Die Auseinandersetzung in der vorliegenden Arbeit zum Thema: Geschlechtsbezogene Werteorientierungen junger Muslime in Deutschland zielt auf „Junge Muslime“ im Alter bis 27 Jahren, die eine bikulturelle Identität aufweisen. Dabei habe mich auf zwei junge Erwachsene konzentriert, die aus Marokko stammen, aber den größten Teil ihrer Sozialisation hier in Deutschland erfahren haben. Junge Muslime in Deutschland unterscheiden sich nicht nur in der Heterogenität ihrer Lebenslagen, sondern auch hinsichtlich der Merkmale, die sie von der ersten Generation deutlich unterscheiden.
Während die zweite und dritte Generation zunächst (unfreiwillig) in der Fremde lebt und ggf. einen Identifikationsverlust bezüglich ihrer Werte und Einstellungen der Familie erleidet, hält die erste – die Migranten-Generation – an den kulturellen Werten und Einstellungen ihrer Herkunftskultur fest. Wie allerdings die praktische Umsetzung der traditionell islamischen Werte der jungen Muslime in ihrer Realität erfolgt, kann und wird in Wirklichkeit anders sein. Darauf richtet sich maßgeblich der Fokus der vorliegenden Untersuchung.
In meinen bisherigen Literaturrecherchen zum Thema „Geschlechtsbezogene Werteorientierungen junger Muslime in Deutschland“ bin ich kaum auf Studien gestoßen, die sich explizit mit dieser Thematik auseinandersetzen und deshalb lag auch meine Absicht darin, einen signifikanten Anstoß zu geben. Mit meiner empirischen Untersuchung hoffe ich daher, einen Beitrag zur Erforschung dieses bislang in der Forschungslandschaft unbekannten Themenfeldes zu leisten.
Daher liegt das Erkenntnisinteresse dieser Forschungsarbeit darin, anhand von zwei narrativen Interviews beispielhaft zu ermitteln, an welchen Werten sich junge Muslime in Deutschland orientieren. Welche biographischen Verläufe bezüglich ihrer religiösen Lebensführung sind in diesem Zusammenhang zu beobachten? Und in welcher Form und in welcher Intensität prägt die religiöse Ausübung ihre Lebensentwürfe?
Im Rahmen dieser Arbeit habe ich mich den marokkanisch-stämmigen Muslimen gewidmet, über die bisher bis auf einige wenige Diplomarbeiten kaum geforscht wurde und die nach wie vor in der Forschungslandschaft eine Art „missing value“ bilden. Ich habe zwei junge marokkanisch-stämmige Muslime interviewt, die sich per se als religiös bezeichnen. Eine männliche Person und eine weibliche Person (im Alter von 25 und 27 Jahren) habe ich zum Thema Werteorientierungen befragt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Begriffserklärung „Junge Muslime“
1.2 Muslimische Jugendliche - Versuch einer Typologie
2. Zur Methodik der empirischen Untersuchung
2.1 Das Instrument der Untersuchung (narrative Methode)
2.2 Sampling
2.3 Merkmale der Befragten
3. Interviewanalyse
3.1 Wer ist Nadja? „Für mich ist das Kopftuch Freiheit und Selbstbewusstsein“
3.1.1 Kontaktherstellung
3.1.2 Schilderung der Interviewsituation
3.1.3 Das Arbeitsbündnis
3.1.4 Strukturelle inhaltliche Beschreibung der Haupterzählung
3.1.5 Strukturelle inhaltliche Beschreibung von ausgewählten Segmenten aus dem Nachfrageteil
3.1.6 Biographische Gesamtformung von Nadja
3. 2 Wer ist Ibrahim? „Über alles steht meine Religion“
3.2.1 Kontaktherstellung
3.2.2 Schilderung der Interviewsituation
3.2.3 Das Arbeitsbündnis
3.2.4 Strukturelle inhaltliche Beschreibung der Haupterzählung
3.2.5 Strukturelle inhaltliche Beschreibung von ausgewählten Segmenten aus dem Nachfrageteil
3.2.6 Biographische Gesamtformung von Ibrahim
4. Fallkontrastierung
5. Zusammenfassung und Ausblick
6. Literaturverzeichnis
6.1 Print-Bibliografie
6.2 Webbibliografie
7. Anhang
7.1 Transkribiertes Einzelinterview Nr.1: „Nadja“
7.2 Transkribiertes Einzelinterview Nr. 2: „Ibrahim“
1. Einleitung
Die Auseinandersetzung in der vorliegenden Arbeit zum Thema: Geschlechtsbezogene Werteorientierungen junger Muslime in Deutschland zielt auf ÄJunge Muslime“ im Alter bis 27 Jahren, die eine bikulturelle Identität aufweisen. Dabei habe mich auf zwei junge Erwachsene konzentriert, die aus Marokko stammen, aber den größten Teil ihrer Sozialisation hier in Deutschland erfahren haben. Junge Muslime in Deutschland unterscheiden sich nicht nur in der Heterogenität ihrer Lebenslagen, sondern auch hinsichtlich der Merkmale, die sie von der ersten Generation deutlich unterscheiden.
Während die zweite und dritte Generation zunächst (unfreiwillig) in der Fremde lebt und ggf. einen Identifikationsverlust bezüglich ihrer Werte und Einstellungen der Familie erleidet, hält die erste - die Migranten-Generation - an den kulturellen Werten und Einstellungen ihrer Herkunftskultur fest.1 Wie allerdings die praktische Umsetzung der traditionell islamischen Werte der jungen Muslime in ihrer Realität erfolgt, kann und wird in Wirklichkeit anders sein. Darauf richtet sich maßgeblich der Fokus der vorliegenden Untersuchung.
In meinen bisherigen Literaturrecherchen zum Thema ÄGeschlechtsbezogene Werteorientierungen junger Muslime in Deutschland“ bin ich kaum auf Studien gestoßen, die sich explizit mit dieser Thematik auseinandersetzen und deshalb lag auch meine Absicht darin, einen signifikanten Anstoß zu geben. Mit meiner empirischen Untersuchung hoffe ich daher, einen Beitrag zur Erforschung dieses bislang in der Forschungslandschaft unbekannten Themenfeldes zu leisten.
Daher liegt das Erkenntnisinteresse dieser Forschungsarbeit darin, anhand von zwei narrativen Interviews2 beispielhaft zu ermitteln, an welchen Werten sich junge Muslime in Deutschland orientieren. Welche biographischen Verläufe bezüglich ihrer religiösen Lebensführung3 sind in diesem Zusammenhang zu beobachten? Und in welcher Form und in welcher Intensität prägt die religiöse Ausübung ihre Lebensentwürfe?
Im Rahmen dieser Arbeit habe ich mich den marokkanisch-stämmigen Muslimen gewidmet, über die bisher bis auf einige wenige Diplomarbeiten kaum geforscht wurde und die nach wie vor in der Forschungslandschaft eine Art Ämissing value“ bilden. Ich habe zwei junge marokkanisch-stämmige Muslime interviewt, die sich per se als religiös bezeichnen. Eine männliche Person und eine weibliche Person (im Alter von 25 und 27 Jahren) habe ich zum Thema Werteorientierungen befragt. Gerne hätte ich mehr junge Muslime in diese Forschungsarbeit einbezogen, jedoch würde es den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
Der Bezug zum Inhalt des Forschungspraktikums besteht insofern, als in dieser Arbeit Gedankengänge und methodische Erklärungsansätze miteinbezogen werden, die Prof. Dr. Ursula Apitsch; Prof. Dr. Lena Inowlocki und dem Doktoranden Andreas Oskar Kempf geäußert haben.
Bevor es zu dem inhaltlichen Kernstück dieser vorliegenden Arbeit ab Kapitel 3 kommt, werden zum besseren Verständnis zwei Abschnitte vorangestellt. Die Abschnitte ÄBegriffserklärung ‚Junge Muslime’“ (Kap.1.1) sowie ÄMuslimische Jugendliche -Versuch einer Typologie“ (Kap.1.2) versuchen, die Heterogenität von jungen Muslime skizzenhaft auf der Phänoebene4 darzustellen.
Kapitel 2 befasst sich mit der Methodik der von mir durchgeführten Untersuchung. Hier wird zuerst das Instrument der Datenerhebung in methodischer Hinsicht erläutert (2.1). Dann folgen Erläuterungen über das Sampling der Untersuchung (2.2) sowie über die Merkmale der Befragten (2.3).
