Die Informationstechnologie bietet viel versprechende Potenziale zur Steigerung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit von Lehr- und Lernprozessen an Schulen (vgl. Breitner et al. 2010, S. 31).
Dieses Potenzial ist keine Neuentdeckung, sondern wurde bereits in den 90er Jahren erschlossen und gefördert.
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Das Wiki-Medium zeichnet sich durch seine vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sowie seine unvergleichlich geringen Voraussetzungen aus und bietet daher besonders für Berufsschulen ein sehr großes Potenzial. Doch die Nutzung von E-Learning-Medien birgt nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren. In dieser Arbeit sollen die Chancen zwar im Mittelpunkt stehen, dennoch dürfen auch die Gefahren und Probleme nicht unbeachtet bleiben. Schließlich verspricht der Einsatz neuer Technologien freilich verbesserte Effizienz und Effektivität, beinhaltet aber auch negative Aspekte.
Ist die Wiki den Weg zum Brunnen wert? Der Trunk muss so gut sein, dass er den Weg zum Brunnen wert ist. Gemeint ist in diesem Zusammenhang die Frage nach der Effizienz und damit nicht zuletzt auch nach der Sinnhaftigkeit des Wiki-Mediums. Ganz gleich mit welchem „Produkt“ eine Verbesserung der Lehr-/Lernsituation erreicht werden soll, ihr Aufwand-/Nutzenverhältnis muss für Schüler und Lehrer stimmen.
Die größte und zugleich bekannteste Wiki ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Mit über 10 Millionen Artikeln weltweit ist Wikipedia seit ihrer Gründung im Jahr 2001 zur größten und zugleich freien Enzyklopädie geworden (vgl. Wikipedia 2009). Die Quantität, aber auch Aktualität der enzyklopädischen Artikel übersteigen die Kapazität von Print-Enzyklopädien bei Weitem (vgl. Schmale et al. 2007, S. 106). Doch die Wiki-Plattform bietet zahlreiche weitere Möglichkeiten. So können beispielsweise Projekte aller erdenklichen Art gemeinschaftlich und unkompliziert erarbeitet werden. Auch im universitären Zusammenhang wird die Wiki eingesetzt, so honorieren u. a. bereits mehrere Dozenten der Universität Oldenburg in Form von kreativen Prüfungsleistungen das Veröffentlichen von Seminararbeiten auf Wiki-Plattformen. Die Studenten veröffentlichen ihre Ausarbeitungen auf Wiki-Plattformen, wie Wikipedia und machen sie damit einem sehr breiten Publikum zugänglich (vgl. Wikipedia o.J.). Somit zeichnet sich die Wiki-Plattform als ernstzu- nehmendes Medium aus, das auch Berufsschulen zahlreiche Möglichkeiten für die Verbesserung von Lehr-/Lernsituationen bietet.
I. Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 E-Learning - Zum aktuellen Stand der Thematik
2.1 Lehren mit neuen Medien
2.2 Gegenwärtige und vermeidliche Probleme und Vorurteile zum E-Learning
2.3 Die Gestaltung von E-Learning-Szenarien aus didaktischer Perspektive
3 Das Wiki-Medium
3.1 Wiki - Der (un)verbesserlich schnelle Informationsaustausch
3.1.1 Was ist ein Wiki?
3.1.2 Die Funktionsweise und Umsetzung von Wikis
3.2 Wikis im Schuleinsatz - warum die Wiki Schule macht
3.2.1 Organisatorische Gelingensbedingungen des Wiki-Einsatzes
3.2.2 Integration weiterer Bestandteile und Aufgaben in die Wiki
4 Medienbasierte Kommunikation und Kooperation - das Potenzial der Wiki
4.1 Die Wiki als Blended-Learning Instrumentan berufsbildenden Schulen
4.2 Förderung des kooperativen Lernens durch das Wiki-Medium
4.2.1 Die Rolle der Schüler und Auszubildenden
4.2.2 Die Rolle der Lehrer und Ausbilder
4.3 Die Wiki zur Verbesserung von Gruppenarbeit
4.4 Förderung individueller Lernprozesse durch eine Wiki
4.5 Lernortkooperation und mehr Praxisnähe mit Hilfe der Wiki
5 Forschungsteil - Empirische Untersuchung zum Wiki-Einsatz an BBS
5.1 Das Erkenntnisinteresse der Befragung
5.2 Methodologische Positionierung dieser Untersuchung
5.2.1 Offener Leitfadenfragebogen für die qualitative Befragung
5.2.2 Die Ziele und Durchführung der Schüler- und Lehrerbefragung
5.3 Begründung und Konstruktion des Fragebogens
6 Ergebnisdarstellung der quantitativen Erhebung
6.1 Einschätzungen der Lehrpersonen
6.1.1 Allgemeine Antworten der Lehrer zum E-Learning
6.1.2 Antworten der Lehrer zum Wiki-Einsatz
6.1.3 Antworten der Lehrer zum Wiki-Medium
6.2 Einschätzungen der Schüler
6.2.1 Allgemeine Antworten der Schüler zum E-Learning
6.2.2 Antworten der Schüler zum Wiki-Einsatz
6.2.3 Antworten der Schüler zum Wiki-Medium
7 Schlussfolgerungen - Stärken und Schwächen des Wiki-Mediums
7.1 Stärken derWiki
7.2 Schwächen derWiki
8 Methoden-Diskussion
9 Fazit und Ausblick
9.1 Das Potenzial und die Grenzen des Wiki-Mediums
9.2 Gesamteinschätzung der Wiki-Thematik
9.3Ausblick zurWiki im E-Learning
Quellenverzeichnis
Anhang
E-Learning - Die Wiki als Medium für die Optimierung von Lehr-/Lernsituationen in Berufsschulen?
