„Als Lehramtsanwärter bekommen Sie im Zusammenhang mit Unterrichtsbesuchen regelmäßig Rückmeldung von Ihren Ausbildern. Sie werden daher bereits die Erfahrung gemacht haben, dass jede Außensicht Ihren Blick auf sich selbst und Ihren Unterricht bereichert. Deswegen sollten Sie auch ihre „Zielgruppe“ befragen, nämlich Ihre Schüler.“ Diese Forderung stellen Dohnicht-Fioravanti et al. an mich als Studienreferendarin und all meine Mitstreiter. Doch welchen Mehrgewinn gegenüber bzw. in Ergänzung zu den Beurteilungen der Ausbildungslehrer sowie der Fach- und Hauptseminarleiter bringen Einschätzungen der eigenen Lehrertätigkeit durch die Schüler? Ist die Rückmeldung durch die Schüler ein sinnvolles Unterstützungsinstrument zur Selbstreflexion? Wie könnte oder sollte eine solche Rückmeldung erfolgen? Welche Chancen und welche Grenzen bergen die einzelnen Verfahren? Und am Ende steht auch die Frage „Wenn Studienreferendare ermutigt werden, sich Rückmeldungen durch ihre Schüler einzuholen, sollten dies nicht auch gestandene Lehrer tun?“ im Raum. All diesen Fragen wird in der vorliegenden Examensarbeit nachgegangen und versucht, Antworten darauf zu finden.
Nach der Spezifizierung des Forschungsanliegens wird zunächst der theoretische Teil dieser Arbeit die notwendigen Grundlagen zum weiteren Verständnis liefern. An dieser Stelle werden die wesentlichen Begriffe voneinander abgegrenzt und bereits bestehende Verfahren zur Schülerbefragung vorgestellt. Im sich daran anschließenden praktischen Teil wird die Erstellung, Durchführung und Auswertung eines eigens für dieses Forschungsprojekt konzipierten Rückmeldebogens dargelegt. Vor einem abschließenden Fazit vervollständigt eine umfassende Reflexion die vorliegende Examensarbeit.
Inhalt
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Forschungsanliegen
3. Feedback, Evaluation und (Selbst-) Reflexion. Grundlagen und
Konkretisierung für diese Arbeit
3.1 Das Feedback
3.2 Die Evaluation
3.3 Die (Selbst-) Reflexion
4. Externe Hilfestellungen zur Durchführung von Evaluationen
4.1 ISQ für Berlin und Brandenburg
4.2 Angebot der Bezirksregierung Düsseldorf
5. Methodische Vorgehensweise bei der Untersuchung
5.1 Vorüberlegungen
5.2 Erstellung des Rückmeldebogens
5.2.1 Formale Bedingungen
5.2.2 Fragenauswahl und Formulierung
5.3 Risikobetrachtung im Vorfeld der Erhebung
6. Durchführung
6.1 Durchführung in meinen Kursen
6.2 Durchführung anderer Lehrer
7. Auswertung
7.1 Methodische Entscheidungen für die Auswertung
7.2 Mögliche Fehlerquellen in der Auswertung
7.3 Auswertung der eigenen Befragung
7.4 Auswertung der Ergebnisse der anderen Lehrer
8. Reflexion
8.1 Meine Selbstreflexion
8.2 Reflexion der Kollegen
8.3 Gedanken zur Examensarbeit
9. Fazit
Literatur
Anhang
Anhang 1 – Stimmungsbarometer
Anhang 2 – Schülerfeedback 1 aus dem GK 44 ??? Geographie Jahrgangsstufe 12
Anhang 3 – Schülerfeedback 2 aus dem GK 44 ??? Geographie Jahrgangsstufe 12
Anhang 4 – Rückmeldebogen
Anhang 5 – Anschreiben für die Kollegen
Anhang 6 – Auswertungsergebnisse des GK 55
Anhang 7 – Auswertungsergebnisse des GK 44
Anhang 8 – Auswertung der Kurskennzeichnung „Nichts“
Anhang 9 – Auswertung der Kurskennzeichnung „Sonne“
Anhang 10 – Auswertung der Kurskennzeichnung „Tinte“
Anhang 11 – Auswertung der Kurskennzeichnung „Herz“
Anhang 12 – Auswertung der Kurskennzeichnung „Stern“
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Idealtypischer Verlauf eines Evaluationsprozesses
Abbildung 2: Zitat C. Hager
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Feedback-Methoden
Tabelle 2: Evaluationsverfahren
1. Einleitung