Im Kapitel 3 werden die narrativen Interviews, die ich mit der jungen Muslime mit marokkanischem Migrationshintergrund durchgeführt habe, ausgewertet und die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt. Mit dem Auswertungsverfahren nach Fritz Schütze und Gabriele Rosenthal ist eine Kontrastierung der Interviews (Kap. 4) gewährleistet. Die narrativen Gespräche umfassten im Wesentlichen Themenbereiche wie ÄFamilie“, ÄReligion“ sowie die ÄBildung“.
In einem Ausblick (Kap. 5) werden schließlich die wichtigsten Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit zusammengefasst und durch einen knappen Forschungsausblick ergänzt. Die Arbeit endet mit der Literaturverzeichnis (Kap. 6.1) und mit einem Anhang (Kap. 7), in dem die transkribierten Einzelinterviews dokumentiert werden.
1.1 Begriffserklärung „Junge Muslime“
Bislang wurden die ÄJungen Muslime“ in der Jugendforschung entweder der Gruppe der Migranten zugeordnet oder man untersuchte sie anhand der konzeptionellen Unterschiedlichkeit in der religiösen Lebensführung. Da die beiden theoretischen Ansätze sich jedoch als unbefriedigend erwiesen haben, besteht das Ziel nun darin, die jungen Muslime als Teil einer pluralistischen Jugendpopulation zu erfassen. :enn man über ÄJunge Muslime“ spricht, kann man jedoch nicht einfach von einer monolithischen Gruppe ausgehen, da deren sozialen Lebenslagen weder homogen, noch ihre Lebensentwürfe ausschließlich durch die islamische Religion bestimmt sind. Der Begriff ÄJunge Muslime“ wird somit in diesem Zusammenhang eher als generationstheoretisch verortet und prägt eine gemeinsame generationsspezifische Lagerung junger Muslime der zweiten und der dritten Generation, die in muslimischen Herkunftsmilieus groß geworden sind.
1.2 Muslimische Jugendliche Versuch einer Typologie
Um gegebenenfalls eine Einordnung der hier befragten jungen Muslime in einer Typologie vornehmen zu können wird dieser Abschnitt gleichzeitig einen Einblick in die Heterogenität der jungen Muslime in Deutschland gewähren. Bereits ein oberflächlicher Blick auf die jungen Muslime reicht um zu ersehen, dass es die jungen Muslime in Deutschland nicht gibt. Wie schwierig es ist, die heterogenen muslimischen Jugendlichen unter einem Sammelbegriff und/oder Dachbegriff zusammenzufassen, wird hier im Folgenden (kurz) erläutert: „Ich sage von mir: Ich bin Muslim. Der Satz ist wahr, und zugleich blende ich damit tausend andere Dinge aus, die ich auch bin und die meiner Religionszugehörigkeit widersprechen können.“5
Angesichts dieser Tatsache kann die skizzenhafte Beschreibung und Einordnung der jungen Muslime nur auf der Phänoebene6 sowie auf der Grundlage ihrer eigenen Einschätzung geschehen.
Religionsferne und nur wenig religiöse Jugendliche: Religionsferne und nur wenig religiöse muslimische Jugendliche bilden trotz einiger Studien aus den vergangenen fünf Jahren, die einen Anstieg der Religiosität von Muslimen konstatieren, nach wie vor eine sehr große Gruppe.7 In der von Brettfeld und Wetzels (2007) vorgelegten repräsentativen Studie gaben 19,3% der befragten jugendlichen Muslime an, Änie“ und 16,5 % nur lediglich ein paar Mal im Jahr zu beten. Zusammengefasst bilden sie immerhin 35,8 % aller Befragten.8 Religion wird von ihnen zwar nicht völlig außer Acht gelassen, jedoch spielt sie insgesamt keine zentrale Rolle; auch bezüglich der Alltagsrelevanz bleibt ihre Bedeutung eher gering. In der öffentlichen Debatte bleiben jene signifikanten Sachverhalte (die im Übrigen auch altersunabhängig konstatiert werden können) jedoch oft unberücksichtigt.
Fundamentale Orientierung: Alle jungen Muslime, die eine enge Anbindung an die islamische Religion aufweisen, d.h. ihre täglichen Pflichtgebete verrichten, im Monat Ramadan fasten und regelmäßig zur Moschee gehen, weisen Merkmale einer fundamentalen Orientierung auf. An dieser Stelle ist jedoch anzumerken, dass hiermit nicht der Fundamentalismus im Sinne einer politisch instrumentalisierten Religionsausübung gemeint ist, sondern es geht den jungen Muslimen eher um die klare Vorstellung von richtigem muslimischen Handeln und dem Bewusstwerden der religiösen Verpflichtungen. Sie sind häufiger eher in ethnischen homogenen Moscheegemeinden anzutreffen, wo sie sich auch in großen Verbänden wie der IGMG9, VIKZ10 und DITIB11 engagieren. Dass jene Überzeugungen nicht unproblematisch sind, liegt jedoch daran, dass eine religiöse Grundhaltung sich generell gegen abweichende Auffassungen richten kann.
Nationalistisch-islamische Orientierung: Überwiegend in türkischen Milieus sind jene Jugendliche mit nationalistisch-islamischer Orientierung vorzufinden, die sehr stark von der Ählkücü-Bewegung“ (ÄGraue :ölfe“) geprägt sind. Diese Bewegung ist mittlerweile europaweit vertreten, allein in Nordrhein-Westfalen sind sie in mehr als siebzig Vereinen12 organisiert.13 Die Ideologie der Ülkücü-Bewegung basiert auf einer ausgeprägt türkisch- nationalistischen Politik, die das große Ziel verfolgt, eine türkisch und islamisch geprägte ÄGroß-Türkei“ zu errichten. Im ideologisch-kulturellen Mittelpunkt dieser Bewegung steht die geschichtliche Untrennbarkeit eines türkisch betonten, aber auch islamisch geprägten Bewusstseins. Die Anzahl der Jugendlichen, die der Ählkücü-Bewegung angehören, lässt sich zum heutigen Zeitpunkt aufgrund fehlender empirischer Studien nicht quantifizieren. Ein wachsendes Interesse für diese Ideologie bei türkischen Jugendlichen lässt sich anhand von Berichten aus Kölner Schulen konstatieren, jedoch ist streng wissenschaftlich zu fragen, inwieweit diese Berichte repräsentativ für Deutschland insgesamt sind.14
Aktivistische muslimische Jugendliche: Eine neue muslimische Jugendbewegung lässt sich in den letzten Jahren in den westeuropäischen Zuwanderungsgesellschaften beobachten, die sich dadurch profilieren, dass sie sich bewusst von den traditionellen und am Herkunftsland orientierten Lebensformen der Elterngeneration abgrenzen. Junge Muslime bemühen sich um ein neues Verhältnis von Islam15 und moderner Gesellschaft. Angestrebt wird eine Annäherung zwischen Assimilation (Inklusion) und Ausgrenzung (Exklusion). Die vorgenommenen Positionierungen sind sehr heterogen. Derzeit können zwei Grundströmungen unterschieden werden. Die Strömung der sog. ÄPop-Muslime“16 sucht eine Partizipation auf kommunaler Ebene und eine Auseinandersetzung und Zusammenarbeit mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren. Demgegenüber zeigt sich die neo-salafitisch17 orientierte Strömung ablehnend bis feindlich gegenüber der offenen Zivilgesellschaft.
Resümierend lässt sich also auf der Grundlage der knappen vorangegangenen Ausführungen festhalten, dass es keinen Typus von muslimischen Jugendlichen in Deutschland gibt. Aufgrund ihrer Heterogenität ist eine Differenzierung notwendig und angebracht. Zudem erweist sich auch eine genaue Beschreibung und Abgrenzung verschiedener Typen als schwierig, da erhebliche Schnittmengen zwischen den einzelnen Akteuren bestehen.
2. Zur Methodik der empirischen Untersuchung
In diesem Kapitel werden die zwei interviewten jungen Muslime mit marokkanischem Migrationshintergrund vorgestellt, die sich den in ihren Wohnorten ansässigen Gemeindemoscheen zugeneigt fühlen. Dabei werden die wichtigsten empirischen Ergebnisse dieser Arbeit zusammengestellt und ausgewertet.
