In der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen, die Reinheitsdiskurse in Goethes 'Iphigenie auf Tauris', Schillers 'Die Jungfrau von Orleans' und Grillparzers 'Das goldene Vließ' begrifflich zu fassen und hinsichtlich ihrer textimmanenten Funktion und ihres ideengeschichtlichen Ortes zu analysieren. Dabei wird versucht, die Ergebnisse aus Mary Douglas' ethnologischem Standardwerk Reinheit und Gefährdung für die Analyse fruchtbar zu machen.
Im Rückgriff auf Douglas' Anmerkungen zur Wirkungsmacht von Ritualen wird anhand der Iphigenie und des goldenen Vließes nachgewiesen, dass (Reinheits-)Rituale auch in der Literatur die Funktion der Konstitution von Wirklichkeit, der Stabilisierung von Ordnungen und der Selbstvergewisserung einer Kultur erfüllen.
Den Ausgangspunkt der tragischen Handlung der drei Dramentexte bildet jeweils eine Krisensituation, eine Bedrohung der bestehenden Ordnung. Diese Bedrohung wird hier verstanden als Gefährdung durch vermeintliche Verunreinigung durch das Andere, durch das Fremde.
Die drei hier behandelten Dramentexte wurden deshalb verstanden als Ausdruck der aufklärerischen Totaltransformation: Sie sind Teil einer kollektiv-kulturellen, ideengeschichtlichen Auseinandersetzung über die Ablösung einer Ordnung durch eine andere.
Insofern die Reinheitsdiskurse auf ontologisch-ethische Ideale der Aufklärungsphilosophie rekurrieren, sind die Dramentexte als literarische Auseinandersetzung und Verarbeitung der Verwerfungen und Transformationen des Entstehungszeitraumes zu verstehen.
Die Reinheitsdiskurse sind Ausdruck dessen: Sie sind Medium der Auseinandersetzung über Werte und Normen, die soziale und kulturelle Ordnungen konstituieren, stabilisieren oder desavouieren. Desgleichen werden über Reinheitsdiskurse Verlustgeschichten in den Blick genommen, die auf die durch die Aufklärung geborene Moderne referieren. In diesem Sinne können die hier verhandelten Texte als Kulturkritik verstanden werden: Als Reflexionen über die Möglichkeiten, aber auch die Zumutungen der Moderne. Die Einbettung der Stoffe in Diskurse über Reinheit und Verunreinigung ermöglicht das symbolische Sprechen über kultur- und zeitenübergreifende Wertungs- und Ordnungsschemata.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Iphigenie auf Tauris
I.1 Ritual und Ordnung
I.2 Iphigenies zweifache Reinheit
I.2.1 Iphigenies Jungfräulichkeit
I.2.2 Iphigenies sittliche Reinheit
I.2.2.1 Orests Heilung
I.2.2.2 Iphigenies Schuld
I.3 Dreischritt der Kritik
I.4 Schein der Versöhnung
Die Jungfrau von Orleans
II.1 Säuberung und Versöhnung
II.2 Johannas Reinheit
II.2.1 Johanna d'Arc - anthropologische Reinheit
II.2.2 Die Heilige Jungfrau - metaphysische Reinheit
II.3 Demaskierung
II.4 Figurierte Theorie
Das goldene Vließ
III.1 Entfremdung
III.2 Assimilation
III.3 Rache
III.4 Hoffnung
IV. Ergebnis
Literaturverzeichnis
EINLEITUNG
Gegenstand der vorliegenden Magisterarbeit sind die Reinheitsdiskurse in Goethes Iphigenie auf Tauris, Schillers Die Jungfrau von Orleans und Grillparzers Das goldene Vließ. Es soll der Versuch unternommen werden, die kulturvergleichende Perspektive aus Mary Douglas' Standardwerk Reinheit und Gefährdung für die Analyse der genannten Texte fruchtbar zu machen.
Die genannten Dramentexte sind entstanden im Dunstkreis des Höhepunktes der europäischen Aufklärung. Während Iphigenie auf Tauris noch vor der Französischen Revolution entstand, nämlich, einschließlich der Prosafassung, in einem Zeitraum von Februar 1779 bis Januar 1787, datiert die Niederschrift der Jungfrau von Orleans auf die nachrevolutionäre Phase, nämlich zwischen 1. Juli 1800 und 16. April 1801. Das goldene Vließ hingegen entstand zwischen 29. September 1818 und 27. Januar 1820. Es ist kein Zufall, dass mit einigem zeitlichen Abstand zu Französischer Revolution und dem Höhepunkt der Aufklärungsbewegung die Frage nach dem Triumph der Modernen durch das Aufgreifen des Medea-Mythos nicht mehr überschwänglich zugunsten der Modernen beantwortet wird.
Aufklärung soll hier verstanden werden als Aufgang der Moderne im Sinne eines Prozesses umfassender gesellschaftlicher, politischer, religiöser und wissenschaftlicher Transformation. Diese Transformation wiederum ist als Reinigungsprozess zu fassen: Mit ihren kritischen Werkzeugen - Zweifel, Vernunft und wissenschaftlicher Erkenntnis - schickten sich die Aufklärer an, die menschlichen Vorurteile zu läutern. Mit Bruno Latour gesprochen, machte ,,[d]ie Finsternis der früheren Zeiten, wo soziale Bedürfnisse und Naturwirklichkeit, Bedeutungen und Mechanismen, Zeichen und Dinge unberechtigterweise vermengt worden waren, [...] einer leuchtenden Morgenröte Platz, in der endlich klar zu trennen war zwischen der materiellen Kausalität und der menschlichen Phantasie“[1]. Dieses Zitat zeigt den Sachverhalt an, dass immer, wenn von 'Moderne' die Rede ist, der Begriff relational zu 'früheren Zeiten' steht. Diese abgrenzende Setzung bezieht sich in ihrer weitesten Ausdehnung auf den Begriff des Mythos, der für jenen Zustand der Vermischung, ja, der Identität, in seiner Reinform steht. Das Aufgreifen und Fortschreiben griechischer Mythen durch Goethe und Grillparzer sowie die Mythologisierung eines historischen Stoffes durch Schiller machen die hier in Frage stehenden Texte besonders fruchtbar hinsichtlich ihres Ortes im Kontext der aufklärerischen Totaltransformation.
Der religions-ethnologische Ansatz von Mary Douglas sträubt sich nicht gegen seine Anwendung auf die Zeit und die Folgen der Aufklärung, trägt die Vernunftfixierung der Aufklärungsbewegung doch weithin religiöse Züge. Nicht nur äußert sie sich in einem ausufernden Vernunftglauben, sondern sie war eine genuin christliche Bewegung; die Autoren der Zeit waren christlich erzogen und theologisch geschult. Vor allem aber plädiert Douglas für eine unvoreingenommene Sicht auf Reinheitsrituale und -Vorschriften primitiver Völker. Ihr Suchen richtet sich ganz auf ein universales Verständnis von kulturellem Umgang mit Verunreinigungen. Fragen der Reinheit und Verunreinigung haben laut Douglas eine genuin moralische und kulturübergreifende Dimension. Dies gilt umso mehr im Kontext der Aufklärung, der Herausbildung der Modernen. Gerade im Kontext der Selbstvergewisserung und -behauptung des Bürgertums gegenüber Adel und Kirche gewinnt Reinheit in Form von Tugendhaftigkeit ihre ethische Schärfe. Der Reinheit des Blutes, die nur durch das Privileg herrschaftlicher Geburt gewährleistet sein kann, wird nun die Reinheit der Gesinnung und des Betragens entgegengehalten. Die Klassifikation rein/unrein als Skala normativer Bewertung wird Ausweis des Selbstverständnisses einer neuen kulturellen Ordnung. So lassen sich um die Jahrhundertwende eine Fülle an Texten finden, die das neue Selbstbewusstsein des Bürgertums gegenüber den althergebrachten Obrigkeiten zum Thema machen. Die Selbstvergewisserung des Bürgertums wird in jenen Texten über moralische Reinheit in Form von Tugendhaftigkeit geleistet und adliger und klerikaler Willkür, Falschheit und Verdorbenheit entgegengestellt. Um nur einige jener bedeutenden Texte zu nennen, sei auf Schillers Kabale und Liebe, Lessings Nathan der Weise, Emilia Gaietti und Miss Sara Sampson, sowie Kleists Marquise von O. und Das Erdbeben in Chili verwiesen.