„Als Lehramtsanwärter bekommen Sie im Zusammenhang mit Unterrichtsbesuchen regelmäßig Rückmeldung von Ihren Ausbildern. Sie werden daher bereits die Erfahrung gemacht haben, dass jede Außensicht Ihren Blick auf sich selbst und Ihren Unterricht bereichert. Deswegen sollten Sie auch ihre „Zielgruppe“ befragen, nämlich Ihre Schüler.“ Diese Forderung stellen Dohnicht-Fioravanti et al.[1] an mich als Studienreferendarin und all meine Mitstreiter. Doch welchen Mehrgewinn gegenüber bzw. in Ergänzung zu den Beurteilungen der Ausbildungslehrer[2] sowie der Fach- und Hauptseminarleiter bringen Einschätzungen der eigenen Lehrertätigkeit durch die Schüler? Ist die Rückmeldung durch die Schüler ein sinnvolles Unterstützungsinstrument zur Selbstreflexion? Wie könnte oder sollte eine solche Rückmeldung erfolgen? Welche Chancen und welche Grenzen bergen die einzelnen Verfahren? Und am Ende steht auch die Frage „Wenn Studienreferendare ermutigt werden, sich Rückmeldungen durch ihre Schüler einzuholen, sollten dies nicht auch gestandene Lehrer tun?“ im Raum. All diesen Fragen wird in der vorliegenden Examensarbeit nachgegangen und versucht, Antworten darauf zu finden.
Nach der Spezifizierung des Forschungsanliegens wird zunächst der theoretische Teil dieser Arbeit die notwendigen Grundlagen zum weiteren Verständnis liefern. An dieser Stelle werden die wesentlichen Begriffe voneinander abgegrenzt und bereits bestehende Verfahren zur Schülerbefragung vorgestellt. Im sich daran anschließenden praktischen Teil wird die Erstellung, Durchführung und Auswertung eines eigens für dieses Forschungsprojekt konzipierten Rückmeldebogens dargelegt. Vor einem abschließenden Fazit vervollständigt eine umfassende Reflexion die vorliegende Examensarbeit.
2. Forschungsanliegen
Erfahrungsgemäß äußern die Schüler des Gymnasiums[3] relativ offen ihre Wünsche bezüglich der Unterrichtsmethodik. „Oh nein, nicht schon wieder dies oder das!“ aber auch „Können wir nicht mal wieder dieses oder jenes machen?“ hörte ich bereits einige Male von den Schülern in meiner eigenen Unterrichtspraxis sowie im Rahmen meiner Hospitationen bei anderen Kollegen. So frei und ungehemmt wird jedoch Kritik am Stil eines Lehrers, die Unterrichtsgestaltung und den Umgang mit den Schülern im Allgemeinen aber auch bei Problemen betreffend, von ihnen häufig nicht formuliert. Die Gründe dafür könnten in der unbegründeten (?) Angst vor ungerechtfertigten Konsequenzen der Lehrperson gegenüber den Kritikern liegen, da sie ja Kritik an der Person selbst üben. Die Schüler sind sich der Brisanz dieses sensiblen Themas anscheinend bewusst, denn Mitschülern und anderen Lehrern gegenüber werden, meinen Beobachtungen zufolge, solche Einschätzungen hingegen geäußert – nur die betreffende Lehrkraft wird in den seltensten Fällen informiert.
Aber auch für den Lehrer selbst ist es eine Herausforderung, sich erstens der Kritik des eigenen Unterrichtsstils bzw. des eigenen Verhaltens ganz allgemein zu stellen und zweitens aus den gewonnenen Erkenntnissen Rückschlüsse für ein mögliches zukünftiges Vorgehen zu ziehen. Denn andere Aktions- und Sozialformen im Unterricht auszuprobieren ist verhältnismäßig schnell und mit relativ geringem Arbeitsaufwand zu bewerkstelligen,den eigenen Umgangston nachhaltig zu verändern setzt vor allem aber die Fähigkeit zur Selbstkritik und Selbstreflexion und den Willen dazu voraus[4]. Dieser Herausforderung stellen sich, eigener und Beobachtungen anderer Mitreferendare[5] zufolge, insbesondere ältere Lehrer nur sehr selten. Bei einigen Kollegen kann sogar, überspitzt ausgedrückt, von einem Veränderungsunwillen gesprochen werden.
