In die Krise geratene Gesellschaftsformen weisen offenbar eine Gemeinsamkeit auf: den chronischen Geldmangel ihrer Regierungen, hervorgerufen durch staatliche Sozial- und Umverteilungsausgaben im weiteren Sinne. Nach den Prinzipien von J.M. Keynes entstehen aufgrund von Nachfragegenerierung durch den Staat zusätzliche Staatsschulden, wobei deren wachsende Finanzierungskosten die Basis für weitere Neuverschuldung bilden. Zentralbanken bemühen sich vergeblich um Konjunkturglättung; Regierungen sind in der Zwickmühle: Nach rasanten Aufschwüngen können sie sich keine rezessiven Abschwünge leisten, weil die Finanzierungskosten ein Mindestniveau an Steuereinnahmen erfordern und steigende Arbeitslosigkeit zu Defiziten führen würde. Eine anscheinend unumkehrbare Spirale des Wachstumszwangs wird in Gang gesetzt. Das hierzu gegensätzliche Denkmodell der Österreichischen Schule der Nationalökonomie betrachtet staatliche Interventionen als schädigenden Eingriff in den Markt und macht das bestehende System der Geldschöpfung aus dem Nichts für das folgenschwere Auf und Ab von Konjunkturzyklen verantwortlich. Die Studie befasst sich zunächst mit der Frage, woraus Geld entstanden ist und wohin es inzwischen entwickelt wurde. Danach werden die (notwendigen) Zusammenhänge zwischen Zins, Sparen, Konsum und Investitionen beleuchtet, und es wird untersucht, warum das System der heutigen Geldschöpfung Wirtschaftskrisen und Inflation hervorruft. Darauf aufbauend wird dargelegt, warum der Goldstandard mit seinen einzelnen Funktionen in der Vergangenheit das Geldsystem und die Volkswirtschaften stabilisierte. Gleichfalls werden die kritischen Punkte zum Goldstandard beleuchtet und auf ihren Gehalt untersucht. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen erfolgt eine Betrachtung und Einschätzung zu den Alternativen des Goldstandards und zum bestehenden Geldsystem.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Entstehung, Bedeutung und Formen des Geldes
2.1. Entstehung und Tauschfunktion
2.2. Kaufkraft des Geldes und das Regressionstheorem
2.3. Formen des Geldes
3. Geldproduktion und wirtschaftliche Effekte im Fiat-Geldsystem
3.1. Übergang vom Markt- bzw. Sachgeld zum staatlichen Angebotsmonopol
3.2. Das heutige Fiat-Geldsystem
3.3. Auswirkungen der Fiat-Geldschöpfung durch Kreditvergabe
3.3.1. Zeitpräferenz, Sparen, Konsum und (Fehl-)Investitionen
3.3.2. Steigende (Staats-)Verschuldung
3.3.3. (Hyper)-Inflation
4. Analyse der Stabilisierungs- und allgemeinen Funktionsfähigkeit des Goldstandards
4.1. Die ökonomischen und ethischen Grundlagen von „gutem Geld"
4.2. Wesen, Phasen und Spielregeln des Goldstandards
4.3. Automatische Zahlungsbilanzausgleichsfunktion
4.4. Funktion der Wechselkursstabilisierung
4.5. Funktion der Preisstabilisierung
4.6. Makroökonomische Stabilisierungsfunktion
4.7. Widerlegung der Argumente gegen eine goldgedeckte Währung
5. Alternativen zum Goldstandard
5.1. Währungswettbewerb (à la Hayek)
5.2. Weltwährung / Sonderziehungsrechte des IWF
5.3. Schwundgeld, Regionalwährungen und Tauschringe
6. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Eigene Darstellung zur Geldschöpfung durch Geschäftsbanken und deren Ausweitungsmöglichkeiten durch das Teilreservesystem anhand unterschiedlicher Mindestreservesätze
Abbildung 2: USA, Entwicklung der umlaufenden Banknoten und Münzen, M1 und M2 von 1984 bis 2012; eigene Berechnung, Quelle: http://research.stlouisfed.org
Abbildung 3: Wechselwirkungen zwischen Zeitpräferenz, Zeitpräferenzrate und Zivilisation; eigene Darstellung nach Prof. Thorsten Polleit, Vorlesung „The global credit market crisis and the mystery of banking“, Frankfurt School of Finance & Management, 14.10.2010
Abbildung 4: Gleichgewicht der Zeitpräferenzen; eigene Darstellung nach Prof. Thorsten Polleit, Vorlesung „The global credit market crisis and the mystery of banking“, Frankfurt School of Finance & Management, 14.10.2010
Abbildung 5: Einsatz- und Ausstoßkurve in einer einfachen Wirtschaft, eigene Darstellung nach Friedrich August von Hayek, Die reine Theorie des Kapitals, 2006, S. 96
Abbildung 6: Zusammenhang Sparen, Kapitalbestand, Konsum, Investieren, Zinsen; eigene Darstellung
Abbildung 7: Freier Geldmarkt versus Fiat-Geld-System - Wechselwirkung zwischen Marktzins, Geld- und Kreditnachangebot; eigene Darstellung nach Prof. Thorsten Polleit, Vorlesung „The global credit market crisis and the mystery of banking“, Frankfurt School of Finance & Management, 14.10.2010
Abbildung 8: USA, Entwicklung der Gesamtschulden in Mrd. USD 1947 bis 2010 (Gesamtschulden: Bundesstaaten, Kommunen, Regierung, Haushalte und Non-Profit-Organisationen, Finanzsektor, Non-Financial- Businesses), eigene Darstellung, Quelle https://www.federalreserve.gov/
Abbildung 9: Zinsentwicklung der FED von 1981 bis 2011, eigene Darstellung, Datenquelle: http://research.stlouisfed.org
Abbildung 10: Entwicklung der Staatsschulden in % vom BIP 2006 bis 2011, eigene Darstellung, Datenquelle http://www.oecd-ilibrary.org
Abbildung 11: Schuldenspirale durch Zinsen und Neuverschuldung, eigene Darstellung
Abbildung 12: USA, Entwicklung der öffentlichen Schulden gegenüber der Entwicklung der privaten Sparquote von 1966 bis 2011; eigene Darstellung, Datenquelle http://research.stlouisfed.org
Abbildung 13: USA, Prozentuale Entwicklung der Geldmenge M2 und des Consumer Price Index von 1982 bis heute; eigene Berechnung, Quelle: http://research.stlouisfed.org
Abbildung 14: USA, fallende Entwicklung der US-Dollar-Kaufkraft 1971 bis 2011, dargestellt durch 1/CPI (indexiert: 1970 = 100) sowie Goldpreisentwicklung in US-Dollar 1971 bis 2011; Datenquelle Thomson Reuters, eigene Darstellung
Abbildung 15: Wechselkursmechanismus; eigene Darstellung, Quelle: Rubel, 2005, S. 162
Abbildung 16: Großhandelspreise England (1821-1914), eigene Darstellung, Datenquelle: Kemmerer, 1944, S. 189 (Datenreihe / indexiert: 1913=100)
Tabelle 1: Prozentuale Neuverschuldung der OECD-Staaten am BIP, Datenquelle: http://stats.oecd.org/
Tabelle 2: Inflationsentwicklung in Simbabwe, 2000 bis 2007, eigene Darstellung, Datenquelle Reserve Bank of Zimbabwe, http://www.rbz.co.zw/
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Haben Zentralbanken ein Marketing-Problem? Der Markt flüchtet offenbar vor ihrem Produkt; der Lebenszyklus des aus dem Nichts erschaffenen Papier-Geldes scheint zu Ende zu gehen. Seit der Schaffung staatlicher Geldmonopole waren sie lange erfolgreich: Es gelang, das Gold- und Silber-Geld in seiner historischen Funktion zu verdrängen. Bisweilen schien es, dass Zentralbanken alle Bemühungen der Alchemisten, Gold zu gewinnen, überflüssig machten.
