Vier zuvor eingeteilte Gruppen präsentieren verschiedene Sichtweisen auf den NATO-Doppelbeschluss, die bereits auf den Computer übertragen wurden und anschließend als Kopie ausgeteilt werden. Sie verknüpfen die inhaltlichen Aussagen und Forderungen mit dem Rückbezug auf den Kontext ihrer Entstehung und vertiefen somit die Auseinan-dersetzung mit der Wettrüstproblematik. Anschließend diskutieren sie selbstständig und diskurshaft die Legitimität bzw. Tragweite der 1977 initiierten und 1983 beschlossenen Regelungen auf der Sach- und Werturteilsebene.
ENTWURF
0. Individuelle Kompetenzschwerpunkte des Lehrenden
Die vorliegende Stunde ist die elfte der Unterrichtsreihe und schließt zugleich die Sequenz zum Wettrüsten im Kalten Krieg ab. Bisherige Erkenntnisse sollen besprochen und mit dem zuvor erarbeiteten Hintergrund-wissen verknüpft werden, um kriteriengeleitet und sachgerecht darüber diskutieren zu können. Im Zuge pla-nerischer Reflexion und der intendierten Unterrichtsgestaltung soll deshalb besonders bei der mündlichen Auswertung der Arbeitsergebnisse und der Diskussion im Plenum darauf geachtet werden, dass die SuS zwischen Sach- und Werturteil unterscheiden, sich dem Sachgegenstand argumentativ sowie ihrem Kenntnis-stand angemessen nähern und schließlich begründet Stellung zur gesellschaftspolitischen Kontroversität des NATO-Doppelbeschlusses und seines Kontextes beziehen können.
Für die Phase nach der Präsentation der Gruppenergebnisse ist kein schriftliches Produkt vorgesehen. In der eine knappe halbe Stunde einnehmenden Problematisierungsphase liegt der Schwerpunkt auf der mündli-chen, diskursiven Urteilsabgabe. Da die Gruppenarbeit (von der 10. zur 11. Stunde als Beamer-Präsentation und Zusammenfassung auf Papier [AB 3] festgehalten) und problematisierende, weiterführende Meinungen zusammen mit der Übersicht der Rüstungsbegrenzungsabkommen (AB 4) bereits im Vorfeld verschriftlicht wurden, kommt der Interaktion innerhalb des Plenums die zentrale Rolle der Stunde zu. Sie so wenig wie möglich zu lenken oder zu unterbrechen und mit gezielten Impulsen und dezenter Moderation am Laufen zu halten ist der für mich als Lehrperson angestrebte Kompetenzschwerpunkt. Dabei werde ich versuchen, bei stockendem Gesprächsfluss gezielt auf Kommentare und Überlegungen einzugehen, sie zu hinterfragen und damit auch meine Interaktionsfähigkeit innerhalb von Diskussionen auf den Prüfstand stellen.
1. Thema der Unterrichtsreihe und Themen der einzelnen Stunden
Thema der Unterrichtsreihe
Der Ost-West-Konflikt in Deutschland - Abbild der weltweiten Blockbildung?
Thema der Stunde
Der NATO-Doppelbeschluss - Kriegstreiberei oder Friedenssicherung?
Tabellarische Auflistung der Unterrichtsreihe
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2. Kompetenzen und Standards
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1 Individueller Kompetenzstand
Die im Folgenden kurz verwendete, im Berliner Fachseminar Großfach Kunst (Schönherr, 30. 04. 2008) erarbeitete Diagnosematrix bietet eine leicht handhabbare Zugangsweise, um einen Überblick bzgl. verschiedener Leistungsstände von drei ausgewählten, repräsentativen SuS zu schaffen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Von den drei das Leistungsspektrum der Klasse verdeutli-chenden SchülerInnen weist … das größte Steigerungspo-tential hinsichtlich der angeführten Kompetenzen auf. Seine fachlichen Fertigkeiten liegen in sowohl rezeptiver als auch produktiver Hinsicht unter dem Durchschnitt der Klasse, wobei der Ausbau lückenhafter Sachkenntnisse durch noch geringer ausfallendes methodisches Wissen erschwert wird. Die individuellen Lernstrategien sind wenig selbstgelenkt, weshalb auch die inhaltlichen Beiträge selten weiterführend ausfallen. In kooperativen Lernformen hält sich … weniger stark zurück und bringt sich öfter ein.
