In ihrer langen Geschichte haben sich die großen Ratingagenturen zu mächtigen Akteuren auf den internationalen Finanzmärkten entwickelt. Gerade in den 1970er Jahren haben sie und ihre Ratings einen beispiellosen Aufstieg und Bedeutungszuwachs erfahren. Die Funktion von Ratings geht mittlerweile weit über die einer reinen Orientierungshilfe für Investoren hinaus, sie spielen eine ebenso wichtige Rolle bei der Finanzmarktregulierung und bestimmen
Anlageverhalten und damit verbundene Kapitalbewegungen. Während
auf Anlegerseite die Kostenreduktion der Informationserhebung im
Vordergrund steht, erhalten Emittenten durch die Zertifizierungsfunktion von Ratings Zugang zum Kapitalmarkt. Zum Zwecke der Regulierung greifen Aufsichtsbehörden auf Bonitätsbeurteilungen anerkannter Ratingagenturen
zurück und schreiben damit privaten und gewinnorientierten Unternehmen eine Marktaufsichtsfunktion zu. Wie die Betrachtung der Finanzmarktkrise zeigt, wurden die Ratingagenturen der Rolle eines Frühwarnsystems beziehungsweise der eines Risikominimierers nicht immer gerecht. Ganz im Gegenteil, Turbulenzen und Instabilitäten an den internationalen Finanzmärkten wurden z.T. erst durch mangelhafte Ratings erzeugt. Die ursprünglich auf die USA beschränkte Subprime-Krise wäre in diesem Ausmaße und globaler Ausbreitung, ohne neuartige Verbriefungstechniken, nie entstanden. Die Strukturierung war eine elementare Voraussetzung dafür, dass die hohen Bestände an „faulen“ US-Immobilienkrediten in die Bilanzen von
institutionellen Investoren rund um den Globus gelangen konnten. Für das Geschäft mit strukturierten Finanzprodukten sind die Ratings von Fitch und den anderen Agenturen essentiell. Da institutionelle Anleger aufgrund
strenger Regulierungen in ihrer Anlagepolitik dazu verpflichtet sind, nur in sehr sichere Anlagen zu investieren. Mit ihren Beurteilungen generierten sie den für institutionelle Anleger erforderlichen Qualitätsnachweis. Wie sich im Verlauf der Finanzmarktkrise herausstellte, fielen die Bewertungen der
Agenturen deutlich zu gut aus. Durch eine Analyse des Ratingprozesses und des Ratingmarkts, konnte eine Reihe von Ineffizienzen und Interessenkonflikten identifiziert werden, welche die Arbeit der Agenturen negativ beeinflussen können und in Bezug auf die Finanzmarktkrise auch haben....
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Problemstellung
- Begriffsbestimmung
- Grundzüge des Ratinggeschäfts
- Entstehungsgeschichte der Ratingagenturen
- Wettbewerbssituation
- Markführende Unternehmen
- Funktionen von Ratings und Ratingagenturen
- Funktionen aus Sicht der Marktakteure
- Funktionen aus Sicht der Aufsichtsbehörden
- Ratings als Instrumente der Kapitalmarktregulierung in den USA
- Beginn der Regulierung
- Regulativer Boom
- Retardierendes Moment
- Ratingagenturen als Quasi-Regulierer
- Zusammenfassung
- Ratingprozess
- Ratingarten
- Emissionsrating und Emittentenrating
- Solicited Rating und Unsolicited Rating
- Debt Rating und Equity Rating
- Branchenrating und Länderrating
- Ablauf des Ratingverfahrens
- Vorphase
- Quantitative Kriterien und deren Analyse
- Qualitative Kriterien und deren Analyse
- Ratingfestlegung und Überwachung
- Ratingskalen und Ausfallwahrscheinlichkeiten
- Unterschiede in der Ratingpraxis der Marktführer
- Vergleich von Ratingurteilen
- Zusammenfassung
- Effizienzprobleme im Ratingmarkt
- Ratingagenturen in der Principal-Agent-Betrachtung
- Potentielle Interessenkonflikte und Ineffizienzen
- Ratingshopping
- Ratingagenturen beurteilen nach Umsatz
- Herdenverhalten
- Unsolicited Ratings als strategisches Mittel
- Konformitätsdruck durch Ratings
- Prozyklische Konzeption des Ratings
- Haftung der Ratingagenturen
- Der Einfluss von Ineffizienzen auf das Ratingergebnis
- Zusammenfassung
- Verhalten von Ratingagenturen in ausgewählten Krisen
- Finanzmarktkrise
- Entstehen der US-Immobilienkrise
- Verbriefung und Weitergabe von Krediten
- Zusammenbruch des Verbriefungsmarkts
- Kritische Würdigung der Rolle der Ratingagenturen
- Staatsschuldenkrise im Euroraum
- Entstehung der Krise
- Kritische Würdigung der Rolle der Ratingagenturen
- Zusammenfassung
- Zukunftsszenarien des Ratings
- Staatliche europäische Ratingagentur
- Reformierung und Regulierung des Ratingmarkts
- Marktinitiativen mit dem Ziel der Selbstregulierung
- Initiativen der Gesetzgeber
- Europäischer Ratingfonds als alternative Lösung
- Zusammenfassung
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Masterarbeit befasst sich mit der Rolle von Ratingagenturen auf den internationalen Finanzmärkten. Ziel ist es, die Funktionsweise und den Einfluss dieser Institutionen auf die Finanzmärkte zu analysieren und kritisch zu bewerten.
- Die Entstehung und Entwicklung der Ratingagenturen
- Der Ratingprozess und die verschiedenen Ratingarten
- Die Effizienzprobleme des Ratingmarktes und die Kritik an den Ratingagenturen
- Das Verhalten der Ratingagenturen in ausgewählten Finanzkrisen
- Zukunftsperspektiven für die Ratingindustrie
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik der Ratingagenturen ein und definiert die Problemstellung der Arbeit. Kapitel 2 beleuchtet die Grundzüge des Ratinggeschäfts, inklusive der Entstehung der Ratingagenturen, der Wettbewerbssituation und der Funktionen von Ratings.
Kapitel 3 beschreibt den Ratingprozess im Detail, inklusive der verschiedenen Ratingarten, der Abläufe und der verwendeten Kriterien. Kapitel 4 analysiert die Effizienzprobleme des Ratingmarktes und untersucht potenzielle Interessenkonflikte und Ineffizienzen im Ratingprozess.
Kapitel 5 beleuchtet das Verhalten von Ratingagenturen in ausgewählten Krisen, wie der Finanzmarktkrise und der Staatsschuldenkrise im Euroraum. Kapitel 6 diskutiert verschiedene Zukunftsszenarien für die Ratingindustrie, inklusive der Möglichkeit einer staatlichen Ratingagentur und der Reformierung des Ratingmarktes.
Schlüsselwörter
Ratingagenturen, Finanzmärkte, Ratingprozess, Effizienzprobleme, Interessenkonflikte, Finanzkrisen, Regulierung, Zukunftsszenarien, Kapitalmarktregulierung, US-Immobilienkrise, Staatsschuldenkrise, Euroraum.
- Citation du texte
- Jan Siebert (Auteur), 2012, Die Rolle der Ratingagenturen auf den internationalen Finanzmärkten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192453