Die vorliegende Arbeit leistet daher einen innovativen Beitrag zur Entwicklung der von der Kultusministerkonferenz der Länder geforderten Kompetenz „Lehrer verstehen ihren Beruf als ständige Lernaufgabe“ und den daran angeschlossenen Standards: „(Sie) reflektieren die eigenen beruflichen Erfahrungen und Kompetenzen und deren Entwicklung und können hieraus Konsequenzen ziehen, (…) nutzen die Rückmeldungen anderer dazu, ihre pädagogische Arbeit zu optimieren.“[6]. So zählen die schülerzugewandte, verhaltenssichere und flexible Unterrichtsdurch-führung mit angemessenen Reaktionen auf Schüleräußerungen und –verhalten sowie die Vorbildfunktion für die Identitätsfindung der Heranwachsenden zu den unabdingbaren Fähigkeiten eines Lehrers, seine berufliche Tätigkeit professionell auszuüben[7]. Es stehen dementsprechend neben dem Innovieren[8] die Lehrerqualifikationen Unterrichten und Erziehen in Bezug auf die Art und Weise des Umgangs mit den Schülern im Vordergrundmeiner Untersuchung.
Ziel ist es, eine praktikable Handreichung sowohl für Studienreferendare als auch erfahrene Lehrer zu entwickeln, mit deren Hilfe sie insbesondere ihren Unterrichtsstil und das pädagogische Klima in der untersuchten Gruppe zunächst analysieren können. Die gewonnenen Daten können und sollten[9] als Anregung für die sich daran notwendigerweise anschließende Selbstreflexion dienen, sie liefern wichtigen Input dafür.
Die vorliegende Arbeit erhebt nicht den Anspruch, andere Feedback- oder Evaluationsverfahren, wie beispielsweise die kollegiale Hospitation oder Schüler-Lehrer-Gespräche, zu ersetzen. Vielmehr sehe ich in ihr einen Beitrag, die gängigen Methoden sinnvoll um einen weiteren Aspekt zu ergänzen.
3. Feedback, Evaluation und (Selbst-) Reflexion.Grundlagen und Konkretisierung für diese Arbeit
Feedback, Evaluation und (Selbst-) Reflexion sind Vorgehensweisen, Informationen über das situative (eigene) Handeln durch Beobachtungen und deren anschließender Auswertung zu gewinnen. Idealerweise können auf dieser Grundlage Rückschlüsse für das weitere Vorgehen in ähnlichen (z.B. Unterrichts-) Situationen gezogen werden. Eine genaue Klärung dieser Begriffe sowie deren Abgrenzung voneinander ist für das weitere Verständnis der vorliegenden Arbeit sinnvoll und wird im Folgenden vorgenommen. Ergänzt werden diese Ausführungen jeweils durch verschiedene Beispiele ihres Einsatzes, um dem Leser eine Vorstellung der mannigfachen Anwendungsmöglichkeiten zu vermitteln.
3.1 Das Feedback
Im sozialwissenschaftlichen Bereich wird der Begriff Feedback als eine bewusst herbeigeführte Gesprächssituation verstanden, in der sich darüber ausgetauscht wird, welche Dinge die Gesprächsteilnehmer in einer vorangegangenen Situation an den anderen Teilnehmern wahrgenommen haben. Dabei wird der Feedback-Nehmer mit den Beobachtungen der Feedback-Geber zum eigenen Verhalten konfrontiert. Im Vordergrund des Feedbacks steht also, wie das eigene Verhalten auf andere wirkt.
Dass diese Form der Rückmeldung einen hohen Grad an Subjektivität aufweist, muss den Beteiligten bewusst sein und als Chance und nicht als Hindernis begriffen werden:„Die Beschreibung des Senders an den Empfänger ist nicht nur die eines unbeteiligten Beobachters. Würde man nur diese Information suchen, würde eine Aufzeichnung mit digitalen Geräten genügen.“[10].Die Feedback-Geber teilen also dem Feedback-Nehmer die von ihnen persönlich empfundenen Daten mit und leisten so einen wesentlichen Beitrag, die „blinden Flecken“ in der Selbst-wahrnehmung aufzuhellen[11].