1 Einleitung
Die Informationstechnologie bietet viel versprechende Potenziale zur Steigerung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit von Lehr- und Lernprozessen an Schulen (vgl. Breitner et al. 2010, S. 31).
Dieses Potenzial ist keine Neuentdeckung, sondern wurde bereits in den 90er Jahren erschlossen und gefördert. Doch trotz der gesellschaftlichen Verbreitung des Internets und der zahlreichen neuen Medien konnten diese sich nicht im alltäglichen Unterricht als förderliches Medium etablieren. Das Internet mit seinen zahlreichen Diensten hat sich innerhalb kürzester Zeit zum universalen System des Informationsaustausches entwickelt. Dieser Informationsaustausch hat sich zu einem weltweiten Informationsgeflecht entwickelt, das auch vor den Schultoren nicht Halt macht (vgl. Wimmers 2000, S. 14). Die zahlreichen Produkte und Medien bringen sehr unterschiedliche Möglichkeiten und E igenschaften mit sich. So teilen die internetbasierten und interaktiven Lernangebote durchgehend Vorteile, wie die beliebige Wiederholbarkeit sowie Orts- und Zeitunabhängigkeit (vgl. van Deest & Siehlmann 1996, S. 26). Für den Berufsschulunterricht erscheint ein Medium besonders geeignete Möglichkeiten zu bieten: die Wiki. Die Wiki vereint die Vorteile digitaler Medien, die vor allem für den Berufsschulunterricht besondere Bedeutung besitzen und ergänzt diese durch einzigartige Eigenschaften. So kann das Lernen und Lehren mit Hilfe der Wiki zu einer Überwindung der Lehrerzentrierung beitragen und einen Beitrag zur Förderung der beruflichen Handlungskompetenz leisten. Wie und in welcher Form dies gelingen kann, soll diese Ausarbeitung zeigen.
Ziele dieser Arbeit
Das Wiki-Medium zeichnet sich durch seine vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sowie seine unvergleichlich geringen Voraussetzungen aus und bi etet daher besonders für Berufsschulen ein sehr großes Potenzial. Doch die Nutzung von E-Learning-Medien birgt nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren. In dieser Arbeit sollen die Chancen zwar im Mittelpunkt stehen, dennoch dürfen auch die Gefahren und P robleme nicht unbeachtet bleiben. Schließlich verspricht der Einsatz neuer Technologien freilich verbesserte Effizienz und Effektivität, beinhaltet aber auch negative Aspekte.
Ist die Wiki den Weg zum Brunnen wert? Der Trunk muss so gut sein, dass er den Weg zum Brunnen wert ist. Gemeint ist in diesem Zusammenhang die Frage nach der Effizienz und damit nicht zuletzt auch nach der Sinnhaftigkeit des Wiki-Mediums. Ganz gleich mit welchem „Produkt“ eine Verbesserung der Lehr-/Lernsituation erreicht werden soll, ihr Aufwand/Nutzenverhältnis muss für Schüler und Lehrer[1]stimmen.
Motivation und Aktualität der Untersuchung
Die größte und zugleich bekannteste Wiki ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Mit über 10 Millionen Artikeln weltweit ist Wikipedia seit ihrer Gründung im Jahr 2001 zur größten und zugleich freien Enzyklopädie geworden (vgl. Wikipedia 2009). Die Quantität, aber auch Aktualität der enzyklopädischen Artikel übersteigen die Kapazität von Print-Enzyklopädien bei Weitem (vgl. Schmale et al. 2007, S. 106). Doch die Wiki-Plattform bietet zahlreiche weitere Möglichkeiten. So können beispielsweise Projekte aller erdenklichen Art gemeinschaftlich und unkompliziert erarbeitet werden. Auch im universitären Zusammenhang wird die Wiki eingesetzt, so honorieren u. a. bereits mehrere Dozenten der Universität Oldenburg in Form von kreativen Prüfungsleistungen das Veröffentlichen von Seminararbeiten auf Wiki-Plattformen. Die Studenten veröffentlichen ihre Ausarbeitungen auf Wiki-Plattformen, wie Wikipedia und m achen sie damit einem sehr breiten Publikum zugänglich (vgl. Wikipedia o.J.). Somit zeichnet sich die Wiki-Plattform als ernstzunehmendes Medium aus, das auch Berufsschulen zahlreiche Möglichkeiten für die Verbesserung von Lehr-/Lernsituationen bietet.
