Das Deliktsrecht regelt die allgemeine Unrechtshaftung, indem es Normen zu allgemeinen
Verhaltensregeln aufstellt. Es lässt sich abgrenzen durch1:
1. Fälle der nicht Unrechtshaftung, d.h. durch mögliche Haftung für Schäden, durch nichtrechtswidriges
Verhalten und für Schäden, die nicht durch menschliches Handeln verursacht
wurden sind.
2. Fälle der besonderen Unrechtshaftung als vertragswidriges Handeln (diese werden im
Vertragsrecht geregelt)
Historisch betrachtet liegt die wesentliche Funktion des zivilen Deliktsrechts in der
Gewährleistung der marktwirtschaftlichen Ordnung, als ein Modell ökonomischer
Entwicklung durch private einzelwirtschaftliche Entscheidungen. Diese Gewährleistung
vollzieht sich dabei im wesentlichen durch den individuellen Integritätsschutz des
Marktbürgers in den Kernbereichen: Leben, Körper, Freiheit und Eigentum.2
Delikt ist hierbei als verkehrswidrige oder vorsätzliche Verletzung rechtlich geschützter
Interessen zu verstehen. Bei dem Aspekt des Integritätsschutzes geht es um das Interesse,
nicht durch Einwirkungen anderer Einbußen an seinen Gütern zu erleiden. Hier ist das sog.
Integritätsinteresse angesprochen und der in ihm Verletzte ist schadensrechtlich, so zu stellen,
wie wenn die Verletzung nicht stattgefunden hätte.
Zu den Kernaufgaben des Deliktsrechts gehört:
1. Die Minimierung des gesamtgesellschaftlichen Schadensaufkommen und
2. die Verteilung sozialer Handlungsrisiken.
Diese Kernaufgaben werden in den vorherrschenden Zivilrechtsordnungen im wesentlichen
durch zwei Prinzipien gesellschaftlicher Risikoverteilung verfolgt3:
1. Schadensinternalisierung, d.h. Verlagerung der Schadenszuständigkeit von den Betroffenen
(property rule) auf den Handelnden/Schadensverursacher durch
a) Verschuldungshaftung (liability rule) [...]
1 Vgl. Brüggemeier, G. (1986): Deliktsrecht: ein Hand und Lehrbuch, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 41
2 Vgl. Brüggemeier, G. (1986): Deliktsrecht: ein Hand und Lehrbuch, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 45
3 Vgl. Brüggemeier, G. (1986): Deliktsrecht: ein Hand und Lehrbuch, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 41
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Präzisierung des Anwendungsbereiches der deliktsrechtlichen Verkehrspflichten
3. Die Entstehung der Verkehrssicherungspflichten (VSP)
3.1. Der Übergang von der Sachgefahrensteuerung zur Steuerung sozialer Handlungen
3.2 Gibt es ein optimales Sorgfaltsniveau ?
4. Die Verkehrspflichten
4.1 schutzobjektbezogene Verkehrspflichten
4.2 subjektbezogene Verkehrspflichten
5. Die Verkehrspflichten des Geschäftsherren
5.1 Die Exkulpationsmöglichkeit des Geschäftsherren
5.2 Die Organisationspflichten
6. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Deliktsrecht regelt die allgemeine Unrechtshaftung, indem es Normen zu allgemeinen Verhaltensregeln aufstellt. Es lässt sich abgrenzen durch[1]:
1. Fälle der nicht Unrechtshaftung, d.h. durch mögliche Haftung für Schäden, durch nicht-rechtswidriges Verhalten und für Schäden, die nicht durch menschliches Handeln verursacht wurden sind.
2. Fälle der besonderen Unrechtshaftung als vertragswidriges Handeln (diese werden im Vertragsrecht geregelt)
Historisch betrachtet liegt die wesentliche Funktion des zivilen Deliktsrechts in der Gewährleistung der marktwirtschaftlichen Ordnung, als ein Modell ökonomischer Entwicklung durch private einzelwirtschaftliche Entscheidungen. Diese Gewährleistung vollzieht sich dabei im wesentlichen durch den individuellen Integritätsschutz des Marktbürgers in den Kernbereichen: Leben, Körper, Freiheit und Eigentum.[2]
Delikt ist hierbei als verkehrswidrige oder vorsätzliche Verletzung rechtlich geschützter Interessen zu verstehen. Bei dem Aspekt des Integritätsschutzes geht es um das Interesse, nicht durch Einwirkungen anderer Einbußen an seinen Gütern zu erleiden. Hier ist das sog. Integritätsinteresse angesprochen und der in ihm Verletzte ist schadensrechtlich, so zu stellen, wie wenn die Verletzung nicht stattgefunden hätte.
