In Bezug auf Lehrerfragen spalten sich die Meinungen schon seit vielen Jahren. Von vielen wird sie als mechanische Lehrmethode angesehen, andere hingegen pochen auf ihre Notwendigkeit und auf ihren Erfolg, bei der richtigen Anwendung. Der Ursprung der Lehrerfrage geht auf die Antike zurück. Seit Sokrates spricht man vom „fragend-entwickelnden Lehrergespräch“. Dies heißt allerdings nichts anderes, als dass er seine Schüler durch Satzfragen solange befragt, bis diese die „richtige“ Lösung herausfinden.
Lisa Julius
Matrikelnummer: 204324
Seminar: Unterrichtsmethoden und Lernstrategien
Seminarleiter: Nina Rohloff
WS 2010/11
„Lehrerfragen- Notwendigkeit oder Fastfood für die Schüler?“
In Bezug auf Lehrerfragen spalten sich die Meinungen schon seit vielen Jahren. Von vielen wird sie als mechanische Lehrmethode angesehen, andere hingegen pochen auf ihre Notwendigkeit und auf ihren Erfolg, bei der richtigen Anwendung. Der Ursprung der Lehrerfrage geht auf die Antike zurück. Seit Sokrates spricht man vom „fragend-entwickelnden Lehrergespräch“. Dies heißt allerdings nichts anderes, als dass er seine Schüler durch Satzfragen solange befragt, bis diese die „richtige“ Lösung herausfinden. Dabei behauptete er, dass er nur die Gedanken seines Schülers abgefragt hat. Man könnte es auch einfach als Manipulation, oder Aufdrängen einer bestimmten Meinung bezeichnen. Ist es das, was wir im Unterricht wollen? Die Schüler bis zu dem Punkt befragen und ihnen die Richtung weisen, bis sie das richtige Ergebnis gefunden haben? Wird dann nicht der natürliche Lern- und Denkprozess der Schüler manipuliert, beziehungsweise blockiert?
Erst die Reformpädagogen sprachen sich öffentlich gegen die Lehrerfrage aus. Sie sind der Meinung, dass Lehrerfragen den Schülern die Freiheit ihrer geistigen Bewegung und Entwicklung rauben und der Denkantrieb künstlich ist und nur vom Lehrer ausgeht. Dabei soll nach den Reformpädagogen der Schüler eigene Fragen entwickeln. Besonders der Reformpädagoge Hugo Gaudig griff die Lehrerfrage radikal an und formulierte dabei Sätze wie: „Die Frage des Lehrers ist dies fragwürdigste Mittel“, oder „An eine Gesundung unseres deutschen Schulwesens vermag ich nicht mehr zu glauben, ehe nicht der Despotismus der Frage gebrochen ist.“ (1908,S. 13F,: zit. nach Gaudig 1963, S.45/46) Er ist somit generell gegen Lehrerfragen. Man muss sich aber auch die Frage stellen, ob Lehrerfragen nicht einfach eine Notwendigkeit im Unterricht sind und ob es überhaupt ohne sie ginge? Um dies zu klären, könnte man die Lehrerfrage zunächst definieren.
„Die Lehrerfrage fordert den/die Schüler zu einer Antwort auf. Sie kann grammatisch als Frage oder Aufforderung formuliert werden.“[1]
In dieser Definition erfahren wir zunächst nur, dass der Lehrer dem Schüler eine Frage stellt und darauf eine Antwort verlangt. Nicht gesagt wird hier, dass der Lehrende die Antwort auf die Frage aber bereits weiß und sie nur stellt, um den Schülern neues Wissen zu vermitteln. Dies wäre zumindest die Wunschvorstellung. Dabei ist es oft so, dass der Lehrer dem Schüler durch seine Frage die Antwort schon in den Mund legt. Häufig stellen Lehrer fragen, wie zum Beispiel:
„Aber der Peter ist ja schon glücklich da, oder?“ Oftmals bekommt man es selber gar nicht mit und freut sich dann, wenn die Schüler die Antwort sagen, die der Lehrer hören möchte. Des Weiteren stellen Lehrer gerne Ja/Nein Fragen. Fragt man die Schüler nach der Erklärung einer Definition, ob sie diese verstanden haben, sagen meist alle Schüler ja, aus Angst sich vor den anderen zu blamieren, oder überhaupt nochmal nachzufragen. Somit möchte man eigentlich, obwohl es eine Frage ist, weitere Fragen vermeiden. Durch die geringen und simplen Antwortmöglichkeiten werden die Schüler nicht sonderlich gefordert selbst zu denken, oder sagen einfach irgendeine Antwort. Die Chance steht ja 50:50. Dadurch eignen sich die Schüler leere Worthülsen an. Sie wissen zwar, dass es zum Beispiel den Begriff „Sonett“ gibt, aber die wenigsten können ihn erklären, beziehungsweise verwenden.