Heute, knapp 200 Jahre später, sind die Volkswirtschaften mit Wirtschaftskrisen in kürzer werdenden Abständen und zunehmend stärkeren, globalen Ausmaßen konfrontiert. Die westliche Welt verzeichnet Staatsschulden-Exzesse, Inflationsgefahren und politische Unruhen. Angesichts des zunehmenden Drucks diskutiert die Wirtschaftswissenschaft kontrovers die Tragfähigkeit aller bisherigen Modelle, währenddessen sich politisch gegensätzliche Lager aller Parteien offenbar einig gegen freiheitliche Marktgrundsätze aussprechen. Kritiker wähnen die Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Gefahr und verweisen auf historische Parallelen. Zwar zweifelt die Mehrheit nicht, dass das Sozialismus-Experiment aufgrund zentralistischer Plan- und Mangelwirtschaft weltweit gescheitert ist. Doch spätestens seit dem Beginn der Finanz- und Bankenkrise 2007 steht der Kapitalismus mit seiner anscheinend mangelnden Funktionsfähigkeit für eine nachhaltige Wirtschaft am Pranger. Der Vergleich aller in die Krise geratenen Gesellschaftsformen weist offenbar eine Gemeinsamkeit auf: Der chronische Geldmangel ihrer Regierungen, welcher durch die ungedeckte Finanzierung ihrer systematischen Ziele entsteht. Keynesianischen Prinzipien folgend werden für die konjunkturelle Ankurbelung des zunehmend von Fehlinvestitionen und anschließenden Krisen belasteten Wirtschaftskreislaufs immer höhere Staatsschulden in Kauf genommen, wobei wachsende Finanzierungskosten eine Eigendynamik zur Neuverschuldungen erzeugen. Zentralbanken bemühen sich anscheinend vergeblich um Konjunkturglättung; Volkswirtschaften sind in der Zwickmühle: Nach rasanten Aufschwüngen können sie sich keine rezessiven Abschwünge leisten, um das Beschäftigtenniveau und die Steuereinnahmen im für die steigenden Finanzierungsausgaben notwendigen Korridor zu belassen. Die von Rettungs- und Ankurbelungsmaßnahmen augenscheinlich übersättigten Märkte offenbaren zusehends Unsicherheiten, die unter der Last der Staatsschulden und Geldmengeninflation bei Investoren und Verbrauchern zutage treten. Der Zeitpunkt, den überbordenden Schulden durch Sparmaßnahmen entgegenzuwirken, scheint überschritten zu sein. Immer noch raten key- nesianisch orientierte Ökonomen, das Abgleiten in eine Depression durch Geldvermehrung und Schuldenpolitik aufzuhalten.
Ergo scheint das gegenwärtig angewandte ökonomische Modell einer nachfrageinduzierenden Wirtschaftspolitik in einer ausweglosen Situation zu sein. Die Frage nach Alternativen führt zu den gegensätzlichen Denkmodellen der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Diese betrachten staatliche Interventionen als schädigende Eingriffe in den Markt und machen das bestehende System der Geldschöpfung aus dem Nichts für das folgenschwere Auf und Ab von Konjunkturzyklen verantwortlich. Die Arbeit fokussiert daher auf die Ansichten dieser Denkschule. Sie befasst sich zunächst mit der Frage, was Geld eigentlich ist und wohin es inzwischen entwickelt wurde. Danach werden die (notwendigen) Zusammenhänge zwischen Zins, Sparen, Konsum und Investitionen beleuchtet, und es wird untersucht, warum das System der heutigen Geldschöpfung Wirtschaftskrisen und Inflation hervorruft. Darauf aufbauend können schließlich die Zusammenhänge betrachtet werden, warum der Goldstandard mit seinen einzelnen Funktionen in der Vergangenheit das Geldsystem und die Volkswirtschaften stabilisiert hat. Gleichfalls werden die kritischen Punkte zum Goldstandard beleuchtet und auf ihren Gehalt untersucht. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen erfolgt eine Betrachtung und Einschätzung zu den Alternativen des Goldstandards und zum bestehenden Geldsystem.
2. Entstehung, Bedeutung und Formen des Geldes
2.1. Entstehung und Tauschfunktion
Der Begriff Geld leitet sich von gelten = zahlen ab. Die lateinische Bezeichnung pecunia (Geld) wurde von pecus (Vieh) gebildet. Daraus geht hervor, dass auch bei den Römern - wie bei den meisten damaligen Naturvölkern - zunächst Tiere als Tauschmittel galten (Obst, 1910, S. 2). Bereits der griechische Philosoph Aristoteles befasste sich vor rund 2.400 Jahren mit dem Gebrauchs- und Tauschwert des Geldes, wobei er befand, dass sich Ersterer aus Letzterem herleitet (Schumpeter, 1965, S. 100).