2.1 Das Instrument der Erhebung (narrative Methode)
Als Erhebungsinstrument wurde die narrative Methode angewandt. In der Sozialforschung gilt das Interview als wichtigstes Erhebungsinstrument. Fritz Schütze (1977) entwickelte die narrative Form und löste damit in Deutschland eine große Bewegung in Bezug auf die Methodik und den Einsatz qualitativer Sozialforschung aus. Somit ist deren Entwicklung in den letzten Jahrzehnten ohne diese Methode gar nicht vorstellbar. Das narrative Interview dient nicht nur der Erhebung von lebensgeschichtlichen sowie anderen Ereignisabläufen, sondern genügt auch dem Anspruch als Äuniversell einsetzbares Forschungsinstrument“. Das narrative Interview basiert primär auf einer offenen Erzählung persönlicher Erlebnisse des Gesprächspartners und nicht auf einem vorher festgelegten Fragenkatalog, wie es in etwa beim standardisierten Leitfadeninterview der Fall ist.18
Die narrative Methode lässt sich in drei zentrale Abschnitte gliedern: 1. Eingangsfrage;
2. Narrativer Nachfrageteil; 3. Externer Nachfrageteil. Am Anfang (Eingangsfrage) des narrativen Interviews steht eine offene Erzählaufforderung, in der das Thema des Interviews beschrieben wird. Die Eingangsfrage legt einen thematischen und temporalen Rahmen für die Haupterzählung fest. Darüber hinaus wird ein offener Frageimpuls erzeugt, der eine möglichst offene und breit angelegte, extensive Erzählung generieren soll. Während der Haupterzählung des Informanten beschränkt sich der Interviewer auf ein zugewandtes Zuhören. Am Interviewverlauf orientiert, entwirft der Interviewer nach und nach einen erzählgenerierenden Leitfaden, der für den späteren Nachfrageteil dienen soll. In der Regel wird das Ende der Haupterzählung von den Interviewpartnern selbst signalisiert.19
Im Nachfrageteil stellt der Interviewende anhand seiner Notizen20 in Bezug auf die Eingangserzählung generierende Fragen mit dem Ziel ausführlichere und/oder konkretere Erzählungen zu evozieren, um auf diese Weise Sachverhalte oder Erfahrungen zu durchleuchten, die während der Narration vom Informanten, entweder zu kurz kamen oder bewusst ausgelassen wurden. Der Stimulus kann auf unterschiedliche Ebenen gerichtet sein, z.B. eine Lebensphase, eine zuvor angeschnittene Situation oder eine Belegerzählung. Entscheidend ist, dass die Erzählung weitere Handlungsgeschichten evoziert.21 Dabei dürfen keine zur Begründung auffordernden Fragen (warum, wieso, weshalb) und keine Detailfragen nach Orts- und Zeitangaben sowie nach Personen usw. gestellt werden.
Im dritten Teil (externer Nachfragteil) des narrativen Interviews kann der konsequente Bezug auf die Erzählung des Informanten bzw. auf dessen Relevanzsetzung gelockert werden. Entweder können signifikante Fragen (nach Themen, Zeiten, Ereignisse) gestellt werden und/oder es wird in Hinblick auf das zuvor Erzählte nach Bilanzierungen und Erklärungen gefragt.22 In diesem Zusammenhang können auch allgemeine Fragen gestellt werden, evtl. auch vom Erlebten abgehobene, um gleichsam die Alltagstheorien der Interviewten zu erfahren. Speziell zu diesem Zweck können auch evtl. Fragen zur Argumentation (wieso, warum) generiert werden.
Die letzte Arbeitsphase der Untersuchung liegt in der Aufzeichnung bzw. Transkription des Gesprächstextes und in der Auswertung.
2.2 Sampling
Für den empirischen Teil dieser Studie gilt das Interesse zwei jungen Muslimen mit marokkanischem Migrationshintergrund. Hierbei wird die Verbindung mit dem Terminus technicus Äjunge Muslime“ nicht mit der vorherrschenden Vorstellung in der Gesellschaft von der Gleichung ‚Migrant=Türke=Muslim=Fremder’ in Einklang gebracht. Auch wenn grundsätzlich viele von ihnen einen Migrationshintergrund aufweisen, ist doch die Mehrheit der oben genannten Gruppe hier in Deutschland geboren und sozialisiert worden. Dies legt erneut die Frage nahe, ob man diese Jugendliche überhaupt noch als ÄMigranten“ bzw. als ÄAusländer“ bezeichnen kann. Selbst die nationale Herkunft spielt bei den beiden für die vorliegende Arbeit Befragten keine entscheidende Rolle. Mit dem Ausdruck Äjunge Muslime“ sind Individuen gemeint, die eine von islamischen Normen und Werten geprägte Sozialisation unmittelbar oder mittelbar erfahren haben bzw. erfahren. Zudem ist hier nochmals zu konstatieren, dass die jugendlichen Muslime nicht als eine geschlossene, homogene Gruppe zu charakterisieren sind, da die religiösen Erlebnisse und Beziehungen zu ihrer Umwelt so unterschiedlich sind, dass diese nicht schablonenhaft gesehen werden können.
2.3 Merkmale der Befragten
Ich habe zwei junge Muslime, einen Mann und eine Frau im Alter von jeweils 25 und 27 Jahren mit marokkanischem Migrationshintergrund zu ihrer Werteorientierungen befragt. Im Hinblick auf ihre Ausbildung weisen sie eine große Ähnlichkeit auf. Während Nadja sich noch im Studium zur Grundschullehrerin befindet, arbeitet Ibrahim gegenwärtig schon als Haupt und Realschullehrer. Um eine starke Beeinflussung zu vermeiden, fanden die beiden Gespräche zwischen mir und dem jeweiligen Jugendlichen nicht in einer Moschee, sondern an einem möglichst neutralen Ort statt. Ich habe vor, während und nach den Gesprächen meine Interviewpartner geduzt, da sie aus dem Umfeld meines Studiums bzw. Freundeskreises kommen. Da die Interviewten im folgenden Auswertungsverfahren anonymisiert vorzufinden sind, werden sie auch namentlich entsprechend ausgeblendet und mit den Pseudonymen Ä adja“ und ÄIbrahim“ benannt.
Tab. 2: Merkmale der befragten jungen Muslime: „Nadja und Ibrahim“.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3. Interviewanalyse
Bevor die jeweilige strukturelle inhaltliche Beschreibung der Haupterzählung der Befragten erfolgt, werden die beiden Interviewe zunächst porträtiert und anschließend die einzelnen Etappen von der Kontaktherstellung bis zum Arbeitsbündnis erläutert, um die Voraussetzungen für das Interview darzulegen. In diesem Kontext wird beschrieben, wie das Interview grundsätzlich verlief, und die eigene Rolle als Interviewer reflektiert.
3.1 Wer ist Nadja?
„Für mich ist das Kopftuch Freiheit und Selbstbewusstsein“23. -
Nadja ist zum Zeitpunkt des Interviews 25 Jahre jung und ledig. Sie stammt aus dem berbischsprachigen (Tarifiyit)24 Raum Marokkos. Die Berbersprachen lassen sich in Marokko in drei Gruppen mit einem jeweils festen Siedlungsraum ihrer Sprecher unterteilen: „Tarifiyit ist im Norden Marokkos, insbesondere im Rifgebirge vorzufinden. Diese Sprache zugleich ist Muttersprache des größten Teils der in Deutschland lebenden Marokkaner, die aus den Provinzen Nador, Al Hocaima und Umgebung stammen.“25 Nadja ist angehende Grundschullehrerin. Im Alter von ca. drei Jahren ist sie mit ihrer recht großen Familie nach Deutschland eingewandert. Sie hat noch einen jüngeren Bruder und eine jüngere Schwester, die sie jedoch im ganzen Verlauf des Interviewgeschehens bis auf eine kurze Erwähnung weder beschreibt noch charakterisiert. Durch die Berufstätigkeit der Eltern bedingt, wuchs Nadja überwiegend bei ihren Großeltern auf, die im selben Haus wie ihre Eltern wohnten. Die Zeit, die sie in ihrer früheren Kindheit/Adoleszenz mit ihren Großeltern verbrachte, war - wie sie selbst sagt - prägend. Im Verlauf des Interviews bleibt ihre Familienschilderung überwiegend den Großeltern vorbehalten und nicht ihren Eltern, über die sie kaum erzählt. Weder charakterisiert sie ihre Eltern, noch ist zu erfahren was sie beruflich machen.