In den hier zu behandelnden Texten aber tritt die emanzipatorische Bedeutung der Reinheitsdiskurse weniger offensichtlich und nur gebrochen zu Tage. Dennoch wird sich zeigen, dass Kategorien der Reinheit beziehungsweise der Verunreinigung Teilejener symbolischen Strukturen sind, die soziale, kulturelle und politische Ordnungen konstituieren oder bedrohen, schützen oder ablösen. Eingedenk der Verwerfungen der Entstehungszeit der Texte lässt sich so auch hier von Reinheit als Paradigma bürgerlicher-aufklärerischer Emanzipation sprechen. Es werden Konflikte vorgeführt, die die Verteidigung, Ablösung oder Wiederherstellung von Ordnungen zum Gegenstand haben.
Dass die in den vorliegenden Texten geführten Reinheitsdiskurse in engem Zusammenhang mit Erfahrungen von Fremdheit stehen, hat wiederum zu tun mit der Reflexion des Vorgangs der Abgrenzung von 'früheren Zeiten', der dem Wesen der Moderne zu eigen ist. Nicht zuletzt durch die Vermittlung jener Fremdheitserfahrungen verweisen die Reinheitsdikurse auf einen ontologischen Status, auf das Verhältnis von individuellem Sein und der umgebenden Seins-Ordnung.
Es wird zu zeigen sein, dass sich in den vorliegenden Texten politische, ethische, religiöse, physische und ontologische Reinheitsdiskurse finden lassen und dass diese eine zentrale und genuin normative Rolle in der Konfliktstruktur der Texte spielen, indem sie textimmanent die Symbolstrukturen von Krisensituationen und Transformationen ausweisen. Des Weiteren wird sich herausstellen, dass die zu behandelnden Texte als literarische Auseinandersetzung und Verarbeitung jener aufklärerischen Totaltransformation darstellbar sind. Der Rekurs auf Ideale der Aufklärungsphilosophie wird dabei mittels der Reinheitsdiskurse sinnfällig gemacht. Dass es sich bei den Texten um Mythographien handelt, spricht von der prekären Vermittlung von Ideal und Wirklichkeit. Darin eignet den Texten eine kulturkritische Tendenz, die sich auch daran ablesen lässt, dass die verhandelten Ideale in keinem der Texte rein gehalten werden können: In Konfrontation mit einer sie subvertierenden Wirklichkeit werden sie aufUtopien zurückgebogen.
I. IPHIGENIE
1.1 RITUAL UND ORDNUNG
Eine hier vertretene Grundthese wird sein, dass die Kategorien der Reinheit und der Verunreinigung innerhalb eines politischen, gesellschaftlichen oder kulturellen - und damit auch literarischen - Diskurses auf eine Ordnung referieren, die irgend prekär ist. Die Reinheitsdiskurse in Iphigenie auf Tauris zeigen eine ebensolche Dimension schon in der Exposition. Die Diskrepanz zwischen der Fremden, der Exilantin Iphigenie, und den auf Tauris ansässigen Skythen entwickelt Goethe mit Hilfe eines Reinheitsdiskurses, der auf die hier aufeinander treffenden Ordnungen referiert. Ein Blick auf die Rolle des von Thoas geforderten Menschenopfers wird in dieser Hinsicht erhellend sein.
An die Skythen kann in gewissem Maße das Attribut einer - nach Douglas - 'primitiven'[2]Gesellschaft gelegt werden. Nach Douglas verweisen die Rituale primitiver Völker - gerade wenn sie mit menschlichen Körpern zu tun haben - mittels ihres Symbolcharakters auf eine Gefährdung der sozialen Ordnung, der Kultur, der Gemeinschaft. (Reinheits-)Rituale und Reinheitsvorschriften sind Maßnahmen zur Bewältigung von Bedrohungen der Ordnung und von Abweichungen von der Ordnung[3]. Das Ritual dient somit der Erhaltung einer bestimmten - hier einer patriarchalischfeudalen - Kultur. Wenn die Skythen das Ritual des Menschenopfers pflegen, so deutet dies nach Douglas also darauf hin, dass ihr soziales Gefüge unter hohem Druck steht. So ist die rituelle Opferung fremder Eindringlinge innerhalb des Kosmos der Skythen nur konsequent angesichts der Gegenwart invasiver Mächte. Das Menschenopfer gehört hier in ein symbolisches System zum Schutz der von außen bedrohten Gemeinschaft[4]. Die Fremden, die an der Küste der Skythen stranden, werden als Verunreinigung[5]und damit als Gefährdung des sozialen Gefüges bestimmt und beseitigt; die Ordnung damit wiederhergestellt. Die von Thoas geforderte erneute In-Kraft-Setzung des Rituals muss entsprechend verstanden werden als Reproduktionsleistung und nicht - wie Borchmeyer veranschlagt - als schlecht kaschierte und erpresserische Rachetat des Skythenkönigs[6]. Somit ist der Rückgriff auf das rituelle Muster auch nicht allein „ein Symptom der Willkür des befehlsgewohnten, dem empfindsam-rationalen Diskurs nicht gewachsenen Herrschers“[7], sondern er ist ein der Notwendigkeit abgerungener Schritt zum Schutz, oder besser: zur Wiederherstellung der Ordnung.
Dass Thoas erst angesichts der Verweigerungshaltung Iphigenies den „heiligen Gebrauch“ (Vs. 528f.) wieder durchsetzen will, bestätigt die getroffene Annahme in zweierlei Hinsicht. Zum einen führt Thoas selbst den Grund an für die Wichtigkeit der Heirat: Nach dem Tod seines Sohnes fehlt der Thronfolger - eine empfindliche Störung der politischen Ordnung: Einjeder sinnt was künftig werden wird, Und folgt dem Kinderlosen, weil er muß.
[...]ichhoffe dich Zum Segen meines Volkes und mir zum Segen, Als Braut in meine Wohnung einzuführen. (Vs. 242)
Die Heirat würde demnach in erster Linie dem Zweck dienen, die durch den Tod des Sohnes und die Aussetzung der Menschenopfer zweifach gestörte Ordnung wiederherzustellen[8]. Das Aussetzen des Rituals fände somit seine Begründung in dem Kompromiss, den Thoas mit Iphigenie zum Zwecke der Heirat einzugehen bereit sich zeigte. Dass Thoas aber zu diesem Kompromiss bereit ist, zeigt, wie schwer das Fehlen einer geregelten Thronfolge wiegt.
