Der völkerrechtswidrige Krieg der Vereinigten Staaten und ihrer britischen Hilfstruppen gegen den Irak hat nicht nur die Beziehungen der Europäischen Union zu den USA einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt, sondern auch einen Keil zwischen die europäischen Staaten getrieben. Während Großbritannien, Spanien, Italien und praktisch sämtliche osteuropäische Beitrittskandidaten sich mit den USA solidarisierten, leisteten insbesondere Frankreich und Deutschland, aber auch Belgien, erbitterten Widerstand gegen die amerikanische Neufassung des Völkerrechts auf Grundlage des Faustrechts. Angesichts des amerikanischen Eroberungskrieges gegen den Irak, der auf Völkerrecht und international legitimierte Organisationen wie die UNO keinerlei Rücksicht nahm, fürchten andere Staaten ein ähnliches Schicksal, sollten sie einst amerikanischen Interessen im Wege stehen. Das unilaterale Vorgehen der USA, die Demütigung der UNO, in dessen Zusammenhang die Mitglieder des Sicherheitsrates zu Statisten degradiert wurden, hat insbesondere in Europa zu heftigen Diskussionen geführt, welchen Charakter die Weltordnung des 21. Jahrhunderts haben sollte.
Die öffentliche Meinung in Europa hat sich bezüglich den USA nach der amerikanischen Aggression gegen den Irak grundlegend gewandelt. Eine kürzliche Befragung von jeweils 1.000 Personen in sieben europäischen Staaten durch den German Marshall Fund kam zu dem Ergebnis, daß nur noch 45% aller Europäer eine amerikanische Führungsrolle in der Welt für wünschenswert halten. Bei der Befragung 2002 waren es immerhin 64%.Welche Vorstellungen haben die europäischen Länder von einer zukünftigen Weltordnung, und welche Perspektiven ergeben sich angesichts der unterschiedlichen Positionen aus deutscher Sicht für eine zukünftige europäische Sicherheitspolitik?
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Die Weltordnung am Ende des 20. Jahrhunderts
2. Weltordnungs-Vorstellungen in Europa
2.1. Meinungsverschiedenheiten zwischen den grossmächten
2.2. pro unipolare weltordnung: grossbritannien und spanien
2.3. pro multipolare weltordnung: frankreich und deutschland
2.4. die öffentliche meinung: pro vereinte nationen und europa
3. Perspektiven europäischer Außen- und Sicherheitspolitik
4. Schlußbetrachtung
Literaturverzeichnis
0. Einleitung
Der völkerrechtswidrige Krieg der Vereinigten Staaten und ihrer britischen Hilfstruppen gegen den Irak hat nicht nur die Beziehungen der Europäischen Union zu den USA einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt, sondern auch einen Keil zwischen die europäischen Staaten getrieben. Während Großbritannien, Spanien, Italien und praktisch sämtliche osteuropäische Beitrittskandidaten sich mit den USA solidarisierten, leisteten insbesondere Frankreich und Deutschland, aber auch Belgien, erbitterten Widerstand gegen die amerikanische Neufassung des Völkerrechts auf Grundlage des Faustrechts.
Angesichts des amerikanischen Eroberungskrieges gegen den Irak, der auf Völkerrecht und international legitimierte Organisationen wie die UNO keinerlei Rücksicht nahm, fürchten andere Staaten ein ähnliches Schicksal, sollten sie einst amerikanischen Interessen im Wege stehen. Das unilaterale Vorgehen der USA, die Demütigung der UNO, in dessen Zusammenhang die Mitglieder des Sicherheitsrates zu Statisten degradiert wurden, hat insbesondere in Europa zu heftigen Diskussionen geführt, welchen Charakter die Weltordnung des 21. Jahrhunderts haben sollte.
Die öffentliche Meinung in Europa hat sich bezüglich den USA nach der amerikanischen Aggression gegen den Irak grundlegend gewandelt. Eine kürzliche Befragung von jeweils 1.000 Personen in sieben europäischen Staaten[1] durch den German Marshall Fund kam zu dem Ergebnis, daß nur noch 45% aller Europäer eine amerikanische Führungsrolle in der Welt für wünschenswert halten. Bei der Befragung 2002 waren es immerhin 64%.[2]
Welche Vorstellungen haben die europäischen Länder von einer zukünftigen Weltordnung, und welche Perspektiven ergeben sich angesichts der unterschiedlichen Positionen aus deutscher Sicht für eine zukünftige europäische Sicherheitspolitik?