3.1.1 Kontaktherstellung
Den ontakt zu meiner ersten Interviewpartnerin Ä adja“ gewann ich durch eine Muslima,26 die ebenfalls an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität studiert. Als sie von meinem Vorhaben erfahren hatte, ein narratives Interview durchführen zu wollen, und von meiner Suche nach einem Interviewpartner, hatte sie mich sofort auf Nadja hingewiesen. Als sie mich bald daraufhin mit ihr bekannt gemacht hatte, merkte ich sofort Nadjas Offenheit gegenüber meinem Vorhaben ein narratives Interview mit ihr zu führen. Vor unserem Treffen hatte ich ihr eine E-Mail geschrieben um ihr zu erklären, worum es in diesem Interview im Wesentlichen ging. Anschließend hatten wir noch telefonisch Kontakt, als sie mich kurz vor Interviewbeginn anrief und bat das Interview um eine Stunde zu verschieben.
3.1.2 Schilderung der Interviewsituation
Das Gespräch fand im Casino des Unicampus Westend statt. Schnell fanden wir eine bequeme Sitzgelegenheit, wo wir zunächst einmal bei einem Kaffee relativ locker Smalltalk27 hielten. An dieser recht offenen Sitzgelegenheit sind zwar im Verlauf des Interviews hin und wieder Studenten vorbeigelaufen, was uns aber wenig gestört hat. Der Raum war relativ neutral und mit schönen Möbeln eingerichtet, was an ein Café erinnert.
3.1.3 Das Arbeitsbündnis
Meine Interviewpartnerin schien am Anfang im Hinblick auf das Interviewgeschehen- relativ gelassen zu sein. Bevor ich ihr die Eingangsfrage gestellt hatte, hatte ich das Tonband schon eingeschaltet, um sie nicht zu verunsichern, wenn es zum themenbezogenen Gespräch übergehen sollte.28 Das Arbeitsbündnis schien vorerst relativ gut geglückt, was mich sehr gefreut hatte. Es nahm mir eine gewisse Unsicherheit, so dass ich das Interview ruhig angehen konnte. Bei der Erzählaufforderung allerdings schien Nadja die Interviewsituation ein wenig unterschätzt zu haben. Sie wirkte etwas unsicher, spätestens zu Beginn der Haupterzählung jedoch legte sich diese Anspannung wieder. Während des Vorgesprächs bekräftigte sie nochmals, dass sie nie zuvor ein Interview gegeben hatte, dass sie jedoch offen sei, eines zu geben. Sie machte trotz ihre Anfangshemmungen insgesamt einen relativ gelassenen Eindruck und wirkte recht selbstbewusst und aufmerksam bei der Erzählung ihrer Biographie.29
3.1.4 Strukturelle inhaltliche Beschreibung der Haupterzählung
Eingangssequenz
Abdussalam: Ähm also zunächst einmal, es freut es mich sehr Dich zu sehen. (Nadja: Dankeschön) (Nadja: lacht) ähm ich bin froh darüber, dass Du mir die Möglichkeit gibst, ja, mit Dir ein Interview zu führen. Ähm wie ich Dir ja schon in unserem ersten Gespräch so mitgeteilt habe, ja, studiere ich ja seit kurzem Gesellschaftswissenschaften. Ähm, also hier in Frankfurt und da habe ich ein Seminar, in dem ich eine bestimmte Interviewmethode lerne (Nadja: Ja.), nämlich so ein offenes Interview zu führen, ja. Und wir sollten uns nun überlegen ,in dem Seminar, welche Frage wir über ein solches geführtes Interview wir gerne bearbeiten möchten. Und da habe ich mir gedacht: „Eigentlich würde ich sehr gerne was über die Lebenseinstellungen, Lebenshintergründe von jüngeren Frauen erfahren, ja.“ (Nadja: Ja.). Also ich möchte Dich also bitten, dass Du mir Deine Lebensgeschichte erzählst. (Nadja: Okay). Angefangen von Beginn äh, ab der Kindheit bis heute. (Nadja: Oh Gott. Okay). Und ähm in diesem Zusammenhang kannst Du alles erzählen, was Dir wichtig ist (Nadja: Okay) und auch was, was Dir wichtig war. (Nadja: Okay). Ja, und Du hast so viel Zeit zur Verfügung, wie Du für Deine Erzählung benötigst.
(Nadja: Das heißt ähm, also Du wirst keine spezifischen Fragen stellen oder so weiter, Ich soll jetzt einfach frei Reden?) Also Ich werde mir, ich werde mir ähm, also während Du erzählst werde ich mir einige Notizen vornehmen, ohne Dich dabei zu unterbrechen. Und dann werde ich Dich danach, (Nadja: Das ist ganz schön schwierig) fragen, ja. (Nadja: Oh je). Aber ich weise Dich noch mal daraufhin: „Du hast so viel Zeit zur Verfügung, wie Du möchtest“...Jetzt ist eigentlich so die Möglichkeit...(Nadja: Schön wäre es wenn Du so 'n paar Fragen hättest so, so Phrasenweise (lacht) irgendwie so bin ich ja Total..) Wir kommen dann also...(Nadja: Seine Lebensgeschichte zu erzählen ist ja auch nicht ohne...) Genau. Also. Vielleicht wenn Du das Wichtigste einfach erzählen würdest, von Kindheit an bis heute (Nadja: Ja.). Also Deine Lebenseinstellung, ja. (Nadja Okay) Lebenshintergründe. (Nadja: Aber inwiefern? In, auf Blick, im Blick auf was denn? Ähm welcher Hinsicht? Worauf willst Du hinaus? Also was, was willst Du sozusagen letzten Endes aus meiner Lebensgeschichte schöpfen? Sag ich mal jetzt. Ich kann Dir ja äh, ich mein über Gott und die Welt erzählen, aber worauf soll ich mich äh spezialisieren? (Abdussalam: Worin Du möchtest. Du kannst anfangen, wo Du willst) Oh Gott Ey (lacht). (lacht). Es geht um Lebenseinstellung, ja: „Wie ist Deine Lebenseinstellung?“ Von Kindheit an, ja, Jugend und jetzt (Nadja: Ja.). „Was, was ist Dir wichtig?“ (Nadja: Ja.) „Was ist Dir nicht so wichtig?“.
(Nadja: Ja. Okay.) Und ich werde mir währenddessen Notizen machen (Nadja: Alles klar) ohne Dich dabei zu unterbrechen (Nadja: Ja.) und dann stelle ich Dir auch Fragen.