Methodisch haben sich zahlreiche Vorgehensweisen, Feedbacks zu geben und zu erhalten, bewährt. Dabei werden schriftliche von mündlichen und nonverbalen Verfahren unterschieden. Exemplarisch wird im Folgenden jeweils eine Feedback-Methode davon in tabellarischer Form (vgl. Tabelle 1)vorgestellt und grob beschrieben.
Tabelle 1: Feedback-Methoden
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[12]
Quelle: eigene Zusammenstellung nach Stangl, W., 2005und MSW NRW 2011
3.2 Die Evaluation
Durch Evaluationen werden, ganz allgemein ausgedrückt, der Wert bzw. die Qualität von Inhalten oder Handlungen bewertet. Dabei werden die empirisch erhobenen Daten, je nach Zielsetzung, quantitativ oder qualitativ gewonnen und für anschließende Schlussfolgerungen herangezogen[13].
Je nachdem, wer evaluiert,werden drei Formen von Evaluationen unterschieden:
1. Die interne Evaluation, bei der die evaluierende Person Mitglied der zu bewertenden Organisation ist. Am Beispiel Schule demonstriert könnte es sich hierbei also um die Evaluation des Unterrichts bzw. des Unterrichtskonzeptes durch einen Fachkollegen handeln.
Einen grundsätzlichen Unterschied dazu erkennt man in
2. der externen Evaluation. Hier ist der Evaluator selbst nicht Mitglied der Organisation. Es handelt sich daher um eine schulfremde Person. So zählen beispielsweise Schulvisitationen zu den externen Evaluationen.
Neben diesen beiden Formen der Fremdevaluation steht
3. die Selbstevaluation, bei der der Bewertende und der Produzent des zu bewertenden Gegenstandes ein und dieselbe Person ist, also zum Beispiel ein Lehrer, der seinen eigenen Unterricht evaluiert[14].
Eine Evaluation läuft stets als Prozess ab, der, je nach Literatur, in unterschiedlich vielen Schritten erfolgt. In Anlehnung an klassische Forschungsverläufe in den Sozialwissenschaften hat Berkemeyer (2007, S. 4 f.) acht zentrale Schritte für einen typischen Evaluationsablauf herausgestellt (vgl. Abbildung 1):
Abbildung 1: Idealtypischer Verlauf eines Evaluationsprozesses
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung nach Berkemeyer, N., 2007, S. 4 f.
Evaluationen haben somit einen hohen Anspruch an Professionalität in Planung und Durchführung und sind dementsprechend mit erheblichem Arbeitsaufwand verbunden. Insbesondere die am Ende stehenden Prozessschritte Dateninterpretation, Datenfeedback und das Heraus-arbeiten bzw. Beschließen von Maßnahmen sind wesentlich, um Selbst- oder Fremdevaluationen an Schulen „nicht zu einem bloßen Selbstzweck zu reduzieren“[15].
Bei der methodischen Vorgehensweise zeigt sich auch im Bereich der Evaluationen ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Grundsätzlich unterscheiden sich hierbei qualitative von quantitativen Verfahren, wobei Mischformen denkbar sind. Qualitative Erhebungen sind in der Regel sehr zeitaufwändig, da dabei die Datenauswertung selten standardisiert erfolgen kann. Nachteil der quantitativen Verfahren hingegen ist die Aussagekraft, die kaum über die Bestätigung oder Negierung von zuvor aufgestellten Hypothesen hinausgeht. Zwei typische Erhebungsmethoden werden nachfolgend (vgl. Tabelle 2) exemplarisch vorgestellt.
Tabelle 2: Evaluationsverfahren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[16][17]
Quelle: eigene Zusammenstellung, ergänzt nach Walter, M., 2010, S. 19 ff.
„Feedback und Evaluation unterscheiden sich maßgeblich in ihrer Intention. Die durch das Feedback gewonnene wechselseitige Rückmeldung zielt auf unmittelbare Verhaltensänderungen ab. Im Gegensatz dazu verfolgt die Evaluation das Ziel, einen objektivierbaren, verallgemeinerbaren Wert für die Qualität von Lerngegenständen oder Lernszenarien zu ermitteln.“[18] Die methodische Durchführung dieser beiden Verfahren überschneidet sich jedoch häufig. So führen beispielsweise Brüntrup et al.[19] in Hinblick auf die Selbstevaluation des eigenen Unterrichts Feedbackmethoden wie das Ampel-Feedback oder die Feedbackkarten[20] als Evaluationsinstrumente an. Im weiteren Verlauf dieser Examensarbeit wird daher allgemein von Rückmeldungen gesprochen, um auch die verschwimmenden Grenzbereiche der vorgestellten Erhebungsverfahren zu erfassen.
