Der Film Frost/Nixon (R: Ron Howard, USA 2008) verarbeitet einen der bekanntesten Momente der Fernsehgeschichte: Die Serie von Interviews, die der englische Talkshow-Host David Frost mit dem ehemaligen Präsidenten Richard Nixon nach der Watergate-Affäre führte. Frost schaffte damals, was Jurisdiktion und Presse misslang: Nixon ein öffentliches Schuldeingeständnis zu entlocken, verbunden mit der Bitte um Vergebung.
Sam Rockwell alias James Reston Jr. spricht diese Sätze am Ende des Films in einem Interview. Es ist eine typische Interview-Situation. Rockwell sieht knapp an der Kamera vorbei, er selbst ist im Bild mittels Tiefenschärfe stark freigestellt.
Verschnitten wird dieses Interview mit Bildern von Frank Langella, der den Präsidenten Richard Nixon verkörpert, genauer gesagt, mit der bekannten Nahaufnahme des Gesichtes Nixons nach dessen Schuldeingeständnis. Interessant hierbei ist, dass eben diese Einstellung wenige Sekunden zuvor schon einmal zu sehen war. Das zweite Mal jedoch sehen wir die Aufnahme durch einen für jene Zeit typischen Röhren-Fernseher. Das Bild ist also ein anderes.
Doch wie ist diese Andersartigkeit beschaffen? Frost/Nixon soll an dieser Stelle als eine Art Ouvertüre fungieren, welche auf einem in meinen Augen sehr hohen Niveau zu einem neu zu führenden Diskurs über Qualität und Organisation des Dokumentarischen in unseren digitalen Bildwelten beiträgt. Frost/Nixon bedient sich zweifelsohne einer noch näher zu untersuchenden dokumentarischen Ästhetik. Meine These in diesem Zusammenhang lautet, dass trotz – oder auf Grund – einer in den letzten fünfzig Jahren immer weiter vorangeschritten Destabilisierung des Bildes, die Inszenierungsstrategien des Dokumentarischen, des Pseudo-Realen ausgefeilter sind als je zuvor.
Im folgenden möchte ich zunächst unter einer diskursgeschichtlichen Perspektive den Zeichenstatus des kinematographischen Bildes1 beleuchten, verbunden mit einer Reihe von Überlegungen zum gegenwärtigen Repräsentationsverhältnis digitaler Bildwelten. Darauf folgend sollen anhand der Filme Bloody Sunday (R: Paul Greengrass, Großbritannien/Irland 2002) und Children of Men (R: Alfonso Cuarón, USA/Großbritannien 2006) ausschnittsweise konkrete filmische Gestaltungs-Mechanismen untersucht werden, die sich einer Ästhetik des Dokumentarischen zuordnen lassen, um am Ende der Arbeit auf den Begriff des Dokumentarischen bzw. des Dokuments selbst zu sprechen zu kommen.
Inhaltsverzeichnis
- Von der Mimesis zum Index
- Das digitale Bild als Collage
- Ästhetik des Dokumentarischen
- Bibliographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Konstruktion des Dokumentarischen in digitalen Bildwelten und untersucht, wie sich die Digitalisierung auf die Ästhetik und den Zeichenstatus des filmischen Bildes auswirkt. Sie analysiert verschiedene filmische Gestaltungsmechanismen, die eine dokumentarische Ästhetik evozieren, und beleuchtet die Rolle des Zuschauers in der Interpretation von Bildern als Dokumente.
- Die Veränderung des Zeichenstatus des kinematographischen Bildes durch die Digitalisierung
- Die Bedeutung von Indexikalität und Glaubwürdigkeit in digitalen Bildwelten
- Die Rolle von Codes und Setzungen in der Konstruktion einer dokumentarischen Ästhetik
- Die Analyse von filmischen Beispielen wie BLOODY SUNDAY, CHILDREN OF MEN und FROST/NIXON
- Die Bedeutung des Zuschauers als Produzent von Bedeutung im Kontext des Dokumentarischen
Zusammenfassung der Kapitel
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Das Kapitel "Von der Mimesis zum Index" beleuchtet die diskursgeschichtliche Entwicklung des Zeichenstatus des kinematographischen Bildes. Es wird die These von der Photographie als indexikalischem Zeichen nach Philippe Dubois diskutiert und die Frage gestellt, wie sich die Digitalisierung auf diese Auffassung auswirkt. Der Autor argumentiert, dass die Digitalität des Bildes nur dann von Interesse ist, wenn die indexikalische Beziehung zwischen Bild und repräsentiertem Objekt verändert, zerstört oder unsicher ist.
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Das Kapitel "Das digitale Bild als Collage" widmet sich dem modularen Aufbau des digitalen Bildes. Es wird die These von Lev Manovich diskutiert, dass das digitale Kino eine Rückkehr zu den pro-kinematographischen Techniken des 19. Jahrhunderts darstellt. Der Autor argumentiert, dass das digitale Bild zwar Elemente des manuellen Moments beinhaltet, jedoch nicht als ein "gemaltes" Bild im wörtlichen Sinne verstanden werden kann. Er betont die Bedeutung von Compositing-Programmen und die collageartige Struktur des digitalen Filmbildes.
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Das Kapitel "Ästhetik des Dokumentarischen" untersucht die Bedeutung von Codes und Setzungen in der Konstruktion einer dokumentarischen Ästhetik. Der Autor argumentiert, dass der dokumentarische Status eines Bildes nicht länger primär auf dessen ontologischen Zeichenstatus fußt, sondern durch eine Reihe von Setzungen bestimmt wird. Er analysiert filmische Beispiele wie BLOODY SUNDAY, CHILDREN OF MEN und FROST/NIXON, um die verschiedenen Codes (medialer, technischer und kultureller Natur) zu veranschaulichen, die eine dokumentarische Ästhetik evozieren.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das Dokumentarische, die Digitalisierung, die Ästhetik des Filmbildes, Indexikalität, Glaubwürdigkeit, Codes, Setzungen, filmische Gestaltungsmechanismen, BLOODY SUNDAY, CHILDREN OF MEN, FROST/NIXON, und der Zuschauer als Produzent von Bedeutung.
- Citar trabajo
- Florian Norbert Bischoff (Autor), 2010, Die Semiotik des digitalen Kinos . Die Ästhetik des Dokumentarfilms im Spielfilm, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192912
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