Der deutsche Ökonom der Österreichischen Schule Jörg Guido Hülsmann schreibt zur Entstehung des Geldes in Die Ethik der Geldproduktion (2007, S. 35): „Um den Ursprung und das Wesen des Geldes zu verstehen, muss man sich zunächst vor Augen führen, wie Menschen in einer Welt ohne Geld kooperieren würden - in einer Welt des Naturaltausches“. Ohne Geld würde der Tausch eines Sackes Kartoffeln von Herrn Meier gegen 12 Hühnereier von Herrn Schulze den Idealzustand darstellen. Nur ein kleiner Kreis von direkten Tauschpartnern kann sich damit gegenseitig seine Bedürfnisse befriedigen. Hülsmann (ebd., S. 36) nennt es das Problem der doppelten Übereinstimmung der Tauschwünsche, wonach beide Parteien ein Interesse an der Sache der jeweils anderen Partei haben müssen, damit eine Transaktion erfolgreich durch Tausch zustande kommt. Ludwig von Mises (1881-1973), einer der bedeutendsten Nationalökonomen der Österreichischen Schule, unterschied in Theorie des Geldes und der Umlaufmittel (1912, S. 4) zwischen einem direkten (zwischen den tauschwilligen Personen A und B) und einem indirekten Tausch (zwischen Personen A, B und C): Mit dem Beginn einer arbeitsteiligen Gesellschaft fingen die Menschen aufgrund ihrer unterschiedlichen Fertigkeiten und Bedürfnisse an, ihre Arbeit zu spezialisieren und ihre Produkte untereinander auszutauschen. Mises resümierte, dass mit der Zunahme der Arbeitsteilung in der Produktion und der Differenzierung der Bedürfnisse auch die Häufigkeit von indirekten Tauschgeschäften steigt (ebd., S. 5). Dabei findet neben der Nachfrage nach Gütern für den unmittelbaren Konsum auch eine Nachfrage nach Tauschgütern statt, damit man dem Erwerbsziel für Güter des eigenen Gebrauchs näher kommt (ebd., S. 6-7). Obwohl Individuen zunächst keine Motivation zum indirekten Tausch haben, ist es offenbar eine Notwendigkeit des Marktes, um überhaupt einen Gütertausch vonstattengehen zu lassen: „Das Individuum schreitet nur deshalb zum indirekten Tausch, weil ihm daraus Vorteil erwächst“ (ebd., S. 6). Bei indirekten Tauschgeschäften wird zwischen minder marktgängigen und marktgängigen Gütern unterschieden, weswegen die absatzfähigsten Güter zu allgemein gebräuchlichen Tauschmitteln wurden. Die so entstandene Struktur des Warenverkehrs führte dazu, dass die weniger marktfähigen Güter als Tauschmittel allmählich ausschieden, bis zuletzt das Geld als das gängigste Tauschmittel übrig blieb (ebd., S. 12).
Der deutsche Soziologe Georg Simmel (1858-1918) beschrieb in Philosophie des Geldes (2009, S. 59) den sozialen Aspekt des Tausches, bei dem die Tauschpartner erst um den Preis eines Opfers zum Ziel gelangen, wodurch der Tauschakt eine Gegenseitigkeit des sich Aufwiegens von objektiven und subjektiven Werten darstellt. Nach Simmel bekommt ein Tauschgegenstand erst dann einen Wert, wenn nicht nur sein Besitzer, sondern auch ein Anderer diesen nachfragt, ihm also Wert beimisst.
In der Literatur wird zwischen gutem und schlechtem Geld unterschieden, wobei gutes Geld einen hohen Edelmetallgehalt und schlechtes Geld einen niedrigen Edelmetallgehalt aufweist. Diese Unterscheidung geht auf den Bischof und Wissenschaftler des 13. Jahrhunderts Nicolas von Oresme zurück und wird nach dem Begründer der Londoner Börse, Sir Thomas Gresham, im Greshamschen Gesetz ausgedrückt: Schlechtes Geld wird von gutem Geld verdrängt, weil beide Arten nicht nebeneinander zirkulieren können (Macleod, 1894, S. 19). Gutes Geld, das im Einklang mit dem freien Markt produziert wurde, befördert den Handel zwischen den Menschen und kann daher als Frieden stiftendes Element gesehen werden (Polleit und von Prollius, 2010, S. 11). Schlechtem Geld wird unterstellt, dass es gegen diese Prinzipien verstößt, infolge dessen das arbeitsteilige Gemeinwesen zerstört und damit Wohlstand und Frieden gefährdet (ebd.).
Neben seiner Hauptfunktion als Tauschmittel werden dem Geld verschiedene Unterfunktionen zuerkannt, die sich aus der Hauptfunktion ableiten. So wurde die Funktion des gesetzlichen Zahlungsmittels durch Vorschriften gebildet, nach denen zur Begleichung von Geldschulden schuldbefreiende Zahlungen nur in der festgelegten Währung möglich sind. Das Bundesbankgesetz schreibt z.B. die Verwendung des Euro als das einzige uneingeschränkte Zahlungsmittel vor (§ 14, Absatz 1, Satz 2). Auch wenn der Geldgläubiger ein anderes Zahlungsmittel verlangt, muss er schließlich das gesetzlich vorgegebene akzeptieren (ebd.). Hingegen können bei Tauschgeschäften vom Geld abweichende Güter vereinbart werden.
Der US-amerikanische Ökonom der Österreichischen Schule der Nationalökonomie Murray Rothbard (1926-1995) formulierte in What Has Governments Done to Our Money? (1963, S. 17) sogenannte „Benefits of Moneý‘. Er stellte dar, dass seit dem ersten Moment, als Transaktionen mit Geld als Zahlungsmittel erfolgten, das Tausch-Verhältnis von Gütern zum Geld als Preis ausgedrückt werden konnte. Somit waren die Tauschpartner in der Lage, den Marktwert aller Güter untereinander zu vergleichen. Erst durch etablierte Preise konnte sich eine zivilisierte Bevölkerung entwickeln, der es möglich wurde, wirtschaftlich zu kalkulieren (ebd.).