Nadja: Okay. Gut. So: „Jetzt muss ich mir Gedanken über mein Leben machen.“ (Segment 1/ 21-59).30
Auf die Erzählaufforderung reagiert Nadja zunächst einmal mit einem abwehrenden „Oh Gott“. Es ist offensichtlich, dass die gespaltene Erzählaufforderung nach dem biografischen Erleben einerseits und ihrer Lebenseinstellung andererseits meine Interviewpartnerin ein wenig verwirrt hat. Obwohl ich ihr zwar im Vorfeld des Interviews mein Vorhaben kurz und prägnant geschildert hatte, wobei es sich bei dem narrativen Interview handelt, vermute ich, dass sie kurz vor Interviewbeginn Unbehagen verspürt, wie es ihre Körpersprache31 in Zusammenhang mit der Eingangssequenz signalisiert. Ferner könnte es erwartungsgemäß auch an die allgemeine Aufregung liegen, zumal sie bis dato noch nie ein narratives Interview geführt hatte und somit in eine ungewohnte Rolle geschlüpft ist, nämlich ihre Lebensgeschichte aus dem Stehgreif zu erzählen , denn ÄSeine Lebensgeschichte zu erzählen ist ja auch nicht ohne“.32
Weitere Hinweise, die darauf schließen, dass sie die gespaltene Erzählaufforderung nicht eindeutig internalisiert hat, sind ihre Verständnisfragen dazu: „heißt ähm, also du wirst keine spezifischen Fragen stellen oder ich so weiter, ich soll jetzt einfach frei reden?“. Hier ist zu vermuten, dass sie nach einem Leitfaden gesucht hat, der es ihr für den weiteren Gesprächsverlauf ermöglichen sollte sich daran zu orientieren. Es bleibt nach wie vor ungewiss, ob sich ihre Abwehrhaltung auf die Aufforderung bezieht, die ÄLebenseinstellung“ zu erzählen, oder ob es sich dabei nur um eine Reaktion auf das unglücklich gewählte usatzkriterium ÄLebensgeschichte“ handelt. Nach dem Schwanken zwischen Erzählung und Argumentation fordert Nadja doch schließlich „so’n paar Fragen“ als eine Art Leitfaden. In der nächsten Erzählpassage jedoch zeigt Nadja ex negativo, dass sie das Ziel der Frage vorerst verstanden hat, denn ÄSeine Lebensgeschichte zu erzählen ist ja auch nicht ohne“ und scheint damit zwar die Erzählaufforderung ratifiziert zu haben, verlangt jedoch nach wie vor eine Konkretisierung und klare Verhältnisse in Bezug auf ihre zu erzählende „Lebensgeschichte“. Argumentative Stellungnahmen wie „inwiefern?“ oder „Blick auf was denn?“ deuten auf die von ihr festgestellte fehlende Konkretisierung hin. Auch Skepsis schleicht sich scheinbar ein: „was willst du sozusagen letzten Endes aus meiner Lebensgeschichte schöpfen?“. Nachdem ich ihr noch einmal die Rahmung der bevorstehenden Haupterzählung geschildert und einen Leitfaden nach ihre Eingangserzählung angeboten habe, geht sie schließlich auf das Arbeitsbündnis ein. Nach der neuerlichen Aufforderung, diesmal konkret über ihre Lebenseinstellung zu erzählen, beginnt Nadja scheinbar einen Erzähldruck aufzubauen „Jetzt muss ich mir Gedanken über mein Leben machen“. Der ÄErzähldruck“ hat bei ihr zur Folge, dass die von mir gespaltene Erzählaufforderung überwunden wurde. Obwohl die Eingangsfrage dichotom gestellt wurde, kam eine narrative Erzählung in Gang. Die Bedingung dafür war der Erzähldruck der Interviewten.33
(…)Also, geboren wurde ich hier in Marokko. Es war bei uns äh damals so, dass mein Großvater hierher migriert ist, damals als Arbeitskraft, dieser typischen äh ja Arbeitskraft, Gastarbeiterzeit. Ähm kam hierher mit 'nem, hat dann meine Großmutter nachgeholt und die Kinder und alles drum und dran, und ähm damals hat ähm meine Oma aufgrund der Tatsache, dass nicht so viel Ausländer da waren, also nicht die reichen Landsleute, hat Sie beschlossen zurückzugehen. Das wurde dann auch gemacht und dementsprechend wollte dann meine Mutter auch noch mal zurück, deswegen war dann Zeit lang, dass die in Marokko gelebt haben, und diesen Zeitraum bin ich dann auf die Welt gekommen und so mit ähm drei, vier Jahren sind wir wieder zurück. Das war dann so, dass meine Großeltern wieder zurück, also bzw. mein Opa war die ganze Zeit schon hier, meine Großmutter und ähm mein Onkel, meine Tanten sind dann zurück und ähm und im Anschluss ist dann meine Mutter, „Ich“ und die ganze Familie auch nach Deutschland, so. (Segment 2/ 60-73).
In diesem Segment erzählt Nadja zunächst, dass sie in Marokko geboren wurde, und beginnt sofort einen Kurzabriss über die Zeit zu erzählen, die weit vor ihrer Geburt geschah. Da sie diese Zeit nicht miterlebt hat und diese Beschreibung wahrscheinlich von ihrer Eltern bzw. Großeltern stammt, fällt dieser erste Abschnitt verhältnismäßig kurz aus. Sie erzählt über den Aufenthalt ihrer Großeltern in Deutschland. Explizit benennt sie den geschichtlichen Einwanderungskontext ihres Großvaters, in dem sie sich des Begriffs Ädieser Typischen äh ja Arbeitskraft, Gastarbeiterzeit“ bedient. In bruchstückhafter Erzählweise beschreibt sie das damalige Unbehagen und den Wunsch ihrer Großmutter, nach Marokko zurückzukehren, aufgrund fehlender „Ausländer“ und korrigiert zugleich den Begriff der „reichen Landsleute“, was suggeriert, dass einerseits der Aufenthalt in Deutschland finanziell schwierig wurde und dass anderseits ihre Großmutter sich nicht heimisch fühlte, da so wenig Landsleute in Deutschland lebten.
Auffallend ist, dass sie ihren Vater völlig ausblendet und ihre Mutter nur nebenbei erwähnt ÄSie beschlossen zurückzugehen. Das wurde dann auch gemacht und dementsprechend wollte dann meine Mutter auch noch mal zurück“. Nach einer kurzen Verweildauer ihrer Familie in Marokko kam Nadja zur Welt und es vergingen keine drei bis vier Jahre, bis ihre Familie wieder nach Deutschland einwanderte, wo der Großvater schon dort bereits „die ganze Zeit“ war. Nadja sagt nichts über ihr Geburtsjahr und den Ort, wo sie in Marokko geboren wurde und teilweise aufgewachsen ist.
„(…) Den Kindergarten habe ich mitgemacht, Grundschule und alles, was danach kam eben. Aber wie gesagt, so die ersten drei Jahre, die haben wir dann in Marokko gelebt, und ich finde auch, das hat mich mehr oder weniger geprägt, also ist schon so das, ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich in Marokko geboren wurde, aber ich habe schon ein, ein innige Beziehung zu, ich sag mal in "Anführungszeichen", zu meiner Heimat, weil Heimat ist heutzutage irgendwie relativ: „Was ist schon Heimat?“, also, naja Okay. Und aber auf jeden Fall zu meinen Landsleuten und äh zu Marokko, aus dem ich, aus diesem Land, aus dem ich ja komme, habe ich eine gute Beziehung (…)“ (Segment 2 /75-83).
Nach der Erkenntnissetzung von zwei Ausgangstatsachen ihres Lebens (ÄKindergarten“, ÄGrundschule“,) und „alles was danach kam eben“ scheint das letztere ( was damit auch immer gemeint sein mag) keine große Relevanz in ihrem Leben einzunehmen oder sie verschweigt dieses Vakuum (an fehlenden Ereignisketten) noch bewusst. Nadja erzählt in der Retrospektive über das kurzweilige Leben in Marokko und scheint sich dabei in den Worten „geprägt“ und „innige Beziehung“ mit diesem Land zu identifizieren. Dass ihr dies nicht gänzlich gelingt, erkennt man daran, dass sie danach ihre ÄHeimat“ Marokko in „Anführungszeichen“ setzt, diese Bezeichnung jedoch durch die von ihr anschließend gewählte Formulierung relativiert, indem sie „auf jeden Fall zu meinen Landsleuten“ einen Bezug erkennen lässt und eine Ä ichtzugehörigkeit“ damit kategorisch ausschließt. Sie beendet ihre Erzählung über ihre Identitätszugehörigkeit34 evaluativ mit den Worten „aus diesem Land, aus dem ich ja komme, habe ich eine gute Beziehung“. Auffallend ist das gewählte Demonstrativpronomen „diesem“, was Aufschluss darüber gibt, dass der lange Aufenthalt in Deutschland sie geprägt und auch eine gewisse Distanz zu ihrem Geburtsland aufgebaut hat. Aufgrund der Tatsache, dass Nadja ihre Primär-Sozialisation ab dem dritten oder vierten Lebensjahr in Deutschland fortgesetzt hat, scheint sich hier - aus der bisherigen Bilanzierung ihrer Herkunftschilderung zu schlussfolgern - eine bikulturelle Identität entwickelt zu haben. Viele Studien konstatieren in diesem Zusammenhang die Bikulturalitäten von jungen Muslimen in Deutschland.
„(…)Also wenn wir das noch mal beziehen auf, auf Grundschule, diesen Aspekt von vorhin, „Grundschule“, „Bildung“, „Sprache“, war das so, dass meine, dass, wie ich gesagt, bei meinen Großeltern aufgewachsen bin, die der deutschen Sprache nicht mächtig waren, ja, meine Tanten. Ich hab zwei Tanten, zwei Onkel. Meine zwei Tanten ähm waren ja auch irgendwie in Marokko auf die Schule gegangen und dann nach Deutschland, also die hatten auch ein schwierigen Anschluss, d.h. ich konnte jetzt nicht äh zu meinen Tanten in erster Linie. Die haben mir zwar geholfen, aber es wär’ jetzt nicht so ähm das Vokabular, was man eigentlich äh von, von Eltern hat, die hier aufgewachsen sind oder die äh deutsche Staatsbürgerschaft, also "Deutsche" sind einfach.. (Segment 3/92-101).
