The aim of this paper is to examine the role of fatigue in business aviation in Germany and its neighbours based on data collected from executive and corporate pilots.
A paper-pencil questionnaire was developed, containing the parts demography, operating scheme, duty times, sleep and fatigue. Participants were also asked about their opinion on flight time limitations and were invited to comment on the study itself. In addition, an identical online-questionnaire was developed.
Beginning in October 2011, the questionnaires were distributed among a number of commercial and corporate pilots. Most of them received an invitation, containing the link and the password of the online-survey. Also some paperpencil-questionnaires were given away, together with a postage paid envelope.
A total of 20 pilots responded, not counting invalid and incomplete data. This can be classified as a very low response rate. Thus the application of statistical procedures were kept to a minimum.
The results reveal the influence of long duty times, early reporting times, night flights and other operational factors on the sleep/wake cycle and the performance in flight. Some pilots showed a slightly larger sleep latency and a shorter sleep duration after service, whereas the overall sleep duration and quality is normal. One third of the pilots reported having dozed off unintentionally at least once, which seems to be a frequent occurrence in aviation. A large part of them also thinks that fatigue in aviation is a problem for
flight safety and wants the flight and duty time limitations to be reviewed.
Because the study is not representative, no definite conclusions can be drawn. However, the collected data does suggest that fatigue may be a common occurence on a substantial number of business flights. The results show that more scientific surveys, concerning this field of aviation, need to be done.
Together with other studies, there is large evidence that fatigue has a strong impact on performance. In addition, it seems to be a common problem all over the world and concerning most kinds of operators.
Inhalt
1 Einleitung
1.1 Human Factors und Ermudung in der Luftfahrt
1.2 Forschungsstand: Studien zur Ermudung von Flugbesatzungen
1.3 Fragestellung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Arbeitspsychologische Aspekte von Mudigkeit und Schlafrigkeit
2.2 Zirkadiane Rhythmen: Naturlicher Verlauf und Desynchronisation
2.3 Bedeutung des Schlafes fur die Leistungsfahigkeit
2.4 Das „Zwei-Prozess-Modell" von Borbely
2.5 Arousaltheorie
3 Geschaftsfliegerei in Deutschland
3.1 Einordnung in den Luftverkehr und Betreibermodelle
3.2 Marktsituation und zukunftige Entwicklung
3.3 Arbeitsspezifische Aspekte
3.4 Flugdienst- und Ruhezeiten
3.4.1 Rechtsquellen in Deutschland
3.4.1.1 Beschrankung der kumulativen Dienstzeiten
3.4.1.2 Maximale tagliche Flugdienstzeit
3.4.1.3 Ruhezeiten
3.4.2 Neuregulierung durch die EASA
4 Methodik
4.1 Wahl der Erhebungsmethode
4.2 Beschreibung der Zielgruppe
4.3 Erstellung des Fragebogens
4.3.1 Operationalisierung
4.3.2 Struktur
4.3.3 Items
4.3.3.1 Abschnitt A: Flugbetrieb
4.3.3.2 Abschnitt B: Schlaf und Erholung
4.3.3.3 Abschnitt C: Flugdienste
4.3.3.4 Abschnitt D: Eigene Meinung
4.3.3.5 Abschnitt E: Personliches
4.3.4 Instruktion
4.3.5 Online-Version
4.4 Fehlerquellen
4.5 Abschatzungen zu den Testgutekriterien
4.6 Verteilung
5 Ergebnisse
5.1 Rucklauf
5.2 Kontrolle und Aufbereitung der Daten
5.3 Statistische Verfahren
5.4 Darstellung
5.4.1 Demografische Daten
5.4.2 Flugbetrieb
5.4.3 Schlaf
5.4.4 Ermudung
5.4.5 Kommentare
6 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse
Rechtsquellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Anhang
Anhang 1: Anschreiben des Stift-Papier-Fragebogens
Anhang 2: Einladung zur online-Befragung
Anhang 3: Stift-Papier-Fragebogen
Anhang 4: Bearbeiteter Datensatz der Befragung
Anhang 5: Liste der Variablen
Anhang 6: Kommentare
1 Einleitung
1.1 Human Factors und Ermudung in der Luftfahrt
Schon seit den Anfangen der Luftfahrt zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam dem Menschen und seiner Fehlbarkeit im Zusammenhang mit der Bedienung sicherheitskritischer Systeme viel Aufmerksamkeit zu. Mit Beginn des „Jet- Zeitalters“ und der kommerziellen Beforderung von Passagieren uber lange Strecken wurden immer hohere Anspruche an die Sicherheit gestellt. Wahrend anfangs noch die Unzuverlassigkeit der Technik fur hohe Unfallraten sorgte und dementsprechend auch im Fokus der Flugunfalluntersuchung stand, wird seit einigen Jahrzehnten zunehmend die Rolle des Menschen erforscht - sei es als sogenannter „frontline-operator“ im Cockpit oder an einer anderen Position.
Entsprechend dem Modell von Reason (1997, vgl. Abbildung 1) stellt die Vermeidung von Mudigkeit eine „defence“ dar. Je nach Art der Gefahren („hazards“) nehmen diese unterschiedliche Formen an. In komplexen technologischen Systemen sorgt das Zusammenspiel mehrerer „defences“ fur die Abwehr menschlicher oder technischer Fehler. Fur ihre Umsetzung hat im operativen Flugbetrieb das Unternehmen als Organisation zu sorgen. In der Luftfahrt geben die aufsichtsfuhrenden Behorden die entsprechenden Vorschriften vor. Allerdings konnen in der Praxis Lucken in einer oder mehrerer der „defences“ entstehen, die als latente Fehler uber lange Zeit unentdeckt im System verweilen, bevor sie als Faktor im Unfallgeschehen zu Tage treten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Das Basis-Modell von Reason (1997).