Vorgehensweise und Aufbau dieser Arbeit
Die Erprobung des Wiki-Mediums muss stets zielgerichtet erfolgen, um dies zu gewährleisten, sind wissenschaftliche Begleituntersuchungen unerlässlich. Um sich den Potenzialen des Wiki-Mediums systematisch anzunähern, soll diese Ausarbeitung grundlegend in zwei Schritte und damit Bereiche unterteilt werden:
1) Im ersten Teil soll ein aktueller Stand zum E-Learning, das Wiki-Konzept und die Möglichkeiten der Wiki im Berufsschuleinsatz thematisiert werden.
2) Der zweite Teil ist empirisch ausgelegt und soll die theoretischen Aspekte überprüfen und weitere Erkenntnisse erarbeiten.
In der Summe ist das Ziel dieser Ausarbeitung die Überprüfung des Potenzials des WikiMediums für die Berufsschule aus theoretischer und praktischer Sicht. Hierbei sollen primär die Potenziale des Wiki-Mediums, aber auch ihre Schwachstellen ermittelt werden. Auch muss die Übertragbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse in der Praxis überprüft werden. Letztlich soll ein Ausblick sowie eine Empfehlung zum Wiki-Einsatz ausgesprochen werden.
2 E-Learning - Zum aktuellen Stand der Thematik
Die Auseinandersetzung mit einem elektronischen Medium als pädagogisches Werkzeug führt zwangsläufig zu einer allgemeinen Auseinandersetzung mit E-Learning. Denn bevor die Wiki als E-Learning-Medium genauer betrachtet werden soll, macht es Sinn, einen allgemeinen Einstieg zum E-Learning zu geben. Schließlich teilen viele Konzepte für den sinnvollen Einsatz von ,,neuen Medien“ im schulischen Kontext ähnliche Attribute. So wird den (noch) sogenannten neuen Medien viel Gutes und viel Hinderliches nachgesagt, und das nicht immer zu Recht. Beispielsweise sind viele Kenntnisse und Annahmen zum Lehren und Lernen unter dem Einsatz des Internets schlichtweg nicht mehr zeitgemäß. Hierfür lassen sich nur die unterstellte pauschale Motivationsfunktion des Computers oder auch die vermeidlich zu hohen Kosten, die den E-Learning-Produkten nachgesagt werden, beispielhaft nennen. In dem Sinne soll dieses Kapitel einen Einblick in den aktuellen Stand zum E-Learning geben und m it Vorurteilen und Fehl annahmen aufräumen. Hierfür darf natürlich ein grundlegender Einstieg nicht fehlen.
Definition E-Learning
Der Begriff E-Learning setzt sich aus den beiden Bestandteilen „E“ und „Learning“. Das E steht abkürzend für electronic, zusammengesetzt steht E-Learning also für elektronisches Lernen. Schmale (et al. 2007, S. 35) definiert E-Learning wie folgt:
„E-leaming (electronic learning): Term covering a set of allocations and processes, such as webbased learning, computer-based learning, virtual classrooms, an digital collaboration. It includes the delivery of content via Internet, intranet/extranet (LAN/WAN), audio- and videotape, satellite broadcast, interactive TV, CD-Rom, and more. ”
Bei der Begrifflichkeit des E-Learning handelt es sich also um keine einheitliche Lern- oder Unterrichtsform, sondern vielmehr um einen Sammelbegriff für verschiedene Lehr-Lern- Szenarien, die sich durch den maßgeblichen Einsatz von digitalen Medien auszeichnen (vgl. Schmale et al. 2007, S. 35). Allerdings ist nicht jeder Einsatz von elektronischen Hilfsmitteln zwangsläufig E-Learning, daher bedarf es einer Eingrenzung der Begrifflichkeit. Werden Materialien aus dem Internet nur unregelmäßig genutzt und werden Lernmaterialien oder Aufgaben auf dem elektronischen Wege lediglich verteilt, so wird nicht von E-Learning, sondern einer Begleitung der Präsenzlehre durch das Internet gesprochen, insbesondere weil die Komponenten des E-Learning und der Präsenzlehre getrennt bleiben (vgl. Schmale et al. 2007, S. 35).