Zu den Kernaufgaben des Deliktsrechts gehört:
1. Die Minimierung des gesamtgesellschaftlichen Schadensaufkommen und
2. die Verteilung sozialer Handlungsrisiken.
Diese Kernaufgaben werden in den vorherrschenden Zivilrechtsordnungen im wesentlichen durch zwei Prinzipien gesellschaftlicher Risikoverteilung verfolgt[3]:
1. Schadensinternalisierung, d.h. Verlagerung der Schadenszuständigkeit von den Betroffenen (property rule) auf den Handelnden/Schadensverursacher durch
a) Verschuldungshaftung (liability rule)
b) Gefährdungshaftung (strict liability rule) und
2. Schadensstreuung durch Privat und Sozialversicherungsschutz.
Aus ökonomischer Sicht hat die deliktsrechtliche Schadensinternalisierung hauptsächlich die Aufgabe, die gesellschaftlichen Aktivitäten zur Schadensverhinderung zu optimieren.[4] Dabei kann der Haftungsumfang, an den entstandenen materiellen bzw. immateriellen (vgl. § 847 Schmerzensgeld) Schäden bemessen werden. Diese Umfangsbemessungen, welche in dieser Arbeit nicht weiter untersucht werden, wird in den §§ 249 ff. BGB geregelt.
Die hier behandelte zentrale Frage stellt sich nach dem Haftungsmaßstab: „Unter welchen Voraussetzungen müssen die Schadensverursacher Schadensersatz leisten?“ Hierfür stehen die zwei wesentlichsten Alternativen der o.a. Schadensinternalisierung zu Verfügung.
Bei Punkt 1b) der Gefährdungshaftung muß ein Schädiger jeden Schaden ersetzen, den er nachweislich verursacht hat. Der Schaden eines Geschädigten muß also kausal, durch das Verhalten eines Schädigers, ausgelößt wurden sein. Wenn der Schaden auch entstanden wäre, wenn die fragliche Ursache (das Verhalten des potentiellen Schädigers) nicht vorhanden gewesen wäre, so liegt kein Verschulden vor.[5] In diesem Fall bleibt es bei der Schadenszuständigkeit des Betroffenen (property rule).
Die Gefährdungshaftung wird in bestimmten Einzelgesetzen verwendet.[6] Präziser in Fällen, welche, trotz sorgfältigen Verhaltens, der potentiellen Schädiger ein hohes Risiko in sich bürgen. Da aus den Tätigkeiten jedoch ein möglicherweise großer volkswirtschaftlicher Nutzen entsteht, sollen sie zwar einerseits nicht Verboten werden, andererseits aber das Risiko eines Schadens nicht den Geschädigten angelastet werden.[7] Typische Beispiele hierfür betreffen daher: die Kraftfahrzeughalter (§ 7 Straßenverkehrsgesetz), die Betreiber von Eisenbahnen und Leitungen (§§1, 2, Haftpflichtgesetz), die Halter von Luftfahrzeugen
(§ 30 Luftverkehrsgesetz), die Betreiber von Reaktoranlagen (§ 25Atomgesetz), Arzneimittelhersteller (§ 84), sowie Personen, die in bestimmter weise auf die Umwelt einwirken (§§ WHG, 1, 2 Umwelthaftgesetz).[8],[9]
Anders sieht die Risikoverteilung bei Punkt 1a) der in der Bundesrepublik meist vorherrschenden Verschuldenshaftung aus: Hierbei wird der Schädiger nach §823 BGB dann von der Ersatzpflicht frei, wenn er den Schaden weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt hat.[10]
Unter den Voraussetzungen von Vorsatz und Fahrlässigkeit, d.h. bei wissentlicher oder bei unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennbaren und vermeidbaren Gefährdung, verteilt das Deliktsrecht das Schadensrisiko auf den Handelnden (siehe §276 I BGB). NICHT DER SCHADEN VERPFLICHTET ZUM SCHADENSERSATZ, SONDERN DIE SCHULD (Culpa-Doktrin).[11]
Deliktsrechtliche Fahrlässigkeit ist also das Außerachtlassen, der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Doch, was definiert dieses Sorgfaltsniveau? Mit dieser Frage sind wir beim zentralem Thema dieser Arbeit, es sind nämlich die Verkehrs(sicherungs)pflichten.