… weist im Unterricht einen hohen Sprechanteil auf, der aber häufig nicht weiterführend ausfällt. Ihr Engagement schwankt oft, ist aber durchgängig vorhanden. Besonders in der Gruppenarbeit entwickelt sie Initiative und motiviert andere SuS. Von ihr erworbene Lernstrategien müssen allerdings immer wieder effektiv verwendet und wiederholt werden, um die reflexiven und produktiven Kompetenzen auszubauen. Nach Einzelgesprächen hat sie sich nun vorgenommen, ihre Redebeiträge sorgfältiger vorzubereiten und die qualitative Komponente mehr zu berücksichtigen.
… lässt seine umfangreichen Kenntnisse, ein sicheres fachmethodisches Wissen und konstruktive Beiträge auch quantitativ sehr häufig in Unterrichtsgespräche einfließen. Erfolgreiche Lernstrategien nützen nicht nur ihm selbst, sondern in kooperativen Lernphasen auch seinen Mitschülern, die sich seinem teils einschüchternd wirkenden Engagement und Auftreten noch zu leicht unterordnen. Aufgrund seines politischen Interesses bringt ... oft auch neue Impulse in Gesprächsverläufe ein, die dadurch zusätzlichen Schwung erhalten, aber hier ebenfalls öfter deshalb an Tempo verlieren, weil viele Kursteilnehmer ihre Einwände als bereits erwähnt zurückziehen.
2.2 Individuelle Kompetenzentwicklung der Lernenden
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3 Sitzplan inkl. Werten der oben
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3. Unterrichtsvoraussetzungen
3.1 Allgemeine Unterrichtsvoraussetzungen:
Ich unterrichte die Lerngruppe selbstständig an drei Schulstunden in der Woche. Die elf Schü-lerinnen und acht Schüler sind 17-18 Jahre alt, haben jetzt im Grundkurs 12 Schuljahre hinter sich und werden in diesem Halbjahr ihre Abiturprüfungen durchlaufen. Zwei von ihnen wer-den dabei die 5. Prüfungskomponente und jeweils eine Person die schriftliche bzw. mündliche Abiturprüfung bei mir absolvieren. Der Kurs weist nur bei sehr kontrovers angelegten Themen eine hohe Diskussionsfreudigkeit auf, nicht alle SuS sind uneingeschränkt an historischen Sachverhalten und Prozessen interessiert. Die vier Teilnehmer des PW-Leistungskurses bringen sich quantitativ spürbar stärker ein als der Rest des Kurses. Sie stehen auch an der Spitze des Leistungsniveaus, der nach momentanem Stand nur knapp ein Drittel der Klasse im Notenbereich zwischen 2 und 3 folgen. Die mit schlechteren Noten versehenen SuS haben noch Probleme mit Deutungs- und Urteilsvorgängen, ziehen sich aber nicht vollständig vom Unterrichtsgeschehen zurück. Einzelne Cliquen grenzen sich oder andere ebenfalls nicht aus und stören das gute soziale Klima nicht.
3.2 Spezielle Unterrichtsvoraussetzungen für diese Stunde:
Die SuS sind in der Lage, historische Ereignisse und ihre gesellschaftlichen Bedingungen zu deuten und zu kontextualisieren. Im Zuge dieser angestrebten Kompetenzentwicklung knüpft die vorliegende Unterrichtsreihe an zwei zuvor durchgeführte an, die einerseits Entwicklungen Deutschlands in der unmittelbaren Nachkriegszeit und andererseits die verfassungsstrukturelle und politische Entwicklung beider deutschen Staaten untersuchten. Mit letzterer wurde ein historischer Rahmen geschaffen, der die Zeit von 1949 bis zur Wiedervereinigung umspannt, die also schon zuvor thematisiert wurde und mit dem Ende der Reihe zum Ost-West-Konflikt nicht noch einmal aufgegriffen werden muss. Die dieser Stunde vorangegangene musste aller-dings einen ausführlichen inhaltlichen Input bieten, der Ausgangspunkt für den outputorien-tierten Verlauf der aktuellen ist. Dabei geht es primär darum, verschiedene Sichtweisen zu analysieren und basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen ein eigenes Sach- und Wertur-teil zu formulieren.
