Johann Wolfgang von Goethe war sein Leben lang von Steinen und Mineralien in den Bann gezogen. Dies begann damit, dass er 1776 von Herzog Carl August amtlich beauftragt wurde, sich um die Wiederinbetriebnahme des stillgelegten Kupfer- und Silberbergwerks in Ilmenau zu kümmern. Aus diesem Anlass befasste er sich mit der theoretischen Seite des Bergbaus und entwickelte bald darauf ein reges mineralogisches und geologisches Interesse. Dabei machte er sich selbst ein Bild vor Ort und besichtigte Bergwerke und Eisenhütten im Harz.
Nach seinem Besuch des Genfer Geologie- und Physikprofessors Horace Bénédict de Saussure 1779 begann Goethe damit, Mineralien systematisch zu sammeln. Daran anschließend entwickelte er Fragestellungen nach der Erdgeschichte, deren damals noch junge Wissenschaft als „Geognosie“ bezeichnet wurde. Goethe widmete sich fortan leidenschaftlich und mit ästhetischem Anspruch der Gesteinskunde und partizipierte an den Ideenkreisen der Neptunisten und Vulkanisten. Es folgten Untersuchungen in der Umgebung von Karlsbad, Franzensbad und im Fichtelgebirge. Im Jahr 1807 erschien Goethes erste geognostische Veröffentlichung Sammlung zur Kenntniß der Gebirge von und um Karlsbad. Seine Beschäftigung mit der Geologie schlug sich in seinen literarischen Werken nieder. So arbeitete er geologische Passagen und Diskussionen ein, die seine Erfahrungen und Einsichten widerspiegeln.
Der erste Teil der Arbeit widmet sich den beiden geologischen Diskussionen, die in Goethes Drama Faust – der Tragödie Zweiter Teil eingearbeitet sind. Im zweiten Akt streiten sich in der „Klassischen Walpurgisnacht“ die beiden antiken Naturphilosophen Thales und Anaxagoras über die Entstehung von Gebirgen. Dabei steht neben dem Neptunismus und dem Vulka-nismus auch die Meteoritentheorie im Vordergrund. Im vierten Akt wird dieser Disput aus dem heidnisch-antiken Kontext in die christliche Neuzeit überführt. Hier findet im Hochgebirge eine geognostische Diskussion zwischen Mephistopheles und Faust statt.
Der zweite Teil der Arbeit konzentriert sich auf die geologischen Ausführungen innerhalb Goethes Roman Wilhelm Meisters Wanderjahre. Zunächst werden die geomorphologischen Darstellungen der ersten Kapitel herausgestellt. Dabei wird auf Goethes ganzheitlichen Forschungsansatz und sein Naturverständnis Bezug genommen. Anschließend folgt die Untersu-chung der geologischen Auseinandersetzung, die sich während des Bergfestes im zweiten Buch ereignet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die geologischen Diskurse in Faust II.
- Geognosie in der Klassischen Walpurgisnacht
- Die Bergentstehung am oberen Peneios
- Der geologische Disput zwischen Anaxagoras und Thales
- Die Kontroverse um den Meteoriteneinschlag
- Die geomorphologischen Vorgänge in ihrer politischen Bedeutung
- Die geognostische Diskussion im Hochgebirge
- Mephistos vulkanistische Position
- Goethes ganzheitliche Naturphilosophie
- Die politische Symbolik der geologischen Ereignisse
- Geologische Betrachtungen und Kontroversen in Wilhelm Meisters Wanderjahre.
- Das geologische Kompositionsprinzip des Romans.
- Wilhelm und Felix im Gebirge.
- Beschreibungen des geomorphologischen Aufbaus der Alpen
- Die geologische Lesart der Natur
- Das Bergfest.
- Das Streitgespräch der Bergleute betreffend der Erdentstehung
- Goethes Theorie der Eiszeit.
- Wilhelms Diskussion mit Jarno
- Hermetische Wissenstradition und neuzeitliche Naturbeherrschung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die literarische Inszenierung von Natur und Naturwissenschaft in Johann Wolfgang von Goethes Werken Wilhelm Meisters Wanderjahre und Faust - Der Tragödie Zweiter Teil. Die Arbeit beleuchtet insbesondere die Rolle der Geologie und Geognosie in den beiden Werken.
- Goethes wissenschaftliche Beschäftigung mit der Geologie und seine Auseinandersetzung mit den Theorien der Neptunisten und Vulkanisten
- Die Darstellung geologischer Prozesse und Phänomene in den Werken
- Die Integration geologischer Diskussionen in die Handlungsstruktur von Faust und Wilhelm Meisters Wanderjahre
- Die Verbindung von Naturwissenschaft und Literatur in Goethes Werken
- Die politische und symbolische Bedeutung geologischer Ereignisse in den Texten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die Goethes Interesse an Geologie und Geognosie beleuchtet und die beiden Werke, Faust und Wilhelm Meisters Wanderjahre, in den Kontext seiner wissenschaftlichen Arbeit stellt.
Das zweite Kapitel analysiert die geologischen Diskurse in Faust II. Zunächst wird die „Klassische Walpurgisnacht“ untersucht, in der Thales und Anaxagoras über die Entstehung von Gebirgen streiten. Die Szene bietet Einblicke in die neptunistische und vulkanistische Lehre sowie die Meteoritentheorie. Anschließend beleuchtet das Kapitel die geognostische Diskussion zwischen Mephistopheles und Faust im vierten Akt, die den Disput aus dem heidnischen Kontext in die christliche Neuzeit überträgt.
Das dritte Kapitel widmet sich den geologischen Betrachtungen in Wilhelm Meisters Wanderjahre. Es werden die geomorphologischen Darstellungen der ersten Kapitel analysiert und Goethes ganzheitlichen Forschungsansatz beleuchtet. Des Weiteren wird die geologische Auseinandersetzung während des Bergfestes im zweiten Buch untersucht, die wichtige Einblicke in Goethes Theorie der Eiszeit und die hermetische Wissenstradition gewährt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Schlüsselbegriffe Geologie, Geognosie, Neptunismus, Vulkanismus, Wilhelm Meisters Wanderjahre, Faust II, Naturwissenschaft, Literatur, Johann Wolfgang von Goethe.
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- Saskia Guckenburg (Autor), 2012, Literarische Inszenierung von Natur und Naturwissenschaft bei Johann Wolfgang von Goethe, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/191979