Kapitel 2 wird sich mit der Eingrenzung des Anwendungsbereiches deliktischer Verkehrs(sicherungs)pflichten beschäftigen. Hierbei wird die zentrale Norm des Deliktsrecht, der § 823 sowie darauf folgende tatbestandsbegründende Paragraphen vorgestellt werden. Im Anschluss daran werde ich das traditionelle Prüfschema, des § 823 heranziehen, um die Bedeutung der Verkehrspflichten zu veranschaulichen.
Um ein Verständnis der Entwicklung der Verkehrspflichten zu erzeugen, habe ich in den folgenden Kapitel einen historischen Erklärungsweg von der, in Kapitel 3 dargestellten, Entstehung der Verkehrssicherungspflichten bis hin zu den Verkehrspflichten des Warenherstellers, welche in Kapitel 7 in der Produzentenhaftung enden wird, gewählt.
Meine Darstellung verfolgt, aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit, keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr habe ich versucht die wesentlichsten Kernpunkte herauszuarbeiten.
2. Präzisierung des Anwendungsbereiches der deliktsrechtlichen Verkehrspflichten
Zu den wesentlichen Bereichen, welche sich vom Deliktsrecht abspalten lassen zählen:[12]
- Arbeitsunfälle, diese werden deliktsrechtsextern durch die Sozialversicherungen gelöst.
- KFZ-Verkehrsunfälle, diese unterstehen seit 1909 dem Gefährdungshaftungsrecht.
- Besondere technische Gefahren, diese sind Spezialtatbestände der Gefährdungshaftung.
Hierzu zählen vor allem Auflagen an Betreiber und Hersteller techn. Anlagen und
gefährlicher Stoffe. Demselben Ziel dienen betriebliche techn. Normen, wie z.B. DIN oder
VDE Bestimmungen u.a.
Verbleibende Bereiche sozialer Gefahrensteuerung werden im äußeren Rahmen des BGB Deliktsrechts durch richterliche Verkehrs(sicherungs)pflichten gelöst.
Bisher habe ich den Begriff Schaden allgemein gehalten. Nun diesen Weg hat auch der französische Gesetzgeber in Art. 1382 i.V.m. Art. 1383 Code Civil von 1804 beschritten und einen Deliktsrechtstatbestand von bestechender Einfachheit formuliert:
"Wer einem anderen durch sein Fehlverhalten einen Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet."
Bei einer solchen Generalklausel bleibt die Ausformulierung der Einzeltatbestände, unter denen Schadensersatz zu leisten ist, der Rechtsprechung überlassen.[13] Der deutsche Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuchs wollte der Rechtsprechung keinen so großen Entscheidungsspielraum gewähren und hat sich deshalb entschlossen, in den §§ 823 bis 853 eine Vielzahl von Haftungstatbeständen zu formulieren. Diese reichen von den Grundtat-beständen der Haftung für - Rechtsgutsverletzungen (§ 823 Abs. 1 BGB), für - Schutzgesetz-verstöße (§ 823 Abs. 2 BGB) hier wird auch Schadensersatz, aufgrund reiner Vermögens-schäden ermöglicht, für - vorsätzlich sittenwidrige Schädigungen (§ 826 BGB)[14], bis zu bestimmten -Sondertatbeständen, wie beispielsweise der Kreditschädigung durch Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen (§ 824 BGB) und der Bestimmung zur Beiwohnung (§ 825 BGB).[15] Zur Verdeutlichung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Wesentliche deliktsrechtlich haftbar machende Tatbestände (§§823 ff. BGB)
In § 823 I hat der deutsche Gesetzgeber jedoch im Prinzip beide Wege miteinander kombiniert: Zunächst werden Fälle der Verletzung verschiedener Rechtsgüter genannt (Leben, Körper, Freiheit und Eigentum), anschließen wird jedoch eine Art Generalklausel, (aus der Gleichsetzung mit vorgenannten Rechten jedoch eingeschränkt auf absolute Rechte) nämlich die des sogenannten “sonstigen Rechts“ formuliert.[16]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2. Das traditionelle Prüfschema
Nach traditionellem Prüfschema für §823[17] gilt es zunächst darum, die Tatbestandsmäßigkeit zu prüfen. Im Rahmen der - Tatbestandsmäßigkeit ist eine Rechts-, Rechtsgutsbeeinträchtigung festzustellen und auf ein Verhalten zurückzuführen, das als kausal für die Rechtsgutsbeeinträchtigung gewertet wird. Das Verhalten wird differenziert nach aktivem Tun und passivem Unterlassen. Einmal wird also das aktive Tun hinweggedacht und beim anderen Mal ein aktives Tun hinzugedacht. Kausalität ist jeweils gegeben, wenn die Recht-Rechtsgutsbeeinträchtigung entfällt. Beim Unterlassen tritt als zusätzliches Moment hinzu, dass man nur solche Verhaltensweisen für eine Haftungsbegründung hinzudenken darf, zu denen der Betreffende verpflichtet gewesen wäre. (sog. Garantenpflicht).