4. Sachanalyse
Durch die Handlungsfreiheit der Siegermächte innerhalb ihrer Zonen „verstärkten sich zentri-fugale Kräfte, entstanden in raschem Tempo voneinander abgegrenzte Verwaltungs- und Wirt-schaftsräume“ (Morsey, S. 5). Diese Verankerung Deutschlands in den sich bildenden und konträr zueinander stehenden Blöcken seiner Besatzungsmächte führte schließlich auf nationa-ler Ebene zur Teilung. Diese Entwicklung kann aber zugleich als repräsentativ für das interna-tionale Geschehen angesehen werden, in dem die Vertreter verschiedener Ideologien geistig immer mehr Abstand voneinander nahmen und rüstungstechnisch gleichzuziehen versuchten. Abgesehen von Stellvertreterkriegen und Konflikten, die auf dem Boden und zu Lasten von Drittstaaten ausgetragen wurden, standen sich die Supermächte USA und UdSSR in direkter Konfrontation nur in den Statistiken ihrer Rüstungsanalytiker gegenüber. Bundesrepublik und DDR versinnbildlichten über Jahrzehnte diesen ideologischen Stellungskrieg und wären in den Szenarien der meisten Strategen auch potentiell erster Kriegsschauplatz gewesen. Dem An- griff konventioneller Streitkräfte drohte als wirkungsvollste Konteraktion der atomare Gegen-schlag, das ‚Gleichgewicht des Schreckens‘ schuf einen wackligen Frieden.
1977 sprach sich Bundeskanzler Schmidt vor dem International Institute for Strategic Studies unter anderem und nicht ausschließlich für die Erneuerung von in Europa stationierten Nu-klear- Mittelstreckenraketen aus, die im Ernstfall nicht von einem Zögern Washingtons betrof-fen und zudem eine Reaktion auf die neue SS-20-Raketengeneration der Sowjetunion sein sollten. Gleichzeitig wurden Verhandlungen über eine beiderseitige Rüstungsbegrenzung an-gestrebt, wie es auch ein Kommuniqué der Außen- und Verteidigungsminister der NATO-Staaten 1979 verlangte. Nicht nur in den Reihen der eigenen Partei regte sich daraufhin hefti-ger Widerstand gegen das Vorhaben Schmidts, sondern auch in der Öffentlichkeit und unter den Bürgern der Bundesrepublik baute sich in den folgenden Jahren eine alle gesellschaftli-chen Schichten durchziehende, nie dagewesene Massenbewegung auf, die sich die Erhaltung des Friedens und eine durchweg pazifistische, jegliche Form der Rüstung verurteilende Gesin- nung auf die Fahnen schrieb. Nach dem erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotum setzte Helmut Kohl die Politik seines Vorgängers fort, 1987 kam es zum INF-, drei Jahre später zum KSZE-Vertrag. In der Retrospektive wird der NATO-Doppelbeschluss weit weniger negativ bewertet als von vielen Zeitgenossen und erhält sogar positive Grundzüge, wenn er als Initia-tivereignis eines neuerlichen Rüstungswettlaufs gesehen wird, der die Sowjetunion zuletzt doch wirtschaftlich in die Knie zwang.