2.1 Lehren mit neuen Medien
Die Rolle der Medienpädagogik - Der Aufruf zum vermehrten Einsatz von neuen Medien in der Schule und zugleich in der Lehrerausbildung ist nicht neu, denn bereits im 1998 von der Kultusministerkonferenz (KMK) veröffentlichten Bericht zur „Rolle der Medienpädagogik, insbesondere der neuen Medien und der Telekommunikation in der Lehrerbildung“ wird auf die Relevanz der neuen Medien auf Schule, Arbeitsleben und Freizeit hingewiesen:
„Die neuen Medientechnologien und Medienangebote, die in ihrer Vielfalt auf gesellschaftliche Entwicklungen einwirken, haben deutlichen Einfluss auf die Erziehung im Elternhaus und auf Bildung und Erziehung in der Schule. Sie erfordern von allen Beteiligten, hier vor allem von den Bildungseinrichtungen, vermehrte Anstrengungen“ (KMK 1998, S. 2 ff.).
Weiter heißt es:
„Für das Leben, Lernen und Arbeiten in der Informationsgesellschaft nimmt die Schule einen doppelten Auftrag wahr: Sie macht Schülerinnen und Schüler im umfassenden Sinn medienkompetent und sie befähigt sie, sich in den Medienwelten selbstbewusst und verantwortungsvoll zu bewegen; sie nutzt Multimedia und Telekommunikation verstärkt für das Lernen und Erziehen. Medienpädagogische Ausbildungsinhalte müssen daher integraler Bestandteil der Ausbildung für alle Schularten und in allen Fachbereichen sein“ (KMK 1998, S. 2 ff.)
Neben den realen und potenziellen technischen Möglichkeiten würde sich dabei die Überwindung lehrerzentrierten Arbeitens und passiven Rezeptionsverhaltens von Lernenden zugunsten handlungsorientierter Methoden, die individuelle Gestaltungsspielräume innerhalb von Gruppen oder an Einzelarbeitsplätzen zulassen, inhaltlich qualitätssteigernd auswirken (vgl. Micklisch 2002, S. 210). Der Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien soll also eine Verschiebung von lehrerzentrierten hin zu lernerzentrierten, lerneraktiven, orts- und zeitunabhängigen Ausbildungsformen führen. Die Chancen neuer Medien werden also besonders in den Möglichkeiten einer deutlich erhöhten Aktivierung der Lernenden gesehen (vgl. Rinn & Bett 2003, S 196).
Daneben fordert das Berufsleben eine stetig wachsende Medienkompetenz. Von Seiten der Arbeitgeber und weiterführenden Ausbildungsstätten werden Computerkenntnisse und der sichere Umgang mit den neuen M edien mehr und mehr zur Einstellungs- und Zugangsvoraussetzung (vgl. Wimmers 2000, S. 16). Der Umgang mit Medien, ganz gleich ob für berufliche, schulische oder private Zwecke, bindet in jedem Fall Zeit. Die Ressource Zeit ist für das Subjekt begrenzt und gehört zu seinen kostbarsten Gütern. Es gilt also möglichst früh zu lernen, mit dieser Ressource sinnvoll und zielorientiert umzugehen. Denn besonders bei dem Umgang mit dem Internet erreicht den Nutzer eine regelrechte Informationsflut, mit dessen Umgang gelernt werden muss. Es muss die Frage nach Relevanz und Qualität der Information gestellt werden, um nicht im „Datenmüll und Infosmog“ zu ersticken oder gar in Orientierungslosigkeit zu versinken (vgl. Mitzlaff 1998, S. 18). Dies ist besonders wichtig bei dem pädagogischen Einsatz des Mediums Internet. Denn Chaos im Internet gibt es schon genug, daher bedarf es für die sinnvolle und konstruktive Nutzung des Internets einer Strukturierung. Wichtig ist deshalb, dass das gezielte Suchen und Arbeiten mit und im Netz erlernt wird. Es geht darum, in möglichst kurzer Zeit eine gewünschte qualitative Information zu finden und zu sichern. Die Übergänge zwischen zeitsparender, zielsicherer Recherche und orientierungslosem, zeitraubendem Rumsurfen sind fließend. Planloses „Surfen“ darf nicht mit einem zielgerichteten, sinnvollen Umgang mit dem Medium Internet verwechselt werden (vgl. Althoff 2000, S. 65 f.).
Bei der Vermittlung von Unterrichtsinhalten unter Inanspruchnahme des Internets gilt es daher, den wesentlichen Fähigkeiten der Medienkompetenz stets Beachtung zu schenken. Althoff unterteilt (2000, S. 66) die für die Gestaltung von mediengestütztem Unterricht wesentlich zu beachtenden Fähigkeiten in:
- instrumentelle qualifikatorische Kompetenz (Bedienwissen),
- selbstbestimmte Aktivität,
- Kritikfähigkeit,
- Gestaltungskompetenz,
- Selektions- und Orientierungskompetenz,
- ethisch-moralische Verantwortlichkeit.