Zwei weitere Unterfunktionen, die man dem Geld heute zugeschreibt, lauten „Geld als Wertmaßstab“ (Hardes und Uhly, 2007, S. 435) und „Geld als Wertaufbewahrungsmittel“ (Wildmann, 2010, S.118). Dem Begriff Wertmessung im Sinne von Geld als Wertmaßstab hielt Mises (1912, S. 16) entgegen, dass es sich vielmehr um ein subjektives Werturteil der Tauschwilligen handelt, das man nicht messen kann. Subjektive Werturteile müssten eher skaliert werden (ebd, S. 29). Rothbard (1963, S. 17) gab darauf folgende Einschätzung: „Money does not ,measure‘ prices or values; it is the common denomination for their expression. In short, prices are expressed in money; they are not measured by it“. Schon der Begründer der Nationalkökonomie der Austrian School, Carl Menger (1840-1921), schlussfolgerte in Principles of Economics (1871, S. 279-280), dass die Funktionen „Wertmaßstab“ und „Wertaufbewahrungsmittel“ dem Rohstoff Geld - im Sinne von Gold - nicht zuzuschreiben sind: „(...) it appears to me to be just as certain that the functions of being a ,measure of value‘ and a ,store of value‘ must not be attributed to money as such, since these functions are of a merely accidental nature and are not an essential part of the concept of money“ (ebd., S. 280). Zur fraglichen Funktion „Geld als Wertaufbewahrungsmittel“ verwies Menger auch auf das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens (ebd., S. 141-143), welches in diesem Kontext besagt, dass je mehr Geldeinheiten jemand hinzuverdient, umso geringer der Anwendungsnutzen des Geldes für ihn ist. Damit argumentierte er, dass es kein wertstabiles Geld gibt. Aus Mengers, Mieses’ und Rothbards Überlegungen kann man ableiten, dass die Begriffe Wertmaßstab und Wertaufbewahrungsmittel als Geldfunktionen nicht angemessen sind. Es hat sich offenbar eher eingebürgert, dass Geld einen Wert ausdrückt und von ihm grundsätzlich die Erwartung ausgeht, es würde zumindest einen Teil seines Wertes behalten. In den folgenden Kapiteln wird dies zu untersuchen sein.
2.2. Kaufkraft des Geldes und das Regressionstheorem
Die Bedeutung des Geldes geht vor allem auch von seiner Kaufkraft aus. Ursprung dieser Kaufkraft ist sein objektiver Tauschwert, also der Wert, den der Geldnutzen erzeugt (Mises, 1912, S. 93). Wie bei jedem Tauschgut entsteht auch die Kaufkraft des Geldes aus dessen Angebot an und der Nachfrage nach Geld (Polleit und von Prollius, 2010, S. 21). Da sich die Nachfrage nach Geld aus einem subjektiven Werturteil bildet, tritt dieses neben den objektiven Tauschwert - beide fallen quasi im Geld zusammen (Mises, 1912, S. 93). Die individuellen Verhältnisse des Nachfragenden und des Anbietenden sind im Laufe der Zeit Veränderungen unterwor- fen. So kann z. B. der Geld Nachfragende eine mehr oder weniger ausgeprägte Produktivität aufweisen, die seiner angebotenen Ware zugrunde liegt, während der Geld Anbietende durch Einkommensveränderungen einem entweder höheren oder geringeren Kostenbewusstsein unterliegt. Beide Seiten sind also individuellen Einflüssen ausgesetzt, die sich auf die Kaufkraft auswirken (Polleit und von Prollius, 2010, S. 21).
Im Folgenden ist zu klären, was es bedeutet, wenn Geld mehr oder weniger Kaufkraft besitzt und wie sich äußere Veränderungen auf diese auswirken. Kaufkraft drückt sich in der Anzahl von Gütern aus, die man für eine bestimmte Geldeinheit tauschen bzw. kaufen kann. Die Kaufkraft gibt daher die relative Stärke des Tauschguts Geld wieder, entweder mehr oder weniger Gegenleistung für dessen Einsatz erhalten zu können. Die entscheidende Betrachtungsgröße der Kaufkraft des Geldes ist der Preis einer Ware oder einer Leistung, der sich umgekehrt proportional zur Kaufkraft verhält. Steigende Preise verringern die Kaufkraft des Geldes und umgekehrt. Ausgehend vom Einfluss durch Angebot und Nachfrage gilt: Je mehr Waren angeboten werden, umso weniger relative Nachfrage der GeldAngebotsseite steht diesen gegenüber - die Warenpreise fallen. Andererseits wirkt es sich preiserhöhend auf eine gegebene Menge an Waren aus, je mehr Geldmenge um die Warenmenge konkurriert. So haben zunächst Waren- und GeldMengenangebot einen Einfluss auf den Preis und somit auf die Kaufkraft.
Auch die individuelle Konsumneigung hat einen Einfluss auf die Preisentwicklung: Angenommen, innerhalb einer Volkswirtschaft entscheiden sich mehrere Geldhalter bei einer gleichbleibend umlaufenden Geldmenge, weniger Geld zu sparen, sondern mehr zu konsumieren - also einen (temporär) höheren Anteil ihres Geldes gegen Waren einzutauschen. Sofern die angebotene Warenmenge gleich bleibt, erhöht das die relative Nachfrage durch die Geldhalter nach Waren - der Warenangebotspreis steigt (Polleit und von Prollius, 2010, S. 26). Wenn die Einkommenshöhe aller Geldhalter nicht in gleicher Relation Schritt hält, hat sich damit die Kaufkraft verringert. Da eine erhöhte Konsumneigung unter Annahme gleichblei- bender Einkommen auf einem begrenzten Geldvermögen der Halter basiert und auch die Kreditbereitschaft zur Finanzierung des steigenden Konsums unter Marktverhältnissen eines gedeckten Geldes limitiert bleibt, wird ein Mehrkonsum nur temporär auftreten können (ebd.). Daraus folgt, dass trotz unveränderter Geldmenge und gleichbleibenden Einkommens Kaufkraftschwankungen auftreten können.
Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es von Interesse, die Kaufkraft des Geldes sowohl mit zeitlichem als auch mit Währungs- oder Länder-regionalem Bezug zu vergleichen. Der Vergleich der Kaufkraft- bzw. Preisentwicklung zeigt, wie sich der objektive Tauschwert des Geldes im Zeitverlauf ändert und welche Unterschiede je Geldwährung dabei auftreten. Alle Preise einer Volkswirtschaft werden zusammen als Preisniveau gemessen und durch Indizes, wie dem Konsumentenpreisindex, zur Gewinnung von Datentransparenz ausgedrückt (Polleit und von Prollius, 2010, S. 22). Anhand der Indizes ist es möglich, Kaufkraftunterschiede und relative Preisveränderungen darzustellen, um darauf basierend Ursachenanalyse zu betreiben. Preisindizes werden durch die Zusammenfassung von Konsumgüterpreisen in einem Warenkorb abgebildet. Steigt oder fällt im Zeitverlauf der Gesamtpreis des Warenkorbs, so liefert dies Informationen über die Veränderung des Preisniveaus (ebd.).
An späterer Stelle wird auf Anlässe staatlicher Bestrebungen eingegangen, die Geldmenge in einer Volkswirtschaft zugunsten von Preisstabilität als wirtschaftspolitische Zielstellung individuell zu steuern. Mit Blick auf die Kaufkraft des Geldes ist jedoch schon jetzt festzuhalten, dass jene durch Geldmengenänderung im Wirtschaftskreislauf maßgeblich beeinflusst wird. Erhöht sich die Geldmenge in einer Volkswirtschaft, reduziert sich die Kaufkraft des Geldes. Verringert sich die Kaufkraft, reduziert dies den objektiven Nutzen für den Geldhalter. Rechtlich betrachtet wird dadurch das Eigentum am Vermögen des Geldhalters beeinträchtigt. Da dieser den Schaden gegen den Verursacher weder geltend machen, noch einen Schadenersatz durchsetzen kann, stellt die Ausweitung der Geldmenge eine Vermögensumverteilung durch Kaufkraftreduzierung zu Lasten der Geldhalter und zugunsten anderer Empfänger dar.
Weshalb Menschen Geld nachfragen und für künftige Zwecke halten, beschreibt das Regressionstheorem nach Ludwig von Mises. Hierzu untersuchte er in Theorie des Geldes und der Umlaufmittel (1912, S. 107-110) die Herkunft der Kaufkraft des Geldes. Zunächst stellte er fest, dass Preise aus subjektiven Wertschätzungen zwischen den Tauschpartnern einer Ware resultieren. Dabei bilden sie sich in einer Zone, wo sich Angebot und Nachfrage quantitativ ausgleichen. Durch die subjektive Wertschätzung der Tauschpartner entstehen Geldpreise, wobei sich der (subjektive) Gebrauchswert von Geld aus dem anzunehmenden Gebrauchswert der für das Geld anzuschaffenden Güter ergibt. Anschließend führte Mises aus, dass sich der Gebrauchswert der Ware Geld an dem Grenznutzen der für das Geld einzutauschenden Waren bemisst. Eine Schätzung des subjektiven Geldwertes könne nur unter der Annahme eines objektiven Tauschwertes erfolgen - das stellt schließlich die Verbindung zwischen nutzlosem Geld und einer möglichen Bedürfnisbefriedigung her. Der Geldnutzen ergibt sich demnach aus der Annahme, dass Geld eine objektive Kaufkraft besitzt. Sie leitet sich von dem marktgängigen Austauschverhältnis von Gütern zum Geld ab und erlaubt es, nicht nur für Vergangenheit und Gegenwart, sondern auch einen Nutzen für die Zukunft zu erwarten. Das bewegt den Empfänger von Geld dazu, dieses für künftige Anlässe zu behalten.
Der Geldwert als Kaufkraft erklärt sich, indem man auf seinen erstmaligen Verwendungszweck zurückgeht, wonach Gold als Ware bzw. Rohstoff einer Bedürfnisbefriedigung diente. Als die Ware Gold vom Empfänger nicht für den unmittelbaren Gebrauch, sondern als künftiges Tauschmittel erworben wurde, erfolgte zum ersten Mal auch die Schätzung des objektiven Tauschwerts durch den Erwerber. Somit trat neben den Handel des Goldes zu produktiven Zwecken auch ein Handelsziel zu Tauschzwecken, was nun zusätzlich den Goldwert für den Geldgebrauch beeinflusst hat (ebd., S. 110). Mieses hat damit nachgewiesen, dass ursprüngliches Geld einen inneren Tauschwert besitzt und somit über intrinsische Kaufkraft verfügt.
Beim Übergang der Natural- in die Geldwirtschaft (Polleit und von Prollius, 2010, S. 31) waren Tauschpartner erstmals bereit, Geld anzunehmen, es zu halten und für künftige Tauschzwecke wieder einzusetzen. Eben aufgrund dieses Erfahrungswertes sind sie auch heute und künftig bereit, Geld anzunehmen und zu halten (ebd.). Mises widerspricht damit der gegenwärtig etablierten Geldtheorie, die einen Bedeutungsunterschied für die Kaufkraft zwischen gedecktem und ungedecktem Geld nicht anerkennt.