Sind Schüler nicht einfach überfordert durch die ganzen Fragen?
Durch eine Umfrage von Annemarie und Reinhard Tausch aus den achtziger Jahren wurde deutlich, dass Lehrer und Lehrerinnen im Durchschnitt zwei bis vier Fragen pro Minute stellen. Da lässt sich doch der Schüler mit einem Roboter vergleichen, der einfach nur noch mechanisch antwortet. Passend zu dieser Studie sieht man immer häufiger, dass Lehrer gerne sogenannte „Fragenketten“ bilden und somit eine Frage nach der nächsten, oder auch mehrere gleichzeitig stellen. Bildlich vorstellen könnte man sich das Ganze folgendermaßen, man sitzt in einem Sushi-Restaurant und dort gibt es ein typisches, sich drehendes, Laufband. Kaum hat man sein Gericht entdeckt und fängt an zu essen, kommt schon wieder das Nächste heraus und man muss alles aufessen. Irgendwann blockiert man, weil man einfach nichts mehr essen kann. Somit kommt man auf einen weiteren Aspekt der Lehrerfrage zu sprechen. Lehrer geben den Schülern leider viel zu oft nicht genügend Zeit, über eine Antwort nachzudenken. Kommt nämlich nicht schnell genug eine Antwort, wirft man halt einfach die nächste Frage in den Raum. Somit kann ein Schüler nicht produktiv und selbstständig nachdenken, sondern wird einfach vom Lehrer weiter durch das Thema geschleift. Lässt man den Schülern hingegen genug Zeit sich mit der Frage auseinanderzusetzen, werden die Schüler zum eigenständigen Denken und Handeln angeregt. Ein weiteres Problem beim Stellen von Lehrerfragen ist, dass die Fragen oft in eine falsche Richtung führen, weil sie nicht konkret genug ausgedrückt sind. Wenn man beispielsweise fragt: „Was denkt ihr über den König?“ weiß man nicht, ob es sich auf den Charakter, das Handeln, oder vielleicht sein Aussehen bezieht. Stellt man konkrete/eindeutige Fragen, kann man auch genauere und besser durchdachte Antworten erhalten.
Nun schreibe ich die ganze Zeit über Lehrerfragen. Dabei muss man diese aber differenzieren. Es gibt Wissens- und Erinnerungsfragen und es gibt Fragen, die intellektuelle Prozesse fördern sollen. Leider ist das Verhältnis dabei 80%: 20%, wobei man erkennen kann, dass viele Lehrer zur Bequemlichkeit neigen und lieber eindeutiges Faktenwissen abfragen, anstatt sich mit Begründungsfragen oder Fragen, die das kreative und vernetzte Denken fördern, auseinanderzusetzen und diese auch für sich zu reflektieren. Es gibt nur wenig Lehrer, die sich nach ihrer Unterrichtsstunde fragen, ob ihre Fragen angemessen waren und was man verbessern könnte.
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[1] Sommer, Hartmut: Grundkurs Lehrerfrage, Ein handlungsorientiertes einführendes Arbeitsbuch für Lehrer. Weinheim;Basel: Beltz, 1981.
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- Lisa Julius (Author), 2011, Lehrerfragen - Notwendigkeit oder Fastfood für die Schüler?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193859
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