Nachdem Nadja über ihre Herkunfts- und Familienschilderung nahezu gehetzt ist, springt sie zu dem Thema der institutionellen Bildung und setzt ihre Narration jetzt auf der Bildungsschiene fort. Das entscheidende Schaltelement „Also wenn wir das noch mal beziehen auf“ markiert den Übergang zum neuen Erzählsegment.35
Ab diesem neuen Segment baut sie ihr Leben, wie sie es selbst einführt, unter dem „Aspekt“ (…) „Grundschule“, „Bildung“ und ÄSprache“ auf und daraus folgend, kommt eine relativ lange Narration in Gang, die zwischen Erzählung und Argumentation schwankt. Andere Aspekte wie Freizeit, Hobbys usw. blendet sie noch aus oder scheint ihnen vorerst keine Beachtung zu schenken. Diese Ädrei Felder“ die im ganzen Verlauf des Interviews von ihr eng miteinander verflochten werden, scheinen hier vorerst ihre sonstige Lebensgeschichte nahezu wie eine Fixierung zu überlagern.36 Der ÄAspekt Bildung“ zieht sich wie ein roter Faden fast durch ihre gesamte Schulzeit bis zum heutigen Studium, wobei allerdings Gegenstand der Erzählung immer wieder Ädie deutsche Sprache“ ist und die damit verbundene Schwierigkeit sie zu erlernen37.
Im Fortgang der Erzählung über ihr ÄSprachdefizit“ in der Kindheit führt sie einige Hintergrundkonstruktionen ein, indem sie Charakteristiken ihrer Familie beschreibt: Dazu gehört, dass sie bei ihren ÄGroßeltern aufgewachsen“ ist und dass diese „der deutschen Sprache nicht mächtig waren“. Damit lokalisiert sie den (Bildungs-)Habitus ihrer Großeltern. Weiterhin geht sie auf ihre Tanten und auf ihre zwei Onkel ein, die anscheinend ebenfalls einen „schwierigen Anschluss“ an die deutsche Kultur hatten. Zwar konnten sie ihr helfen, jedoch nicht in einer Qualität in der es ihr genügt hätte: „aber es war jetzt nicht so ähm das Vokabular“. Das Vokabular ihrer Familie setzt sie in einen Kontrast zu denen, die es nach ihrer Auffassung richtig sprechen. Demnach wären es die „Deutschen Staatsbürger“ oder einfach „Deutsche“. Hier scheint sie eine genaue Vorstellung von dem Vokabular entwickelt zu haben, in dem sie sich gerne ausdrücken würde.38 Offensichtlich ist, dass sie sich indirekt an den Menschen orientiert hat, die dieses „Vokabular“ auch gesprochen haben, da sie es anscheinend aus ihrem sozialen Umfeld wie Schule, Freundeskreis usw. kannte. Jedoch ist weniger vorstellbar, dass ein Kind, das zur Grundschule ging, in der Lage sein konnte, eine solch genaue Einschätzung des Sprachhabitus von deutschen Eltern zu geben. Das Verhältnis von Nadja heute zu den eben beschriebenen Ereignissen scheint in einer anderen Erfahrung eingeordnet zu sein. Demnach ist der eitbezug an adja‘s Gegenwartsstandpunkt orientiert. Mehrere argumentative sowie evaluative Passagen deuten daraufhin, dass Nadja sehr viel Wert auf die deutsche Sprache gelegt hat bzw. immer noch legt. Das Sprachdefizit in ihrer früheren Kindheit scheint ein wichtiger Prozess in ihrem Leben zu sein, der bis zum heutigen Zeitpunkt anhält. Die lange Narration über die Grundschulzeit (Segment 3/ 93 ff) bestätigt die Plausibilität dieser These.39
3.1.5 Strukturelle inhaltliche Beschreibung von ausgewählten Segmenten aus dem Nachfrageteil
„(…) „Religion ist an erste Linie“. In erste Linie, weil, wenn ich mein Leben betrachte..ist das die Grundlage, meine Religion ist die Grundlage..ja..also ich bin, ich bin seit, seit Kindheit..ähm ich sag mal „nicht extrem religiös“ erzogen worden, das bin ich nicht, auf gar keinen Fall..meine Eltern waren auch nicht extrem religiös äh in „Anführungszeichen“: „Was ist schon religiös?“ Das ist ja immer so eine Sache. Was für den einen religiös ist, ist für den anderen noch offen und so weiter, also wir waren sehr offen. Also, es war..es war jetzt nicht Mittelpunkt, aber ich, für mich selbst hab früh erkannt, dass es, dass es für mich..für mich ist meine Religion „Frieden“, aber nicht dieser „Frieden“, einfach, das ist dieser „innere Frieden“..Ich hab das Gefühl, dass die Religion, die Religion im Leben..das ?war?, das hat mir Stärke gegeben, nicht nur in Bezug auf meine Bildung, sondern auch Bezug auf meine Mitmenschen, in Bezug auf meine Persönlichkeit, auf meine Entwicklung..in Bezug auf meine Entscheidungen (...).“ (Segment N 7/ 543-555).
Im Nachfrageteil antwortet Nadja auf die (erzählgenerierende) Frage40 nach dem Sinn des Lebens und erzählt zunächst, dass die Religion (wie in eine Art Rangliste) an erster Stelle kommt. Danach scheint sie ihren Standpunkt offensichtlich durch eine Art Evaluation bewerten zu wollen. Ihre Stellungnahme leitet sie explizit mit den Worten „Wenn ich mein Leben betrachte“ ein. Sie bedient sich des (Fach-)Begriffs „Grundlage“, was zahlreiche Assoziationen haben kann wie z.B. die Basis von etwas, das die unerlässliche Voraussetzung für etwas ist; etwas (bereits Vorhandenes), auf das man etwas aufbauen oder von dem aus man etwas weiterentwickeln kann. Das Wort „Grundlage“ hat für Nadja mehrere Bedeutungsfacetten: Zum einen bestätigt sie damit ihre Zugehörigkeit zur islamischen Religion und, damit einhergehend, ihre religiöse Praxis. Zum anderen stellt sie mit den Worten Ämein Leben“ eine Verbindung zu ihrer religiösen „Grundlage“ her, indem sie in etwa die Gleichung entwirft: Leben und Religion = islamische Lebensführung.