2.3. Formen des Geldes
Natural- bzw. Sachgeld ist sowohl selbst eine Ware als auch Tauschmittel. Hülsmann (2007, S. 38) nennt jede Art von Geld, das durch freiwillige Kooperation zustande kommt, „natürliches Geld“. Wie ausgeführt, hat es seinen Ursprung in Rohstoffen oder Waren, die als Tauschmedium Verwendung fanden, bis sich daraus schließlich Sachgeld als indirektes Tauschmittel etablierte. Der schottische Nationalökonom Adam Smith (1723-1790) schrieb hierüber 1776 in An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (deutsche Übersetzung 1999, S. 106): „In allen Ländern (...) dürften die Menschen schließlich durch unwiderlegliche Gründe bewogen worden sein, zu diesem Zweck Metallen den Vorzug vor jedem anderen Gut zu geben. Metalle lassen sich nicht nur mit ebenso geringem Verlust wie jede beliebige andere Ware aufbewahren, da es kaum etwas weniger leicht Verderbliches gibt als sie, sondern sie lassen sich überdies ohne Verlust beliebig teilen (...)“. Geld, in Form von Gold und Silber, wurde das absatzfähigste indirekte Tauschmittel, wobei die Wahl zwischen beiden Edelmetallen aufgrund ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften und ihrer auffälligen Erscheinung schwankte (Mises, 1912, S. 8). Warum gerade Gold und Silber gesellschaftliche Akzeptanz als Geld fanden, liegt offenbar an einem allmählichen Prozess, in dem immer mehr Marktteilnehmer individuell entschieden, diese beiden Edelmetalle - und nicht irgendwelche anderen Naturalien - zu verwenden (Hülsmann, 2007, S. 37). Zu den mutmaßlichen Entscheidungsgründen für Gold und Silber schrieb Simmel (2009, S. 82): „Alle Brauchbarkeit ist (..) nicht imstande, zu wirtschaftlichen Operationen mit dem Gegenstande zu veranlassen, wenn sie nicht Begehrtheit desselben zur Folge hat.“ Damit bringt er zum Ausdruck, dass neben dem Nutzgewinn die Entscheidung von der besonderen Anmutung beider Metalle geleitet wurde - was neben ihrer Seltenheit der wohl entscheidende Grund sein dürfte, warum sie seit Jahrtausenden auch zu Schmuck und Ziergegenständen verarbeitet werden.
Die ersten Goldmünzen gleicher Größe, mit einheitlichem Wert und einheitlicher Prägung sollen Mitte des siebenten Jahrhunderts vor Christi auf der Insel Mykene geprägt worden sein (Walker, 2009, S. 10-11). Über die alten Griechen haben vermutlich die Römer schließlich das Metallgeld kennen gelernt (ebd., S. 16). Aus einem Pfund Feinsilber wurden im alten Rom 84 Denare geprägt, wobei das römische Pfund etwa 370 g entsprach. Aus diesem System geht die noch heute geltende Maßeinheit Unze hervor, was einem Zwölftel des damaligen römischen Pfunds gleichstand (ebd.).
Das Papiergeld haben vermutlich die Chinesen erfunden (Weimer, 1994, S. 74). Hülsmann definiert Papiergeld als ein beidseitig bedrucktes Papier, wobei die Material- und Druckkosten erheblich unter denen der Münzherstellung lägen (2010, S. 45). Ein weiterer „vermeintlicher Vortei" bestehe darin, dass die Mengen des Papiergelds leicht verändert werden können, um dem Bedarf des Handelsaufkommens gerecht zu werden oder den Wert der Geldeinheit zu stabilisieren (ebd., S. 45). Gerade die Möglichkeit der variablen Mengengestaltung wird aufgrund der Entwicklungsdynamik des Geldwesens in den letzten Jahren nicht nur von den Vertretern der Österreichischen Schule kritisch betrachtet. Mises (1912, S. 44-45) bezeichnet Papiergeld als „ein Stück Papier, das durch einen von einem gesellschaftlichen Organ vorgenommenen Aufdruck besonders qualifiziert wurde“ und bei dem der aufgedruckte Stempel den Ausschlag gibt (ebd., S. 48). Er nennt es daher auch „Zeichengeld‘ (ebd., S. 45). Das Entstehungsprinzip von Banknoten beschrieb Hübner (1858, S. 7) zeitgenössisch so, dass ein Käufer von einem Verkäufer eine Warenauslieferung nur erhielt, wenn er von seinem Banker eine wünschenswerte Bescheinigung ausgehändigt bekam, dass er Geld bei seiner Bank zur Verfügung hat. Da aber diese Bescheinigung nicht belegen konnte, dass der Geldhinterleger über seine Einlage nicht bereits verfügt hatte, musste eine sicherere Form gefunden werden, auf die dem Einreicher der vom Banker vermerkte Betrag verbindlich ausgezahlt werden konnte (ebd.). Nachdem für diese Bescheinigungen eine gewisse Fälschungssicherheit erreicht war, etablierte sich der Gebrauch erster Banknoten. In der Folgezeit wurde die Rechtsnatur von Banknoten mit der von Sichtwechseln verglichen, weil beide bei Vorlage eine unmittelbare Fälligkeit „zur Lieferung von barem Gelde“ (ebd., S. 9) aufweisen. Hübner unterschied dabei zwischen dem Sichtwechsel einerseits als einen „Auftrag zur Lieferung und der Banknote andererseits als einen „stets künd- und zahlbaren Lieferschein auf bares Geld“ (ebd.) und bezeichnete in dem Zusammenhang die ungedeckte Ausgabe von Banknoten als „Spekulation“, „Spiel“oder „Wette“.
Als eine vom Sach- und Papiergeld abgeleitete Form ist das Kreditgeld einzuordnen (Hülsmann, 2010, S. 43). Es stellt eine Forderung gegen private oder juristische Personen dar. Der Unterschied zum Papiergeld besteht laut Mises (1912, S. 45) darin, dass die Forderung nicht jederzeit fällig ist und ebenso wenig gesichert sein muss. Anders als beim Sachgeld, das aus sich heraus einen intrinsischen Wert verkörpert, wird beim Kreditgeld eine künftig fällig werdende Forderung als Tauschmittel verwendet (ebd., S. 48). So kommt bei einem indirekten Tausch ein bestehender Forderungstitel als Tauschgut zum Einsatz. Kreditgeld könnte entstanden sein, indem ein Warenerwerber dem Lieferanten statt Geld einen ihm bereits vorliegenden Schuldschein eines Dritten mit zeitlich versetzter Einlösbarkeit übergab. Weil dem Dritten die spätere Zahlungsfähigkeit geglaubt wurde, nahm der Lieferant den Schuldschein als Kreditgeld an. Wenn nun dieser bei Fälligkeit nicht eingelöst wurde, hatte der Lieferant das Kreditrisiko des Dritten zu seinen Lasten zu realisieren - der Schuldschein war wertlos. Kreditgeld spielt naturgemäß bei Geschäftsbanken eine ausgeprägte Rolle. Ausgehend von dem Ansatz der Currency School1, der nur für umlaufende Banknoten eine Deckungspflicht unterstellt, ist es Geschäftsbanken im Sinne des Teilreservesystems2 erlaubt, auf Basis ihrer Depositen3 Kreditgeschäfte zu betreiben. Weil Depositen als täglich fällige Einlagen jederzeit vom Deponenten verfügt werden können, ist das heutige Kreditgeld als ungedecktes Geld anzusehen. Die Bank als Emittent des Kreditgelds erzeugt mit der Kreditvergabe ein eigenes Liquiditätsrisiko, weil die Rückzahlung der Kreditforderung zeitlich versetzt ist, hingegen der Deponent über seine Depositen täglich verfügen darf. Dieses Risiko kann bei fehlender Liquiditätsdeckung zur Zahlungsunfähigkeit der Bank führen, wonach die Depositen nicht mehr vollständig zur Auszahlung bereitstehen. Analog zu der Emission von ungedeckten Banknoten stellt die ungedeckte Kreditgeldschöpfung im Sinne der Österreichischen Schule eine der wesentlichen Wurzeln von Finanzkrisen und wirtschaftlichen Rezessionen dar (de Soto, 2011, S. 499).