1. Die Weltordnung am Ende des 20. Jahrhunderts
Das Ende des Kalten Krieges, so Robert Kagan[3], habe die Machtverschiebung zwischen Europa und Amerika vergrößert. Während Amerika sich im Zeichen des Golfkrieges 1991 neuen weltpolitischen Herausforderungen widmete, zehrte das westliche Europa von der Friedensdividende. Daran konnte auch der jahrelange Bürgerkrieg im auseinanderbrechenden Jugoslawien nichts ändern. Europa habe sich zwar als Folge der beiden Weltkriege von Machtpolitik verabschiedet, meint Kagan. Die heute zur Schau getragene Toleranz und das Beharren auf Völkerrecht und Vereinte Nationen sei jedoch kein Ergebnis der Geschichte, sondern ein Zeichen der Schwäche. Der US-Unilateralismus verkörpere hingegen faktische Stärke. Eine lange Ära amerikanischer Hegemonie stehe der Welt bevor.[4]
Das Auseinanderbrechen des früheren Rivalen Sowjetunion 1991 ließ die USA zur einzig verbliebenen Supermacht werden. Der Untergang der Sowjetunion war weniger das Ergebnis einer militärischen Niederlage im Kräftemessen mit den USA, sondern Konsequenz einer durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Spannungen beschleunigten Desintegration, so Zbigniew Brzezinski[5]. Durch den Zusammenbruch des kommunistischen Staatensystems kam es zu einer neuen Welle von Globalisierungsprozessen, in deren Folge die USA ihre wirtschaftliche, technologische, politische und militärische Dominanz ausspielen konnten. Ende des 20. Jahrhunderts erreichten die USA unter den sieben größten Mächten ein Bruttosozialprodukt von rund 40%, ein Wert, den die nächstplazierten Staaten China und Japan bestenfalls gemeinsam erreichen. Bei den Rüstungsausgaben ist die Dominanz noch erdrückender. Hier führen die USA einsam mit einem Anteil von 50% an den Verteidigungsausgaben der sieben Spitzenländer, mit deutlichem Abstand gefolgt von Rußland mit lediglich 13%.[6] Obgleich die EU- und europäischen NATO-Staaten[7] Ende des 20. Jahrhunderts über rund 160 Millionen Einwohner mehr verfügten als die USA, haben die USA um fast 60% höhere Rüstungsausgaben.[8] Auch eine weitere Zahl belegt die Dominanz der Vereinigten Staaten: Ende des 20. Jahrhunderts gaben die USA rund 3% ihres Bruttosozialprodukts für Verteidigungszwecke aus, Großbritannien kam auf rund 2,4%, Frankreich immerhin noch auf 1,8%, Deutschland lediglich auf etwa 1,2%.[9]
Heute scheint es weltweit kein Land zu geben, das den Vereinigten Staaten ihre Führungsposition streitig machen könnte. Die unangefochtene Machtstellung der USA basiert nach Ansicht Brzezinskis auf der weltweiten amerikanischen Militärpräsenz, der Rolle als Lokomotive weltweiten wirtschaftlichen Wachstums, des technologischen Vorsprungs und der weltweiten Vormachtstellung seiner Kultur.[10]
„Das Zusammenspiel dieser vier Kriterien ist es, was Amerika zu der einzigen globalen Supermacht im umfassenden Sinne macht.“[11]
Amerika sei aufgrund seiner weltweiten Spitzenstellung in fast allen Bereichen das Rom des 21. Jahrhunderts, meint Alexander Gaulund[12]. Die bipolare Weltordnung sei Geschichte. Allerdings widersetzten sich China und die muslimische Welt seinem imperialen Gebaren, was die Funktionsfähigkeit dieses neuen Roms in Frage stelle. Daher müßten andere Alternativen in Europa bedacht werden.
„Wenn wir uns allerdings eine multipolare Welt vorstellen, in der China die Vereinigten Staaten balanciert, erhalten auch Russland und Europa einen Teil ihrer alten Bedeutung zurück, sei es als Verbündete, sei es als Gegengewichte zu den Amerikanern. Nun ist aus historischen wie kulturellen Gründen ein Bündnis mit China kaum vorstellbar, ein eigenes europäisches Gewicht auf einer der Waagschalen dagegen schon.“[13]
2. Geostrategische Vorstellungen in Europa
2.1. Meinungsverschiedenheiten zwischen den Großmächten
In Europa ist angesichts des von den USA geführten Irakkrieges auf politischer und gesellschaftlicher Ebene ein Streit darüber entbrannt, welchen Stellenwert Europa in einer durch amerikanische Hegemonie geprägten Weltordnung zukünftig ausfüllen soll. Auf staatlicher Ebene stehen sich in Europa im wesentlichen zwei Lager gegenüber. Auf der einen Seite die Verfechter einer unipolaren Weltordnung, die den USA die Rolle der universalen Führungsmacht zusprechen. Ihnen gegenüber stehen die Anhänger einer multipolaren Ordnung, die eine Koexistenz verschiedener Großmächte präferieren, welche ihre Interessen innerhalb der Vereinten Nationen als höchstem internationalen Gremium in Einklang zu bringen versuchen. Befürworter dieser multipolaren Ordnung sind in Europa vor allem Rußland und Frankreich, während Großbritannien als enger Verbündeter der USA einer auf die Vereinigten Staaten fixierten unipolaren Weltordnung den Vorzug gibt. Deutschland tendiert in diesem Konflikt eher zu einer auf Kooperation ausgerichteten multilateralen Weltordnung. Die Positionen der Großmächte stehen sich mehr oder weniger unversöhnlich gegenüber. Der schwelende Konflikt um die zukünftige politische Rolle Europas wirkt sich daher auch massiv auf die weitere Ausgestaltung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) aus.