Die Bemuhungen, das Zusammenspiel von Mensch und Maschine zu optimieren, erstrecken sich von der Personalauswahl uber das Training bis zum Cockpitdesign. Dabei hat sich eine systemische Denkweise etabliert, in welcher der Mensch und sein Handeln im Kontext mit seinem Arbeitsumfeld gesehen wird (Dekker, 2006). Diese ganzheitliche Auffassung fuhrt auch zwangslaufig zu der Frage, in welchem Zusammenhang Sicherheit und Wirtschaftlichkeit heutzutage stehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Shell-Modell nach Edwards.
Das SHELL-Modell nach Edwards von 1972 in der weiterentwickelten Form von Hawkins (vgl. Abbildung 2) zeigt den Menschen (Liveware) im Zentrum der sich aus dem Arbeitsumfeld ergebenden Komponenten Software (Checklisten, Prozeduren etc.), Hardware (Bedienelemente, Cockpitdesign etc.) Environment (Wetter, Temperatur im Cockpit etc.) und Liveware (im Sinne anderer Menschen) (Hawkins, 1987). An den Schnittstellen zu diesen Komponenten entstehen Fehler.
Foushee (1984) sieht menschliches Versagen als Ursache fur 65% aller Flugunfalle. Heutzutage geht man sogar von uber 80% an durch human error verursachten Unfallen aus. Dekker (2006) schlagt sogar vor, das Konzept der Quantifizierung menschlichen Versagens in der Luftfahrt ganz aufzugeben.
Aufgrund der spezifischen Anforderungen der Luftfahrt, wie beispielsweise lange Dienstzeiten, Schichtdienst, Nachtarbeit und Uberquerung von Zeitzonen sind Piloten dem Problem von psychischer Ermudung und Schlafrigkeit, im englischsprachigen Raum „fatigue“ genannt, besonders ausgesetzt. Die Effekte von Ermudung sind vielfaltig, kumulativ und haben neben der Redu- zierung physischer Leistung Auswirkungen auf verschiedenste kognitive Para-[1] meter, unter anderem Aufmerksamkeit, Informationsverarbeitung und soziale Interaktion (Caldwell & Caldwell, 2003).
In den Jahren 1986 bis 1995 wurden dem Aeronautical and Space Administration's Aviation Safety Reporting System“ (ASRS)[2] 121 sicherheits- kritische Vorfalle gemeldet. Eine Analyse ergab, dass in 21 Prozent der Vor- gange Ubermudung ein beitragender Faktor war (Federal Aviation Administration, 1995).
In Deutschland weist die Vereinigung Cockpit (VC) auf betrachtliche Sicherheitsrisiken durch Ubermudung hin. Sie bezeichnet die momentanen Regelungen als nicht ausreichend protektiv (Vereinigung Cockpit, 2011).
1.2 Forschungsstand: Studien zur Ermudung von Flugbesatzungen
Im Folgenden werden einige relevante Studien zum Thema Ermudung bei Piloten vorgestellt.
Im Jahr 1980 fuhrte das NASA-Ames Research Center eine umfassende Studie zur Ermudung von Flugbesatzungsmitgliedern durch (Gander et al., 1998). Ziel war es, Kenntnisse uber die Auswirkungen von verschiedenen Flugdiensten im kommerziellen Luftverkehr auf Parameter wie das Schlafverhalten und die subjektiv empfundene Mudigkeit und Stimmung zu erlangen. Um die spezifischen Aspekte verschiedener Betriebsarten zu erfassen, wurden Kurzstreckenfluge an der Ostkuste der USA, Helikopterfluge in Schottland, nachtliche Frachtfluge in den USA und Langstreckenfluge mit und ohne Uberquerung von Zeitzonen untersucht. Neben physiologischen Mes-sungen (Herzschlag, Rektaltemperatur etc.) wurden Fragebogenverfahren verwendet, um das Schlafverhalten, subjektiv empfundene Mudigkeit und Stimmung zu erfassen. Zusatzlich wurden Beobachter in den Cockpits eingesetzt. Die Ergebnisse wiesen auf einen Anstieg der Ermudung bei allen Crews wahrend eines Umlaufs hin. Dies konnte vor allem auf die Auswirkungen von Flugdiensten auf die Schlafdauer und, speziell bei den Kurzstreckencrews, auf die Schlafqualitat zuruckgefuhrt werden. Dabei fand man heraus, dass die Langstreckencrews ihre Schlafdauer mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% auf eine halbe Stunde genau schatzen konnten, was fur die Bewertung subjektiver Einschatzungen von Bedeutung ist. Da keine objektiven Messungen der Leistungsfahigkeit eingesetzt wurden, konnten keine Ruckschlusse auf mogliche Effekte der Ermudung gezogen werden. Es wurden jedoch keine ausschlieRlich auf Ermudung zuruckzufuhrenden Fehler der Piloten durch die Beobachter festgestellt.