Schließlich ist das Buchgeld im Geldbegriff einzuordnen, wobei die Ausführungen zum Kreditgeld ebenso für Buchgeld gelten. Alternativ wird Buchgeld auch als Gi- ralgeld bezeichnet. Buchgeld beinhaltet alle Gelddepositen bei Banken, über die der Deponent täglich verfügen kann. Damit stellt es einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Deponenten gegenüber der Depositenbank auf die Auszahlung von Banknoten und Münzen dar. Obwohl Buchgeld kein gesetzliches Zahlungsmittel im Sinne des Bundesbankgesetzes ist und damit keine gesetzliche Annahmepflicht existiert, ist es aufgrund der allgemeinen Akzeptanz die Grundlage zur Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Der ursprüngliche Begriff Buchgeld stammt von den Kontenbüchern ab, die zur jeweiligen Verbuchung der Auszahlungsansprüche dienten. Zum Beispiel zeugen Archivaufzeichnungen der Medicibank von 1442 davon, dass Depositen von Bankkunden schriftlich in Kontenbüchern notiert wurden (de Soto, 2011, S. 50). Seit dem 20. Jahrhundert erfolgt die Verbuchung von Depositen im Rahmen der Elektronischen Datenverarbeitung. Somit findet Geldschöpfung durch Kreditgeld faktisch ohne produktiven Aufwand in Form von Bits und Bytes statt - ein großer Anteil des umlaufenden Geldes ist seitdem zu einer „stofflosen“ Information expandiert (Bundesbank 2011, Begriff und Aufgaben des Geldes, S. 17).
3. Geldproduktion und wirtschaftliche Effekte im Fiat-Geldsystem
3.1. Übergang vom Markt- bzw. Sachgeld zum staatlichen Angebotsmonopol
In Europa wurden Banknoten vermutlich erstmals 1483 in Spanien zum vorübergehenden Ersatz für fehlendes Münzgeld eingeführt, und 1661 wurde mit der Gründung der Bank von Schweden eine sogenannte „Zettelbank1 (Hübner, 1858, S. 3) - die somit erste Staatsbank der modernen Welt (de Soto, 2011, S. 74) - etabliert. Nach dem Vorbild der Bank von Amsterdam nahm diese zunächst 1656 als „Stockholms Banco“ ihren Betrieb als Depositen- und Darlehensbank auf. Die Regierung musste das als Privatbank gegründete Haus jedoch bald verstaatlichen, weil es das Einlagengeschäft nicht, wie seinerzeit rechtlich vorgesehen, als System der vollen Reservedeckung, getrennt vom Darlehensgeschäft, betrieb. Mit der staatlichen Übernahme etablierte sich eine ausgeprägte Gepflogenheit zur Ausgabe von „Depositenbelegen“, die in höherem Umfang als entsprechende Einlagen entgegengenommen wurden (ebd., S. 74). Somit entstand die Praxis der Banknotenausgabe und insbesondere jene, mehr Banknoten durch Kreditvergabe in den Umlauf zu bringen, als Einlagen bei der Bank bestanden. 1694 erfolgte die Gründung der Bank of England als Regierungsbank zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben. Sie wurde zur exklusiven Emission von Banknoten privilegiert und diente neben der Aufgabe als Depositenbank als systematischer Vorschussgewährer an die Staatskasse (ebd., S. 75). Die Praxis dieser ungedeckten Finanzierungsaktivität führte dazu, dass sie ihre Zahlungen mehrmals einstellen musste. Folglich wurde 1797 in Großbritannien verfügt, Depositen nicht mehr in bar auszahlen zu dürfen und Steuern wie Schulden mit den von der Bank herausgegebenen Noten zu zahlen, was den Beginn eines auf Teildeckung beruhenden Banksystems mit einem zentralen Kreditgeber letzter Instanz - der Notenbank - ausmachte (ebd. S. 76).
Besondere Bedeutung für die systematische Papiergeld-Einführung hatte die von John Law (1671-1729) mit Genehmigung des französischen Regenten gegründete Banque Générale. Law überzeugte den Regenten, mit dem als Notenbank konzipierten Bankhaus staatliche Maßnahmen durch die Depositen der Bank zu finanzieren (ebd.). Auch hier spielte sich das Szenario einer ungedeckten Bevorschussung staatlicher Interventionen und sonstiger Ausgaben ab, was zu einem künstlichen Wirtschaftsaufschwung durch massenhafte Ausgabe ungedeckter Banknoten führte. Die 1718 verstaatlichte Bank entfachte umfangreiche Börsenspekulationen auf die fortschreitende Kolonialisierung französischer Territorien in Amerika, was binnen kurzer Zeit zu einer Vervierfachung aller umlaufenden Banknoten und Aktien gegenüber der zuvor bestehenden Menge an Gold- und Silbermünzen führte (Polleit und von Prollius, 2010, S. 93). Nachdem diese Proportionen durch erhebliche Teuerungen offensichtlich wurden, sind die Aktien zu gesetzlichen Zahlungsmitteln erklärt und ein Ausfuhrverbot von Gold und Silber erlassen worden (ebd., S. 93). Infolge der massiven, schmerzhaften Verluste entwickelte sich das Wort „Bank“ zum Synonym für „Betrug“ (de Soto, 2011, S. 77).