Interessant sind in dieser Hinsicht die Anmerkungen, die Malinar und Vöhler zum Verhältnis von Reinheit und Tod machen. Demnach gehe es bei Reinheitsritualen post mortem nicht allein um die Unreinheit des Verstorbenen, sondern vielmehr um „die Störung des Ordnungssystems, die durch das Hinwegscheiden, das Fehlen der Person ausgelöst wird. Die Grenzen einer Familie werden sowohl im Inneren als auch nach Außen hin verschoben. Dies affiziert auch deren soziales Umfeld“[9]- und, wie im Fall des Skythenkönigs, das politische Gefüge. Hatte Thoas durch seinen vorangegangenen Rachefeldzug den Tod des Sohnes gesühnt, und so, gewissermaßen durch die Erfüllung einer Rachepflicht, die Verunreinigung, die dadurch, dass er nicht imstande war, seinen Sohn zu schützen, auf ihn selbst fiel, getilgt, so sieht er sich nun in der Pflicht, die soziale und politische Unordnung wieder in Ordnung zu verwandeln. Dies will er erreichen, indem er Iphigenie zur Frau nimmt. Dass er bereit ist, zu diesem Zweck das Ritual auszusetzen, zeigt den Druck unter dem er steht.
Zum anderen dient die Reaktivierung des Rituals dem Schutz seines patriarchalisch-mythischen Weltbildes, das er bedroht sieht durch Iphigenies Weigerung, ihn zu ehelichen. Die kulturelle Ordnung, die Thoas zugunsten des Kompromisses außer Kraft setzte, muss nun, da der Kompromiss durch die Weigerung Iphigenies gegenstandslos geworden ist, wiederhergestellt werden.
Douglas Anmerkungen zur Realitätskonstruktion von gesellschaftlichen Ritualen sind in dieser Hinsicht erhellend: „Gesellschaftliche Rituale schaffen eine Realität, die ohne sie nicht bestehen würde. Es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, daß das Ritual für die Gesellschaft mehr ist, als es die Worte für das Denken sind. [...] es ist unmöglich, soziale Beziehungen herzustellen, ohne über symbolische Handlungsweisen zu verfügen“[10]. In dieser Hinsicht dient das Ritual auch zur Selbstvergewisserung einer Kultur, im Sinne einer Identitätskonstruktion. So bestimmt sich die Identität der Skythen zu einem nicht unwesentlichen Teil über den Opferkult: „Kein Fremder nahet glücklich unserm Ufer; Von Alters her ist ihm der Tod gewiß. (...) Du hattest mir die Sinne eingewiegt, Das Murren meines Volkes vernahm ich nicht; Nun rufen sie die Schuld von meines Sohnes
Frühzeit'gem Tode lauter über mich. Um deinetwillen halt' ich länger nicht
Die Menge, die das Opfer dringend fordert“ (Vs. 509ff.).
Der Verdacht, Thoas' Rede sei an dieser Stelle nicht wahrhaftig, sondern in erpresserischer Absicht geführt, scheint abwegig; schließlich sind es in Goethes Stück die Griechen, allen voran Pylades, die zu rhetorischer Manipulation neigen. Im Gegenteil, aus dem Bisherigen lässt sich schließen, dass der soziale und politische Druck auf Thoas tatsächlich enorm ist, da das skythische Volk - so vermittelt es zumindest Thoas - sich über den xenophoben Opferkult definiert. Es wird deutlich, welche Konsequenzen das Verwerfen des alten Brauchs haben würde: Es käme zu einer Verschiebung des Wertesystems, zu einem nicht organisch gewachsenen, sondern aufoktroyierten Mentalitätswechsel[11]- und auf nichts weniger zielt Iphigenies Haltung ab, wenn sie „mit kategorisch-imperativischem Sprachgestus ihre unbedingte Moralität der allgemeinen Legalität entgegensetzt“[12]. Durch die vorgängige Bereitschaft zum Kompromiss zeigt sich Thoas selbst für diesen Wechsel weit zugänglicher als sein Volk.
Das Ritual des Menschenopfers zeigt also Gefährdungen an, mit deren Hilfe sich auf die Verfasstheit der sozialen Ordnung der Skythen schließen lässt. Einerseits steht die Gemeinschaft der Skythen unter erheblichem Druck von außen: das quasi-imperiale Auftreten der Griechen, ihre Intention des Statuenraubes, sowie das Vorhandensein nicht näher bestimmter äußerer Feinde, erläutern die Bedrohungslage. Zum anderen sind die inneren Grenzen der Gesellschaft bedroht: Einerseits durch die nicht geregelte Thronfolge, andererseits durch den von Iphigenie angestrengten Mentalitätswechsel, der das patriarchalisch-mythische Weltbild durch eine empfindsam-aufgeklärte Mentalität der Menschlichkeit abzulösen trachtet. Oder, um mit Douglas zu sprechen: Die Skythen haben mit drei verschiedenen Arten sozialer Verunreinigung umzugehen: Zum einen „die Gefahr, die die äußeren Begrenzungen bedroht“[13]- nämlich die der Gegenwart der Griechen und anderer äußerer Feinde; zum andern „die Gefahr, die durch das Überschreiten innerer Trennlinien des Systems ausgelöst wird“[14]- der drohende Mentalitätswechsel; und zum dritten die Gefahr des „inneren Widerspruch[s], der entsteht, wenn einige der Grundpostulate von anderen Grundpostulaten in Frage gestellt werden“[15]- der Konflikt zwischen dem Gebot, das Opferritual aufrechtzuerhalten und dem Gebot, die Thronfolge zu regeln.
Bezeichnender Weise nutzt Goethe das Opferritual zur Steigerung des Gegensatzes von Barbarentum und Zivilisation, von Primitiven und Modernen. Was für die Barbaren eine notwendige rituelle Einrichtung ist, erzeugt im Verständnis der Modernen Abscheu. Im aufgeklärten Bewusstsein muss das Menschenopfer als absurdes und geradehin absolutes Verbrechen gelten, da es die Grundbestimmung des Menschen und damit sein ureigenstes Recht verletzt, immer auch Selbstzweck, nie aber nur Mittel zum Zweck eines Andern zu sein. Kant verlieh diesem Postulat seinen populärsten Ausdruck in Form des kategorischen Imperativs[16]. Der Antagonismus also, den Goethe mit dem Motiv des Menschenopfers gestaltet, ist der von Autonomie und Fremdgesetzlichkeit in seiner äußersten Zuspitzung. Oder, um erneut Douglas zur Anwendung zu bringen: Stellt das Menschenopfer für die Barbaren einen Schutz der Gemeinschaft gegen Verunreinigung dar, so ist es den aufgeklärten Modernen die größtmögliche Verunreinigung ihrer moralischen Verfasstheit. Auch deshalb ist Adornos Formulierung des Zusammentreffens „zweier Völker aus zwei Weltaltern“[17]so treffend. Das zeigt sich auch daran, dass die dem skythischen Menschenopfer inhärente Xenophobie zum Ausweis der archaisch-mythologischen Ordnung wird und damit zur Negativfolie des aufklärerischen Gedankens universaler Rechte.
Das durch die Götter abgewendete Menschenopfer war daher ein beliebtes mythisches Motiv in den Dramen des ausgehenden 18. Jahrhunderts[18]. Die Intention der Autoren war, die Grausamkeit des Mythos auf ein dem aufklärerischen Drama entsprechendes, humanes Maß zu reduzieren. Auch Goethe zielt auf eine Humanisierung des Mythos. Er verlegt dabei aber das Eingreifen einer Gottheit in die Vorgeschichte: Die Errettung Iphigenies durch Diane und die Schickung Orests durch Apoll. Das Aussetzen des Blutrituals auf Tauris wird Goethe ohne Rückgriff auf die Götter gelingen: Mit ethnologischem Gespür verlegt er die Lösung des Konflikts ins rein Menschliche. Goethe führt vor, dass Rituale einerseits Strukturmerkmale einer Ordnung, zugleich aber auch wandelbar sind und mit ihnen auch die Ordnung selbst nicht gottgegeben und unveränderbar ist.