Mit Hilfe von postalisch versendeten Fragenbogen erforschten franzosische Wissenschaftler 2003, was „fatigue“ fur Piloten auf der Kurz- und Langstrecke bedeutet, welche Grunde und Symptome Ermudung hat und welche Bewaltigungsstrategien angewandt werden (Bourgeois-Boigrine, Carbon, Gounelle, Mollard, & Coblentz, 2003). Die Rucklaufquote der Befragung betrug insgesamt 21,5%, dabei wurden 83% der beantworteten Fragebogen von Piloten einer Fluggesellschaft zuruckgesendet. Anhand der von den Piloten genannten Faktoren konnten die zugrundeliegenden Ursachen fur Ermudung ermittelt werden. Auf der Langstrecke waren dies Schlafentzug und Storungen der biologischen Uhr, auf der Kurzstrecke Schlafentzug und Arbeitsbelastung.
Englische Wissenschaftler der Faculty of Health, Birmingham und der University of Birmingham fuhrten 2006 eine Querschnittsstudie von Piloten auf der Kurzstrecke durch (Jackson & Earl, 2006). Es wurden die Bereiche „low-cost“, „sheduled“ und allgemeine Luftfahrt unterschieden. In einem Internet- Fragebogen bearbeiteten Piloten die Chalder Fatigue Scale[3] (CFS). AuRerdem wurden Fragen zur subjektiven Mudigkeit im Flug gestellt und operationelle Daten zu den Flugdiensten erhoben. Da der Anteil der allgemeinen Luftfahrt letztendlich zu gering war (8% der gesamten Antworten) und die Art der Flugdienste zu heterogen, wurde die allgemeine Luftfahrt in der Auswertung nicht berucksichtigt. Von den 162 Piloten, die den Fragebogen beantworteten, ergaben sich bei 121 (75%) mehr als vier Punkte auf der CFS, welches ernsthafter Ermudung zugeordnet wurde. 80% der Befragten beantworteten die Frage, ob Sie sich beim Fliegen mude und mental leistungsschwach fuhlen wurden, mit „Ja“.
In Deutschland analysierte Niederl (2007) die Ergebnisse einer vom Deutschen Zentrum fur Luft- und Raumfahrt (DLR) durchgefuhrten Langsschnittstudie von Piloten der Boeing-737-Flotte der Lufthansa. Neben der Erhebung von subjektiven Daten (z.B. Mudigkeitsskalen) wurden hier auch objektive Verfahren zur Messung der Leistungsfahigkeit angewandt (z.B. Messung der Reaktionszeit). Es zeigten sich wahrend des Studienzeitraumes von acht Wochen keine kumulativen Effekte. Die Studie verweist jedoch auf eine starkere Ermudung bei langen Dienstzeiten und mehreren Flugabschnitten (legs).
Eine weitere Studie fand 2009 in Sudostasien statt. Baba, Dian & Nuhmandeen (2011) untersuchten den Schlafrhythmus und die Ermudung im Flug von Piloten im Regionalflugverkehr. Es wurde ein elektronischer Fragebogen verwendet. Die Studie zeigte ein groRtenteils normales Schlafverhalten, mit einer durchschnittlichen Schlafdauer von 07:46 Stunden. Wenige Teilnehmer litten unter Einschlafproblemen. Allerdings sahen 86,3% Ermudung als ein Problem an und 93,2% gaben an, schon einmal im Cockpit eingeschlafen zu sein.
Ebenfalls vom NASA-Ames Research Center durchgefuhrt wurde im Jahr 2000 eine Studie zur Ermudung von Piloten der Geschaftsfliegerei in den USA (Rosekind, Co, Gregory, & Miller, 2000). Stift-Papier-Fragebogen wurden landesweit an uber 2.000 Unternehmen postalisch verteilt, sodass trotz einer Rucklaufquote von nur 14% aussagekraftige Ergebnisse erzielt wurden.
In ihrem Bericht verweisen die Forscher auf die spezifischen Anforderungen der Geschaftsfliegerei:
„Corporate Aviation is often characterized by unscheduled flights, quickly changing schedules, time zone changes, and extended duty days, sometimes with long periods spent ,on call'. Additionally, corporate pilots' workload may include non-flight-related duties such as baggage handling or refueling.” (S. 1)
Es ist anzumerken, dass Unternehmen, die Geschaftsfliegerei durchfuhren, in den USA nicht an gesetzliche Regelungen zu Flugdienst- und Ruhezeiten gebunden sind, sofern sie unter Part 91 der Federal Aviation Regulations operieren (Rosekind et al., 2000). Die Studie zeigte, dass trotz eines groRtenteils normalen Schlafverhaltens der Crews Ermudung in der Geschaftsfliegerei ein signifikantes Sicherheitsrisiko darstellt: 74% der
Befragten hielten Ermudung fur ein „maRiges“ oder „ernstes“ Problem, 71% sind schon einmal ungewollt im Cockpit eingeschlafen. Besonders durch Ermudung betroffen sind laut den Piloten Urteilsvermogen und Entscheidungsfahigkeit. Als Hauptursache wurden die zeitliche Lage und Menge der Dienste ermittelt, darunter lange Dienste, fruhe Dienststarts und spate Dienstenden sowie viele legs. Auch Faktoren wie Arbeitsbelastung, Wetter und Fluge uber mehrere Zeitzonen spielten eine Rolle, wobei letzteres einen geringen Anteil hatte (durchschnittlich uberquerten 7% der Fluge eines Teilnehmers mehr als drei Zeitzonen). Ferner gaben nur 21% der Piloten an, ihre Firma wurde ein Trainingsprogramm zu Ermudung anbieten.