Nachdem sich neben mehreren europäischen Ländern besonders in England infolge des staatlich etablierten Papiergelds starke Geldmengenausweitungen, künstliche Wachstumsblasen, Teuerungen, Umverteilung von Volksvermögen einschließlich erheblicher Schäden durch Bankkonkurse abspielten, wurde unter dem britischen Premierminister Robert Peel (1788-1850) im Jahr 1844 für Großbritannien der Bank Charter Act ratifiziert (ebd.). Damit setzte sich die Currency School von David Ricardo (1772-1823) gegen die Banking School4 durch (ebd., S. 338). Es folgte ein Ausgabeverbot von nicht durch Gold gedeckten Banknoten; das staatliche Notenbankwesen wurde gleichfalls als Geldmonopol legitimiert (ebd.). Aus Sicht der Österreichischen Schule wird dem Peelschen Bankgesetz entgegen seinen guten Absichten und fundierten theoretischen Grundlagen der Fehler unterstellt, dass sich die Golddeckungserfordernisse nicht auf Depositen erstreckten (Huerto de Soto, 2011, S. 440). Infolge dessen konnten von nun an Banken die Geldmenge durch die Gewährung neuer Darlehen und damit Schaffung neuer Depositen „ex nihilo5 “ expandieren (ebd.).
3.2. Das heutige Fiat-Geldsystem
FIAT-Money6 ist Geld, das aus dem Nichts erschaffen und nicht mit realen Werten hinterlegt wird. Eine Einlöseverpflichtung auf Gold, Silber oder sonstiges Sachgeld existiert nicht mehr. Demzufolge werden per Gesetz Zahlungsmittel ohne intrinsischen Wert erzeugt. Die gesetzlichen Grundlagen beinhalten im jeweiligen Währungsterritorium zwei Dimensionen: Einerseits das alleinige Recht der Zentralbanken für die Geldschöpfung und andererseits die alleinige Geltung der etablierten Währung als Zahlungsmittel. So ist zum Beispiel im Gesetz über die Bundesbank im Paragraph 14 (1) deren ausschließliches Recht geregelt, Banknoten in ihrem Geltungsbereich auszugeben: „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmitteľ. Weil Staaten das Geldausgaberecht in der Regel auf Zentralbanken übertragen haben, erlaubt es diesen, die Geldmenge nach Belieben auszuweiten. Ihnen wird dabei zwar eine gesetzliche Unabhängigkeit für ihre geldpolitischen Entscheidungen eingeräumt (Wagner, 2004, S. 146147). Bagus (2010, S. 67) stellt dazu hingegen fest, dass Zentralbanken zwar „unabhängig“ gestaltet sind, dem jedoch deren Kauf von Staatsbonds und Gewinnausschüttungen - zurück an den Staat - entgegenstehen. Zwischen der EZB und der FED bestünden nur geringe Unterschiede: Während Erstere die Preisstabilität zuerst im Fokus hat und erst dann wirtschaftspolitische Ziele verfolgt, möchte die FED Preisstabilität und Wachstumsziele gleichermaßen absichern (ebd., S. 69). Inwieweit Zentralbanken hinsichtlich staatlicher Einflussnahme nachhaltig autark bleiben, dürfte demnach von makroökonomischen Parametern, wie z.B. Arbeitslosigkeit, Steuereinnahmen, BIP-Wachstum, und andererseits der Konsistenz demokratischer Strukturen abhängig sein. Cukierman hat hierzu einen Unabhängigkeitsindex entwickelt und macht das Ranking der Zentralbanken durch Befragung transparent; dabei verwundert es nicht, dass erhebliche Abhängigkeitsunterschiede offenkundig werden (1992, S. 371 ff.). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Mengensteuerung von FIAT-Money nicht von den Marktmechanismen, sondern politischen Intentionen bestimmt wird (die durch die Zentralbanken umgesetzt werden). Nach Mises hat das direkte Auswirkungen auf die Kaufkraft, da sich jene aus dem Verhältnis zwischen der Nachfrage nach Geld und dem Angebot an Geld bestimmt (1948, S. 221).
Mit dem Peelschen Bank Charter Act wurde 1844 in Großbritannien ein Zentralbankmonopol mit Teilreservesystem geschaffen, welches in den kommenden Jahrzehnten weltweit Schule machte. Obwohl die Bank of England bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs die Banknotenausgabe mit den vorhandenen Goldreserven limitierte, konnten Privatbanken nun offiziell Geldschöpfung betreiben, indem neue Kredite zur Erhöhung von Depositen führten.
[...]
1 Currency School: Disziplinierung der Geldpolitik durch allgemeine Regeln und Prinzipien für Bankiers und Zentralbanken. Geldtheorie, nach der im Gegensatz zur Banking-Theorie nur Banknoten - und nicht Depositen - zu der zu deckenden Geldmenge zählen (weil man die Wirkung von Depositen verkannte) und die Ausgabe von Bargeld unter ein staatliches Monopol der Zentralbanken zu stellen ist (de Soto, 2011, S. 422-441)
2 Teilreservesystem: Depositen werden als Refinanzierungsquelle für Bankkredite herangezogen; vor dessen Etablierung waren Depositen und Darlehen rechtlich voneinander zu trennen, das heißt, Depositen fielen nicht in die Insolvenzmasse einer Bank (de Soto, 2011, S. 494)
3 Depositen: lateinisch „depositum“ = bewegliches Gut, zur Aufbewahrung deponiert
4 Banking School: Uneingeschränkte Handlungsfreiheit für Banken und Zentralbanken. Vertreter der Sichtweise, dass die ungedeckte Kreditausweitung keine negative Wirtschaftsauswirkung hat, weil sie nur abgerufen würde, wenn die Wirtschaft sie braucht. Dennoch hatte die Banking School die Auffassung, dass Bargeld, Papiergeld und Depositen die selbe Wirkung haben, aber präferierten im Gegensatz zur Currency School kein staatliches Emissions-Monopol von Banknoten (de Soto, 2011, S. 422-441).
5 Ex nihilo: lateinisch - aus dem Nichts
6 FIAT-Money bedeutet sinngemäß: Es werde Geld; abgeleitet von dem lateinischen Bibelausspruch „Fiat Lux“ - „Es werde Licht“ (Gen 1,3).
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.