Das Thema Jesuitenreduktionen wurde mehrfach medial umgesetzt:
Literarisch bearbeitete Philip Caraman mit seinem Werk „Das verlorene Paradies“ diese Thematik1 ebenso wie Fritz Hochwälder mit dem Drama „Das Heilige Experiment“ und auch Alfred Döblin in seiner Trilogie „Amazonas“.
Visuell wurde die Thematik durch dem Film „The Mission“ des Regisseurs Roland Joffé von 1986 umgesetzt, welche an das Drama Hochwälders angelehnt ist. Ich möchte an dieser Stelle kurz den Inhalt des Filmes umreißen und meine Eindrücke schildern:
Der Jesuitenpater Gabriel, gespielt von Jeremy Irons, wird nach Südamerika zu den Guaraní gesandt, welche er durch sein Musikspiel in sein Vertrauen ziehen kann. Er gründet eine Mission bei ihnen im Urwald und versucht die Indios an den christlichen Glauben heranzuführen. Im weiteren Verlauf wird die Geschichte des Sklavenjägers Rodrigo Mendoza, dargestellt durch Robert De Niro, erzählt und wie er sich schließlich mit Hilfe Pater Gabriels von seinem ehemaligen Leben distanziert und sich dessen Mission anschließt, selbst Jesuit wird. Gemeinsam versuchen sie gegen den Druck der Kolonialherren und der europäischen Kirche, welche von den Kolonialmächten beeinflusst wird, anzukämpfen. Da die Reduktionen nicht unter den Einfluss der Portugiesen geraten wollen, wird schließlich ein Gesandter der Kirche zur Mission geschickt zu einer Beurteilung vor Ort. Zwar ist dieser beeindruckt von der Pracht und den Erfolgen in der Reduktion, entscheidet sich aber letztendlich doch zugunsten der Kolonialmächte und fordert von den Jesuiten eine Fügung unter deren Weisungen. Der Film endet in einem Gemetzel, denn die Kolonialherren, denen die Mission im Weg ist, dringen mit ihren Truppen in die Mission ein und töten sowohl den mit Gewalt für die Mission und deren Bewohner kämpfenden Mendoza, als auch den gewaltlos handelnden Pater Gabriel und brennen die Reduktion nieder.
Der Film zeigt meiner Meinung nach zwar viele Übertreibungen und stellt einiges sehr überspitzt dar, jedoch kommt beispielsweise der starke Eingriff in die Tradition der Guraní gut hervor. Es wirkt sehr befremdlich, wenn die Indios mit ihren Lendenschürzen im Urwald stehen und ein Ave Maria singen. Vielleicht verdeutlicht dies den enormen Gegensatz, mit dem sie konfrontiert waren: Ihre eigene Tradition und die der Europäer.
Inhaltsverzeichnis
3.3.3 Soziale Absicherung
3.3.4 Stellung der Frau
3.3.5 Erziehung
3.4 Der Musikstaat
3.5 Der Niedergang des „Jesuitenstaates“
4. Ein Ausblick
4.1 Heutige Situation
4.2 Mediale Umsetzung - „The Mission“
5. Abschließende Gedanken
Literaturverzeichnis
Dieser zweite Teil der Seminararbeit „‚Mission’ - Das ‚Heilige Experiment’ in Paraguay“ schließt sich an die Ausführungen des ersten Teils ‚Kolonisation und Gesellschaft im Jesuitenstaat’ an. Inhaltlich gehören diese Teile zusammen, sind jedoch nicht als gemeinschaftliche Arbeit verfasst. Ich werde im weiteren Verlauf genauer auf die sozialen Aspekte, das tägliche Leben in den Reduktionen und die Rolle der Musik eingehen. Anschließend wird das Scheitern des „Heiligen Experiments“ und die Gründe hierfür beleuchtet. In einem letzten Punkt werde ich einen Ausblick auf die heutige Situation und die mediale Umsetzung geben.