- Kann die Tatbestandsmäßigkeit festgestellt werden, so indiziert die Tatbestandsmäßigkeit im Rahmen des traditionellen Prüfungsaufbaus zu § 823 Abs. 1 BGB die Rechtswidrigkeit. Diese kann nur durch Rechtfertigungsgründe ausgeschlossen werden.(wie z.B. Notwehr, oder bei Einwilligung des Geschädigten, beispielsweise willigt ein Patient, in die mit einer Operation verbundene Körperverletzung ein.)
Wird auch die Rechtswidrigkeit bejaht, kommt es zur Prüfung der - Schuld.
Schuldfähigkeit des rechtswidrig Handelnden vorausgesetzt, geht es um die beiden Schuldformen des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit. Vorsätzlich handelt, wer eine Rechts(guts)verletzung mit Wissen und Wollen herbeiführt. Fahrlässig handelt nach der Definition in § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB, "wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt".
In der Literatur werden auch modernere Prüfschemen, welche den unterschiedlichen Auffassungen von Erfolgsunrecht[18] oder Verhaltensunrecht[19] Rechnung tragen dargestellt. Auf diese werde ich jedoch, aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit, nicht genauer eingehen.[20]
Hinsichtlich des Fahrlässigkeitsbegriffes schließe ich mich den Gedanken von Gert Brüggemeier an, welcher die Fahrlässigkeit aus einem Einheitsschuldkonzept löst.
Demnach setzt sie nicht, wie beispielsweise nach Ansicht von Erwin Deutsch[21], zweistufig aus äußerer Sorgfalt (Vermeidbarkeit) und innerer Sorgfalt (Vorhersehbarkeit der rechtswidrigen Rechts-(gut)verletzung) zusammen, sondern wird reduziert auf die objektivierte Verhaltenspflichtwidrigkeit.[22] Sie macht das jeweilige Rechtssubjekt haftbar für die Verletzung, der durch seine soziale Rolle von einen objektiven Beobachter zu erwartenden Verhaltensstandards. Der Begriff der zivilistischen Fahrlässigkeit definiert sich somit im Einzellfall über die, durch richterliche Rechtssprechung, formulierten Verhaltenspflichten = Verkehrspflichten. Fahrlässigkeit ist demnach Verkehrswidrigkeit.[23]
Hinsichtlich der zivilprozessualen Beweislastverteilung gilt die Grundregel[24], dass der Geschädigte (im Falle des § 823 ff.) die pflichtwidrig-schuldhafte Rechts(guts)verletzung beweisen muss. Das heißt, er muß zum einen den Schaden und zum anderen die Pflichtverletzung des Schädigers beweisen.
Der Beklagte hat “lediglich“ ggf. die Rechtfertigungsgründe (wie z.B. Notwehr) zu beweisen.
3. Die Entstehung der Verkehrs(sicherungs)pflichten
Die Verkehrssicherungspflicht (VSP) war der historisch erste Repräsentant einer selbständigen deliktischen Verhaltenspflicht im Rahmen von § 823 BGB.
Sie wurde unmittelbar nach Inkrafttreten des BGB von der Rechtssprechung entwickelt.
Den Kernbereich dieser VSP stellen die Elemente Gefahr- und Publikumsverkehr da.
Die VSP sollten dafür sorgen, dass niemand vermeidbar durch eine (gefährliche) Sache zu Schaden kommt.[25] Neben den “aus sich heraus gefährlichen“ Sachen gewann von Anfang an eine bestimmte Fallgruppe an Bedeutung die räumlich-gegenständlichen Bereiche. Diese können gefährlich werden, indem man sie dem Publikumsverkehr öffnet (man denke z.B. an Kaufhäuser oder Restaurants).