3.3 Die (Selbst-) Reflexion
Unter Reflexion im Allgemeinen, bezogen auf den gesellschaftswissenschaftlichen Gebrauch, ist ein vergleichender Denkprozess zu verstehen, der das Ziel hat „Erkenntnisse über Vergangenes zu erlangen, die für anstehende Entscheidungen und künftiges Handeln genutzt werden können“[21].
Selbstreflexion ist demnach als die Reflexion eines denkenden Individuums selbst zu verstehen, bei der das eigene Handeln analysiert und mit den sich gesetzten Zielen vergleichend betrachtet wird. Aus den gewonnenen Ergebnissen lassen sich wiederum Handlungsoptionen für die Zukunft ableiten[22]. Voraussetzung für eine effektive Selbstreflexion ist die Fähigkeit, sich kritisch mit der eigenen Person auseinanderzusetzen und sich sozialer und beruflicher Einflussfaktoren bewusst zu werden.
Da in pädagogischen Berufen die Interaktion mit verschiedenen Akteuren wesentlicher Bestandteil der alltäglichen Praxis ist, sollte Selbstreflexion besonders hier regelmäßigpraktiziert werden. So haben auch Kempfert und Rolff in ihrer Auflistung von Verhaltenskompetenzen von Lehrpersonen die Selbstreflexion in den Bereich der Selbst- und Sozialkompetenz eingeordnet und verstehen sie als Fähigkeit, „das eigene Verhalten selbstkritisch zu reflektieren und entsprechende Konsequenzen zu ziehen“[23]. Diese eher negativ konnotierte Definition wird von Hager aufgegriffen. Sie bemängelt die Einseitigkeit der Selbstreflexion, die Lehrer häufig an den Tag legen: sie suchen nach Fehlern, die sie zukünftig vermeiden wollen, vergessen dabei aber die andere Seite oft gänzlich. So kommt sie zu dem Schluss[24]:
Abbildung 2: Zitat C. Hager
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Hager, C., 2009
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Selbstreflexion einen entscheidenden Beitrag zur Ausbildung und Festigung einer professionellen Lehrertätigkeit leistet. Feedback und Evaluation liefern dabei den maßgeblichen Input für diese Auseinandersetzung. So können die vorgestellten Verfahren dazu beitragen, den Lehrerberuf verantwortungsvoll und professionell auszuüben, vorausgesetzt man öffnet sich den gewonnenen Erkenntnissen.
4. Externe Hilfestellungenzur Durchführung von Evaluationen
Die Notwendigkeit von Evaluation von Schule und Unterricht hat auch die Politik erkannt. So wurden in den letzten Jahren Evaluationen zu einem festen Bestandteil der Schulpraxis, vorerst zumindest theoretisch. Dass die Selbst- und Fremdeinschätzung von Unterricht auch zu einer obligatorischen Aufgabe eines jeden Lehrers wird, hat der Berliner Bildungssenator Zöllner nun angeregt:
„Die systematische Rückmeldung führt zur kontinuierlichen Qualitätsverbesserung und vermittelt Schülerinnen und Schülern ein Gefühl der Wertschätzung, da ihre Meinung zählt.”[25]
Um sie bei dieser Aufgabe zu unterstützen, geben verschiedene Stellen den Lehrern ganz unterschiedliche Hilfestellungen, die Evaluation ihres Unterrichts zu organisieren. So wurde zum einen eine Internetplattform[26] eingerichtet, auf denen Lehrkräfte ihren eigenen Unterricht durch ihre Schüler bewerten lassen können. Zum anderen existieren zahlreiche Anleitungen, wie ein solches Vorhaben zu planen, durchzuführen und auszuwerten ist. Exemplarisch werden nachfolgend zwei dieser Unterstützungsinstrumente vorgestellt.
4.1 ISQ für Berlin und Brandenburg
Eine Möglichkeit für Lehrer, ihren Unterricht relativ einfach und mit nur geringem Aufwand zu evaluieren, bietet das ISQ, das Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg e.V.. In dem vom ISQ entwickelten Internetportal können Lehrkräfte aus Berlin und Brandenburg seit 2008 Instrumente zur Selbstevaluation online nutzen und dadurch „schnell und unkompliziert eine Rückmeldung zum eigenen Handeln erfahren“[27].