Die vorgestellten Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit, wissenschaftlich fundierte Kenntnisse uber Ermudung in der Luftfahrt, ihre Ursachen und Effekte zu erlangen, damit der hohe Sicherheitsstandard im Luftverkehr erhalten bleibt. Ein GroRteil der bisher durchgefuhrten Studien befasste sich aus Grunden des offentlichen Interesses mit dem planmaRigen Linienverkehr und hier speziell mit der Kurzstrecke, wobei Selbsteinschatzungsverfahren am haufigsten verwendet wurden. Objektive Verfahren kamen wenig zum Einsatz. Es ist zu beachten, dass jede der hier vorgestellten Studien in einem anderen Kontext stattfand und sich die Stichproben hinsichtlich Ethnizitat der Teilnehmer, eingesetztem Fluggerat, gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie Art der Unternehmen unterschieden. Dies erschwert die Bildung allgemeingultiger Aussagen.
Schwahn (2005) weist auf die im Vergleich zur Linienfliegerei ungunstigeren Arbeitsbedingungen und das Problem der „Ubermudung“ in der Geschaftsfliegerei hin (vgl. Kapitel 3.3). Umso auffalliger ist der geringe Anteil an entsprechenden Studien, handelt es sich bei der Geschaftsfliegerei doch um eine Sparte mit weltweit hohen Wachstumsraten, vor allem in Nordamerika, Europa und China (Roland Berger Strategy Consultants, 2011, vgl. Kapitel 3.2).
1.3 Fragestellung
Die aufgezeigten Studien verdeutlichen ein teilweise hohes Sicherheitsrisiko durch ermudete Piloten in verschiedenen Bereichen der internationalen Luftfahrt. Es wurden kaum Studien (und keine in Deutschland) zu Risiken durch Ermudung in der allgemeinen Luftfahrt durchgefuhrt und es gibt fast keine offentlichen Zahlen zu den tatsachlichen Dienst-, Flugdienst und Ruhezeiten in dieser Branche. Weitergehende Uberlegungen lassen vermuten, dass Unternehmen, die Geschaftsfliegerei betreiben, ihre Piloten aufgrund des wirtschaftlichen Drucks moglichst effizient einsetzen und gesetzliche Beschrankungen der Flugdienstzeiten, sofern solche anwendbar sind, bestmoglich ausnutzen.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung der Arbeitsbedingungen von Piloten, die in Deutschland fur Unternehmen im Werksverkehr oder kommerziellen Charter arbeiten. Sie soll Aufschluss uber das AusmaR der psychischen Beanspruchung und Ermudung dieser Berufsgruppe geben und eine eventuelle Gefahrdung der offentlichen Sicherheit aufdecken. Des Weiteren sollen die Ursachen und Auswirkungen quantitativ und qualitativ erortert und Daten uber die tatsachlichen Flugdienst- und Ruhezeiten in der Geschaftsfliegerei gesammelt werden.
Der Verfasser mochte mit seiner Arbeit einen Beitrag zur aktuellen Diskussion um die Neuregulierung der Vorschriften zu Flugdienst- und Ruhezeiten durch die europaische Agentur fur Flugsicherheit (EASA) leisten.
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Arbeitspsychologische Aspekte von Mudigkeit und Schlafrigkeit
Der ursprunglich aus der Mechanik stammende Begriff „fatigue“ bezeichnete die abnehmende Festigkeit von Bauteilen durch Belastung. Dieses Konzept ist auch auf den menschlichen Korper ubertragbar. Mit physischer Ermudung ist die Erschopfung der korperlichen Ressourcen gemeint (Desmond & Hancock, 2001). Holding (1983) verweist auf Versuche, in denen Probanden wiederholte Kraftubungen bis zur Erschopfung ausubten. Dabei trat die subjektiv vollkommene Erschopfung ein, noch bevor die Muskelkontraktion auf physischer Ebene unmoglich wurde, was den Unterschied von objektiver und subjektiver Ermudung verdeutlicht. Auch Faktoren wie die Motivation der Teilnehmer spielten dabei nachweislich eine Rolle.
Stokes & Kite (1994) unterscheiden neben der physischen zusatzlich die mentale und emotionale „fatigue“. Emotional ermudet sein wird umgangssprachlich als „burn-out“ bezeichnet. Es handelt sich dabei um den Effekt, der nach langerem Ausfuhren psychisch unerwunschter Tatigkeiten eintritt. Psychische oder mentale Ermudung wirkt sich auf die kognitive Leistung aus.
Eine umfassende Definition fur „fatigue“ geben Soames-Job & Dalziel (2001) „Fatigue refers to the state of an organism's muscles, viscera, or CNS[4], in which prior physical activity and/or mental processing, in the absence of sufficient rest, results in insufficient cellular capacity or systemwide energy to maintain the original level of activity and/or processing by using normal resources.” (S. 469)
GemaR dieser Definition stellt „fatigue“ eine Leistungsminderung aufgrund vorhergehender psychischer oder physischer Aktivitat dar. In den deutschen Sprachgebrauch ubertragen entspricht dies einem Effekt psychischer Beanspruchung, d. h. es handelt sich um eine Stressreaktion. Die Erklarung der Zusammenhange von Arbeitsumgebung und Leistungsfahigkeit ist Gegenstand der Arbeitspsychologie, die psychische Belastung und psychische Beanspruchung unterscheidet. Diese Terminologie ist international genormt (DIN EN ISO 10075, Nachreiner & Schultetus, 2002), die Zusammenhange sind als Belastungs/Beanspruchungskonzept bekannt (vgl. Abbildung 3 auf S. 14).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Belastung und Beanspruchung. Aus: Nachreiner & Schultetus (2002).
