und die fortlaufende Kontrolle anhand quantitativer und messbarer Kennzahlen. Zudem ist sie ein Instrument des Berichtswesens, da sie wichtige Informationen auf einen Blick darstellt. Diese zentralen Eigenschaften der Balanced Scorecard werden nachfolgend näher erläutert.
3.1 Die Balanced Scorecard als modernes Performance-Measurement-Instrument
Ziel der Balanced Scorecard – und ein Argument für ihre Ausgewogenheit – ist die Übersetzung der Mission und der Strategie in anschaulichen Kennzahlen, die die Performance des Unternehmens messen. Der Grundgedanke ist, dass die Leistungsmessung mit der Strategie kongruiert.[56] Die Vorgehensweise dieser Umsetzung ist in Abbildung 3-1 dargestellt. Nach der Formulierung der unternehmensweiten Vision[57] leitet man für jede der vier Perspektiven der Balanced Scorecard strategische Ziele ab, zu deren Erreichung konkrete Maßnahmen zu beschreiben sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3-1 Beispiel für die Umsetzung einer Perspektive[58]
Davon ausgehend, erfolgt eine Bestimmung geeigneter Messgrößen (Kennzahlen), mit deren Hilfe die Zielerreichung überprüft und gesteuert werden kann. Die kritischen Werte für die Kennzahlen werden definiert. Anschließend können die operativen Maßnahmen zur Erreichung der strategischen Ziele geplant werden.[59]
Ein weiteres Merkmal der Balanced Scorecard ist die Mehrdimensionalität der Kennzahlen. Durch ihre Forschungsarbeiten konnten Kaplan und Norton herausfinden, dass für eine ebenmäßige, ganzheitliche Messung aller wesentlichen Geschäfte des Unternehmens mindestens vier Perspektiven erforderlich sind: Finanz-, Kunden-, Prozess- und Entwicklungsperspektive, dargestellt in Abbildung 3-2.[60]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3-2 Die Perspektiven der Balanced Scorecard[61]
3.1.1 Die Finanzperspektive
Die zentrale Frage der Finanzperspektive lautet: Welche Zielsetzungen sind notwendig, um unsere Mission in Bezug auf die Finanzen zu erfüllen? Wie können wir höhere Erträge für das in das Unternehmen investierte Kapital erbringen? Die Finanzperspektive hat eine Doppelrolle. Sie definiert einerseits die notwendigen Ziele und Messgrößen für den finanziellen Erfolg. Andererseits ist sie die übergeordnete Perspektive, denn ihre Ziele sind gleichzeitig auch die Endziele der anderen Perspektiven.[62]
Kaplan und Norton unterscheiden zwischen Kennzahlen für die verschiedenen Phasen, die ein Unternehmen in seiner Existenz passiert. Die Wachstumsphase – dies ist die Anfangsphase – ist verbunden mit Investitionen und der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen mit dem Ziel, einen möglichst hohen Profit zu erwirtschaften. Beispiele für Kennzahlen aus dieser Phase sind Umsatzwachstumsrate, Ertrag pro Mitarbeiter, Investition in Prozent des Gesamtumsatzes. In der Reifephase geht es um Erhaltung und Erweiterung von Marktanteilen. Eine stabile Kapitalrendite wird angestrebt, gleichzeitig sollen Investitionen zur Kapazitätserweiterung und kontinuierlichen Verbesserung beitragen. In der Erntephase werden keine Investitionen mehr getätigt, sondern der Profit der bereits getätigten Investitionen wird geerntet. Hauptziel ist der Nettozufluss liquider Mittel, die im Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) abzulesen sind. Beispielkennzahlen für die Reife- und Erntephase sind Umsatz-, Eigen- bzw. Fremdkapitalrentabilität, Return on Investment, Kostensenkungs- bzw. Produktivitätsverbesserungssätze in Prozent, Stückkosten pro definierte Einheit etc.[63] Das Unternehmen beschäftigt sich innerhalb jeder dieser Phasen mit drei strategischen Hauptfragen, die lauten: Wie sichern wir das Ertragswachstum und welcher Ertragsmix ist für uns sinnvoll? Wie erreichen wir Kostensenkung bzw. Produktivitätsverbesserung? Wie stellen wir die effiziente Nutzung von Kapitalwerten sicher? Zusammengefasst kann man sagen, dass die zentralen Themen der Finanzperspektive die Sicherung von Liquidität, Rentabilität und Stabilität sind.[64]
[...]
[1] Anm. des Autors: Im Sinne von Bereitschaft der Nachfrager, das Angebot des Anbieters anzunehmen.
