In meiner Ausarbeitung habe ich behandelt, mit welchen Mitteln und welcher Art von Frauendarstellungen in erotischen Musikclips gearbeitet wird und die Rezeptionsweisen von männlichen und weiblichen Jugendlichen näher beleuchtet. Dazu wurde nach einem allgemeinen Blick auf derzeitige Entwicklungen hinsichtlich der Erotik in Musikvideos genauer auf das Video zum Titel „Call on me“ von Eric Prydz eingegangen. Der Videoclip wurde inhaltlich und formal einer detaillierten Analyse unterzogen. Außerdem wurde der Wandel in der Identitätsproblematik im Übergang von der Moderne zur Postmoderne beleuchtet. Das ausführliche Literaturverzeichnis liefert sehr gute Quellen für eine eigene tiefergehende Beschäftigung mit dem Thema.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Die Identitätsproblematik
1.2 Das Thema der Hausarbeit – Thesenbildung
2. Videoclips allgemein
2.1 Aktuelle Entwicklungen hinsichtlich der Erotik in Musikvideos
2.2 Sexualkonnotative Stereotypen in Videoclips
3. Musikvideo zum Titel „Call on me“ von Eric Prydz
3.1 Analyse von „Call on me“
3.1.1 Inhaltliche Aspekte
a) Thema und Verlauf (Handlungsrahmen)
b) Sexualkonnotative Stereotypenbildung
3.1.2 Formale Aspekte
a) Musik und Tanz
b) Kameraführung und Schnitte
c) Farbgestaltung und Effekte
d) Text
4. Schlussfolgerungen
5. Anlage: CD-ROM (nicht enthalten)
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Die Identitätsproblematik
Die Identitätsfrage vollzog im Übergang von der Moderne zur Postmoderne einen starken Wandel. Die moderne Vorstellung von Identität bestand aus der Wechselwirkung von Umwelt und Individuum. Dabei war die Identität vom Vorhandensein eines festen, zusammenhängenden Kernes geprägt, welcher dem Subjekt, trotz der Einnahme verschiedener Rollen in den unterschiedlichsten sozialen Kontexten, Einheitlichkeit zusicherte.
Mit dem Beginn der postmodernen Gesellschaft hingegen ließ sich ein Umbruch in Richtung Pluralisierung, Globalisierung und Mediatisierung beobachten. Diese neuen Gegebenheiten führten zu einer Individualisierung des Subjekts, denn „waren vormals etwa Arbeit, Familie, Religion (…) allein sinn- und identitätsstiftend, treten sie heute zu einer Vielzahl realer wie virtueller, frei gewählter wie zugewiesener Gruppenzugehörigkeiten ,in Konkurrenz’“[1] Die Pluralität drückt sich nicht nur in relativ fest zuzuordnenden Eigenschaften, wie Geschlecht, Klasse und „Rasse“ aus, sondern auch über Selbstpräsentation, Werte, Konsum etc. Je nach sozialem Kontext wechselt die Teilidentität, wodurch eine einheitliche, widerspruchsfreie Vorstellung über eine Persönlichkeit unmöglich wird, denn der feste, verbindende Kern existiert nicht mehr. Körber und Schaffnar definieren die postmoderne Identität wie folgt: „Identität ist somit eine Kette von sich mitunter widersprechenden Subjektpositionen, Identifikationen und Zugehörigkeiten in den verschiedensten Dimensionen: Es fehlt der in sich stabile kohärente Kern“[2].
Aus dieser Ansicht entsteht die Folgerung, dass Identität wähl- und konstruierbar wird. Die Medien allgemein und insbesondere das Musikfernsehen zeigen dabei eine Vielzahl von Identitätsbeispielen. War die moderne Identität also ein Ergebnis sozialen Agierens und Reagierens, kommt für die postmoderne Identitätsentwicklung nun die mediale Interaktion hinzu.
