Über den Dürerschen Apokalypsezyklus ist im Laufe der Jahrhunderte viel geschrieben worden. Das Werk, welches Dürer 1498 im Selbstverlag publizierte, hat seit dem nicht an Ausdruckskraft verloren und stellt noch immer einen für die Forschung zu großen Teilen rätselhaften Gegenstand dar. Dürers Darstellungen der Szenen aus der Johannesoffenbarung waren von bisher ungekannter Intensität und Eigenwilligkeit. Ebenso wie für die 14 Blätter des eigentlichen Apokalypse-Zyklus, gilt dies auch für die Prologszene, für die Dürer das gängige Thema des Johannesmartyriums wählte. Die Bezeichnung „Martyrium des Johannes“ stammte allerdings nicht von Dürer selbst. Soweit überliefert, benannte Dürer keinen der Holzschnitte offiziell, die Bezeichnungen sind vielmehr ein Produkt der Forschung. Viele Kunsthistoriker haben die Prologszene allerdings nur am Rande behandelt, der Fokus liegt stets auf den Blättern des Apokalypse-Zyklus. Dabei bildet gerade der Prolog einen Schlüssel zum Gesamtverständnis der Dürerschen Apokalypse und ist keinesfalls isoliert zu sehen. Nicht nur, dass sich einzelne Elemente der Prologszene in den Folgeblättern wiederfinden, auch in einem größeren Rahmen ist das Martyrium unmittelbar mit der Apokalypse verknüpft. In welch komplexer Weise es Dürer gelingt, dies zum Ausdruck zu bringen, soll das Thema dieser Hausarbeit sein. Dabei möchte ich mich in erster Linie auf die Frage konzentrieren, mit welcher Intention Dürer die Szene auf so außergewöhnliche Art darstellte, und damit einhergehend, welche Funktion die Prologszene in Bezug auf den gesamten Zyklus übernahm.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Anordnung von Text und Bild auf der ersten Doppelseite
3. Ältere Martyriumsdarstellungen als Prolog zur Offenbarung
4. Eingehende Beschreibung der Martyriumsszene
5. Interpretation des bildlichen Prologs
5.1. Bedeutung der einzelnen Bildelemente
5.2. Die Symbolik in größerem Rahmen
6. Die Rolle des Betrachters
7. Abschließendes
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Über den Dürerschen Apokalypsezyklus ist im Laufe der Jahrhunderte viel geschrieben worden. Das Werk, welches Dürer 1498 im Selbstverlag publizierte, hat seit dem nicht an Ausdruckskraft verloren und stellt noch immer einen für die Forschung zu großen Teilen rätselhaften Gegenstand dar. Dürers Darstellungen der Szenen aus der Johannesoffenbarung waren von bisher ungekannter Intensität und Eigenwilligkeit. Ebenso wie für die 14 Blätter des eigentlichen Apokalypse-Zyklus, gilt dies auch für die Prologszene, für die Dürer das gängige Thema des Johannesmartyriums wählte. Die Bezeichnung „Martyrium des Johannes“ stammte allerdings nicht von Dürer selbst. Soweit überliefert, benannte Dürer keinen der Holzschnitte offiziell, die Bezeichnungen sind vielmehr ein Produkt der Forschung. Viele Kunsthistoriker haben die Prologszene allerdings nur am Rande behandelt, der Fokus liegt stets auf den Blättern des Apokalypse-Zyklus. Dabei bildet gerade der Prolog einen Schlüssel zum Gesamtverständnis der Dürerschen Apokalypse und ist keinesfalls isoliert zu sehen. Nicht nur, dass sich einzelne Elemente der Prologszene in den Folgeblättern wiederfinden, auch in einem größeren Rahmen ist das Martyrium unmittelbar mit der Apokalypse verknüpft. In welch komplexer Weise es Dürer gelingt, dies zum Ausdruck zu bringen, soll das Thema dieser Hausarbeit sein. Dabei möchte ich mich in erster Linie auf die Frage konzentrieren, mit welcher Intention Dürer die Szene auf so außergewöhnliche Art darstellte, und damit einhergehend, welche Funktion die Prologszene in Bezug auf den gesamten Zyklus übernahm.