5. Basaltext
Die SuS kennen am Ende der Stunde die Motive Helmut Schmidts, die ihn dazu veranlassten, gleichzeitig eine Nachrüstung bereits bestehender Waffensysteme in Europa als auch Rüs- tungsbegrenzungsverhandlungen mit der UdSSR anzustreben. Die Modernisierung sowjeti-scher Mittelstreckensysteme war ebenfalls ein zentraler Punkt in der Begründung der NATO-Außenminister, die den Befürchtungen und Forderungen des Bundeskanzlers zustimmten. Auf politischer deutscher Ebene riefen diese Pläne weniger Argwohn bei den konservativen Oppo-sitions- als bei den Regierungsparteien selbst hervor. Oskar Lafontaine tat sich dabei als pro-minenter Gegner der Nachrüstungspolitik hervor. Viel wirkungsvoller war jedoch der gesell-schaftliche Protest, der in offenen Briefen, zivilem Ungehorsam und hunderttausenden De-monstranten seinen effektvollen Ausdruck fand. Aber auch die neue Regierung Kohls beschritt 1983 den Weg der Nachrüstung und erst vier Jahre später wurde mit dem INF-Vertrag zwi-schen den USA und der UdSSR die Vernichtung aller atomaren Mittelstreckenraketen be-schlossen.
Bei der Beurteilung des Erfolges des NATO-Doppelbeschlusses kann man zwei unterschied-liche Perspektiven einnehmen. Die Kanzler Schmidt und Kohl würden im Nachhinein von ei-nem Nutzen für den Weltfrieden sprechen, denn die Stationierung von Mittelstreckenraketen ließ zwar Proteste erwachsen - aber keinen Krieg entstehen. Demgegenüber stünde der Ein-wand vieler SPD-Politiker und Friedensaktivisten, die in einer Nach- auch immer die Aufrüs-tung sahen und diese Form der gewaltsam erzielten Eintracht zwischen den Supermächten grundsätzlich ablehnend beurteilten. Ein mit Waffen erhaltener Frieden verdiene diesen Na-men nicht und sei wenig erstrebenswert.
Aus heutiger Sicht ist der Kalte Krieg zwar beendet, das Problem nuklearer Bedrohung aber noch immer in für Fehler anfälligen und vom Menschen gesteuerten Computersystemen vor-handen. Aus der bipolaren Atombedrohung sind viele kleinere Brandherde geworden. „Frie-den schaffen ohne Waffen“ ist eine Forderung, die, ähnlich wie der Kommunismus, von einem prinzipiell guten Menschen ausgeht. Vielleicht bedarf es der ständigen Bedrohung, um ihrer gegenwärtig zu sein und sie zu fürchten. Eine Welt ohne Angst und besonders ohne Waffen ist allerdings erstrebenswerter - und was wäre die Welt ohne Utopien?
6. Begründung der Lehr- und Lernstruktur
Die SuS haben zu Beginn der dreistündigen Sequenz Grundlagen der Entstehung eines beider-seitigen Sicherheitsbedürfnisses im Ost-West-Konflikt und Grundüberlegungen zum Rüs-tungswettlauf und der Thematik nuklearer Abschreckung erarbeitet. Im Anschluss daran wur-den sie bereits kurz mit der Leitfrage der vorliegenden Stunde konfrontiert, zu deren Katego-rien sie Kurzdefinitionen und damit Kriterien nannten und die ebenfalls für die aktuelle Dis-kussion verwendet werden. Die Themenstellung „Der NATO-Doppelbeschluss - Kriegstreibe-rei oder Friedenssicherung“ markiert die zwei grundsätzlichen Positionen, die den Überlegun-gen entgegengebracht wurden. Sie betitelte auch einen in vier Abschnitte unterteilten Informa-tionstext, der bereits die moralische Betrachtungsebene der folgenden Gruppenarbeit umriss, zunächst aber als Ganzes erschlossen werden sollte, um den SuS größtmöglichen inhaltlichen Überblick bzgl. des Themas und der Perspektiven sowie generelle Transparenz zu bieten.