Wie Douglas verweist auch Braungart darauf, dass die bloße Ausübung von Ritualen kein Kriterium zur Unterscheidung von archaischen und modernen Gesellschaften sei[19], da jeglicher sozialer Prozess „auch an der Ausbildung von Ritualen, an ihrer Kritik und endlichen Preisgabe und an Re- Ritualisierungen abgelesen werden“[20]kann. Es überrascht daher nicht, dass Orest im sechsten Auftritt des letzten Aufzuges das ritualisierte Duell 'Mann gegen Mann' als Konfliktlösung vorschlägt. Es wurde verschiedentlich festgestellt, dass Goethe hier die Archaik Thoas' mit Orests feudal-heroischem Weltbild konfrontiert[21]. Repräsentantin der dritten hier dargestellten geistesgeschichtlichen Position ist Iphigenie, die bürgerlich-aufgeklärt sich auf die Humanität Thoas' verlässt und letztlich das berühmte finale 'Lebt wohl!' (Vs. 2174) einfordert. Mithin liegt auch hier eine Ritualisierung vor, denn „[w]o alte Rituale aufgegeben werden, entstehen neue“[22]. Was hier durch das 'Lebt wohl!' angezeigt wird, ist demnach nichts weniger als ein kultureller Umbruch: Der durch Iphigenie vollzogene Mentalitätswechsel besteht in der Kritik der alten Rituale und ferner in der Schaffung eines neuen[23]- und damit ist letztlich auch das Fundament der Hervorbringung einer neuen kulturellen Ordnung angezeigt.
1.2 IPHIGENIES ZWEIFACHE REINHEIT
Das Aussetzen des xenophoben Rituals des skythischen Menschenopfers organisiert Goethe über die Reinheit seiner Hauptfigur. Diese ist als zweifache zu fassen, als physische und sittliche Reinheit. Ihre Verknüpfung ist das Fundament der Konfliktstruktur des Stückes.
I.2.1 IPHIGENIES JUNGFRÄULICHKEIT
Es wurde bereits auf die Motive Thoas, um Iphigenies Hand anzuhalten, hingewiesen. Ein genauerer Blick auf die Umstände der Weigerung Iphigenies wird im Hinblick auf die im Stück abgehandelten Reinheitsdiskurse erhellend sein.
Im dritten Auftritt des ersten Aufzugs hält Thoas förmlich um Iphigenies Hand an. Iphigenie selbst spricht daraufhin das Problem ihrer Herkunft an: Bislang verschwieg sie ihre Abkunft von den mit Götterfluch belegten Tantaliden. Thoas fordert daraufhin Iphigenies Vertrauen. Er bittet sie, ihre Herkunft zu enthüllen. Iphigenie, deren Handeln geprägt ist von der Hoffnung auf „frohe Rückkehr“ (Vs. 274) zu den Ihren, plagt zunächst die Furcht, vorzeitig von Thoas ins Elend gestoßen zu werden, sollte er von ihrer Herkunft erfahren. Bevor Iphigenie der Wahrheit ihrer Herkunft genüge tut, entlockt sie Thoas das am Ende des Stücks sich als entscheidend erweisende Versprechen: „Wenn du nach Hause Rückkehr hoffen kannst,
So sprech' ich dich von aller Fordrung los.
Doch ist der Weg auf ewig dir versperrt, Und der Stamm ist vertrieben, oder durch Ein ungeheures Unheil ausgelöscht, So bist du mein durch mehr als ein Gesetz. Spricht offen! und du weißt, ich halte Wort“
(Vs. 293ff.)
Daraufhin enthüllt Iphigenie ihre Teilhabe am mythologischen Schuldzusammenhang: Tantalus, ein Fremdkörper am Tisch der Götter, wurde als der der Ordnung Widersprechende, gegen sie Verstoßende, identifiziert, von den Göttern - als Schmutz gewissermaßen - beseitigt und sein Geschlecht mit einem Fluch belegt, der den Status der Unreinheit vor den Göttern von Generation zu Generation übertrug. Der Atridenfluch lässt sich somit als Verunreinigungszusammenhang beschreiben. Damit ist der mythologische Rahmen abgesteckt: Tantalus' Grenzüberschreitung, nämlich die der Grenze zwischen Göttern und Menschen, wurde sanktioniert. Der Götterfluch an sich markiert damit durch den mythologischen Rahmen eine Reinheitsvorschrift, eine soziale Grenze zwischen Göttern und Menschen. Der Atridenfluch kann somit auch als Chiffre des biblischen Motivs der Erbsünde gelesen werden. Die Lesarten beider Schuldzusammenhänge sind bestimmt von metaphysischer Fremdbestimmtheit - und damit Skandale für das Autonomiestreben der Aufklärungsphilosophie.
Am Ende dieser, durch den Götterfluch erzeugten, langen Kette von Verrat, Neid, Hass, Zwietracht, Bruder-, Selbst- und Kindsmorden steht nun Iphigenie, von ihrem Vater der Diane geopfert und von selbiger in einer Wolke beschützt nach Tauris gebracht, vor dem Mann, dessen sie sich erwehren will. Zu diesem Zweck führt Iphigenie nun, da ihre verhüllte Herkunft sie nicht mehr schützt, die Göttin Diane an, die sie errettet habe und der daher ,,[a]llein das Recht auf mein geweihtes Leben“ (Vs. 439) zukomme. Rhetorisch geschickt identifiziert Iphigenie dabei ihren Wunsch der Heimkehr mit dem vermeintlichen Plan der Göttin.
Es zeigt sich, dass Iphigenies Berufung auf die Weihe der Göttin der letzte Schutz ihrer jungfräulichen Integrität ist - und damit die letzte Möglichkeit, das Aufgehen in der Rolle der Ehefrau, die sie mit geradezu euripideischem Furor beklagt[24], zu verhindern. Denn angesichts königlicher Allmacht bedarf es der göttlichen Legitimierung ihrer Position, um Thoas' Werben zu entgehen. Indem sie jedoch die Wahl trifft, die sakrale Abgeschiedenheit ihres Tempels und Amtes nicht zu verlassen, droht sie ihre sittliche Reinheit - die sich zumal in ihrem Anliegen zeigt, das Menschenopfer zu suspendieren - zugunsten ihrer physischen Reinheit zu opfern.