Entsprechend dem o. g. Konzept stellt sich Beanspruchung als intraindividuell unterschiedliche Folge von Belastung durch externe (Hitze, Larm etc.) oder interne (Gedanken, psychischer Druck etc.) Stressoren dar. Im Gegensatz zum umgangssprachlichen Gebrauch ist „[...] Belastung im Rahmen der arbeitswis- senschaftlichen Terminologie wertneutral zu sehen [...]“ (Nachreiner & Schultetus, 2002, S. 520). Je nach personlichen Voraussetzungen kann sie unterschiedliche Formen annehmen. Ausschlaggebend dafur sind unter anderem Personlichkeit, Motivation und Trainingsstand des Individuums. Die Unterteilung in „fordernde“ und „beeintrachtigende“ Effekte wird auch in den Aussagen der Arousaltheorie reflektiert.
Aus Beanspruchung kann sich Mudigkeit („fatigue“) ergeben (Nachreiner, 2002). Diese wird auch als psychische Ermudung bezeichnet. Anzeichen fur erhohte Mudigkeit sind unter anderem Erschopfung, Stress und gefuhlte Uberforderung (WeeR, 2006).
Besonders monotone Situationen, wie beispielsweise die langere Uberwachung von Instrumenten, konnen passive Mudigkeit erzeugen, was zu einer erheb- lichen Minderung der Vigilanz fuhren kann (Kincses, Rothe, & Schrauf, 2009). Mudigkeit kann durch Ruhepausen abgebaut werden (Kincses et al., 2009), wirkt aber eher hemmend auf die Einschlafneigung (WeeR et al., 2000). Sie wird als Folge einer Beanspruchung nicht durch die „biologische Uhr“ (vgl. Kapitel 2.3) gesteuert (WeeR, 2006) und weist somit keinen festen tageszeitlichen Verlauf auf.
WeeR et al. (2000) unterscheiden zwischen dem Phanomen der Mudigkeit bzw. der psychischen Ermudung und der Schlafrigkeit. Sie hat Ihre Ursachen in der biologischen Tagesrhythmik und der Wachzeit und wird durch das „Zwei- Prozess-Modell“ von Borbely (1982, vgl. Kapitel 2.4) erklart. Im Gegensatz zur Mudigkeit beeinflusst sie die Einschlafneigung positiv, d. h. eine hohe Schlafrigkeit wird in monotonen Situationen zum Schlaf fuhren (WeeR, 2006). Ein schlafriger Pilot unterliegt einem hoheren Risiko im Flug einzuschlafen, sofern nicht entsprechende psychische Belastung wiederum zu einer Erhohung der Aufmerksamkeit fuhrt. Schlafrigkeit kann nur durch Schlaf abgebaut werden (Kincses et al., 2009).
Sowohl Schlafrigkeit als auch Mudigkeit beeinflussen in ihrem Zusammenspiel die Vigilanz (Kincses et al., 2009). Sie wird definiert als „[...] eine unspezifische organismische Reaktionsbereitschaft, die Aufmerksamkeit uber einen langeren Zeitraum auf einem hohen oder hoheren Niveau zu halten [...]“ (WeeR et al., 1998, S. 6). Die fliegerische Tatigkeit stellt besondere Anspruche an die Vigilanz der Besatzungsmitglieder, da die zuverlassige Erkennung und Reaktion auf Reize wie beispielsweise Warnmeldungen und Funkspruche fur die sichere Durchfuhrung des Fluges elementar sind. Von besonderer Problematik ist die Tatsache, dass die aufgrund von Mudigkeit und Schlafrigkeit nachlassende Vigilanz subjektiv oft erst im fortgeschrittenen Stadium bemerkt wird (Kincses et al., 2009).
Neben einer Minderung der Vigilanz konnen insbesondere Storungen von Gedachtnis, Informationsverarbeitung und sozialer Interaktion auftreten (Caldwell & Caldwell, 2003). Letzteres kann besonders in der Fliegerei proble- matisch sein, denn in komplexen Situationen, wie beispielsweise einem unerwarteten Triebwerksausfall, ist reibungslos funktionierende Kommunikation im Cockpit uberlebenswichtig.
Einen wesentlichen Einfluss auf Mudigkeit und Schlafrigkeit haben Qualitat und Quantitat des vorangegangenen Schlafes. Ein Defizit an erholsamem Schlaf, wie er haufig bei Personen im Schichtdienst auftritt, erhoht die Anfalligkeit fur Ermudung (Caldwell et al., 2009) und verstarkt den Leistungsabfall bei langer andauernden Aufgaben (Stokes & Kite, 1994). Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass wiederholte Nachte mit gestortem Schlaf zu einem Leistungsabfall durch erhohte Tagesmudigkeit fuhren, insbesondere bei monotonen Aufgaben. Dies trifft auch fur Personen zu, welche die Storung ihres Schlafes subjektiv nicht wahrnehmen (Kincses et al., 2009).
2.2 Zirkadiane Rhythmen: Naturlicher Verlauf und Desynchronisation
Eine Vielzahl der biologischen Prozesse des Menschen unterliegt rhythmischen Schwankungen. Dazu gehoren die sogenannten zirkadianen Rhythmen, die ihre Periodendauer (und ihren Namen) durch den 24-Stunden-Zyklus der Erdumdrehung erhalten. Einem zirkadianen Zyklus folgen beispielsweise die Korpertemperatur, die Konzentration verschiedener Hormone sowie Aufmerksamkeit und Schlafrigkeit. Fur den Erhalt der Phasenlage und -dauer dieser Rhythmen sind sogenannte Zeitgeber verantwortlich. Einer der wichtigsten Zeitgeber ist das Sonnenlicht. Es wird uber die Sehnerven zum Suprachiasmatischen Nukleus (SCN) geleitet. Dieser befindet sich im Gehirn und ist fur die Steuerung der biologischen Rhythmik verantwortlich - und stellt damit dar, was man umgangssprachlich als „biologische Uhr“ bezeichnet (Caldwell & Caldwell, 2003).
