In einer vielbeachteten Wahlkampfrede mit dem Titel „Renewing American Leadership“ hatte Obama seine Vision einer gleichzeitigen Erneuerung und Rückbesinnung amerikanischer Außenpolitik auf die Traditionslinien des 20. Jahrhunderts modelliert. Im Frühjahr 2011 sah sich der vermeintlich erneuerte interventionspolitische Ansatz dann seiner ersten Bewährungsprobe gegenüber: Der „arabische Frühling“ griff auf das vom Muammar al-Gaddafi regierte Libyen über und gipfelte in der Belagerung Bengasis durch Regierungstruppen - ein „Srebrenica-Moment“. Die vorliegende Arbeit stellt die Frage, inwiefern sich nun der zu Beginn der Amtszeit formulierte Anspruch der Administration Obama auf eine Rückbesinnung der amerikanischen Interventionspolitik in ihrem Verhalten im Einsatz in Libyen wiederfindet. Auffällig ist die politische und militärische Zurückhaltung der USA, die den Libyen- Einsatz gegenüber vorangegangenen auszeichnet und manche Beobachter schon von einer neuen Ära amerikanischer Außenpolitik oder einer hierin implementierten "Obama- Doktrin" sprechen ließ. Auf der anderen Seite lässt sich das Vorgehen in weiten Teilen auch als Rückbesinnung interpretieren: Manche Kommentatoren sehen den Libyen-Einsatz als Fortsetzung des traditionellen, wertgebundenen amerikanischen Interventionismus, der zuletzt in etwa den Einsatz im Kosovo kennzeichnete. Wie lässt sich der beschriebene, doppelte Befund der Erneuerung im Bezug auf den Unilateralismus der Vorgängeradministration bei gleichzeitigen Anknüpfung an die langfristige außenpolitische Tradition eines wertgebundenen militärischen Interventionismus theoretisch fundiert zu erklären? Wie sich zeigen wird, stellt ein Ansatz, der den Einfluss von Normen auf die Außenpolitik und deren Wandelbarkeit in den Fokus rückt, hierfür ein fruchtbares Erklärungsmodell zur Verfügung. Entsprechend wird zunächst einen Überblick über konstruktivistische Ansätze in den Internationalen Beziehungen gegeben und schließlich den verwendeten Ansatz präzisiert. Darauf aufbauend wird sich im dritten Abschnitt folgende Argumentation als tragend erweisen: 1. Der Einsatz in Libyen geschieht im Einklang mit außenpolitischen Prinzipien, die im Wesentlichen langfristig stabil sind 2. Diese Prinzipien setzen dem Präsidenten einen Handlungsrahmen, lassen ihm jedoch einen Interpretationsspielraum und werden von verschiedenen Entscheidungsträgern unterschiedlich implementiert.
Inhaltsverzeichnis
- 1. An unusual Incident? Der Libyen- Einsatz und die Geschichte amerikanischer Interventionen
- 2. Norms, Causal Beliefs and Principles Zur konstruktivistischen Theoriebildung in den Internationalen Beziehungen
- 3. The Consitution of American Interventionism - Handlungsleitende Prinzipien der amerikanischen Interventionspolitik
- 4. Libya, the All-American War Intervention durch Barack Obama
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text untersucht die militärische Intervention in Libyen im Jahr 2011 aus konstruktivistischer Perspektive. Ziel ist es, die US-amerikanische Interventionspolitik unter Barack Obama im Kontext historischer Interventionen zu analysieren und anhand von konstruktivistischen Ansätzen zu erklären.
- Die Entwicklung des amerikanischen Interventionismus
- Die Rolle von Normen und Werten in der US-amerikanischen Außenpolitik
- Der Einfluss konstruktivistischer Ansätze auf das Verständnis von internationalen Beziehungen
- Die spezifischen Charakteristika des Libyen-Einsatzes im Vergleich zu vorherigen Interventionen
- Die Bedeutung von „leading from behind“ als Strategie der US-amerikanischen Außenpolitik unter Barack Obama
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Dieses Kapitel beleuchtet die Geschichte amerikanischer Interventionen, beginnend mit den Kriegen in Afghanistan und dem Irak. Es werden die Unterschiede zwischen diesen beiden Interventionen und die Kritik am „war of choice“ im Irak herausgestellt. Des Weiteren wird die politische Lage in Libyen während des „arabischen Frühlings“ vorgestellt und der „Srebrenica-Moment“ im Zusammenhang mit der Entscheidung der internationalen Gemeinschaft zur Intervention erläutert.
- Kapitel 2: In diesem Kapitel wird ein Überblick über die konstruktivistische Theoriebildung in den Internationalen Beziehungen gegeben. Es werden wichtige Konzepte, wie Normen, Kausale Überzeugungen und Prinzipien, vorgestellt und die Bedeutung konstruktivistischer Ansätze für das Verständnis von Außenpolitik hervorgehoben.
- Kapitel 3: Dieses Kapitel befasst sich mit den handlungsleitenden Prinzipien der amerikanischen Interventionspolitik. Es werden zentrale Werte und Normen, die die US-amerikanische Außenpolitik prägen, identifiziert und ihre Bedeutung im Kontext des Libyen-Einsatzes untersucht.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: Interventionismus, amerikanische Außenpolitik, konstruktivistische Theorie, Normen, Werte, „leading from behind“, Libyen-Einsatz, arabischer Frühling, Srebrenica-Moment, Barack Obama.
- Citation du texte
- Marcel Richter (Auteur), 2012, The Military Intervention in Libya and Core Principles of US Foreign Policy, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/194207