3.3.3 Soziale Absicherung
Sowohl in Europa als auch in Amerika waren in der Zeit des 17./18. Jahrhunderts viele Menschen, besonders aus der Unterschicht, von Armut bedroht. Obwohl Regierung und Kirche durch verschiedene Maßnahmen versuchten dem Problem entgegenzuwirken, machten die Armen vor allem in Notzeiten wie Hungersnöten, Seuchen, Kriegszeiten einen nicht geringen Anteil der Bevölkerung aus. Das Problem der Dauerarmut schien unlösbar.1 Anders verhielt es sich hingegen in den Jesuitenreduktionen von Paraguay: Dort waren so gut wie keine Armen zu finden, die Gemeinschaft leistete die Versorgung der Alten und Kranken, der Witwen und Waisen.2 Ein Haus war jeweils für eine Familie bestimmt, wer keine Familie mehr hatte oder für wen der Platz in den Häusern nicht ausreichend war, der wurde in einem eigens für diesen Zweck errichteten großen Gebäude wohnhaft.3 Grundsätzlich hatten sich alle Bewohner der Reduktionen an gemeinnütziger Arbeit zu beteiligen, wer jedoch arbeitsunfähig war, fand im Hospital vor Ort Betreuung, Hilfe und Pflege durch das eigens hierfür ausgebildete Krankenpersonal. Besondere Anteilnahme erfuhren die Kranken auch durch die Patres, welche auch für die Bereitstellung von Arzneimitteln aus der Apotheke zuständig waren.4 Lebensmittel und Kleidung wurde der gesamten Bevölkerung, egal ob arbeitsfähig oder nicht, ausreichend zur Verfügung gestellt.5
Es ist erstaunlich, dass die Reduktionen mit den unterentwickelten Indios in einem unentwickelten Land wie Paraguay sozial besser abgesichert waren als das weiterentwickelte Europa. Aber man muss bedenken, dass die Reduktionen unter strenger und geregelter Führung der Jesuiten-Patres standen und es sich hierbei um relativ wenige, kleine, vom Gesamtstaat abgesonderte Dörfer handelte, in denen eine solches Sozialwesen sicher leichter durchführbar war.
3.3.4 Die Stellung der Frau
Bevor die Jesuiten-Patres das Leben der indigenen Bevölkerung so gravierend veränderten, war auch die Stellung der Frau noch andersartig. Die Kaziken, so nennt man die indianischen Dorfhäuptlinge in Mittel- und Südamerika,6 durften sich „bis zu 30 Frauen [nehmen], die sie jederzeit verstoßen konnten.“7 Dies bedeutete für eine Frau, dass sie zunächst nur eine von vielen war, was mit Sicherheit damals nicht weniger Streit unter den Damen hervorrief als es das heute tun würde, auch wenn diese Tatsache als natürlich galt. Und zum Zweiten konnte sich die Frau so ihrer Position nicht sicher sein. Wenn der Häuptling sie verstoßen würde, so stünde sie alleine als Außenseiter da.