Andere Zeitgeber sind beispielsweise das Einnehmen von Mahlzeiten, Verkehrslarm oder sogar die Kenntnis der Uhrzeit (Monk & Folkard, 1983).
Auch die mentale und physische Leistungsfahigkeit unterliegt u.a. zirkadianen Schwankungen und hat im Allgemeinen einen ahnlichen Rhythmus wie die Korpertemperatur (vgl. Abbildung 4 auf S. 17). Diese schwankt im Laufe des Tages um etwa ein halbes Grad um ihren Mittelwert von 37°C mit einem Maximum um die fruhen Abendstunden und einem Minimum am fruhen Morgen. Sie folgt damit dem normalen Schlaf-Wach-Verhalten: Zur typischen Schlafenszeit ist der Korper kalter als tagsuber (Hawkins, 1987). Aus dem zirkadianen Verlauf der Leistungsfahigkeit konnen sich Probleme fur Piloten ergeben, deren Flugdienste in den Minima der Leistungskurven liegen. Dies trifft fur fruhe Dienststarts (vor sechs Uhr morgens) und Nachtdienste zu. In den Regelungen zu Flugdienst- und Ruhezeiten wird dieser Zeitraum als „Tagesrhythmustief“ (TRT) bezeichnet (vgl. Kapitel 3.4.1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Oben: Ergebnisse von verschiedenen Leistungstests und Simulatorflügen als prozentuale Abweichung vom Tagesmittelwert. Unten: Verlauf der Körpertemperatur und Konzentration verschiedener Hormone. Aus: Klein & Wegmann (1980).
Der zirkadiane Verlauf der Leistungsfahigkeit wird durch verschiedene Faktoren modifiziert. Von Bedeutung sind unter anderem Grad der Erholung, Personlichkeit, Motivation und physische Aktivitat sowie Aufgabenart und - dauer (Klein & Wegmann, 1980). Wahrend die Personlichkeit besonders die Phasenlage der Leistungsfahigkeit beeinflusst[5], hat die Art der Aufgabe vor allem Einfluss auf die Amplitude der Leistung, d. h. die Ausfuhrung kognitiv komplexer Tatigkeiten unterliegt ausgepragteren taglichen Schwankungen. Die Kurve der Gedachtnisleistung zeigt eine deutlich andere Form. Sie erreicht ihr Maximum im Allgemeinen in den fruhen Morgenstunden.
Fehlen die Zeitgeber, wird die zirkadiane Rhythmik weiterhin durch den SCN gesteuert und die Rhythmen laufen autonom. Allerdings stellt sich bei den meisten Menschen eine etwa 25-stundige Periodendauer ein, wie Experimente unter Isolation (z.B. in Hohlen oder Bunkern) zeigen konnten (Wever, 1979). Man spricht in diesem Fall von freilaufenden Rhythmen. Eine besondere Problematik ergibt sich, wenn sich die Phasenlagen der zirkadianen Rhythmen zueinander verandern. Dies wird als zirkadiane Desynchronisation bezeichnet.
Sie wird durch eine zeitliche Verschiebung der externen Zeitgeber erzeugt, wie es beispielsweise bei einem transmeridianen Flug vorkommt. Da die verschiedenen Rhythmen sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und teilweise sogar in unterschiedlicher (zeitlicher) Richtung (Stokes & Kite, 1994) an die veranderten Zeitgeber anpassen, kann es auch zur sogenannten internen Desynchronisation kommen (Hawkins, 1987).
Effekte von Desynchronisation machen sich etwa ab drei uberflogenen Zeitzonen bemerkbar. Im Durchschnitt passt sich ein zirkadianer Rhythmus mit etwa 90 Minuten pro Tag an die neuen Zeitgeber an (Hawkins, 1987), wobei die Anpassung nach Flugen in westlicher Richtung schneller als nach Flugen gen Osten passiert. Dies erklart sich durch die 25-stundige Periodenlange freilaufender Rhythmen, die einem „verlangerten“ Tag (wie bei einem Flug gen Westen) gleichkommt.
Desynchronisation macht sich durch Ermudung, Schlafrigkeit, Motivations- verlust und Schlafstorungen bemerkbar (Caldwell & Caldwell, 2003). Hunger und Wachheit treten zu ungewohnten Tageszeiten auf (Klein & Wegmann, 1980). Man spricht in diesem Fall von „Jetlag“.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Leistungsfähigkeit vor und einige Tage nach transmeridianen Flügen. Aus: Klein & Wegmann (1980).
Auch die Leistungsfahigkeit ist dadurch eingeschrankt. Tests nach trans- meridianen Flugen zeigten eine deutliche Modifikation der psychomotorischen Fahigkeiten[6] (Klein, Wegmann, & Hunt, 1972, vgl. Abbildung 5 auf S. 18).
Von besonderer Bedeutung ist der Einfluss der Desynchronisation auf den Schlaf. Zu beobachten sind sowohl eine Verkurzung der Schlafdauer, welche ein kumulatives Schlafdefizit zur Folge haben kann, als auch Storungen der Schlafstruktur (Klein & Wegmann, 1980). Diese konnen die Form einer Insomnie[7] annehmen.