Auf Grundlage von Fragebögen einerseits zu allgemeinen und andererseits zu fachspezifischen Aspekten von Unterrichtsqualität bewerten die Schüler direkt im Internet[28] den betreffenden Unterricht. Je nach Evaluationsanlass und Alter der Schülerexistieren verschiedene Fragebögen unterschiedlichen Umfanges. So sind die Fragebögen für die Primarstufe[29] kürzer und die Fragen einfacher formuliert als die für die Sekundarstufe. Die, je nach Fragebogentyp, bis über 80 Fragen werden von den Schülern anonym durch Ankreuzen auf einer Skala von vier Bewertungsstufen[30] beantwortet. Dabei steht ihnen die Option „Kann ich nicht beurteilen“ bei jeder Frage zur Verfügung. Ist nur ein bestimmter Aspekt des Unterrichts von Interesse, besteht für den Lehrer auch die Möglichkeit, sich einen Fragebogen aus den verschiedenen Bausteinenselbst zusammenzustellen.
Um einen Hinweis auf eventuelle Abweichungen von Eigen- und Fremdwahrnehmung zu erhalten, können die Lehrkräfte auch selbst den Fragebogen ausfüllen. Der Lehrerfragebogen enthält dabei exakt dieselben Fragestellungen wie der für die Schüler. Nachdem die Onlinebefragung durchgeführt wurde, wird eine Rückmeldung über die Ergebnisse automatisch vom System erstellt und in druckbarer Version dem Lehrer, nicht aber der Schulleitung oder der Schulaufsicht[31], zur Verfügung gestellt.
Neben der Möglichkeit für Lehrer, ihren Unterricht durch ihre Schüler evaluieren zu lassen, bietet das Internetportal auch für Personen mit Leitungsaufgaben innerhalb der Schule die Option, durch das Kollegium eine Rückmeldung zu ihrem Leitungshandeln zu erhalten[32].
4.2 Angebot der Bezirksregierung Düsseldorf
Auch in anderen Bundesländern gibt es Bestrebungen, Lehrer bei der Durchführung von Unterrichtsevaluationen zu unterstützen. So hat beispielsweise die Bezirksregierung Düsseldorf im Rahmen ihres Fortbildungsprogramms für Lehrer verschiedene „Instrumente zur Selbstevaluation von Unterrichtsqualität an Schulen“[33] entwickelt und stellt diese den Lehrkräften auf ihrer Internetseite zur Verfügung[34]. Die vorhandenen Fragebögen sind an die Zielgruppe, die den Unterricht bewerten soll,angepasst. So existieren für Eltern, Lehrer und Schüler je nach Schulform[35] und Sekundarstufe jeweils zugeschnittene Fragenkataloge.
Wenngleich die Auswertung der erhobenen Datensätze nicht, wie beim Konzept des ISQ[36], automatisch erfolgt, wurde sie dennoch für die ausführenden Lehrer vereinfacht. Die Fragebögen liegen auch in datenbankkompatiblen Formaten (.dbt und .dbf) vor, so dass die Auswertung unter Zuhilfenahme gängiger Analysesoftware relativ schnell vom Lehrer selbst durchgeführt werden kann.
Die in diesem Kapitel vorgestellten Evaluationsmöglichkeiten finden bei der Erstellung des im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Rückmeldebogens ihre Berücksichtigung[37]. Dabei werden die an dieser Stelle noch wertfrei dargelegten Inhalte im weiteren Verlauf kritisch betrachtet und die Rückschlüsse daraus in mein Konzept einbezogen.
5. Methodische Vorgehensweise bei der Untersuchung
Schon seit Beginn meiner pädagogischen Ausbildung bin ich davon überzeugt, dass Schüler nur in einer entspannten und für sie angenehmen Atmosphäre mit Interesse und Freude effektiv lernen können. Die enge Verknüpfung von Lernen und Emotionen wurde durch die Hirnforschung mehrfach belegt. Folglich verstärken positive Erfahrungen die Freude am Erkenntniserwerb ebenso wie negative Gefühle diese herabsetzen und dadurch zu einer Verminderung der Lernanstrengungen führen können. Lernen hat somit auch maßgeblich mit der Beziehung zwischen Lehrern und Schülern zu tun. Die Bedeutsamkeit der Beziehungsebene, die der Sachebene zumeist übergeordnet ist, wurde kommunikations-psychologisch bestätigt[38]. So „ist es vor allem die Verantwortung der Lehrer, den Lebensraum Schule beziehungsvoll zu gestalten und Lernprozesse so in Gang zu setzen, dass Schüler eigenverantwortlich in der Lage sind, das Verlangte zu bewältigen“[39].