[2] Anm. des Autors: Englisch für „ausgewogener Berichtsbogen“
[3] Anm. des Autors: Finanzen, Prozesse, Kunden und Mitarbeiter
[4] Vgl. Sobhani, 2009, S. 131
[5] Anm. des Autors: Igor Harry Ansoff (1918-2002) gilt als einer der Begründer des strategischen Managements
[6] Sobhani, 2009, S. 36
[7] Vgl. Sobhani, 2009; Reichmann, 2006; Pracht & Bachert, 2005
[8] Vgl. Sobhani, 2009, S. 31f
[9] Gälweiler, 2005, S. 66
[10] Kortendieck, 2009, S. 20
[11] Vgl. Pracht & Bachert, 2005, S. 19
[12] Anm. des Autors: Die institutionelle Sichtweise ist nicht Gegenstand der Ausführungen, deswegen wird sie an dieser Stelle nicht weiterhin vertieft.
[13] Anm. des Autors: Hier ist eine Überbetonung der Kontrollfunktion gemeint: Reichmann, 2006, S. 1
[14] Vgl. Tiebel, 1998, S. 59; Loffing & Geise, 2010, S. 130; Reichmann, 2006, S. 1
[15] Anm. des Autors: Gemeint ist die letze Phase des Managementzyklus, vgl. Abbildung 2-1 auf S. 11
[16] Vgl. Loffing & Geise, 2010, S. 130f
[17] Vgl. Eisenreich, Halfar, & Moos, 2005, S. 102f
[18] Pracht & Bachert, 2005, S. 15
[19] Vgl. Reichmann, 2006, S. 40f
[20] Reichmann, 2006, S. 40
[21] Vgl. Pracht & Bachert, 2005, S. 21
[22] Eigene Darstellung nach Müller, 2000, S. 22
[23] Vgl. Sobhani, 2009, S. 39
[24] Eigene Darstellung nach Reichmann, 2006, S. 561
[25] Vgl. Reichmann, 2006, S. 561ff
[26] Vgl. Reichmann, 2006, S. 561
[27] Vgl. Sobhani, 2009, S. 40
[28] Vgl. Kortendieck, 2009, S. 154
[29] Vgl. Pracht & Bachert, 2005, S. 21
[30] Vgl. Pracht & Bachert, 2005, S. 23
[31] Vgl. Kortendieck, 2009, S. 166
[32] Vgl. Tiebel, 1998, S. 60ff
[33] Eigene Darstellung in Anlehnung an Pracht & Bachert, 2005, S. 23ff
[34] Vgl. Pracht & Bachert, 2005, S. 25ff
[35] Reichmann, 2006, S. 565
[36] Vgl. Reichmann, 2006, S. 565ff; Tiebel, 1998, S. 34ff
[37] Eigene Darstellung nach Reichmann, 2006, S. 565
[38] Eigene Darstellung in Anlehnung an Lentz, 1998, S. 15; Piser, 2004, S. 42ff
[39] Anm. des Autors: Sog. Meilensteine
[40] Vgl. Reichmann, 2006, S. 566
[41] Eigene Darstellung nach Lentz, 1998, S. 15; Piser, 2004, S. 47ff
[42] Eigene Darstellung nach Lentz, 1998, S. 15; Piser, 2004, S. 53ff
[43] Vgl. Lentz, 1998, S. 13; Reichmann, 2006, S. 565f
[44] Vgl. Müller, 2000, S. 26
[45] Vgl. Müller, 2000, S. 26; Kortendieck, 2009, S. 173; Horváth&Partners, 2007, S. 2; Kaplan & Norton, 1997, S. 1ff; Piser, 2004, S. 109f; Reichmann, 2006, S. 601
[46] Vgl. Tiebel, 1998, S. 27f; Kaplan & Norton, 1997, S. 21f;
[47] Kaplan & Norton, 1997, S. 22
[48] Vgl. Müller, 2000, S. 29
[49] Müller, 2000, S. 63
[50] Vgl. Piser, 2004, S. 111
[51] Vgl. Janssen & Möller, 2010
[52] Entnommen aus Janssen & Möller, 2010
[53] Vgl. Gabler, 2011
[54] Anm. des Autors: Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard werden nachfolgend in Kap. 3.1.1 näher betrachtet
[55] Vgl. Fischbach & Spitaler, 2004, S. 221
[56] Vgl. Piser, 2004, S. 148
[57] Anm. des Autors: Zum Thema Vision und Mission in der Balanced Scorecard siehe Kap. 3.2.1
[58] Eigene Darstellung in Anlehnung an Piser, 2004, S. 149; Müller, 2000, S. 89
[59] Vgl. Piser, 2004, S. 149f
[60] Vgl. Horváth&Partners, 2007, S. 41
[61] Eigene Darstellung in Anlehnung an Kaplan & Norton, 1997, S. 9; Piser, 2004, S. 148; Grünning, 2002, S. 25
[62] Vgl. Kaplan & Norton, 1997, S. 46
[63] Vgl. Kaplan & Norton, 1997, S. 47f
[64] Vgl. Fischbach & Spitaler, 2004, S. 30
- Quote paper
- Stefan Kundelov (Author), 2012, Balanced Scorecard: Anwendung in der stationären Altenpflege, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195531
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