Die in erhohter Tagesmudigkeit resultierenden Schlafdefizite stellen ein Risiko fur die fliegerische Tatigkeit dar (Caldwell & Caldwell, 2003). Die Beruck- sichtigung dieses Phanomens ist somit ein wichtiger Faktor bei der Einsatz- planung von Langstreckencrews.
2.3 Bedeutung des Schlafes fur die Leistungsfahigkeit
Ein gesunder Schlaf ist Voraussetzung fur gute Leistungsfahigkeit am Tage. Bei Versuchstieren fuhrte vollstandiger Schlafentzug nach vier Wochen zum Tod (Schafer, 2009), bei Menschen wurde nachgewiesen, dass gestorter Schlaf die Leistungsfahigkeit am Tage beeintrachtigt (Kincses et al., 2009). Auch das Immunsystem wird auf Dauer geschwacht, was die Anfalligkeit fur Krankheiten erhoht (Fietze, 2009).
Der normale Schlaf unterliegt, wie im vorherigen Kapitel gezeigt, einem zirkadianen Muster. Er unterteilt sich in funf verschiedene Phasen, die in eine REM-[8] und vier Non-REM-Phasen eingeteilt werden. Zu den Letzteren gehoren zwei Leichtschlaf- und zwei Tiefschlafphasen. Insgesamt werden alle Phasen schrittweise vier bis funf mal pro Nacht bei einer durchschnittlichen Schlafdauer von achteinhalb Stunden durchlaufen (Schafer, 2009).
Jede Schlafphase zeichnet sich durch charakteristische Parameter aus, die in Schlaflaboren und in Feldstudien gemessen und aufgezeichnet werden konnen. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die elektrischen Hirnstrome, die Augen- bewegungen und Muskelaktivitaten. Hirnstrome werden mit dem Elektro- enzephalogramm (EEG), Augenbewegungen uber das Elektrookulogramm (EOG) und Muskelaktivitaten mit dem Elektromyogramm (EMG) beispielsweise am Kinn registriert. Im wachen Zustand zeigt das EEG schnelle Bewegungen bei einer Frequenz von ungefahr 12 Hz. Beim Ausruhen treten sog. alpha- Wellen auf, die auch in der ersten (Leicht-) Schlafphase, die den Ubergang zum Schlaf darstellt, zu beobachten sind. Sie zeichnen sich durch eine etwas geringere Frequenz aus. Im Schlaf treten theta-Wellen und mit zunehmender Schlaftiefe langwellige delta-Wellen geringer Frequenz (0,5-2 Hz) auf (Pollmacher & Lauer, 1992). Wird ein Mensch in dieser Phase aufgeweckt, kann sich eine hohe Schlaftragheit zeigen, was den Einsatz von gezielten, kurzen Schlafphasen (naps) im Cockpit Grenzen setzt, da direkt nach dem Aufwachen nicht die volle Leistungsfahigkeit zur Verfugung steht. In einigen Fluggesellschaften sind „naps“ erlaubt, die Schlaftragheit wurde hier bei der Entwicklung der entsprechenden Prozeduren berucksichtigt.
Abbildung 6: Schlafstadien bei einem gesunden Menschen. Aus: Schafer (2009).
Abbildung 6 zeigt die Abfolge der verschiedenen Schlafphasen im Laufe einer Nacht. Die Abnahme der Haufigkeit und Dauer von Tiefschlafphasen mit zunehmender Schlafdauer ist deutlich erkennbar. Stattdessen treten vermehrt REM-Phasen auf, in denen Traume stattfinden konnen. Die Hirnstrome weisen dabei ein ahnliches Muster wie im Wachzustand mit aktiven Hirnarealen wie beispielsweise dem limbischen System auf, die Muskeln sind jedoch vollig entspannt (Schafer, 2009).
Die genaue Funktion der verschiedenen Schlafphasen ist bis heute nicht eindeutig geklart. Jedoch geht man davon aus, dass der Tiefschlaf fur die physische Erholung verantwortlich ist, wahrend die REM-Phasen der Regeneration des CNS dienen (Pollmacher & Lauer, 1992). Fur einen erholsamen Schlaf ist ein ungestortes Ablaufen der verschiedenen Phasen wichtig. Dieser Ablauf kann durch verschiedene Faktoren, wie beispielsweise vorheriger Schlafentzug, ungewohnliche Bettzeiten, Alter und Umgebung beeinflusst werden (Caldwell & Caldwell, 2003). Lange Dienstzeiten, Schichtdienste, Schlaf auRerhalb der Homebase und nach transmeridianen Flugen setzen Piloten einem besonderen Risiko aus, Schlafprobleme zu erleiden.
Treten Einschlafstorungen oder Durchschlafstorungen haufig auf, spricht man von einer Insomnie. „[...] etwa zehn Prozent der Menschen in den westlichen Industrielandern leiden nach medizinischer Definition an einer chronischen Form [der Insomnie, Anm. d. Verf.] [...]“ (Spiegelhalder & Riemann, 2009, S. 26).
Insomnien machen sich subjektiv durch Erschopfung, Ermudung, verminderter Leistungsfahigkeit und Antriebslosigkeit bemerkbar. Allerdings korrelieren diese Aussagen oft nicht mit den Ergebnissen objektiver Leistungstests, in denen Insomnikern teilweise normale Leistungsfahigkeit am Tage nachwiesen wird. Hajak, Ruther & Hauri (1992) verweisen dennoch auf Defizite gerade bei komplexen Aufgaben wie Entscheidungsprozessen und logischem Denken.
