Havanna, Hauptstadt Kubas, hat Literaten aus aller Welt seit jeher in ihren Bann gezogen. Als eine der ältesten Städte Lateinamerikas und der Karibik wurde sie früh zum mythischen, fast klischeehaften Ort. Dennoch hat die komparatistische Forschung die Literatur über Havanna eher stiefmütterlich behandelt. In Anbetracht dessen beschäftigt sich diese Magisterarbeit mit der literarischen Darstellung Havannas und konzentrieiert sich dabei auf das Havanna in den letzten Jahrzehnten vor der kubanischen Revolution von 1959. Im Zentrum der Analyse steht der Roman 'Tres tristes tigres' des Kubaners Guillermo Cabrera Infante. Die Vergleichsbasis stellen die nicht-kubanischen Werke von Oscar Hijuelos, 'The Mambo Kings Play Songs of Love', Graham Greene, 'Our Man in Havanna', Ernest Hemingway, 'To Have and Have Not' und 'Islands in the Stream', sowie von Max Frisch, 'Homo Faber', dar.
Zentrales komparatistisches Vergleichmoment ist das in den Romanen erzeugte Bild Havannas, das anhand der Darstellung der Stadt als räumliches Phänomen und anhand der Identitätskonstruktion der Stadtgesellschaft untersucht wird. Die Arbeit analysiert, in welchen Punkten der einheimische und der fremde Blick auf die Stadt voneinander abweichen, wie sich die Havannaentwürfe der Autoren unterscheiden, und auf welche literarischen Mittel dies basiert. In allen untersuchten Werken wird auf den realen räumlichen und soziokulturellen Kontext Havannas zurückgegriffen. Die Analyse kommt jedoch zu dem Schluss, dass der Kubaner Cabrera Infante in 'Tres tristes tigres' mehr Facetten der Stadt reflektiert als es die nichtkubanischen Autoren in ihren Romanen vermögen. Cabrera Infante verfügt über eine emische Sichtweise, während die nichtkubanischen Romane aus einer Außenperspektive große Teile der Stadtrealität nicht vermitteln können. Die nicht-kubanischen Romane teilen, mit Ausnahme von Greenes 'Our Man in Havana', eine stereotype Sichtweise und entwerfen ein Stadtbild, das an der touristischen Oberfläche klebt. Markante gesellschaftliche Probleme der Großstadtwirklichkeit wie soziale Ungleichheit, Armut und Rassismus werden nicht reflektiert. Stellt Havanna bei Greene, Hemingway oder Frisch einen bloßen Handlungshintergrund dar und wird sie bei Hijuelos zu einem mythischen Konstrukt, ist Havanna bei Cabrera Infante mehr als das: Es ist die eigentliche Motivation des Romans, der von der nahenden Revolution bedrohten Stadt ein literarisches Denkmal zu setzen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Havanna als Großstadt in der Literatur: Theoretische Vorüberlegungen
- Charakteristika der kolonialen Großstadt
- Die Großstadt in der Literatur
- Darstellungstendenzen der Großstadt im lateinamerikanischen Roman
- Literaturwissenschaftliche Ansätze zur Analyse von Großstadtliteratur
- Die Stadt Havanna in ihrer geschichtlichen Entwicklung
- Das Havanna der 40er und 50er Jahre
- Havanna als Textstadt
- Die Beziehung der Autoren zu Havanna
- Erzählweise und narrative Entfaltung
- Einführung des Lesers in das Havanna der Romane
- Erzählerische Darstellung in den nichtkubanischen Romanen
- Besonderheiten der Erzählweise und Romanstruktur: Tres tristes tigres im Kontrast zu den übrigen Romanen
- Wechselwirkungen zwischen Stadt- und Romanstruktur in Tres tristes tigres
- Die Stadtlandschaft Havannas: Raum und Atmosphäre der Stadt
- Die Stadt als gesellschaftliches Phänomen
- Stadtkultur und -gesellschaft Havannas aus fremder und einheimischer Perspektive
- Auswirkungen der fremden Erwartungen auf die Stadt
- Die Bedeutung der Stadt für die Romancharaktere
- Musik und Nachtleben als Identitätskomponenten der Stadt — im Kontrast zum fremden Blick
- Havanna im Spiegel der gesellschaftlichen und politischen Probleme der Zeit
- Das Problematische innerhalb der Stadtgesellschaft
- Auswirkung der politischen Spannungen auf die Textstadt
- Schlussbetrachtung
- Ausblick: Das postrevolutionäre Havanna
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit befasst sich mit der Darstellung der Stadt Havanna in der Literatur der letzten Jahrzehnte vor der kubanischen Revolution von 1959. Im Zentrum der Analyse steht Guillermo Cabrera Infantes „Tres tristes tigres" als Beispiel für eine kubanische Innensicht der Stadt, die sich von den Darstellungen nichtkubanischer Autoren abhebt. Die Arbeit kontrastiert diese verschiedenen Perspektiven anhand ausgewählter Romane.
- Die Darstellung Havannas als räumliches Phänomen
- Die Darstellung der Stadtgesellschaft im Roman
- Der einheimische und der fremde Blick auf die Stadt
- Die literarische Vermittlung der Stadtidentität
- Die kulturellen und politischen Besonderheiten des vorrevolutionären Havannas
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in das Thema der Arbeit ein und stellt die zu analysierenden Romane kurz vor. Kapitel 2 erläutert die theoretischen Grundlagen, die der Analyse zugrunde liegen, indem die Charakteristika der kolonialen Großstadt und die Darstellung der Großstadt in der Literatur, insbesondere im lateinamerikanischen Roman, beleuchtet werden. Kapitel 3 bietet einen Überblick über die Geschichte Havannas, um die Stadtdarstellung in den Romanen durch einige Hintergrundinformationen zu untermauern. Kapitel 4 untersucht die literarische Konstruktion Havannas in den verschiedenen Romanen. Dabei werden die Beziehung der Autoren zu Havanna, die Erzählweise und narrative Entfaltung sowie die Darstellung der Stadtlandschaft und der Stadtgesellschaft analysiert. Die Schlussbetrachtung fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und bietet einen Ausblick auf die postrevolutionäre Literatur zu Havanna.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Havanna, Großstadt, Literatur, Tres tristes tigres, Guillermo Cabrera Infante, lateinamerikanische Literatur, koloniale Großstadt, Stadtgesellschaft, Stadtkultur, Fremder Blick, einheimischer Blick, Stadtidentität, Kuba, Revolution, Tourismus, Nachtleben, Musik, Politik, Gesellschaft, Kultur, Rassismus, US-amerikanischer Einfluss.
- Quote paper
- Anna Schwachula (Author), 2006, Havanna als Großstadt in der Literatur - Eine beispielhafte Analyse von Guillermo Cabrera Infantes "Tres tristes tigres", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192523
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