2. Die Anordnung von Text und Bild auf der ersten Doppelseite
Die Anordnung und Präsentation der Prologszene entspricht den Blättern des eigentlichen Zyklus. Der Holzschnitt nimmt die gesamte rechte Hälfte der ersten Doppelseite ein und wurde von Dürer mit einem schlichten Rahmen und seiner Signatur in der Mitte des untersten Bildrandes versehen. Ebenfalls entsprechend dem Aufbau des Gesamtwerks ist die linke Hälfte der Doppelseite mit Text befüllt. Bei dem Text handelt es sich um einen Prolog des heiligen Hieronymus1, der Beschreibungen aus dem Leben und Wirken des Johannes enthält. Hieronymus berichtet von dem Evangelisten Johannes2, von seiner Verbannung nach Patmos und von seinem Tod. Die Szene der Marter findet hingegen keine Erwähnung. Die Schrift des Hieronymus ist eine Darstellung des Lebens und Glaubens des Verfassers der Offenbarung und fand sich bereits in vielen älteren Apokalypsedarstellungen als Einleitung. Dürer sah offenbar keinen Grund sich gegen diese Tradition zu stellen. Allerdings unterscheidet sich seine lateinische Ausgabe den Text betreffend von der deutschen: In der lateinischen Ausgabe ist der Text entsprechend den Folgeseiten ganzseitig und zweispaltig gedruckt, während die deutsche Ausgabe lediglich den letzten Abschnitt des lateinischen Textes in deutscher Übersetzung enthält und in 19 Zeilen fast mittig auf die Seite gedruckt wurde. So entspricht die Anordnung vielmehr dem Schriftzug auf dem Titelblatt als dem Text auf den Folgeseiten. Weshalb Dürer den Prologtext von einander abweichen ließ, ist nicht überliefert. Allerdings dürften die Gründe hierfür eher von schlichter Natur sein: Es ist durchaus möglich, dass der gesamte Text in deutscher Übersetzung nicht auf die Seite passte, und Dürer sich deshalb für die Abweichung entschied. Der Text war ohnehin nicht das Entscheidende an dieser ersten Doppelseite, sondern selbstverständlich der ganzseitige Holzschnitt.
3. Ältere Martyriumsdarstellungen als Prolog zur Offenbarung
Auch das Motiv des Johannes, der in einem Kessel sitzend mit heißem Öl übergossen wird, ist als Einleitung zur Apokalypse keine Erfindung Dürers. Seit dem 13. Jahrhundert wurden den Apokalypsedarstellungen meist mehrere Szenen aus dem Leben des Johannes vorangestellt3, so zum Beispiel in der sogenannten Blockbuchapokalypse4. Die Martyriumsszene ist nicht immer, aber häufig abgebildet5. Der Legende nach wurde Johannes von Kaiser Domitian angeklagt und zur Strafe vor der Porta Latina in Rom in einen Kessel gesteckt und mit siedendem Öl übergossen. Als Johannes die Marterung wider Erwarten unversehrt überstand, wurde er auf die Insel Patmos verbannt. Hier konnte er nun die während der Marter empfangenen Visionen niederschreiben. Die Ereignisse des Überlebens und der Niederschrift stellen wohl auch den Grund dafür dar, dass die Martyriumsszene so häufig als bildlicher Apokalypse-Prolog gewählt wurde. Perrig schreibt treffend: „Es wirkte wie ein Attest für die Wahrheit - das Wunder, mittels dessen Gott selbst für Anlass und Niederschrift der großen Weissagung gesorgt hatte.“6
Ältere Darstellungen, wie beispielsweise die in der Kölner Bibel, entsprechen meist demselben Schema. Die Szene spielt sich auf einem freien Areal außerhalb der Stadt ab, Johannes in dem Kessel ist dem Betrachter frontal zugewandt. Weitere Personen sind lediglich der Kaiser als Ankläger des Johannes, sowie einige Schergen, die damit beschäftigt sind, das Feuer unter dem Kessel zu entfachen und das heiße Öl über dem Kopf des Gemarterten zu ergießen7. Betrachtet man nun Dürers Darstellung, wird sofort erkennbar, dass diese nur in den Grundzügen Ähnlichkeit mit den vorangegangenen aufweist. Dürer setzt die Szene in einen völlig neuen Zusammenhang: Obwohl das Thema der Darstellung auf den ersten Blick unverkennbar als Johannesmartyrium identifiziert werden kann, zeigt sich durch genaueres Hinsehen eine Fülle anderer Aspekte, die Dürer in eben diese Szene einflechtet.