Die vier Aspekte und Gruppenthemen umreißen gebündelt zwei zustimmende Perspektiven (Schmidt, NATO-Außenminister / Kohl, INF-Vertrag) und zwei ablehnende Betrachtungsebe-nen (SPD-Politiker, Lafontaine / Friedensbewegung, Krefelder Appell, Bonner Friedensde-monstration). Sie sind jeweils mit einer Leitfrage versehen, um das Erschließen der Quellen in eine gewinnbringende Richtung zu lenken, ohne jedoch das jetzige Stundenthema vorwegzu-nehmen. Die Auswahl und Unterbringung der Quellentexte in den jeweiligen Gruppen ist ei-ner multiperspektivisch angelegten Struktur geschuldet: mit ihr spannt sich ein Rahmen politi-scher Entscheidungen von der Initialrede des NATO- Doppelbeschlusses bis zur endgültigen Abrüstungserklärung für Mittelstreckenraketen, in dessen Mitte zentrale Positionen der Frie-densbefürworter untergebracht sind. So wird es den SuS ermöglicht, innerhalb der Gruppe ei-ne spezialisierte Sichtweise, außerhalb beim Verfolgen der Präsentationen anderer Gruppen ei-nen allgemeinen Eindruck von Reaktionen rund um den NATO-Doppelbeschluss zu erhalten.
Die vier Gruppen haben ihre in der vorangegangenen Stunde erzielten Ergebnisse digitalisiert und mir als e-mail zukommen lassen, damit sie nun als vier unterschiedliche Dateien auf dem Beamer die Präsentationen unterstützen. Als didaktische Zugangsweise kommt diesem Her-ausarbeiten von Kernaussagen die Kontroversität zu, da an ihnen verdeutlicht werden kann, dass Argumente multiperspektivisch und im adäquaten Kontext bewertet werden müssen. Die anschließende mündliche Sach- und Werturteilsabgabe folgt dann mehr dem Prinzip der Problemorientierung1, weil „der thematisierte Sachgegenstand eine Problemstruktur offenbart, der nachgegangen werden soll“ (Kayser / Hagemann, S. 30). Beide Methoden zielen im Sinne des Beutelsbacher Konsenses nicht darauf ab, in richtig oder falsch zu unterteilen, sondern eine bestimmte Problemlage in ihrer Komplexität zu veranschaulichen und die Möglichkeit verschiedener Betrachtungs- und Lösungsmöglichkeiten zu offerieren. Eben diesem Ansatz wird auch mit dem Stundenthema nachgegangen.
Im Anschluss an die Präsentationen erhalten die SuS die vorgetragenen Stichpunkte auf einem in vier Abschnitte unterteilten Blatt (AB 3), das einen groben Überblick bzgl. der verschie-denen Resonanzen für oder gegen den Doppelbeschluss bietet und als zusätzliche Argumenta-tions- und Gedächtnisstütze fungiert. Dann wird über den noch laufenden Beamer die Leitfra-ge an die Wand projiziert, die auch schon aus der vorangegangenen Stunde bekannt ist. Um die abgegebenen inhaltlichen Merkmale der einzelnen Gruppen nun in ein abstrahierendes Sachurteil zu überführen, werden alle Gruppen- und damit Kursmitglieder gebeten, entspre-chend den Maßstäben der von ihnen vorgestellten Positionen die Leitfrage zu bewerten. So werden, auch unter Zuhilfenahme von AB 3, die historischen Ansichten und Forderungen noch einmal auf ihre Grundtendenzen hin reduziert, ihr Pro- oder Contra-Charakter ersichtlicher und der Sachgegenstand auf der historischen Ebene beurteilt.
Nach dieser Vertiefung der erarbeiteten Standpunkte sind die SuS persönlich gefragt, sich in-dividuell zu der Leitfrage zu äußern. Dafür werden nun die in der Vorstunde von den SuS genannten Kriterien für die zwei Kategorienbegriffe der Leitfrage digital hinzugefügt, um als zusätzliche Eingrenzung zu fungieren und die SuS hinreichend auf eine Urteilsabgabe vorzu-bereiten. Dieser Prozess soll noch durch eine zweiminütige ‚Murmelphase‘ verstärkt werden, in der sich die SuS mit ihren jeweiligen Sitznachbarn austauschen und so einen leichter fallen-den Gesprächseinstieg finden können. Der historische Sachverhalt wird dadurch nach heutigen Wertvorstellungen beurteilt. Der folgende Austausch im Plenum dient sowohl der Auswertung der (auch in vorangegangenen Sequenzen erarbeiteten) historischen Zusammenhänge als end-lich auch der Kenntlichmachung eines fundierten, reflexiven Geschichtsbewusstseins2.