2.2 Pro unipolare Weltordnung: Großbritannien und Spanien
Großbritannien hat sich im Irakkrieg eng an die Seite der USA gestellt. Beim Angriff der USA auf den Irak spielten britische Truppen eine wichtige Rolle. Nach der Besetzung des Iraks durch angloamerikanische Truppen übt Großbritannien unter amerikanischem Oberkommando im Südirak die Rolle einer Besatzungsmacht aus. Premierminister Tony Blair hat sich zu verschiedenen Anlässen für eine enge Anlehnung Europas an die USA ausgesprochen. Ein sich in Opposition zu den USA befindliches Europa sei gefährlich und wirke destabilisierend, sagte Blair Ende April 2003 in einem Interview mit der Financial Times[14] und erteilte damit französischen Forderungen nach einer multipolaren Weltordnung eine Absage. Eine multipolare Welt, so Blair, würde in einer Weltordnung rivalisierender Staaten münden, wie man sie im Kalten Krieg nach Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte.[15] Das Vereinigte Königreich sei der engste Verbündete der USA und müsse es bleiben. Dies resultiere nicht daraus, daß die USA so mächtig seien. Vielmehr teile Großbritannien deren Werte. Die Vereinigten Staaten seien eine „Macht des Guten“[16]. Es liege in Großbritanniens ureigenstem Interesse, enge Beziehungen zu den USA zu haben, meint Blair. Man könne dadurch Einfluß auf die USA nehmen. Europa, so die britische Position, sei nicht in der Lage, mit den Vereinigten Staaten zu konkurrieren, daher müsse es sich als Partner empfehlen.[17]
[...]
[1] Es handelte sich um Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Polen und Portugal.
[2] Vgl. www.transatlantictrend.org vom 25.09.2003.
[3] Vgl. Kagan, Robert: Macht und Ohnmacht. Amerika und Europa in der neuen Weltordnung, Berlin: Siedler Verlag 2003.
[4] Vgl. Kagan, Robert: Macht und Ohnmacht, S. 45 und S. 85ff.
[5] Vgl. Brzezinski, Zbigniew: Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Weltherrschaft, 7. Aufl., Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch Verlag 2003, S. 25.
[6] Vgl. William C. Wohlforth: The Stability of a Unipolar World, in: International Security, Volume 24, Issue 1, 1999, S. 15.
[7] Gemeint sind europäische NATO-Staaten exklusive der Türkei.
[8] Vgl. Jürgen Schnell: Europäische Streitkräfte in ökonomischer Perspektive, in: Hoyer, Werner und Gerd Kaldrack (Hrsg.): Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Der Weg zu integrierten Europäischen Streitkräften?, Baden-Baden: Nomos Verl.-Ges. 2002.
[9] Vgl. Defence Analysis Institute: Prospects on the European Defence Industry, Athen: Defence Analysis Institute 2003.
[10] Vgl. Brzezinski, Z.: Die einzige Weltmacht, S. 44.
[11] Ebd.
[12] Vgl. Alexander Gaulund: Was von Europa übrig bleibt, in: Berliner Republik, 4. Jg., 5/2002.
[13] A. Gaulund.: Was von Europa übrig bleibt.
[14] Vgl. Interview mit Tony Blair, Financial Times, 25.04.2003.
[15] Vgl. Interview mit Tony Blair.
[16] Vgl. Großbritanniens Platz in der Welt. Rede von Premierminister Tony Blair auf der Botschafterkonferenz des Außenministeriums, London , 7. Januar 2003: http://www.britische-botschaft.de/en/news/items/030107.htm.
[17] Vgl. ebd.
- Quote paper
- Falko Wittig (Author), 2003, Europa in der neuen Weltordnung. Anspruch und Wirklichkeit im 21. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19491
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