Cuonz bemerkt richtig, dass sich der Tempel für Iphigenie „als goldener Käfig ihrer Jungfräulichkeit“[25]erweist. So gesteht Iphigenie im Eingangsmonolog auch ein, dass sie ihren Dienst nur mit 'stillem Widerwillen' (Vs. 36) ausübe und dass dahin sei „[d]er Jugend beste Freude, das Gedeihn / Der ersten Jahre“ (Vs. 87f.) - also die freie Selbstentfaltung, die für die Aufklärung ein wesentliches Postulat ist. Es kann somit nicht die Rede sein von der Jungfräulichkeit als “Schutzwall ihrer Selbstbestimmung“[26], denn Iphigenie befindet sich hier zunächst in einem Zwangszusammenhang, in einem Zustand der Heteronomie, der nur in Relation zu seiner Alternative den Anschein von Selbstbestimmung erweckt. Treffender ließe sich Iphigenies Jungfräulichkeit als Schutz oder Garant ihres Anspruches an sittliche Reinheit beschreiben: Nur jungfräulich kann sie das Priesteramt ausüben und nur indem sie das Priesteramt bekleidet, kann sie aus moralischen Gründen das Menschenopfer suspendieren. Iphigenies Priesteramt ist demnach fassbar als Schutz ihrer „Integrität im physischen sowie im sittlichen Sinn“[27]. In dieser Verknüpfung von Jungfräulichkeit und sittlicher Reinheit besteht nun Iphigenies Konflikt: Letztere ist ohne erstere zunächst nicht zu haben. Verzichtete sie auf das göttlich legitimierte Priesteramt, verlöre sie nicht nur ihre Jungfräulichkeit und müsste sich der patriarchalen Gewalt Thoas' fügen, sondern sie verlöre auch das mit dem Priesteramt verbundene Privileg, die Opferdienste zu verweigern. Zugleich aber bedeutet das Priesteramt auch Stagnation, Isolation und Gefangenschaft und hat daher mit Selbstbestimmung oder freier Entfaltung wenig zu schaffen. Iphigenies Entscheidung, sich Thoas' Werben zu verschließen und auf ihrer rituellen Reinheit zu beharren, hat zur Folge, dass ihre sittliche Reinheit durch Thoas desavouiert zu werden droht. Zu Beginn des dritten Aufzugs fasst Iphigenie ihr Dilemma zusammen: „Und niemand, wer es sei, darf euer Haupt, So lang' ich Priesterin Dianens bin, Berühren. Doch verweigr' ichjene Pflicht, Wie sie der aufgebrachte König fordert; So wählt er eine meiner Jungfrauen mir Zur Folgerin, und ich vermag alsdann Mit heißem Wunsch allein euch beizustehn“ (Vs. 934ff.)
Der König bedroht somit Iphigenies Ort im kulturellen Gefüge auf zweifache Weise: Zum einen droht er durch sein Werben um Iphigenie, ihre physische und damit auch ihre sittliche Reinheit zu zerstören; zum anderen droht er sie bei Verweigerung der Ehe und des Opferdienstes durch eine andere, willfährige Jungfrau zu ersetzen. Daher ist Iphigenie gezwungen, die bisherige Passivität ihrer Reinheit in ein aktives, erst noch hervorzubringendes sittliches Ideal zu überführen. Iphigenies Reinheit „ist demnach nicht nur ein Aspekt der im ersten Akt entwickelten problematischen Konstellation, vielmehr wird sie, im Sinne ihrer aktiven Umgestaltung bzw. Neuerschaffung, auch als Conditio sine qua non zur Überwindung eben dieses Konfliktes erkennbar“[28].
Iphigenies zweifache Reinheit im Physischen und Sittlichen dient damit der Etablierung einer neuen Ordnung. Durch ihre Weigerung, das Priesteramt aufzugeben und auf Thoas Werben einzugehen, bedroht sie die 'alte' Ordnung - wie oben dargelegt - auf zweifache Weise durch Aussetzen des Rituals und Verhindern einer Regelung der Thronfolge. Das Festhalten an ihrer zweifachen Reinheit, der Unwille, weder ihre physische noch ihre sittliche Integrität preiszugeben, erfordert ein Heraustreten aus der Passivität der jungfräulichen Priesterin. Da ihre bisherige passive Haltung in eine Sackgasse zu führen droht, ist Iphigenie gezwungen, das Fundament einer neuen kulturellen Ordnung zu legen.
1.2.2 IPHIGENIES SITTLICHE REINHEIT
I.2.2.1 ORESTSHEILUNG
Mit dem Eintreffen von Orest und Pylades im zweiten Aufzug wird die Konfliktstruktur des Stückes vollendet. Nicht nur ebnet es den Weg zur Wiedererkennungsszene des dritten Aufzuges, es verschärft auch den Konflikt um die Wiederaufnahme des Menschenopfers und veranschaulicht die Tragweite des Atridenfluchs.
Orest, „im Geleit der Rachegeister“ (Vs. 564) und in irdischen Ketten, wähnt sich beim Betreten der Insel auf dem „Weg des Todes“ (Vs. 561). Er hadert mit dem Schicksal und den Göttern; Muttermord und Götterfluch lassen ihn verzweifeln. Der listige Pylades, dessen Vorbild nicht zufällig Odysseus ist, versucht sich in der Beruhigung seines Begleiters, der aber dessen Argumente als Vernünfteleien abtut. Da Pylades die desaströse Verfassung erkennt, in der sich Orest befindet, beschließt er zunächst allein vorjene Priesterin zu treten, deren „reines Herz“ (Vs. 774), so konnte Pylades von ihren Wächtern in Erfahrung bringen, „jenes blutige Gesetz [des Menschenopfers] gefesselt“ (Vs. 773) hält.
Es ist bezeichnend für den das Stück prägenden Autonomiegedanken, dass Iphigenie bei ihrer ersten Begegnung Pylades von seinen Ketten befreit (Vs. 800). Der gesteigerte Akzent ergibt sich schon daraus, dass Goethe ansonsten mit Regieanweisungen äußerst spärlich verfährt.
Im Dialog mit Pylades erschließt sich sodann, dass Iphigenie längst schon verstrickt ist in den Schuldzusammenhang ihres Geschlechts: Pylades berichtet, dass die Mithilfe ihrer Mutter an der Ermordung des Vaters motiviert war durch dessen Bereitschaft, Iphigenie zu opfern. Die über Generationen vererbte Unreinheit hatte die soziale Ordnung der Familie schon vorgängig gestört. Durch den Muttermord Orests und den Orakelspruch, der ihn zum Diane-Tempel schickte, um die Furien loszuwerden, spinnt sich nun das Netz des Fluchs zurück zu Iphigenie.
Im dritten Aufzug folgt die Wiedererkennungsszene. Orest, die Geschehnisse im Hause beider Eltern rekapitulierend, verwirft Pylades' erste List und vertraut Iphigenie die Wahrheit an:
„Ein lügenhaft Gewebe knüpf1 ein Fremder Dem Fremden, sinnreich und der List gewohnt, Zur Falle vor die Füße; zwischen uns Sei Wahrheit!
Ich bin Orest! Und dieses schuld'ge Haupt Senkt nach der Grube sich und sucht den Tod“ (Vs. 1078ff.)
Mit der Enthüllung seiner Identität setzt Orest den Prozess seiner Läuterung und Heilung selbst in Gang. Er beginnt mit Orests kathartischer Rede und wird sich nach dem emphatischen 'Sei Wahrheit!' bis hin zu Orests 'Wahnsinns-Monolog' fortführen. Iphigenie entfaltet darauf, im Wissen den Bruder vor sich zu haben, die reinigende Wirkung des viel beschworenen Prinzips der Schwesterlichkeit[29]:
,,O laß den reinen Hauch der Liebe dir Die Glut des Busens leise wehend kühlen.
Soll nicht der reinen Schwester Segenswort Hülfreiche Götter vom Olympus rufen?“ (Vs. 1157ff.)
Das Prinzip der Schwesterlichkeit ist in dieser Aussage Iphigenies mit wenigen Strichen skizziert: Der 'reine Hauch der Liebe' und ihre Selbstbestimmung als 'reine Schwester' zeigen eine eigentümliche Verknüpfung von Liebe, Unschuld, Jungfräulichkeit, Tugendhaftigkeit und Lauterkeit. Damit ist über die Verknüpfung von Reinheitsvorstellungen nicht nur ein Gutteil des Wertehorizonts der Aufklärer zu erblicken, sondern auch die Erwartung ausgesprochen, die eigene Reinheit habe das Potential, eine kathartische Wirkung freizusetzen. Dass Iphigenie selbst ihre Schwesterlichkeit zum Zwecke der Kühlung der 'Glut des Busens' in Stellung bringt, legt demnach den Schluss, dass Iphigenie aktiv an der Heilung Orests mitwirke, zumindest nahe.