Medienkompetenz endet also nicht in einfachem technischen Bedienwissen. Alle aufgeführten Aspekte sind nicht nur für den E insatz von neuen Medien im Schulkontext wichtig, sondern auch für unsere zukünftige Gesellschaft. Ziel ist der autonome, ethisch verantwortliche, der sozialen Gemeinschaft zuträgliche und durch Individualität geprägte Bürger (vgl. Althoff 2000, S. 66). Versucht eine Lehrkraft seinen Unterricht unter Einsatz des Mediums Internet zu gestalten, muss er neben all diesen Anforderungen auch noch seine eigentlichen Unterrichtsinhalte unterbringen. Eine auf den ersten Blick schwierige Aufgabe, deren Lösung im „E-Learning“ zu finden sein soll. „E-Learning“ mit digitalen Medien kann zu derartigen Unterrichtsformen beitragen, wenn das Arbeiten am Computer nicht Selbstzweck, sondern in ein entsprechendes didaktisches Konzept eingebettet ist (vgl. Nagel-Volksmann 2007, S. 5).
Der alt bekannte Satz „non scholae, sed vitae discimus” - nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir - muss nicht nur von den Schülern, sondern auch von den Lehrenden ernst genommen werden: Nicht für die Schule, sondern für das Leben lehren wir (vgl. Wimmers 2000, S. 15). Trotz der zeitgemäßen Relevanz vom Lernen mit und von neuen Medien konnten diese sich noch nicht so recht durchsetzen. Hierfür ist sicherlich unter anderem die Zurückhaltung der Lehrpersonen im Bereich des E-Learning verantwortlich. Denn leider schreckten bisher viele Pädagogen, aufgrund vermeidlicher Probleme, vor dem Einsatz neuer Medien zurück. Doch ist diese Zurückhaltung zeitgemäß oder besteht längst Handlungsbedarf?
2.2 Gegenwärtige und vermeidliche Probleme und Vorurteile zum E-Learning
Es gibt viele Mythen, wenn es um den Einsatz von Computern für den Schulunterricht geht. Die Spanne reicht von Pädagogen, die jedem beliebigen E-Learning-Konzept pauschal eine Motivationsfunktion zu schreiben, bis hin zu Kritikern, die glauben, Computer wären für einen sinnvollen pädagogischen Einsatz nicht zu gebrauchen. Daher soll dieser Abschnitt mit einigen Annahmen zum schulischen Einsatz von Computer und Co., die so nicht mehr haltbar sind, aufräumen.
Es existieren kaum aussagekräftige, empirisch gestützte Daten über den Mehrwert von ELearning, die eine generelle Bewertung dieses Lehr-Lern-Arrangement zulassen würden (vgl. Schmale et al. 2007, S. 35). Daher sollen die am häufigsten in der Literatur genannten Probleme auf ihre Aktualität überprüft werden. Ein Argument gegen den Einsatz des Internets im Unterricht ist die Annahme, das Internet sei überlastet und zu langsam für einen Unterrichtsgebrauch. Im Jahr 1997 veröffentlichte Dr. Reinhold Hedtke sein Werk „Vom Buch zum Internet und zurück“, in dem er auf genau diese Problematik verwies. Er wies auf die Problematik der Netzüberlastung in der Zeit von 9:00 Uhr und 12:00 Uhr vormittags hin, welche durch die schulische Nutzung des Internets sowie die private Nutzung von Asiaten in dieser Zeit verursacht würde. Es könnten Verstopfungen der „Datenautobahn“ auftreten, die minutenlanges Warten bei dem Öffnen von Internetseiten zur Folge hat (vgl. Hedtke 1997, S. 105). Meine persönlichen Interneterfahrungen aus den 90ern bestätigen diese Problematik, doch inzwischen sind über 10 Jahre vergangen und das Internet hat sich grundlegend verändert. Ein „Zusammenbrechen der Datenautobahn“, wie Hedtke (1997, S. 105) es beschreibt, ist inzwischen Geschichte. Ein weiterer Faktor, der lange Zeit die Nutzung des Internets und damit E-Learning im Schuleinsatz hemmte, war die vermeidlich hohe Kostenintensität. So berichteten Czap, Ohly und Pribbenow im Jahr 1998von den wenigen und zugleich sehr kostenintensiven Möglichkeiten, einen Computer durchgängig mit dem Internet zu verbinden (vgl. Czap, Ohly & Pribbenow 1998, S. 97). Neben den ehemals hohen Verbindungskosten waren auch die Anschaffungskosten vor 10 bis 15 Jahren für ein passendes Computersystem noch sehr hoch. So war es nicht ungewöhnlich, dass für die Anschaffung einer qualitativen Erstausstattung von Computern in Schulen Sponsoren benötigt wurden (vgl. Hedtke 1997, S. 21). Auf diese muss heute nicht mehr zurückgegriffen werden, Schulen planen die Anschaffung von Computern, ebenso wie andere Kostenstellen, ins Schulbudget ein. Zugleich sind die Anschaffungs- und Unterhaltskosten für Computer erheblich