Die sich daran anschließende, offene Diskussion zur Möglichkeit, ob Frieden denn mit Waffen geschaffen werden kann, wird deshalb zwar durch die Leitfrage initiiert, folgt dann aber einem variablen Erarbeitungsschema3. Kernintention ist die differenzierte, problemorientierte und angemessene Werturteilsabgabe, die zu jeder Zeit freiheitlich-demokratischen Grundlinien verpflichtet sein soll4 und natürlich den Sachgegenstand im Auge behält. Unreflektierte Forde-rungen müssen bei unwahrscheinlichem Auftreten, wenn dies nicht schon durch andere SuS geschieht, besonders thematisiert und in einen angemessenen, entspannungsfreundlichen Kon-text gelenkt werden.
Die Dauer des Austausches bzgl. der Leitfrage ist nicht explizit vorgegeben - solange sie neue Denkanstöße hervorbringt und nicht wiederholend ausfällt, soll sie nicht abgebrochen werden. Da aber nicht unbedingt davon ausgegangen werden kann, dass sich die SuS wirklich bis zu 30min. konstruktiv mit der Leitfrage beschäftigen werden, fungiert AB 4 als didaktische Re-serve. Die darauf enthaltenen Texte führen zu einer neuen Ebene, nämlich der Beurteilung von Historikermeinungen. Zusätzlich sind weiterführende Entwicklungen in ihnen wie auch in der Übersicht bzgl. der Rüstungsbegrenzungsabkommen enthalten, die schon auf die nächste und letzte Stunde der Reihe verweisen, in der es um das Ende des Kalten Krieges geht5.
[...]
1 Vgl. für beide Begriffe Kayser / Hagemann, S. 30f.
2 Der RLP GE (S. 20) sieht als abschlussorientierten Standard der Deutungskompetenz vor, dass die SuS Aussagen durch Argumente stützen, „die auf historischen Beispielen und anderen Belegen gründen“ und „eine eigene, argumentativ gestützte Deutung zu einem räumlich, zeitlich und thematisch begrenzten historischen Sachverhalt oder Problem“ entwickeln.
3 Dies ist natürlich insoweit einzuschränken, als dass durchgängig die historische Urteilsbildung als anspruchsvollster Anfor- derungsbereich des Geschichtsunterrichts angestrebt wird, die aber die Bewältigung variabler, teilweise nicht antizipierbarer Unterrichtssituationen. erfordert (vgl. Kayser / Hagemann, S. 3). „Ein Modell historisch-politischer Urteilsbildung muss also in der Lage sein, auf rationalem Wege unterschiedliche begründete Stellungnahmen zu ermöglichen und einen kommunikati-ven Austausch über diese zu regeln.“ (dies. S. 12)
4 RLP GE, S. 23: Die SuS „reflektieren die von ihnen verwendeten Beurteilungsmaßstäbe unter Beachtung historischer bzw. gegenwärtiger ethischer, moralischer und normativer Kriterien“ und „begründen und vertreten die universelle Geltung von Werturteilen, die auf der Grundlage der Menschenrechte formuliert werden“.
5 Die Konzeption der Stunde kann nach der Präsentationsphase durchaus planlos wirken, verfolgt letztendlich aber immer geradlinig jene Aspekte, die von einer die Sequenz abschließenden Stunde erwartet werden: sie fordert das Vorwissen, speziell zum Rüstungswettlauf derSupermächte ein, problematisiert anhand der Leitfrage durchgängig die historische und ethische Brisanz des NATO-Doppelbeschlusses ihr wird der NATO-Doppelbeschluss als Kontroverse nicht mehr nur allein individuell durch die SuS, sondern auch als Gegenstand der historischen Forschung kritisch betrachtet. Den drei genannten Aspekten liegt als zentrales Element die Urteilsabgabe zugrunde, die in den diskursiven Schüler(innen)äußerungen zu finden sein wird.
- Citation du texte
- Dr. G. (Auteur), 2012, Unterrichtsstunde NATO-Doppelbeschluss Sachgegenstand „Konflikt und Konfliktlösung im Kontext des Ost-West-Gegensatzes“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192744
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