4. Eingehende Beschreibung der Martyriumsszene
Um sich einem Verständnis der von Dürer gezeigten Martyriumsszene zu nähern, ist eine äußerst genaue Betrachtung unabdingbar. Sämtliche Details auf der dicht gedrängten Darstellung mit einem Blick zu erfassen und in ihrer Gesamtheit auszuwerten, ist unmöglich und wird dem Prolog Dürers auch nicht gerecht. Vielmehr fordert er von dem Betrachter schon in der Einleitung zu seinem Apokalypse-Zyklus ein intensives Auseinandersetzen mit dem Gezeigten.
Ganz grob kann die Szene zunächst in zwei Bereiche aufgeteilt werden: Im Vordergrund befinden sich zum einen der Herrscher mit seinem Gefolge, der beinahe die gesamte linke Bildhälfte einnimmt, und zum anderen Johannes, der in der rechten unteren Bildhälfte in dem Kessel kauert. Etwa auf Schulterhöhe des Herrschers erstreckt sich eine horizontale Balustrade bis hin zum rechten Bildende, welche die Abgrenzung zum hinteren Bildbereich zeichnet. Hinter der Balustrade befindet sich eine Vielzahl von Zuschauern, welche die vordergründig dargestellte Szene verfolgen. Hinter ihnen wird eine zeitgenössische Stadtarchitektur erkennbar.
Die Szene wirkt stark gedrängt, da sie kaum freie Fläche bietet und Dürer jede einzelne seiner zahlreichen Figuren mit einem Reichtum an Details in Gewändern und Gesichtszügen ausstattet. Die einzige Figur, die leicht isoliert und dem übrigen Geschehen „entrückt“ erscheint, ist die des Johannes, der völlig unbekleidet in dem flachen Kessel kauert. Seine gewellten Haare fallen ihm auf die Schultern, die Hände sind zum Gebet gefaltet. Sein Blick wirkt abwesend und ist scheinbar auf einen Punkt schräg rechts außerhalb des Bildes gerichtet. Johannes wirkt vollkommen ruhig, obwohl ein Scherge zu seiner rechten Seite gerade das heiße Öl über ihn ergießt, welches ihm bereits an der Brust hinunter läuft.
[...]
1 Kirchenvater und Übersetzer der Vulgata, welchem Dürer 1495 das Gemälde Der heilige Hieronymus in der Ein ö de gewidmet hatte.
2 Dass der Evangelist Johannes nach heutigen Forschungsstand als nicht identisch angesehen wird, ist hier nicht relevant, da dies zu Dürers Zeiten noch als feststehend galt.
3 Vgl. Martin, S.15. Ausführliche bibliographische Angaben sind der Literaturliste zu entnehmen.
4 Vgl. http://www.johannesoffenbarung.ch/bilderzyklen/blockbuch.php
5 Vgl. auch die K ö lner Bibel
6 Vgl. A. Perrig, S.2.
7 Vgl auch Die Martyrien der Apostel, Stefan Lochner 1451, Städelmuseum Frankfurt am Main
- Citar trabajo
- Stefanie Begerow (Autor), 2011, Der Prolog zu Albrecht Dürers Apokalypse-Zyklus, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195245
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