2.4 Das „Zwei-Prozess-Modell“ von Borbely
Das „Zwei-Prozess-Modell“ von Borbely (1982) verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der einerseits durch die zirkadianen Rhythmen und andererseits durch die verstrichene Wachzeit bedingten Schlafrigkeit. Die Wachzeit wird als „time since awake“ (TSA), die seit Arbeitsbeginn vergangene Zeit als „time on task“ (TOT) bezeichnet.
Die zirkadiane Rhythmik der Schlafrigkeit wurde in den vorhergehenden Kapiteln verdeutlicht. Sie bestimmt den tageszeitlichen Verlauf der Schlafrigkeit.
Mit Homoostase wird der Versuch des Organismus, „[...] das korperliche und seelische Gleichgewicht trotz der Einwirkung auRerer Storfaktoren zu erhalten“ (GEO Themenlexikon Medizin und Gesundheit), bezeichnet.
Unter Anderem fasst die homoostatische Komponente verschiedene schlaf- bezogene biologische Prozesse zusammen. Sie stellt das Regenerations- bedurfnis des Korpers dar, welches mit zunehmender TSA ansteigt. Physiologisch bedeutet dies einen hoheren Anteil an delta-Wellen im EEG. Im Schlaf wird diese Komponente abgebaut und zum Zeitpunkt des Aufstehens ist sie minimal. Dies korrespondiert mit dem Schlafrhythmus des gesunden Schlafers (vgl. Abbildung 6 auf S. 20), bei dem zu Beginn vermehrt Tiefschlaf- phasen auftreten. Je langer die vorhergehende TSA war, desto mehr Tiefschlaf tritt auf. Mit fortschreitender Wiederherstellung der Homoostase wird der Schlaf dann wieder leichter. Homoostase und zirkadiane Rhythmik bestimmen zusammen die Schlafrigkeit bzw. Zeit und Dauer des Schlafes. Damit Schlaf eintritt, mussen beide Komponenten zu entsprechender Schlafrigkeit fuhren (Pollmacher & Lauer, 1992). Abbildung 7 zeigt den taglichen Verlauf der durch die beiden Prozesse bedingten Schlafrigkeit.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Homöostatisch und zirkadian bedingte Schläfrigkeit nach Borbély. Aus: Schäfer (2009).
Dies kann erklaren, warum es Nachtarbeitern schwer fallt, trotz ausreichender TSA tagsuber einzuschlafen. Es erklart auch die Bildung von mehreren Leistungs- „Hochs“ und „Tiefs“ im Laufe des Tages, die durch die Uberlagerung der beiden Kurven entstehen und naturliche Schwankungen der Leistungs- fahigkeit darstellen. Dazu gehort beispielsweise das „Mittagstief“, bei dem die zirkadian bedingte Schlafbereitschaft noch relativ hoch ist, wahrend sich die homoostatische Komponente ebenfalls aufzubauen beginnt.
2.5 Arousaltheorie
Anfang des 19. Jahrhunderts fuhrten Yerkes & Dodson (1908) Experimente mit Mausen durch, die zur viel diskutierten Arousaltheorie fuhrten. Sie postuliert einen U-formigen Zusammenhang zwischen dem Aktivierungsgrad des CNS, welcher als Arousalniveau bezeichnet wird und der Leistungsfahigkeit bei komplexen Aufgaben (vgl. Abbildung 8 auf S. 23). Fur eine hohe Leistungsfahigkeit ist, je nach Art der Aufgabe, ein bestimmtes Arousalniveau notwendig. Bei einem Arousalniveau oberhalb des Optimums treten vermehrt Fehler durch.
[...]
[1] Der Begriff „fatigue“ wird in der deutschen Literatur unterschiedlich ubersetzt. Der Verfasser halt den Begriff „Ermudung“ fur die im Sinne dieser Arbeit geeignete Ubersetzung. Deshalb werden die beiden Begriffe im Folgenden synonym verwendet.
[2] Das ASRS ist ein von der NASA betriebenes Programm, an das anonym Meldungen uber unsichere Vorgange in der Luftfahrt geschickt werden konnen (Hamilton, 2011).
[3] Dabei handelt es sich um ein Set von 14 Fragen, die sich auf die subjektiv empfundene Mudigkeit beziehen. Mit Hilfe der CFS kann der Grad der Mudigkeit zum Zeitpunkt des Ausfullens in Form eines Punktesystems einfach, valide und reliabel bestimmt werden (Chalder et al., 1993). Sie unterscheidet physische und psychische Ermudung. In der vorgestellten Studie wurde eine Variante mit elf Fragen verwendet.
[4] Central Nervous System (=Zentralnervensystem, ZNS)
[5] Es werden hier die Personlichkeitsmerkmale „extrovertiert“ und „introvertiert“ unterschieden. Diese korrelieren in Bezug auf die Phasenlage zirkadianer Rhythmen manchmal mit den sogenannten Chronotypen „Eulen“ und „Lerchen“ (Klein & Wegmann, 1980).
[6] Als Messinstrument fur die psychomotorische Leistung wurde die „Kugelmaschine“ verwendet. Dabei mussen die Testpersonen Kugeln verschiedener GroGe in die jeweils passenden Locher eines rotierenden Zylinders einfuhren. (Meltin, Wicks, Saldivar, Morgan, & Vance, 1968). Dies erklart die in Abbildung 4 verwendete Einheit „BALLS/min“.
[7] Eine Schlafstorung, siehe folgendes Kapitel.
[8] REM=Rapid Eye Movement.
- Citar trabajo
- Jonathan Berberich (Autor), 2012, Fatigue in Business Aviation, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/194280
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.