Die VSP ist eine besonders geartete allgemeine Rechtspflicht. Sie sollte die Gefahren aus einem, an sich erlaubten Tun, so gering wie möglich halten, indem durch sie Sorgfaltspflichten definiert wurden.[26] Genauer setzt sie sich aus zwei wesentlich Pflichten zusammen[27]:
1: Die Pflicht des Sachhalters zur Sicherung räumlich-gegenständlicher Verkehrs- bereiche. (Dies Begründet auch VSP gegenüber öffentlichen Einrichtungen)
z.B. Land-, Wasser-, Luftstraßen sowie Häuser, Wohnungen und öffentliche Plätze
Als Sachhalter (Unterhaltspflichtiger) gilt derjenige, welcher die Herrschaft über die (gefährliche) Sache ausübt, dieses kann der Eigentümer sein, wird aber auch sehr häufig der Nutzenberechtigte z.B. Mieter oder Pächter sein.
Diese so definierten Sachhalter traf die allgemeine Pflicht, die Sachen in einem verkehrs-sicheren Zustand zu halten. Die, durch die schuldhafte Nicht-Beachtung der VSP, ausgelösten Rechtsgutverletzungen machten nach §823 Abs.1 haftbar. (Eigentum verpflichtet!)
2: Die Pflicht zur Vornahme von Sicherheitsvorkehrungen, die sich aus der Schaffung einer besonderen Gefahrenlage oder aus der Zuständigkeit für eine „aus sich heraus gefährliche“ (beweglich oder unbewegliche) Sache ergibt, z.B. Liegenlassen von gefährlichen Werkzeugen oder Chemikalien etc. an Orten, zu denen Dritte befugt oder unbefugt Zutritt haben.
Die VSP eröffneten also juristisch ausgedrückt die Garentenstellung des Sachhalters.
Die Pflicht zum Handeln = Garantenpflicht. D.h. bestimmten durch die VSP definierten Erwartungsnormen der jeweiligen sozialen Rolle zu entsprechen. Erst durch die VSP macht, die o.a. Prüfung auf Unterlassen einer gebotenen Handlung, einen Sinn. Ohne die VSP wäre eine NICHT HANDLUNG, also NICHT HAFTBAR!
3.1. Der Übergang von der Sachgefahrensteuerung zur Steuerung sozialer Handlungen
Vor dem Hintergrund der Interdependenz und Komplexität der „reifen“ Industriegesellschaft, kann man sich vorstellen, dass die VSP in ihren engen räumlich-gegenständlichen sachlichen Kern nicht mehr ausreichten. Die VSP mussten flexibler und konkreter für immer zahlreichere einzelne Fallgruppen und Sozialbereiche ausformuliert werden.
Als Folge wurden dann auch Berufs, Schutz und sonstige deliktische Verhaltenspflichten formuliert. Dadurch erweiterte sich der enge Bereich der VSP zur judiziellen Sozialsteuerung. So entstanden die Verkehrspflichten (VP).[28]
Als Markenstein dieser Entwicklung ist ein Urteil des Reichsgerichts aus dem Jahre 1921 zu nennen. In diesem Urteil wurde festgestellt, dass ,wie bei der VSP, den Gewerbetreibern eine besondere Sorgfalt trifft. Aus dieser besonderen Sorgfalt entstehen ihnen Pflichten gegenüber Personen, mit denen sie in ihren Gewerbebetrieben in Verkehrsberührung kommen.[29]
[...]