Im Hinblick auf die elterliche Erziehung erzählt Nadja, dass sie früher nicht sehr religiös erzogen worden war und dass ihre Eltern auch nicht „extrem“ religiös waren. Mit dieser Beschreibung stellt sie einen Vergleich zur heutigen religiösen Haltung ihrer Familie her, nämlich mit dem Wort „waren“, und relativiert zugleich die von ihr selbst aufgestellte Definition von ÄReligiosität“, was vielleicht darauf hindeuten könnte, dass ihre Familie sich zwar als Muslime verstanden hat bzw. immer noch versteht, ihre religiösen sowie rituellen Ausübungen sich jedoch im Vergleich zu einer dezidiert religiösen Familie in Grenzen gehalten haben bzw. noch halten. Sie sagt nichts explizit darüber aus, ob ihre Eltern im Gegensatz zu früher religiöser geworden sind.41 Diese Annahme wird durch ihre weitere Erzählung mit den Begriffen „ jetzt nicht Mittelpunkt“ bestätigt und gibt zu verstehen, dass einerseits der Islam damals für sie und ihrer Familie keine zentrale Bedeutung in ihren Lebensentwurf eingenommen hatte und dass anderseits ihre Eltern möglicherweise auch anderen (außerreligiösen) Werten Äoffen“ gegenüber gestanden haben können bzw. immer noch stehen. Um welche Werte es sich in diesem Zusammenhang handeln könnte, führt Nadja nicht weiter aus. Jedoch könnte demnach in etwa die Rede von kulturellen sowie traditionellen Wertevorstellungen sein.42
Danach wird ein interessanter und entscheidender Kontrast zu ihrer Eltern sichtbar, den sie selber vollzieht: „aber ich, für mich selbst“. Die Betonung liegt hierbei auf den Begriff „selbst“. Damit weist sie offenbar auf ihre autonome Handlungsfähigkeit hin, unabhängig von ihren Eltern Entscheidungen treffen zu können. Sie vollzieht damit eine entscheidende Abgrenzung, was auch im weiteren Verlauf des Interviews zu beobachten ist, nämlich dass sie - im Gegensatz zu ihrer Familie, sich stärker an der islamischen Religion bzw. Religiosität orientiert. In relativer Unabhängigkeit von der religiösen Einstellung der Eltern43 oder sogar in direkter Abgrenzung zu ihnen scheint sie einen eigenen spezifischen Lebensentwurf entwickelt zu haben, in der sie bewusst den Islam integriert hat.44
Des Weiteren gibt sie ein weiteres entscheidendes Indiz preis: „früh erkannt“. Sie verweist darauf, dass sie schon in ihrer frühen Adoleszenz „die Religion“ bzw. Religiosität für sich entdeckt hat45. Sie stellt jedoch sicher, dass ihr Glaube nicht oberflächlicher Natur ist, sondern verweist explizit auf die Intensität und das innere Erleben hin („Dieser Frieden“). Den von ihr eingangs gewählten Begriff „ Grundlage“ scheint sie jetzt auf verschiedene Aspekte des Lebens zu beziehen: Aus ihrer Religion schöpft sie die notwendige Kraft („Stärke“), die sie beispielsweise für ihr weiteres Bildungsziel46 braucht. Unter dem Aspekt ÄBildung“ baut Nadja ihre Haupterzählung auf, in der man an mehreren Belegstellen erkennen kann, dass auch die institutionelle Bildung eine zentrale Rolle in ihrem Lebensentwurf einnimmt. Auffallend ist, dass der Bildungsaspekt in einem sehr engen Zusammenhang mit der Religion steht.47 Ihre religiöse Identität scheint wie ein Fundament zu sein, auf das sie allen erdenklichen Aspekte des Lebens anzuwenden versucht. Damit propagiert sie eine Garantie für einen gelungenen Lebensentwurf, in dem die Religion eine sichere Grundlage und Ausgangsbasis bietet. Dieser Äsichere Hafen“48, der auch die familiären Werte einschließt, unter denen sie ihre islamische Lebensführung gestaltet, ist für Nadja Identitätsstiftend.49
Diese religiöse Orientierung schließt auch nicht nur die Abgrenzung zu ihren Eltern ein, wie oben erwähnt, sondern zu deren Generation insgesamt:
„(…) Ich lebe in einer anderen Generation. Sie sind, gehören einer anderen Generation an(…)“ (Segment N 8 621/22).
In dieser schmalen Erzählpassage wird deutlich, wie Nadja sich bewusst von der ersten Migranten-Generation50, also der Geburtskohorte ihrer Eltern abgrenzt. Sie erzählt, dass sie Äeiner anderen Generation“ angehört. Inwieweit und in welcher Art und Weise sie sich mit der Folge-Generation, also der zweiten sowie dritten Migranten-Generation identifiziert, führt sie weiter nicht aus. Da sie jedoch immer wieder betont, dass das Tragen des Kopftuchs (davon wird unten noch eingehender die Rede sein) ihre ganz persönliche Entscheidung war, scheint es für sie keine entscheidende Bedeutung zu haben, ob ihre Entscheidung von anderen Frauen ihrer Generation geteilt wird.
Nadjas Abgrenzung von der Generation ihrer Eltern könnte sich auch auf traditionelle sowie kulturelle Wertevorstellungen beziehen, von denen sich Nadja lösen will. Dazu könnte wie schon in Segment ÄN 5/ 543-556“ auch der Ätraditionell-islamische“ Habitus der ersten Migranten-Generation zählen. Gerade im Kontext der Stereotypisierung von Muslimen im aktuellen Diskurs in Deutschland werden ihnen gewisse Merkmale zugeschrieben wie beispielsweise bildungsfern zu sein usw. Dies könnte bei Nadja zur Folge haben, dass sie sich einmal mehr von diesen Zuschreibungsmechanismen lösen will, um einen anderen, liberalen Islam zu präsentieren, der sowohl die Religiosität als auch die institutionelle Bildung umfasst, um aufzuzeigen, dass islamische Werte keinen Widerspruch zur Moderne darstellen. Mit dieser neuen Identität sucht sie nach Anerkennung in der hiesigen Gesellschaft und bei ihren Eltern.
(…) z.B. die Entscheidung mein Kopftuch zu tragen war meine...Damals, als ich mein Kopftuch getragen hatte, hat's meine Mutter nicht getragen...Kopftuch war kein Thema in unserer Familie.. niemals. Meine Familie hat gebetet, gefastet äh die „Fünf Säulen des Islams“51 praktiziert...aber Kopftuch war niemals Thema...Keiner hat sich Gedanken gemacht über Kopftuch. Meine Mutter hat kein Kopftuch getragen und ich kam mit dieser Entscheidung Kopftuch zu tragen und mein Vater hat erst mal gemeint: Warum? Warum willst Du Kopftuch tragen? (…) (Segment N 8/626-632).
In diesem Segment (Nachfrageteil) unterstreicht Nadja ihr ÄAnderssein“ stärker, als sie dies in Segment N 5/383-39 angedeutet hat. Die abstrahierende Beschreibung ihrer „Familie“ geht über in einen Vergleich zum Zwecke der Evaluation. Als Hintergrundkonstruktion führt sie ihre „Mutter“ ein. Offenbar scheint sie eine Abgrenzung zu ihrer Mutter unter dem Aspekt ÄKopftuch“ einmal mehr deutlich zu machen. Dabei hebt sie einerseits hervor, dass die Entscheidung ein ÄKopftuch zu tragen“ nur auf sie zurückzuführen ist, mit den betonten :orten “war meine“. Andererseits verweist sie auf ihre Mutter, die „damals“ im Gegensatz zu Nadja anscheinend kein Kopftuch trug52. Nach einer kurzen Planungspause “…“ scheint ihr der kontrastive Vergleich zu ihrer Mutter nicht ausreichend zu sein. Im Fortgang der Erzählung gibt Nadja anhand einer weiteren Hintergrundkonstruktion zu verstehen, dass das Kopftuch sogar in der gesamten Familie “kein Thema“ war, d.h. ihm wurde keine große Bedeutung zugeschrieben. Mit dem betonten Ausdruck „niemals" scheint sie jeglichen Einfluss seitens der Eltern kategorisch auszuschließen. Nadja möchte mit diesen Aussagen erneut auf ihre Entscheidungsfreiheit hindeuten und demonstriert ihr ÄSelbstbestimmtheit“, nämlich das zu tun, was sie für richtig hält.
[...]
1 vgl. z.B. Sen, F. / Sauer, M. / Halm, D.: Integratives Verhalten und (Selbst-)Ethnisierung von türkischen Zuwanderern. 2001. S.3.
2 Qualitative Methode.
3 Oder auch Lebensentwürfe.
4 Ebene des sichtbaren, äußeren Verhaltens.
5 ermani, . :er ist wir Deutschland und seine Muslime. itiert nach Michael iefer Lebenswelten muslimischer Jugendlicher eine Typologie von Identitätsentwürfen. Stuttgart. September 2009. S. 3.
6 Ebene des sichtbaren, äußeren Verhaltens.
7 Siehe: Sen, F.: Islam in Deutschland. Religion und Religiosität junger Muslime aus türkischen Zuwandererfamilien. In: H.-J. Wensierski/Claudia Lübcke (Hg.): Junge Muslime in Deutschland. Lebenslagen, Aufwachsprozesse und Jugendkulturen. Opladen 2007. S. 17-32.
8 gl. iefer, M. Lebenswelten muslimischer Jugendlicher eine Typologie von Identitätsentwürfen. Stuttgart September 2009. S. 4.
9 Islamische Gemeinschaft Millie Göröş.
10 Verband der türkischen Kulturzentren e.V.
11 Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.
12 Es handelt sich um so genannte Kultur- und Idealistenvereine.
13 Quelle: Innenministerium des Landes Nordrhein-:estfalen Türkischer ationalismus ‚Graue :ölfe‘ und‚ hlkücü‘ (Idealisten)-Bewegung, Düsseldorf 2004.