gesunken. Die mangelnde Ausstattung mit PC-Arbeitsplätzen stellte zeitweise auch eine Hürde für den Einsatz von E-Learning-Konzepten dar. Reinhold Hedtke machte in seinem Buch, aus dem Jahr 1997, unter anderem auf denhohe n Raumbedarf von Computerarbeitsplätzen aufmerksam. Weiter führt er aus, dass der Platz für ergonomische PC-Arbeitsplätze in vielen Schulen nicht gegeben sei (vgl. Hedtke 1997, S. 22). Diese Aussage relativiert sich mit dem Voranschreiten der technischen Entwicklung. Denn in Zeiten von Notebooks, Netbooks, Smartphones und internetfähigen Handys wird die Problematik des Platzbedarfs zunehmend relativiert. Inzwischen sind die technischen Voraussetzungen geschaffen, die es erlauben, an jedem Ort auf die Lernmodule im Internet zuzugreifen (vgl. Glatt 2002, S. XXIV). Mangelnder Internetzugang der Schüler - ein wesentliches Hindernis, das sich der schulischen Nutzung des Internets entgegenstellte, war die begrenzte Zugriffsmöglichkeit der Schüler auf das WorldWideWeb. Denn ein Unterrichts- und Lernmittel muss gleichermaßen für alle Schüler zugänglich sein. Doch auch dieses Problem hat sich und wird sich mit der technischen Weiterentwicklung relativieren, denn die deutschlandweite ,,Nutzung des Internets nimmt gewaltig zu“ (Wimmers 2000, S. 8). Hatten im Jahr 1997 noch lediglich 31,4 % der deutschen Haushalte einen Internetanschluss, so waren es 2009 bereits beachtliche 73 % der deutschen Haushalte (vgl. Wimmers 2000, S. 8; vgl. Wilkens 2009). Am Bildschirm arbeiten sei unkomfortabel - Das Internet fungiert längst als elektronische Bibliothek - Denn die im Internet verfügbaren elektronischen Texte eröffnen den Nutzern die Möglichkeit der ununterbrochenen Informationsbeschaffung über den Computer und von einem einzigen Arbeitsplatz aus. Das sofortige Lesen von ermittelten elektronischen Texten kommt in hohem Maße dem Bedürfnis der Benutzer entgegen. Bereits in Jahr 2001 berichtete Hehl, dass in manchen Fachgebieten die Wissenschaftler es längst gewohnt seien, Forschungsliteratur fast nur noch online zu lesen (vgl. Hehl 2001, S. 148).
Alle Hürden beseitigt? Wimmers ging bereits im Jahr 2000 so weit zu behaupten, es seien die nötigen technischen Voraussetzungen gegeben. Bis dato würden diese Möglichkeiten aus Kostengründen und wegen fehlender Kenntnisse, Fantasielosigkeit und Innovationsangst vieler Schulleitungen und Leh rer nicht wahrgenommen (vgl. Wimmers 2000, S. 16). Aus technischer Sicht sind die wesentlichen Hürden wie Kosten- und Verfügbarkeitsprobleme scheinbar beseitigt. Wenn nun vermeidlich alle Hürden und Probleme beseitigt sind, bedeutet dies, dass E-Learning zu einem Gebot wird?
2.3 Die Gestaltung von E-Learning-Szenarien aus didaktischer Perspektive
Ist E-Learning überlegen?
Wie bereits bei der Definition von E-Learning klar wurde, handelt es sich bei dem Begriff des E-Learning um ein sehr breit gefächertes Thema. Daher lässt sich, bedingt durch die enorme Variationsbereite des „E-Learning“, nicht generell behaupten, dass E-Learning pauschal zu besseren (Lern-) Ergebnissen führt. Denn E-Learning kann nicht in seiner Totalität bewertet werden, ebenso wie die Schulbücher allgemein nicht grundsätzlich als „gut“ oder „schlecht“ eingestuft werden können. Auch empirische Untersuchungen, die der Frage nachgehen, ob mit E-Learning bessere Ergebnisse erzielt werden, sind in diesem Zusammenhang wenig hilfreich. Denn diese Untersuchungen sind von einer zu hohen A nzahl von Faktoren abhängig, um generalisierende Aussagen zuzulassen (vgl. Schmale et al. 2007, S. 35).
Weder klassische Unterrichtsmaterialien noch das E-Learning können also als das bessere „Unterrichtsmaterial“ bewertet werden. Daher muss das Ziel sein, neue Medien als Ergänzung zu den klassischen Medien zu verstehen - neue und klassische Medien stehen nicht in Konkurrenz, daher kann keinem von beiden pauschal der Vorzug gewährt werden. Die Möglichkeiten der neuen Medien sollten nicht überbewertet werden, denn sie werden - zumindest mittelfristig - die klassischen Medien nur ergänzen können (vgl. Hedtke 1997, S. 101). Vielmehr gilt es die Vorzüge des E-Learning, wie beispielsweise die Multimedialität, der geringe Platzbedarf von Speichermedien (CDs, DVDs, USB-Stick etc.) oder die scheinbar unendliche Mobilität des Internets, nicht ungenutzt zu lassen (vgl. Hedtke 1997, S. 101).