Die Patres verfolgten bei ihrer Mission erfolgreich das Ziel die christliche Einehe einzuführen, die Nebenfrauen wurden den Häuptlingen abgekauft und im Witwenhaus untergebracht. Ihre Versorgung gewährleistete die Gemeinschaft.8 Weiter waren die Patres als Heiratsvermittler tätig: Wenn sich eine Frau einen Mann zum Gatten ausgewählt hatte, konnte sie dies dem Pater mitteilen. Dieser fragte daraufhin den Mann, ob er mit dieser Frau als Gattin zufrieden wäre, was zumeist bejaht wurde, und schließlich fanden in kirchlichen Hochzeitsmessen die Trauungen von bis zu 20 Paaren gleichzeitig statt.9
Des Weiteren förderten die Jesuiten-Patres junge Ehen. So wurden die Mädchen üblicherweise im Alter von 14 Jahren verheiratet, die Jungen mit 16 Jahren, wodurch man versuchte vorehelichem Sexualverkehr vorzubeugen.10
In der Öffentlichkeit hatten Männer und Frauen voneinander getrennte Bereiche: Dies betraf sowohl die Waschmöglichkeiten, als auch je eigene Plätze in der Kirche, eigene religiöse Kongregationen und sogar eine eigene Oberin, die als Vertreterin und Vermittlerin der eigenen Gemeinschaft tätig war.11 Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die Position der Frau stark verbessert hat: Es war ihre freie Entscheidung, wen sie heiraten wollten, Scheidungen waren verboten, so dass die Frau keinen sozialen Abstieg zu befürchten hatte und zuletzt war auch die Feldarbeit nun Sache der Männer. „So konnten sie sich nun ihrem Haushalt, ihren Kindern und dem Spinnen und Weben im Hause widmen.“12 Obwohl die Frauen noch lange nicht gleichberechtigt waren, sie waren beispielsweise von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, so führten sie dennoch ein angenehmeres Leben, welches auch dazu beitrug, dass die Frauen schneller bereit waren die neue Religion zu akzeptieren.13
3.3.5 Erziehung
Wie um so vieles kümmerten sich die Jesuiten-Patres auch um die Erziehung der Kinder und in geringerem Ausmaß auch um die der Erwachsenen in den Reduktionen. Die Hauptziele, die sie sich hierbei setzten, waren besonders „die Vermittlung von religiösem Wissen und Frömmigkeit, sowie die Gewöhnung an regelmäßiges Arbeiten und die Erlernung von Handwerksberufen, Künsten und Anbaumethoden, schließlich, vor allem für die Begabteren, die Aneignung der für die Verwaltung der Reduktionen nötigen Fähigkeiten wie Rechnen, Lesen und Schreiben.“14 Ob wirklich nur die Begabteren speziell gefördert wurden, ist nicht ganz eindeutig, denn Las Casas berichtet von einer Schule für Jungen und einer eigenen Schule für die Mädchen, wobei beide Lesen und Schreiben lernen, der christlichen Lehre unterzogen werden, die Mädchen jedoch auch Spinnen und Nähen erlernen.15
Die Patres teilten den Tagesablauf der Kinder genau ein: Von Juni bis Dezember halfen die Kinder ihren Eltern beim Ackerbau, indem sie Unkraut jäteten oder Steine sammelten,16 und aßen auch bei ihren Eltern, aber ansonsten waren alle Kinder nach dem Frühstück in Gemeinschaftsarbeitsstätten oder mit schulischen Tätigkeiten beschäftigt.17 Besonders wichtig war den Patres natürlich, in Anbetracht ihres Ziels der Missionierung, die Christenlehre. Der Tag begann immer mit einer Frühmesse, nachmittags versammelte man sich zu Gebeten und zum Rosenkranz18 und auch der Abend endete stets in der Kirche, in der die Patres sowohl Kinder als auch Erwachsene zu christlichen Lehren ausfragten, der Katechismus aufgesagt werden musste und es zu abschließenden Gebeten kam.19 Dennoch betonten die Patres meist, dass den Guaranís höhere intellektuelle Fähigkeiten fehlten und so bildeten sie auch bis 1802 keine einheimischen Priester aus.20 Aber der Grund für die Interesselosigkeit der indigenen Bevölkerung gegenüber eigener Kreativität bei handwerklichen und künstlerischen Tätigkeiten und auch gegenüber wirtschaftlichem Gewinnstreben und des weiteren mehr, lag daran, dass „frühe Kulturen und Religionen (…) noch nicht jene Art von ‚Persönlichkeiten’ hervor[bringen], die aus eigener Subjektivität die Welt erfahren und sie in eigener individueller Initiative verändern.21 Sein ganzes Verhalten ist noch zu stark von der Gemeinschaft geprägt. Man kann also nicht sagen, dass die Guaranís dumm gewesen wären, allerdings zum Zeitpunkt der Missionierung wohl noch nicht fähig waren den Anforderungen der Patres zu genügen.