[1] Vgl. Brüggemeier, G. (1986): Deliktsrecht: ein Hand und Lehrbuch, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 41
[2] Vgl. Brüggemeier, G. (1986): Deliktsrecht: ein Hand und Lehrbuch, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 45
[3] Vgl. Brüggemeier, G. (1986): Deliktsrecht: ein Hand und Lehrbuch, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 41
[4] Vgl. Fritsch, M., Wein, T., Ewers, H.-J. (1999): Marktversagen und Wirtschaftspolitik 3.Auflage, München (Vahlen) S.144
[5] Dies ist die sog. Condicio sine qua non-Formel oder der sog. But-for Test. Vgl. Brüggemeier, G. (1999): Prinzipien des Haftungsrecht: Eine systematische Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 51
[6] Vgl. Kötz, H. (1994): Deliktsrecht, 6. Auflage, Neuwied u. a. O., (Juristische Lernbücher, Band 8), S. 105
[7] Vgl. Feess, E. (1998): Umweltökonomie und Umweltpolitik 2. Auflage, München (Vahlen), S. 146
[8] Vgl. Medicus, D. (2000): Grundwissen zum Bürgerlichen Recht: Ein Basisbuch zu den Anspruchgrundlagen 4. Auflage, Köln u. a. O. (Heymanns), S. 187
[9] Vgl. Klunzinger, E. (1990): Einführung in das bürgerliche Recht: Grundkurs für Studierende der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften 3. Auflage, München (Vahlen), S. 380
[10] Vgl. Brüggemeier, G. (1986): Deliktsrecht: ein Hand und Lehrbuch, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 38
[11] Vgl. Brüggemeier, G. (1986): Deliktsrecht: ein Hand und Lehrbuch, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 45
[12] Vgl. Brüggemeier, G. (1986): Deliktsrecht: ein Hand und Lehrbuch, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 48
[13] Vgl. Kötz, H. (1994): Deliktsrecht, 6. Auflage, Neuwied u. a. O., (Juristische Lernbücher, Band 8), S. 9, 10, 21
[14] Dieser Paragraph greift beispielsweise auch immer dann als Anspruchsgrundlage, wenn Vereine oder Verbände mit Monopolstellung einen Antragsteller die Aufnahme verweigern.
[15] Vgl. Kötz, H. (1994): Deliktsrecht, 6. Auflage, Neuwied u. a. O., (Juristische Lernbücher, Band 8), S. 21, 22
[16] Vgl. Klunzinger, E. (1990): Einführung in das bürgerliche Recht: Grundkurs für Studierende der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften 3. Auflage, München (Vahlen), S. 378
[17] Vgl. Klunzinger, E. (1990): Einführung in das bürgerliche Recht: Grundkurs für Studierende der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften 3. Auflage, München (Vahlen), S. 380
[18] siehe hierzu Deutsch, E. (1987): Der Begriff der Fahrlässigkeit im Zivilrecht, Juristenzeitung (JZ) 1987, 505
[19] siehe hierzu Schwab, D. (1997): Einführung in das Zivilrecht, 13. Auflage, Heidelberg (Müller) S. 125 ff; oder
Schmidt, E. (1998): Zivilrechtlicher Grundkurs, 5. Auflage, Neuwied u. a. O. (Luchterhand), S. 301 ff.
[20] Eine Einführung in die verschiedenen Konzeptionen bietet Hein Kötz, welcher jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass die verschiedenen Herangehensweisen das Ergebnis der Rechtssprechung nicht verändern. Vgl. Kötz, H. (1994): Deliktsrecht, 6. Auflage, Neuwied u. a. O., (Juristische Lernbücher, Band 8), S. 40-44
[21] Vgl. Deutsch, E. (1987): Der Begriff der Fahrlässigkeit im Zivilrecht, Juristenzeitung (JZ) 1987, 505
[22] Vgl. Brüggemeier, G. (1999): Prinzipien des Haftungsrecht: Eine systematische Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 96
[23] Vgl. Brüggemeier, G. (1999): Prinzipien des Haftungsrecht: Eine systematische Darstellung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 62
[24] Vgl. Brüggemeier, G. (1986): Deliktsrecht: ein Hand und Lehrbuch, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 114
[25] Vgl. Brüggemeier, G. (1986): Deliktsrecht: ein Hand und Lehrbuch, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 89,90
[26] Vgl. Medicus, D. (1996): Gesetzliche Schuldverhältnisse, 3. Auflage, München (Beck), S. 24, 25
[27] Vgl. Brüggemeier, G. (1986): Deliktsrecht: ein Hand und Lehrbuch, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 90
[28] Vgl. Brüggemeier, G. (1986): Deliktsrecht: ein Hand und Lehrbuch, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 90
[29] Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (RGZ) 102, 38, 43 aus Brüggemeier, G. (1986): Deliktsrecht: ein Hand und Lehrbuch, 1. Auflage, Baden-Baden (Nomos), S. 91
- Quote paper
- Gordon Lange (Author), 2003, Verkehrs-, Verkehrssicherungs-, und Organisationspflichten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19331
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