Hieraus leitet sich die Frage ab, wie der Einsatz von E-Learning-Medien grundsätzlich im Unterricht zu gestalten ist, wenn die neuen Medien (zumindest vorübergehend) lediglich als Ergänzung eingesetzt werden.
Effektives E-Learning gelingt durch Handlungsorientierung
E-Learning bildet im (Berufsschul-) Unterricht ein sehr breites Feld von Umsetzungs- und Einsatzmöglichkeiten, ebenso wie klassische Arbeitsblätter oder Schulbücher. Doch wie genau soll sich das Lernen mit neuen Medien positiv hervorheben und somit einen Vorteil gegenüber den klassischen Lehrmaterialen haben?
Die Entwicklung von E-Learning-Produkten muss gemeinsam von Lehrenden und Schülern geschehen. Denn erfolgreiche Wissensvermittlung bedeutet verständnisgeleiteter und handlungsorientierter Transfer von Information in einer fach- und empfängergerechten Form. „Die Form und Struktur des Inhalts zur Vermittlung zu explizieren und repräsentierten ist didaktisch bzw. mathetisch orientierten Ansätzen im E-Learning gemeinsam“ (Stary 2010, S. 47). Stary bringt mit dieser Aussage sowohl die Bedingungen als auch die Form persönlich zugeschnittener Wissensvermittlung auf einen gemeinsamen Nenner. Denn durch das Auseinandersetzen und darauf folgend das Darstellen einer Thematik durch den Lernenden wird jedem Lernenden individuell ein prozess- und erkenntnisorientierter Lernprozess ermöglicht. Nur wenn E-Learning-Entwickler (Schüler) Vermittlungsinhalte gemeinsam mit dem Lehrenden (Lehrer) didaktisch aufbereiten, wird dieses Wissen integraler Bestandteil digitaler Materialien (vgl. Stary 2010, S. 47). Diese Materialien können gleichwohl zur Wissenssicherung als auch zum Wissensaustausch genutzt werden. Bei der Erstellung dieser digitalen Materialien werden unterschiedliche Kompetenzen von Lernenden angesprochen, welche gleichermaßen die Verständnisbildung, Handlungsbefähigung und Reflexionsfähigkeit fordern (vgl. Stary 2010, S. 48). Ein entscheidender Unterschied zu klassischen Unterrichtsmaterialien und zugleich großer Vorteil der digitalen Medien ist ihr dynamischer Charakter. Denn digitale Repräsentationen lassen sich beliebig verändern, manipulieren undgeänderten Bedingungen und Kenntnissen anpassen (vgl. Stary 2010, S. 49).
Von der Instruktion zur Konstruktion - Der konstruktivistische Lernbegriff bewirkte einen Paradigmenwechsel bei den Vertretern didaktischen Designs: Das vornehmlich lehrzentrierte Instruktionsparadigma, dessen Schwerpunkt auf der Vermittlung ausgewählter Inhalte liegt (Instruktion), wurde durch das Problemlöseparadigma abgelöst: Hier steht das eigenständige Erarbeiten der Inhalte durch den Lerner (Konstruktion) und dessen kognitive bzw. konstruktive Aktivität im Mittelpunkt didaktischer Überlegungen (vgl. Grune 2000, S. 27). Die didaktische Perspektive liegt also in der Unterstützung der Handlungsorientierung!