14 Siehe Sen, F.: Islam in Deutschland. a.a.O.
15 Islam (Islam) Linguistisch ÄGefügigkeit, Unterwerfung und :illfährigkeit, ersöhnung, Frieden- Schließen, Friede, Sich-Fügen, Sich-Ergeben, Hingabe“. Islamologisch ÄDie bewusste Hingabe, Unterwerfung und Ergebenheit Allah gegenüber, auf die von Ihm übermittelte Art und :eise.“ Muslim/Muslima Der/Die Islam- Praktizierende.
16 Der Begriff ÄPop-Islam“ wurde zuerst von der Islamwissenschaftlerin Julia Gerlach in die Debatte eingeführt.
17 Unter Salafiyya (arabisch as-salafiyya) versteht man diejenigen Strömungen des Islam, die sich an der Zeit der Altvorderen (arab.: Salaf, Ä orfahren“) orientieren. ur die Quellen aus der Frühzeit des Islam, Qur’an und Sunna, sind relevant für diese Bewegungen, die nachfolgende Tradition spielt keine bzw. eine negative Rolle. Der Begriff “neo-salafitisch” ist allerdings schwer zu definieren, weil es sich um Strömungen handelt, die sich ständig verändern.
18 Vgl. Küsters, I.: Narrative Interviews. Grundlagen und Anwendungen. 2. Auflage. Wiesbaden 2009. S. 30. 10
19 Vgl. Breckner, R.: Materialien zur Interviewschulung. Quatext. Institut für qualitative Sozialforschung e.V. S. 2.
20 Am Relevanzsystem des Interviewpartners orientiert.
21 Seipel, C./Rieker, P.: Integrative Sozialforschung. Konzepte und Methoden der qualitativen und quantitativen empirischen Forschung. Weinheim und München. 2003. S. 154.
22 Ebd. S. 154.
23 Segment N8/639/40.
25 Karabila, A.: Magisterarbeit: Marokkanische Immigranten in Deutschland zwischen Sprachwahrnehmung und Identitätsfindung. Eine empirische Betrachtung zur Bedeutung ihrer Muttersprache. Frankfurt a. M. 2010. S. 74.
26 Die Islam-Praktizierende.
27 Unser Smalltalk umfasste im Wesentlichen Themenbereiche wie Bildung, Bildungsperspektiven sowie kurz die Kopftuchdebatte. Nadja befragte mich zu meinem Bildungsweg und was ich zurzeit studiere.
28 Der Einstieg in das Gespräch wird ihr somit erleichtert, denn die Erfahrung in der Biographieforschung hat gezeigt, dass die jeweiligen GesprächspartnerInnen nach einem direkten und hastigen: ÄJetzt geht’s los!“ unter Druck geraten können, was zur Folge haben kann, dass die Interviewten dadurch verunsichert und nervös werden. Diese Affekte können sich auf den weiteren Gesprächsverlauf negativ auswirken
29 Die Dauer des gesamten Interviews belief sich auf 2 Stunden 5 min und 21 Sekunden. 16
30 Hinweise zur Transkription finden sich im Anhang zu Beginn des Interviews mit Nadja; vgl. Abschnitt 7.1 der vorliegenden Arbeit.
31 Die abwehrende Körperhaltung zu Beginn der Eingangsfrage fand im weiteren Verlauf des Interviews keine Fortsetzung. Die Abwehrhaltung löste sich unmittelbar nach den Verständnisfragen und spätestens ab der Haupterzählung auf.
32 Nach dem Interview offenbarte mir meine Informantin, dass nicht einmal ihre beste Freundin von dem weiß, was sie im Gespräch erzählt hatte. In Segment des externen Nachfragteils 11/ 884/885 reflektiert sie die Tatsache, dass sie ihre Biografie einem fremden Menschen preisgibt.
33 Die Dynamik in ihrer Erzählung behielt Nadja bis zum Ende des Interviews bei. Sie machte fast gar keine großen Planungspausen.
34 Siehe dazu auch: Segment Externer Nachfragteil 10/ 825-833
35 Siehe auch: Przyborski, A. / Wohlrab-Sahr, M.: Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch. München. 2008. S. 231/232.
36 Vgl. dazu: Segment 5/329-332.
37 In diesem Kontext hatte ich einige wenige Momente der Rührung, als Nadja über ihre schulischen Schwierigkeiten erzählte, weil ich mich an die ersten Jahre meiner Schulzeit erinnert habe.
38 In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass meine Befragte ihre Narration in einem gut verständlichen Hochdeutsch vorgetragen hat.
39 Laut ökel sind schon bereits in den Ävorislamischen“ Biographien der eo-Muslima emanzipative Bestrebungen zu beobachten. Dieser Prozess scheint zunächst im Kontext einer konkreten Benachteiligung im Bildungssystem zu stehen, in der sie aufgrund ihre Herkunft aus der ÄGastarbeiter- lasse“ erfahren. Die jungen Frauen erarbeiten sich trotz der ungleichen Startvoraussetzungen oft den Rang der Klassenbesten und somit eine Grundlage für einen individuellen sozialen Aufstieg (Siehe Nökel, S.: Die Töchter der Gastarbeiter und der Islam. Zur Soziologie alltagsweltlicher Anerkennungspolitiken. Eine Fallstudie. Bielefeld 2002. S. 93.)
40 Aus dem Segment 6/ 383-391 und Segment 6/521-525 der Haupterzählung wollte ich mehr über den Sinn ihres Lebens erfahren um gegebenenfalls einige Rückschlüsse bezüglich ihrer Werteorientierung zu gewinnen.
41 Siehe dazu: Segment N 8/ 651/ 52.
42 Darauf soll im Rahmen der Ausführungen zum Nachfrageteil näher eingegangen werden.
43 Damit könnten auch die Großeltern gemeint sein. Siehe dazu: Segment Exmanenter Nachfrageteil/ 1159-1161.
44 Siehe auch: Nökel, Sigrid. Neo-Muslimas - Alltags-und Geschlechterpolitiken junger muslimischen Frauen zwischen Religion, Tradition und Moderne. In: von Wensierski, Hans-Jürgen/Lübcke Claudia (Hrsg.): Junge Muslime in Deutschland. Lebenslagen, Aufwachsprozesse und Jugendkulturen. Opladen & Famington Hills 2007. S. 135.
45 In Segment Externer Nachfragteil / 928-930“ begreift adja ihre Religiosität als eine Art Offenbarung. Laut ökel entdecken die Ä eo-Muslimas“ während der Jugendphase den Islam für sich, Äso häufig formuliert, entdeckt“, und präsentieren ihn, als eichen der persönlichen Identität.
46 Siehe auch dazu: Segment 6/366/367.
47 Siehe dazu: Segment 6/495-505.
48 Die Religion.
49 Laut den Autoren Klinkhammer (2000) und Nökel (2002) wird der traditionell-islamisch vorgelebte Lebensstil der Eltern im Rückblick von den jungen Frauen als Ärudimentäres“ oder als Äunwahres“ :issen abgewertet, auf dem ihre eigene Religion nicht ruhen kann (vgl. Klinkhammer, Gritt.: Moderne Formen islamischer Lebensführung. Eine qualitativ empirische Untersuchung zur Religiosität sunnitisch geprägter Türkinnen in Deutschland. Marburg 2000. S. 249; Nökel, S.: Die Töchter der Gastarbeiter und der Islam. Zur Soziologie alltagsweltlicher Anerkennungspolitiken. Eine Fallstudie. Bielefeld 2002. S.69.
51 1. Das Glaubensbekenntniss (arab.: Schahada). 2. Das rituelle Pflichtgebet (arab.: Salah). 3. Die Entrichtung der Armensteuer (arab.: Zakah). 4. Das Fasten im Ramadhan (arab.: As-Siyam) und die Pilgerfahrt (arab.: Hadsch) (5).
52 In ÄSegment 8/ 670/671“ jedoch, erzählt sie indirekt,dass später, Jahre nach ihr, andere Frauen in der Familie (wohl auch die Mutter) angefangen haben, das Kopftuch zu tragen.
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- Abdussalam Meziani (Autor:in), 2011, Geschlechtsbezogene Werteorientierungen junger Muslime in Deutschland - Eine empirische Untersuchung von jungen Muslimen mit marokkanisch stämmigem Hintergrund, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192174
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