Die Medien bieten uns unterschiedlichste Rollenmodelle als Vorgaben, mit welchen wir uns bewusst oder unterbewusst auseinandersetzen. Es finden sowohl eine Auseinandersetzung mit dem eigenem Selbstbild, als auch ein Vergleich dessen mit dem Dargestellten statt.
Besonders Jugendliche dürften schnell bereit sein, vorgegebene Teilidentitäten für sich zu übernehmen, da sie sich ja gerade ab der Pubertät in einer Phase des Umbruchs der Selbstdefinition befinden. Wie ich im Weiteren näher beleuchten werde, wird das Musikfernsehen voranging von Jugendlichen konsumiert. Aus diesem Grund möchte ich mich in dieser Ausarbeitung mit durch Musikvideos vermittelten Identitätsbildern beschäftigen. Wie das spezielle Thema „Entwurf eines Frauenbildes in erotischen Musikvideos“ gefunden wurde, erklärt sich im Folgenden.
1.2 Das Thema der Hausarbeit - Thesenbildung
„Ich selber weigere mich, Musikvideos anzusehen, weil ich die Bilder dann nicht mehr vergessen kann. Und immer, wenn ich meine Lieblingsmusik höre, dann kommen die Bilder hoch, und die allermeisten sind halt doof, naja, richtig ekelhaft und sexistisch. Die verderben mir den Spaß an der Musik.“[3]
Eine solch ablehnende Aussage Musikvideos gegenüber, wie die obige einer jungen Frau, ist eher die Ausnahme. In einem Gutachten Michael Altrogges, wurde festgestellt, dass vor allem Jugendliche Videoclips regelmäßig sehen. Die 14 bis 19 Jährigen erwiesen sich hierbei als die intensivsten Nutzer. Weiterhin fand Altrogge in seiner Studie heraus, dass 14 bis 15 Jährige, im Vergleich mit über 20 Jährigen, Videoclips mehr ohne Begleittätigkeit anschauen. „Lediglich 40 Prozent der Befragten beschäftigen sich bei der Rezeption ausschließlich mit dem Medium, der Rest nutzt es als >>Begleitmedium<< für andere Tätigkeiten.“[4]
Es ist anzunehmen, dass heute noch mehr Jugendliche, als zum Zeitpunkt der oben genannten Untersuchung, das Musikfernsehen nur als Begleitmedium verwenden. Das heißt, dass der jugendliche Konsument den Inhalt der Videos kaum noch beachtet und allenfalls besonders extreme Darstellungen in Videos seine volle Aufmerksamkeit auf den Clip ziehen können. Eben solche extremen Darstellungen könnten gemeint sein, wenn wie in der obigen außergewöhnlich offenen Aussage der jungen Frau, Musikvideos als „doof“, „ekelhaft und sexistisch“ bezeichnet werden.
Wahrscheinlich ist ihre Blickweise auf Videoclips aber auch gerade deshalb so negativ, weil sie eine Frau ist. Bechdolf führt bei der Betrachtung der Wirkung von Sexualitätsdarstellungen in Musikvideos das Experiment von Zillmann und Mundorf an. In dieser Untersuchung kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass Frauen die Bilder mit explizit sexuellen Darstellungen weniger mochten, als die männlichen Versuchspersonen. Die Männer beschrieben diese Szenen sogar als „sinnlich“ und „romantisch“.[5]
Ich vermute, dass dieser geschlechterspezifische Unterschied in der Rezeption von erotischen Musikvideos nicht an sich am Vorhandensein von Erotik liegt. Der Erotik gegenüber dürften Frauen schließlich ebenso aufgeschlossen sein wie Männer. Ich behaupte, dass die Ursache viel mehr in den in erotischen Musikvideos propagierten Frauenbildern liegt.
In meiner Ausarbeitung möchte ich genauer untersuchen, mit welchen Mitteln und welcher Art von Frauendarstellungen in erotischen Musikclips gearbeitet wird sowie die Rezeptionsweisen von männlichen und weiblichen Jugendlichen näher beleuchten. Dazu soll nach einem allgemeinen Blick auf derzeitige Entwicklungen hinsichtlich der Erotik in Musikvideos genauer auf das Video zum Titel „Call on me“ von Eric Prydz eingegangen werden.