Mithin wurde die Heilung Orests in der Forschung ausufernd diskutiert[30]. Daniel Cuonz ist der Hinweis zu verdanken, dass die Wirkung der reinigenden Rede erst dann zur vollen Entfaltung gelangt, nachdem auch Iphigenie ihre Identität preisgeben hat. Erst die „Logik von 'Mutterblut' und 'Muttersprache'“[31]bringe den Heilungsprozess Orests in Gang. Für Borchmeyer setzt dagegen Orests Heilung erst durch die kathartische Hadesvision ein, daher lehnt er jede Beteiligung Iphigenies an der Entsühnung des Bruders von moralischer Schuld ab, bestenfalls begleite sie „mit ihrem Gebet nur noch die Schlußphase der Genesung vom Wahnsinn“[32]. Borchmeyer entgeht so aber die entlastende Bedeutung von Orests Eingeständnis der Tat und des in der Gegenwart seiner Schwester gesteigerten Leidens ebenso wie die Bedeutung des Vergebens - denn erst die Konfrontation mit seiner Tat einerseits und seiner Schwester andererseits lässt ihn 'in Ermattung' sinken und anschließend in den Monolog ausbrechen. All das wäre nicht plausibel ohne Wiedererkennung, und das heißt hier: ohne Enthüllung reiner Wahrheit. Deiters konstatiert daher zu Recht, dass Iphigenie die Fatalität der Mytho-Logik durch ihr Erbarmen durchbricht und so „den Bruder aus dem Bann der Vergangenheit“[33]reißt.
In der Hadesvision wird das Motiv der Vergebung weiter ausgebreitet. Die Vergebung der Schuld, die Iphigenie Orest zuteil werden ließ und die nach der Logik von Bluttat und Racheakt keineswegs selbstverständlich ist[34], setzt sich hier fort in der Vision vom feierlichen Aufeinandertreffen der Opfer und Täter, der Ermordeten und der Mörder: die Ahnenreihe ist friedlich versammelt, alle Schuld vergeben, alle Feindschaft erloschen. Einzig der Verursacher des Fluchs, Tantalus, ist ausgenommen und auch noch im Hades von den Göttern mit Qualen beschlagen. Die Jenseitigkeit des Vergebens in der Hadesvision zeugt ebenso wie die verweigerte Vergebung der Schuld des Tantalos von der vergebenden Instanz: es sind hier die Götter, die den schuldbeladenen Häuptern den Ruhestand post mortem gönnen. Orests Hadesvision bewegt sich damit noch im Rahmen der mythischen Welt, in der die Menschen das passive Opfer des göttlichen Willens sind.
Was nach Orests Vision im Jenseits erst zu erwarten steht, ermöglicht indes Iphigenie, ohne viele Worte darüber zu verlieren, schon im Diesseits - und zwar aus eigenem Antrieb, als Wirkung autonomer, und das heißt: unabhängig oder gar konträr zum Willen der Götter gelebter Humanität. Iphigenie übt hier „ein Privileg der Könige und Gottes aus: [sie] läßt Gnade vor Recht ergehen“[35]. Hierin liegt das Prinzip der Schwesterlichkeit Iphigenies begründet: in der Unbedingtheit ihrer Liebe und ihrer humanen Gesinnung, die sich hier äußert in Vertrauen, Vergebung und der Favorisierung der kommunikativen Interaktion. Iphigenie ist nun Handelnde im emphatischen Sinn: Durch ihre aktive Teilhabe an der Läuterung Orests ersetzt sie das Prinzip der Vergeltung, das das bewegende Moment des Atridenfluchs war, durch Vergebung und Versöhnung. Die Reinheit ihrer Tugendhaftigkeit verbürgt damit den Ausgang aus dem Verunreinigungszusammenhang ihrer Familie, sie entsühnt durch Vergebung.
Indem Iphigenie aktiv wird und nicht mehr in der Bewahrung ihrer zweifachen Reinheit erstarrt, ermöglicht sie aber nicht nur Orests Heilung, „sondern sie überwindet damit [...] auch ihre eigene statisch-passive Konfliktsituation als Priesterin und potentielle Ehefrau des Königs“[36].
I.2.2.2 IPHIGENIES SCHULD
Goethes, dem Orest-Darsteller Krüger zugeeignete Widmung: „Alle menschlichen Gebrechen sühnet reine Menschlichkeit“ meint aber nicht nur die schwesterliche Reinigung Orests von seiner Schuld, sondern spielt ebenso an auf den zweiten Schritt Iphigenies zur Durchbrechung der durch den Götterfluch ausgelösten Kette von Schuld und Verbrechen.
Nach Orests Heilung, zu Beginn des vierten Akts, verlangen die Griechen, zur Tat zu schreiten: Die vermeintliche Bedingung für die Entsühnung Orests und damit der eigentliche Anlass für die Fahrt der Griechen nach Tauris ist die von Apoll mittels des Orakels in Auftrag gegebene Entführung der 'Schwester' - für die Griechen, auch nach der Wiedererkennungsszene noch blind für die Doppelbödigkeit der Schickung, ist damit die Statue von Apolls Schwester gemeint, das Kultbild der Diana, das es nun zu entführen gilt. Zu diesem Zweck haben Pylades und Orest eine List ersonnen, nach der Iphigenie Thoas anlügen sollte. Gegenstand der Lüge ist wiederum ein Verunreinigungsszenario. Orest habe, so berichtet Iphigenie Thoas' Diener Arkas, die reine Stätte des Tempels entheiligt und deshalb müsse das Bildnis der Göttin in den Wellen des Meeres durch ein Ritual von Neuem geweiht, ganz konkret also 'reingewaschen' werden (Vs.l430ff.). Damit fordert Pylades' List von Iphigenie die Desavouierung ihrer sittlichen Reinheit, die ihre Wurzel im wahren Wort hat, zugunsten einer rhetorisch instrumentalisierten Rede über Reinheit[37]. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Plan des Verrats und Diebstahls im sakralen Bezirk des Tempels geschmiedet, diskutiert und im Ansatz auch ausgeführt wird. Für das moralische Empfinden Iphigenies muss also tatsächlich eine Entweihung des heiligen Ortes stattgefunden haben - allerdings nicht durch Orests Wahnsinn, sondern durch ihre anfängliche Beteiligung an der List: Darin macht sie sich schuldig.
Dass die Lüge Iphigenies Anspruch reiner Tugendhaftigkeit und damit ihrem Selbstverständnis aber widerstrebt, wird schon zuvor in ihrem Monolog deutlich: „O weh der Lüge! Sie befreiet nicht, / Wie jedes andre wahrgesprochne Wort“ (Vs. 1405). Und letztlich, nachdem die List über Arkas schon auf den Weg gebracht ist, siegt Iphigenies Einsicht, dass es geboten sei, „[d]en König, der mein zweiter Vater ward, / Nicht tückisch zu betrügen, zu berauben“ (Vs. 1641). Iphigenie sorgt sich dabei nicht so sehr um ihren Ruf, als mehr um ihr persönliches Gewissen, das fortan unmöglich rein sein könnte. Die Entscheidung, dem König die Wahrheit zu enthüllen, wird Iphigenies reiner Tugendhaftigkeit geschuldet sein. Sie wird sich selbst die zuvor durch Teilhabe an der List aufgebürdete Schuld nehmen; sie wird sich selbst läutern durch Wahrheit, wie sie Orest läuterte durch Vergebung.