Die Dringlichkeit der Auseinandersetzung mit dieser Thematik wurde bereits dargelegt. Wie und in welchen Arbeitsschritten nun das in Kap. 2 erläuterte Anliegen, das Lernklima,unter maßgeblicher Berücksichtigung des Unterrichtsstils des Lehrers, innerhalb einer Klasse bzw. eines Kurses zu erfassen, um daraus ggf. Ansätze für künftige Änderungen abzuleiten, realisiert werden soll, wird im Folgenden ausgeführt. Die Vorgehensweise orientiert sich dabei an dem vorgestellten idealtypischen Verlauf eines Evaluationsprozesses[40].
5.1 Vorüberlegungen
In meiner bislang noch recht kurzen Zeit als Lehrer bzw. Lehramtskandidat habe ich es mir zur unterrichtsalltäglichen Praxis gemacht, in regelmäßigen Abständen die Meinung der Schüler zu diversen Unterrichtaspekten einzuholen. So wurden sie von mir zu verschiedenen durchgeführten Aktionsformen, zu Fachinhalten aber auch zum Lernklima befragt. Meine Erfahrungen zeigten mir, dass besonders wenn thematisch die Beziehungsebene innerhalb der Klasse bzw. des Kurses angesprochen wurde, die Antworten relativ verhalten ausfielen. Aus diesem Grund kehrte ich diesbezüglich von mündlichen Feedbackmethoden ab und ließ mir die Rückmeldungen der Schüler, meinen Unterrichtsstil betreffend, in schriftlicher Form geben. Die im Anhang[41] exemplarisch vorgestellten Schülerfeedbacks zeigten mir jedoch weitere Schwächen dieser Verfahrensweise:
1. Trotz der von mir beteuerten Anonymität kann es sein, dass die Schüler Angst haben, ich erkenne ihre Schrift. Eventuell schreiben sie daher vornehmlich positive Aspekte auf. Die negativen Seiten bleiben mir also wieder verschlossen.
2. Eine offen gestellte Aufforderung, den Unterricht insgesamt, das Lernklima, den Unterrichtsstil oder anderes einzuschätzen, zeigt auch spontane und frei formulierte Antworten im Resultat. Ein genaues Eingehen auf konkrete Teilaspekte ist mit dieser Art der Aufgabenstellung von den Feedback-Gebern nicht zu erwarten, da jeder Schüler andere Prioritäten setzt[42].
3. Schüler mit ausgeprägten rhetorischen Fähigkeiten formulieren ihre Meinung sehr viel präziser. Das Meinungsbild der ausdrucksschwächeren Schüler könnte unter Umständen nicht voll erfasst werden.
Um die angeführten Fehlerquellen zu umgehen, entwickelte ich einen Rückmeldebogen, in dem die Schüler vorgefertigte Aussagen anhand einer Skala anonym, durch das Setzen von Kreuzen an der entsprechenden Stelle, einschätzen. Ich bin mir der in Kap. 3.2 angeführten Schwachstellen dieser quantitativen Erhebungsmethode bewusst, halte dennoch diese Verfahrensweise aufgrund der o.g. Argumente für die am besten geeignetste für das Forschungsthema.
[...]
[1] Dohnicht-Fiovanti et al., 2009, S. 73
[2] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit durchgehend die männliche grammatische Form verwendet. Selbstverständlich sind damit auch immer Frauen und Mädchen, also Seminarleiterinnen, Lehrerinnen, Schülerinnen etc., gemeint.
[3] Ich beziehe mich bei dieser Aussage auf meine persönlichen Erfahrungen aus meinem Schulpraktikum im Schuljahr 2007/08 sowie meiner Tätigkeit als Studienreferendarin am Gymnasium.
[4] Vgl. Kap. 3.3
[5] Im Rahmen der Recherche zur vorliegenden Arbeit unterhielt ich mich in lockerer Atmosphäre mit anderen Studienreferendaren über die Thematik der Selbstreflexion von Lehrern. Da keine Gesprächsprotokolle angefertigt wurden, tätige ich die o.g. Aussage aus dem Gedächtnis.