2. Videoclips allgemein
2.1 Aktuelle Entwicklungen hinsichtlich der Erotik in Musikvideos
Schaltet man heute einen der Musiksender MTV oder VIVA ein, wird man schon nach kurzer Zeit auf Musikvideos mit erotischem Inhalt stoßen. Auch die Quantität erotischer Darstellungen in einem Video hat, im Vergleich zu dem Musikfernsehen der früheren Jahre, zugenommen. Nachdem MTV 1987 erstmals auch in Europa ausgestrahlt wurde[6], erregten 1993 Videos wie „I’d do anything for Love“ von Meatloaf noch Aufsehen. In dem Video wurde eine junge Frau gezeigt, die ein durchsichtiges Nachthemd trägt. Heute würde eine solche Darstellung mit höchster Wahrscheinlichkeit kaum noch auffallen.
Tobias Kniebe beschreibt in seinem Artikel der Zeitschrift NEON eindrücklich, wie der heutige Zuschauer sich mit sexuellen Darstellungen im Musikfernsehen überhäufen lassen kann:
„Eines von tausenden Bildern in tausenden sexy Videoclips. Zu schnell vorbei, wie immer. Dein Hirn hat gar keine Wahl, es muss verknappen und verdichten, im Grunde siehst du nur: Sonne, Haut, Weib, pralle Rundungen. Wie viele Details von Rundungen/Prall dein blödes Männerhirn innerhalb von Sekunden verarbeiten kann – das allerdings erstaunt dich dann doch immer wieder.“[7]
Wenn Videoclips heute größtenteils aus erotischen Bildern bestehen und der Betrachter mit anzüglichen Posen und Bewegungen regelrecht „gefüttert“ wird, ist das nichts Empörendes mehr, sondern scheinbar sogar Vorraussetzung für den Erfolg eines Musikvideos. Zum Beispiel wurde dem DJ Eric Prydz am 11. März 2005 bei den Dance Music Awards in Hannover der Publikumspreis in der Kategorie „Best Video“ verliehen. Das Video zu seinem Titel „Call on me“ trug wohl auch dazu bei, dass der Titel wochenlang die Spitze der Singelcharts in England anführte.
2.2 Sexualkonnotative Stereotypen in Videoclips
Michael Altrogge untersuchte 1991 die Sexualkonnotative Stereotypenbildung bei Heavy-Metal-Videoclips und stellt fest, dass Frauen „wie Standardrequisiten in Heavy-Metal-Clips auftreten“.[8] Weiterhin führt er auf, dass „diese Darstellungen häufig die Sehnsüchte der männlichen Protagonisten (illustrieren, S.F.) und (…) zugleich hedonistische Funktion (haben, S.F.), indem sie Frauen als Lustobjekte vorführen, die sprachlos ihren Körper präsentieren.“[9]
Diese Bildung von Stereotypen lässt sich heute nicht mehr nur auf Heavy-Metal-Clips beziehen, sondern kann auf Videoclips aller Musikrichtungen projiziert werden. Dabei kommt die Sexualisierung vor allem in HipHop-, Rap-, Black Music- und Dance-Videos zum Tragen. Dies geschieht „entweder durch die Darstellung selbst (Detailaufnahmen einzelner Körperteile bei extremer Kameraperspektive) und das Dargestellte (sexualkonnotative Bewegungen, meist an Objekten, die ihrerseits eine männlich dominierte Sphäre von Mobilität repräsentieren, wie Autos oder Motorräder)“[10]. Auch die „alternierende Darstellung“ findet zunehmend Anwendung. Altrogge bezeichnet damit Darstellungen, in denen sich Bilder mit sexualkonnotativen Bewegungen der männlichen Musiker (während ihrer Performance) mit Bildern abwechseln, in denen Frauen dem Sänger/Musiker bewundernde Blicke zuwerfen oder anzügliche, begehrende Posen einnehmen. Kurze Schnittfolgen zwischen den einzelnen Bildern erhöhen die Akzentuierung der Musik, wobei die Signalwirkung der Bilder ebenfalls erhöht wird, indem stereotype Frauenbilder verwendet werden. Diese sind schon aus Werbung sowie Fernsehen bekannt und gelten als „Standard-Frauen“: schlank, wohlgeformt, makellos im Aussehen und willig, die Wünsche der Männer zu erfüllen. Anders ausgedrückt: „Es geht um schöne Frauen mit grundsätzlich riesigen Brüsten, die in endloser Zahl verfügbar sind, gar nicht so sehr als Einzelstück, sondern als wühltischartige Massenware“[11].