3.4 Der Musikstaat
Eine besonders große Rolle im täglichen Leben in den Reduktionen spielte die Musik. Da die Patres eine große Begabung bei den Guaraní in der Musik feststellten, besaß schließlich jede Siedlung eine Musikkapelle,22 einen „Chor und ein großes Orchester[, welches sich aus] alle[n] im Barock üblichen Instrumente[n zusammensetzte].“23 Es mag vielleicht verwunderlich klingen, aber die Indianer sangen und spielten schließlich die europäische barocke Musik, die die Patres in die Reduktionen mitbrachten; als bedeutendster Komponist ist hier der von Italien nach Paraguay ausgewanderte Musiker Domenico Zipoli zu nennen.24 Man errichtete eigene Musikschulen, in denen spezielle Lehrer unterrichteten, aber auch die Patres selbst betätigten sich als Musik- und Instrumentenlehrer und Komponisten.25 Eingesetzt wurde die Musik schließlich zu mehreren Zwecken: Sie prägte das gesamte tägliche Leben in den Reduktionen und so gab es Musik bei Tagesanbruch, auf dem Weg zur Arbeit und sogar während der Arbeit.26 Neben den täglichen Kirchenmessen, Vespern und Andachten, in denen die Musik unverzichtbar war, wurden auch zu diversen weltlichen und religiösen Festen feierliche Hochämter gesungen und Prozessionen begleitet.27 Wie man erkennen kann, war die Musik allgegenwärtig. Man sagt sogar, dass sie „das Wundermittel [war], das die Indianer anzog, so dass sie freiwillig in die neuen Siedlungen kamen.“28 Man mag vielleicht denken, dass die Musik hier nur das Mittel zur Manipulation der indigenen Bevölkerung war, eben zu dem Zweck den Guaraní die christliche Religion schmackhafter zu machen.
[...]
1 Vgl. Hartmann, Peter Claus, Der Jesuitenstaat in Südamerika 1609-1768. Eine christliche Alternative zu Kolonialismus und Marxismus, Weissenhorn 1994, 39.
2 Vgl. ebd.
3 Vgl. ebd.
4 Vgl. ebd. 39f.
5 Vgl. ebd. 39.
6 http://www.brockhaussuche.de/wissen/kazike
7 Hartmann, Jesuitenstaat, 40.
8 Vgl. ebd.
9 Vgl. ebd. 40f.
10 Vgl. ebd. 41.
11 Vgl. ebd.
12 Ebd. 42.
13 Vgl. ebd.
14 Ebd.42.
15 Vgl. Otruba, Gustav (Hg.) / Sturath, Georg (Hg.), Las Casas “Kurzgefasster Bericht” (1541/42) und der “Neue Welt-Bott” (1728/58). Quellen zur Frühgeschichte der Missionierung und Kolonisierung der Indianer, Linz 1993, 127f.
16 Vgl. ebd. 45.
17 Vgl. ebd. 42f.
18 Vgl. ebd. 47.
19 Vgl. ebd. 46.
20 Vgl. ebd. 44.
21 Krauss, Heinrich / Täubl, Anton, Mission und Entwicklung - Der Jesuitenstaat in Paraguay. Fünfteiliger Kurs im Medienverbund. Für Erwachsenenbildung, Schule und Jugendarbeit, München 1979, 84.
22 Vgl. Hartmann, Jesuitenstaat 53.
23 Krauss, Mission 63.
24 http://www.jesuiten.org/profil/begriffslexikon/files/flyer_reduktionen.pdf
25 Vgl. Hartmann, Jesuitenstaat 45.
26 Vgl. Krauss, Mission 64.
27 Vgl. ebd.
28 http://www.jesuiten.org/profil/begriffslexikon/files/flyer_reduktionen.pdf
- Arbeit zitieren
- Laura Ostermaier (Autor:in), 2008, ‚Mission’ – Das ‚Heilige Experiment’ in Paraguay , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193243
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