[6] Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2004, S. 12
[7] Vgl. Landesinstitut für Lehrerbildung Brandenburg, 2002, S. 5 ff.
[8] Die vorliegende Arbeit trägt zur Lehrerqualifikation Innovieren bei, indem sie einen Beitrag leistet, die pädagogische Praxis beständig zu reflektieren und diese ggf. zu ändern (vgl. ebd., S. 8).
[9] Erhebungen und die gewonnenen Daten müssen unbedingt ausgewertet und rückgemeldet werden, um sie nicht, wie Berkemeyer es formuliert, zu einem „bloßen Selbstzweck zu reduzieren“ (vgl. Kap. 3.2 und Berkemeyer, N., 2007, S. 1).
[10] Walter, M., 2010, S. 9
[11] Vgl. Fengler, J., 2009, S. 10 ff.
[12] Dieses Verfahren kann unterrichts- oder projektbegleitend über einen längeren Zeitraum Anwendung finden. Ein Beispiel zur Gestaltung befindet sich in Anhang 1.
[13] Vgl. Stangl, W., 2008
[14] Vgl. Berkemeyer, N., 2007, S. 3
[15] Berkemeyer, N., 2007, S. 1
[16] Wenngleich einzelne Teilbereiche eher qualitativen Charakter aufweisen, ist der Fokus der hier vorgestellten Methode jedoch quantitativer Natur.
[17] Teilaspekte dieser Methode sind eher quantitativ geprägt, wobei das Hauptaugenmerk auf dem qualitativen Bereich liegt.
[18] Walter, M., 2010, S. 24
[19] Brüntrup, S.; Draber, G.; Wilhelm, C., 2010, S. 150
[20] Auf genaue Beschreibungen dieser Feedbackmethoden wird an dieser Stelle verzichtet, exemplarisch sind in Tab. 1 verschiedene Verfahren hierzu beschrieben. Weiterführende Informationen zu diesen Techniken liefern unter anderem Brüntrup et al. auf den Seiten 160 ff.
[21] Hager, C., 2009
[22] Vgl. ebd.
[23] Kempfert, G. / Rolff, H.-G., 2005, S. 124
[24] Hager, C., 2009
[25] Zitat von J. Zöllner, In: Anders, F., 2011
[26] Vgl. Kap. 4.1
[27] ISQ. Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg e.V., 2011
[28] Die Freigabe erfolgt dabei über Zugangscodes, die der Lehrer den Schülern mitteilt.
[29] ab Klassenstufe 3
[30] z.B. „Trifft überhaupt nicht zu“ – „Trifft eher nicht zu“ – „Trifft eher zu“ – „Trifft voll und ganz zu“
[31] „Nur der Lehrer erfährt die Schülerbewertungen. Schulleitung oder Schulaufsicht haben keinen Zugriff.“ (Loy, T. / Vieth-Entus, S., 2009)
[32] Die Vorgehensweise diesbezüglich wird hier aus Gründen zu geringer Relevanz für die vorliegende Arbeit nicht näher erläutert.
[33] Vgl. Bezirksregierung Düsseldorf, 2008
[34] Daneben existieren weitere Instrumente zur Evaluation von schulinterner und schulexterner Fortbildung sowie von Fortbildung, finanziert aus Fortbildungsbudgets (vgl. ebd.)
[35] Neben allgemeinbildenden Schulen sind Fragebögen für Lehrer und Schüler von Berufkollegs sowie Förderschulen verfügbar. Entsprechende Fragebögen für Grundschulen befinden sich nach Angaben auf der Homepage noch in der Vorbereitung.
[36] Vgl. Kap. 4.1
[37] Vgl. Kap. 5
[38] Vgl. Zollneritsch, J., 2009
[39] ebd.
[40] Vgl. Abb. 1
[41] Vgl. Anhang 2 und Anhang 3
[42] Dieser, von mir als Schwachstelle bezeichnete, Aspekt hat offenkundig auch Vorteile. Insbesondere im Vorfeld einer quantitativen Erhebung bildet ein freies Feedback eine mögliche Grundlage, konkrete Fragen aus den Gedanken der Feedback-Geber zu entwickeln.
- Arbeit zitieren
- Dipl. Geogr. Franziska Noltenius (Autor:in), 2011, Evaluation, Feedback, Reflexion: Wie Schüler ihre Lehrer bewerten können, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/194934
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