Günther Rötter erwähnt weitere stereotype Darstellungen in Videoclips, zum einen, dass Männer doppelt so oft wie Frauen vorkommen, Frauen mehr in sexuellen Kontexten gezeigt werden und unterwürfig erscheinen, zum anderen werden sie als Objekte dargestellt. Dabei finden sich Darstellungen von Sexualität häufiger in HipHop- und Rhythm&Blues-Videos.[12]
[...]
[1] Körber, Christian; Schaffar, Andrea: Identitätskonstruktionen in der Mediengesellschaft. Theoretische Annäherungen und empirische Befunde. S. 80f.
Aus: http://www.mediamanual.at/mediamanual/themen/impuls04.php. 25.02.2006.
[2] Ebenda, S. 81
[3] Bechdolf, Ute: Musikvideos im Alltag. Geschlechtsspezifische Rezeptionsweisen. In: Gender und Medien. Theoretische Ansätze, empirische Befunde und Praxis der Massenkommunikation. Ein Textbuch zur Einführung. Hrsg.: Angerer, Marie- Luise; Dorer, Johanna. Wien 1994. S. 186.
[4] Altrogge, Michael; Ahmann, Rolf: Videoclips – die geheimen Verführer der Jugend? Ein Gutachten zur Struktur, Nutzung und Bewertung von Heavy-Metal-Videoclips. Berlin 1991. S. 48f.
[5] Bechdolf, Ute: Musikvideos im Alltag. Geschlechtsspezifische Rezeptionsweisen. In: Gender und Medien. Theoretische Ansätze, empirische Befunde und Praxis der Massenkommunikation. Ein Textbuch zur Einführung. Hrsg.: Angerer, Marie- Luise; Dorer, Johanna. Wien 1994. S. 187.
[6] Münch, Thomas: Jugend, Musik und Medien. In: Handbuch Jugend und Musik. Hrsg.: Baacke; Dieter. Opladen 1997. S. 383-400.
[7] Kniebe, Tobias: Hintergrund-Pornographie. Wie HipHop-Videos das Frauenbild und die Sexualität verändern. In: Stern NEON Nr.1 (2003). S.70-75.
[8] Altrogge, Michael; Ahmann, Rolf: Videoclips – die geheimen Verführer der Jugend? Ein Gutachten zur Struktur, Nutzung und Bewertung von Heavy-Metal-Videoclips. Berlin 1991. S. 99.
[9] Ebenda
[10] Ebenda
[11] Kniebe, Tobias: Hintergrund-Pornographie. Wie HipHop-Videos das Frauenbild und die Sexualität verändern. In: Stern NEON Nr.1 (2003). S.70 – 75.
[12] Rötter, Günther: Videoclips und Visualisierung von E-Musik. In: Musik multimedial. Filmmusik, Videoclips, Fernsehen. Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert. Hrsg.: Kloppenburg, Joseph. Band 11. Laaber 2000. S. 259-294.
- Quote paper
- Susann Finke (Author), 2008, Der Entwurf eines Frauenbildes in erotischen Musikvideos am Beispiel des Clips zu „Call on me“ von Eric Prydz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192516
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