Doch bevor Iphigenie dem König die Wahrheit anvertraut, antizipiert sie in ihrem Monolog am Ende des vierten Auftritts das Potential ihrer Wahrhaftigkeit im Hinblick auf den Schuldzusammenhang ihrer Familie:
„Soll dieser Fluch denn ewig walten? Soll Nie dies Geschlecht mit einem neuen Segen Sich wieder heben?
(...)
So hofft' ich denn vergebens, hier verwahrt, Von meines Hauses Schicksal abgeschieden, Dereinst mit reiner Hand und reinem Herzen Die schwer befleckte Wohnung zu entsühnen“ (Vs. 1694ff.)
Zwar noch im Zwiespalt, doch unbewusst schon auf ihrem eigenen Weg der autonomen Humantität, formuliert Iphigenie hier einen individuell-moralischen Anspruch[38]. Sie erkennt ihre eigene Reinheit als „conditio sine qua non der Entsühnung“[39]an. Deshalb kann sie auch nicht Teil der griechischen List sein; sie würde nur ihre vermeintliche Prädisposition zum Bösen zementieren, sich und die Griechen zwar von Tauris entfernen, doch den Fluch nicht suspendieren. Iphigenie durchlebt einen „Prozess der Erkenntnis, Freiwerdung, Aufklärung, der sie zur Auslebung und Vorlebung von Humanität führt“[40].
Die Freiheit von Schuld, die ein Aspekt von Iphigenies sittlicher Reinheit ausmacht, ist Ausweis ihres Selbstverständnisses. Indem Iphigenie Thoas die Wahrheit über die Herkunft der Griechen, über ihre Beziehung zu ihnen und über deren Plan zur Entführung des Kultbildes enthüllt, durchkreuzt sie den vermeintlichen Plan der Götter, sie aktiv in den Schuldzusammenhang einzubeziehen. Damit entzieht sie sich der Fremdbestimmung durch das von den Göttern initiierte Schicksal und handelt wahrhaft autonom. Ihre Reinheit konstituiert somit den Wertehorizont des autonomen Individuums und setzt an die Stelle mythischer Schicksalsgebundenheit das selbstverantwortliche Handeln des mündigen Subjekts. Durch ihre Verpflichtung auf Wahrheit emanzipiert sich Iphigenie aus ihrer Passivität, bricht mitjeder Affirmation von Fremdbestimmung: Sie wird zur Agentin empfindsam-aufgeklärter Humanität.
Sittliche Reinheit zeigt sich hier als dynamisches Prinzip: Die Schuld, die Iphigenie durch das anfängliche Ausführen der List auf sich lädt, kann von ihr selbst wieder getilgt werden, in dem sie als Verunreinigung empfunden und bereinigt wird. Gerade so, wie Iphigenie Orests Schuld vergab, vergibt sie auch sich selbst. Dieses dynamische Prinzip sittlicher Reinheit ist Ausdruck der aufklärerischen Ablösung religiöser Dogmen und gesellschaftlicher Verkrustungen durch Vergebung und die Hoffnung auf moralische Besserung. Ebenso führt diese Dynamik jenen Prozesscharakter des Ausgangs aus der Unmündigkeit vor[41], der Kant zur Definition der Aufklärung diente[42]. Iphigenie auf Tauris als Drama der Humanität zu bestimmen, heißt, im Hinblick auf die Rezeption des Kunstwerks, die Identitätskonstruktion des Bürgertums als bestimmende gesellschaftliche Macht in den Fokus der Betrachtung zu rücken. Die Opposition rein/unrein dient dabei als Mittel zur Selbstvergewisserung einer sozialen Gruppe - hier des Bürgertums. Die Kultur einer Gesellschaft ist dabei als Ordnungs- und Klassifikationssystem zu verstehen. In ihr werden Erfahrungen standardisiert und in ein positives Muster von Werten und Vorstellungen übertragen, woraus Verhaltensregeln entstehen, die den Bestand der sie bestimmenden Kultur sichern[43]. Iphigenies Humanität steht im Dienste der Aufklärung. Das erschließt sich nicht allein aus den bisher aufbereiteten Facetten ihres Handelns, sondern auch aus der Konstruktion der literarischen Figur Iphigenie. Goethe betreibt einigen Aufwand, um seiner Protagonistin ein sittliches Ideal einzuschreiben, das tatsächlich sich auf der Höhe der Zeit befindet und bemüht ist, den in der Aufklärung zunächst verschärft zu Tage tretenden Antagonismus von Vernunft und Sinnlichkeit zu glätten. Schiller wird in Anmut und Würde die sittlich-sinnliche Verfasstheit der Iphigenie in die Terminologie seiner Ästhetik übertragen und sie 'schöne Seele'[44]nennen. In Schillers theoretischer Figur der 'schönen Seele' kulminieren die Vorbehalte gegen den strikten Kantischen Dualismus von Vernunft und Sinnlichkeit. Während in der Kantischen Moralphilosophie die Idee der Pflicht die entscheidende Kategorie sittlicher Vollkommenheit darstellt und eine Handlung nur dann wirklich, im reinsten Sinne sittlich genannt wird, wenn sie aus Pflicht und Achtung für das Sittengesetz unternommen wurde[45], zeigt sich sittliche Vollkommenheit und Reinheit in der Iphigenie und später bei Schiller in der Praxis nicht darin, sittlich zu handeln, sondern darin, ein sittliches Wesen zu sein. Die Tugend, die Schiller als „Neigung zur der Pflicht“[46]versteht, ist dabei seine Vorschrift. Erst wenn der Mensch Neigung und Pflicht in Einklang bringt, insofern als die Pflicht ihm zur Natur wird und damit seiner Neigung entspricht, ist seine Sittlichkeit rein und vollkommen. Der Mensch „soll seiner Vernunft mit Freuden gehorchen“[47], nur so kann er seiner sinnlich-vernünftigen Doppelnatur gerecht werden. Die 'sittliche Denkart' soll als gemeinsame harmonische Wirkung beider Prinzipien sichtbar werden.
Es zeigt sich, dass Goethe in der literarischen Praxis bereits antizipierte, was Schiller nach ihm theoretisch fasste. Was Iphigenies Neigung zur Pflicht bedeutet, zeigt sich in der Konfrontation mit Thoas. So beschreibt sich Iphigenie selbst als gehorsam; „[u]nd folgsam fühlt ich immer meine Seele / Am schönsten frei“ (Vs. 1827) - nun aber verweigert sie den Gehorsam, da der Befehl gegen ihr moralisches Sentiment verstößt. Die Verbindung von Freiheit und Schönheit ist hier keineswegs zufällig: Iphigenie verkörpert die 'schöne Seele', der das moralische Gesetz zur Pflicht und diese Pflicht zur Neigung geworden ist. Daher das Gefühl der Vollständigkeit ihrer Seele in der Ausführung der rechten Pflicht und die Verweigerung der Folgsamkeit angesichts ihrer Ethik zuwider laufender Befehle.
Nur wenig später bringt Iphigenie ihr sittliches Wesen weiter zur Schau. Die Internalisierung der moralischen Pflicht ist ihr so weit zur Natur geworden, dass sie feststellen kann: „Um Guts zu tun braucht's keiner Überlegung“ (Vs 1989). Interessant ist, dass sie diesen Grad der Internalisierung des Sittengesetzes auch bei Thoas für möglich hält, wenn sie ihn auffordert: „Bedenke nicht, gewähre wie du's fühlst“ (Vs. 1992)[48]. Iphigenies freie Neigung zur Pflicht zeigt sich demnach auch an der Instanz, auf die sie sich in Entscheidungssituationen beruft: Es ist nicht die Vernunft, sondern das Herz[49]. Hier ist der Ort des natürlichen Rechts- und Unrechtsempfindens, hier kommen Vernunft und Sinnlichkeit zur Deckung, von hier aus kann intuitiv richtig gehandelt werden. Diese Internalisierung reiner Sittlichkeit zeigt sich auch nicht zuletzt an Iphigenies Bruch mit der griechischen List. Indem Iphigenie Thoas die Wahrheit enthüllt, gefährdet sie nicht nur das Leben ihres Bruders und dessen Gefährten, sondern auch ihr eigenes. Sie handelt damit gegen jede instrumentelle Vernunft.
[...]
[1] Latour, S. 50. Gleichwohl spricht Latour hier vom Selbstverständnis der Vertreter einer 'ersten Aufklärung'. Diese Phase der 'ersten Aufklärung' stimmt überein mit dem hier in Frage stehenden Kapitel westlicher Zivilisationsgeschichte.
[2] Die Bezeichnung 'primitiv' ist dabei keineswegs negativ konnotiert. Es handelt sich um eine völlig wertfreie Bezeichnung derjenigen Kulturen, deren Rituale „ein einziges, symbolisch konsistentes Universum“ (Douglas, S. 93) schaffen, während moderne Kulturen sich dadurch auszeichnen, dass „in den verschiedenen Zusammenhängen [aufgrund fragmentierter Erfahrung] nicht die gleichen, immer mächtigeren Symbole“ (ebd.) eingesetzt werden.
[3] Vgl.Douglas, S. 151f. undS.231.ZumfunktionalenAspektvonRitualen vgl. auch Braungart,S. 101.
[4] Girard hat daraufhingewiesen, dass das Menschenopfer die bestehende Ordnung einer Gesellschaft auch vor internen Bedrohungen schützt. Er definiert den Opferritus als „ein Instrument der Prävention im Kampf gegen die Gewalt“, da es zu seiner Funktion gehöre, „ interne Gewalttätigkeiten zu besänftigen“ (Girard, S. 63).
[5] Verunreinigung insofern, als sie durch ihre Fremdheit schon sui generis die Ordnung bedrohen. Dem „liegt die Erwartung zugrunde, daß alle Dinge [...] den Prinzipien, die die Welt bestimmen, entsprechen sollen“ (Douglas, S. 231).
[6] Vgl. Borchmeyer, S. 149ff.
[7] Borchmeyer, S. 150f.
[8] Gleichwohl ist Thoas Iphigenie ehrlich zugetan. Ihre Anziehungskraft hält ihn in ihrem Bann. Der Zweck, die Thronfolge zu sichern, erklärt freilich nicht die Abhängigkeit Thoas' von Iphigenies Zuneigung und Einwilligung.
[9] Malinar/Vöhler, S. 15. Vgl. auch Luig, S. 103ff.
[10]Douglas, S. 84f. Ebenso Braungart, S. 101. Vgl. auch Assmann: „Riten gehören in den Bereich des kulturellen Gedächtnisses, weil sie eine Überlieferungs- und Vergegenwärtigungsform des kulturellen Sinnes darstellen“ (Asmmann, S. 21).
[11]Vgl. dazu Braungart: „Wenn es also richtig ist, daß sich soziale Gruppen und Gesellschaften auch durch ihre Rituale abgrenzen und konstituieren, daß sich ihre sozialen Beziehungen überhaupt in Ritualen darstellen, dann werden sie durch Ritualkritik und De-Ritualisierung auch in ihrem Bestand grundsätzlich gefährdet. Ritualkritik, De- Ritualisierung und Neukonstituierung von Ritualen kennzeichnen deshalb soziale Veränderungen und Entwicklungen. Der soziale Prozeß kann auch an der Ausbildung von Ritualen, an ihrer Kritik und endlichen Preisgabe und an Re-Ritualisierungen abgelesen werden“ (Braungart, S. 105).
[12]Schmiz, S. 79.
[13]Douglas, S. 162.
[14]Ebd.
[15]Ebd.
[16]Zur Zweck-Mittel-Formel des kategorischen Imperativs vgl. Kant (GMS), S.61.
[17]Adorno, S. 500.
[18]Vgl. Borchmeyer, S. 149f.
[19]Braungart, S.23.
[20] Braungart, S. 105.
[21] Vgl. Jeßing, S. 69f. So auch Becker, S. 52f.
[22] Braungart, S.22.
[23] Vgl. Braungart S. 70f.
[24] Vgl. vor allem Vs. 23ff. und Vs. 1856ff. Vgl. auchZimmermann, S. 8ff.
[25] Cuonz, S. 115.
[26] Borchmeyer, S. 149.
[27] Cuonz, S. 115.
[28] Cuonz, S. 116.
[29] Vgl. Cuonz, S. 123f. und Borchmeyer, S. 157f.
[30] Einen ÜberblickgibtJeßing, S.67f.
[31] Cuonz, S. 123.
[32] Borchmeyer, S. 157.
[33] Deiters, S. 33.
[34] Darauf weist Wittkowskihin: Wittkowski (1984), S. 262.
[35] Wittkowski (1984), S. 263.
[36] Zit. nach Borchmeyer, S. 153.
[37] Cuonz spricht hier von einem 'Wortopfer', dessen tragische Ironie darin bestünde, „dass Iphigenie in der Folge dem König gerade das mit geschickter Rhetorik vorzutäuschen hat, was sie dem Gelingen des männlichen Plans zum Opfer bringen muss: ihre Reinheit“ (Cuonz, S. 132).
[38] Deiters ist der Hinweis zu danken, dass mit 'Fluch' nicht allein der mythologische Schuldzusammenhang gemeint, sondern auch das Problem „Wahrheitsbezuge[s] der individuellen Subjektivität“ (Deiters, S. 39) angesprochen ist.
[39] Borchmeyer, S. 153.
[40] Becker, S. 35.
[41] Karina Becker ist der Hinweis zu verdanken, dass dieser Prozess der Humanisierung schon am Beginn des Dramas mit dem ersten Wort „Heraus“ (Vs. 1) und dem erst drei Verse später folgenden „Tret' ich“ (Vs. 4) präfiguriert ist. Vgl. Becker, S. 37.
[42] Vgl. Kant (WiA), S. 52.
[43] Vgl. Douglas, S. 56f.
[44] Einen ideengeschichtlichen Überblick über die Konzeption der 'schönen Seele' bringt Konersmann, S. 148ff.
[45] Vgl. Kant, GMS, insbes. S. 67f. und KpV. Vgl. auch Schiller (AuW), S. 465ff. und Safranski, S. 368.
[46] Schiller (AuW), S. 464.
[47] Schiller (AuW), S. 465.
[48] Goethe greift hier gewissermaßen den Toleranzgedanken eines Lessing auf, wenn er das Humanitätsideal als universales, unabhängig von Herkunft, Religion oder kulturellem Ort praktikables, darstellt.
[49]Vgl. die Verse „Der mit Vernunft und Ernst von mir verlangte / Was ihm mein Herz als recht gestehen mußte“ (Vs. 1589f.), „Allein mein eigen Herz ist nicht befriedigt“ (Vs. 1648) und „Ganz unbefleckt genießt sich nur das Herz“ (Vs. 1652).
- Quote paper
- Bernd Jäger (Author), 2011, Reinheitsdiskurse in Goethes "Iphigenie auf Tauris", Schillers "Die Jungfrau von Orleans" und Grillparzers "Das goldene Vließ". Ideal und Utopie?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192262
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