Entscheidungskriterien für ein sinnvolles und effektives E-Learning-Medium
Hat ein Lehrer sich nun dazu entscheiden, ein E-Learning-Medium einzusetzen, gilt es zunächst das für sein Vorhaben passende „Produkt“ zu finden. Schließlich soll der Einsatz eines solchen Instruments einen bestimmten Zweck erfüllen und wird nicht um seiner selbst wegen eingesetzt. Bei der Entscheidung für eine Lernplattform und ein digitales Lerninstrument (im Weiteren Tools) stehen häufig nicht die lehr- und lernbezogenen Bewertungskriterien im Vordergrund, sondern eher die technischen Eigenschaften. Auch ist eine Auswahl der Instrumente möglicherweise von den technischen und finanziellen Kriterien abhängig (vgl. Bett & Wendekind 2003, S.184). Die didaktischen Kriterien für die Auswahl des technischen Tools oder der Lernplattform hängt davon ab, welche Inhalte und Lehr-/ Lernziele angestrebt werden. Die Lehr-/Lernzeile werden festgelegt und strukturiert sowie deren didaktische Aufbereitung geplant. Daraus ergibt sich dann, welche Funktionen im Lehr- und Lernprozess durch die Lernplattform bzw. ein Tool unterstützt werden müssen (vgl. Bett & Wendekind 2003, S. 185). Der Lehrer entscheidet also zunächst, was er mit der Plattform oder dem Tool (z.B. WebQuest, Wiki etc.) erreichen möchte und sucht dann nach einem Konzept, das seinen Anforderungen (z.B. Speichermöglichkeit, Kommunikation, Kooperation, Betreuung, Übungsmöglichkeiten, Kontrollfunktionen etc.) gerecht wird. Hinzu kommen die technischen Kriterien, die bei der Auswahl berücksichtigt werden müssen. Hier gilt es Dinge wie Bedienfreundlichkeit, Zugangsmöglichkeiten, Kursmanagement, Benutzerverwaltung zu berücksichtigen. Auch könnten Integrationsmöglichkeiten in bereits vorhandene IT-Strukturen der Schule eine Rolle spielen (vgl. Bett & Wendekind 2003, S. 185). Außerdem ist die Erweiterungsfähigkeit ein wichtiger Punkt, damit das eingesetzte Tool oder die Plattform auch technischen Neuerungen gerecht werden kann. Nicht zuletzt spielen auch finanzielle Kriterien bei dem Einsatz von E-Learning-Technologien eine Rolle. Der Pädagoge entscheidet sich entweder für ein kostenloses oder kostenpflichtiges Konzept, dies ist in der Regel von dem Budget und benötigten Funktionsumfang abhängig. Sollten die bereits vorhandenen Produkte den Kriterien der Pädagogen nicht entsprechen, so eröffnet sich die Frage nach einer Eigenentwicklung. Möglich ist bei entsprechender Unterstützung oder Eigenkenntnissen die Adaption vorhandener Produkte oder eine gänzliche Neuentwicklung (vgl. Bett & Wendekind 2003, S. 185).
Beim E-Learning gilt es also das richtige Produkt zu finden, dies muss ganz unterschiedliche Kriterien erfüllen undauch in den jeweiligen Unterrichtsprozess hineinpassen. Bevor die Suche nach dem geeigneten E-Learning-Konzept beginnt, werden üblicherweise die Möglichkeiten und H ürden des E-Learning zunächst realistisch abgewogen. Denn viele scheinbare Probleme gehören aufgrund der technischen Weiterentwicklung der Vergangenheit an, andere wiederum sind noch hoch aktuell. Die vielen positiven Argumente, die dem E-Learning nachgesagt werden, sollen gleichermaßen genutzt und kritisch hinterfragt werden. Schließlich muss das Nutzen-/Aufwandverhältnis des geplanten E- Learning-Mediums stimmen. Von den finanziellen Kosten abgesehen, sollten die Einrichtung und Inganghaltung des zur Verbesserung des Unterrichts eingesetzten Mediums rationelle Kriterien erfüllen. Das von der Lehrperson eingeführte Produkt muss Lehrern und Schülern gleichermaßen Vorteile bieten und damit zugleich dessen Nutzung rechtfertigen. Ein im schulischen Kontext sehr wenig verbreitetes und rein virtuell im Internet vertretenes Medium ist die Wiki-Plattform. Die Wiki ist zwar als Online-Lexikon und Glossar allgemein sehr verbreitet, aber weniger um Lehr-/Lernsituationen zu verbessern. Dennoch hat die Wiki vereinzelt den Weg in die (Berufs-) Schulen gefunden und wurde hier als didaktisches Werkzeug erprobt. Im folgenden Kapitel sollen die Wiki und ihre möglichen Einsatzszenarien im schulischen Kontext näher betrachtet werden.
3 Das Wiki-Medium
Stellen Sie sich vor, Sie lesen ein wissenschaftliches Buch, ein Schulbuch oder eine Internetseite. Ihnen gefällt der Text, aber Sie haben inhaltliche Ergänzungen oder kennen bessere oder aktuellere Beispiele als die im Text genannten. Üblicherweise schreiben Sie Ihre Ergänzungen oder Erläuterungen ganz einfach neben den Text oder legen eine Notiz in das gelesene Werk. Nun haben Sie für sich die Thematik auf einen vollständigen und aktuellen Stand gebracht. Doch kommt diese Ergänzung nur Ihnen selbst zugute und nicht anderen, die denselben Text lesen. Ideal wäre doch die Möglichkeit, die Veränderungen am Text unkompliziert und schnell allen erdenklichen anderen Lesern dieses Textes zugänglich zu machen. Möglicherweise gibt es bereits jemanden, der Ihre Textverbesserungen nochmals ergänzen könnte und würde. Auch könnte er Ihre Annahme bestätigen oder eine mögliche Fehlannahme korrigieren. Doch all dies ist nicht möglich, da Ihre Notiz geduldig und nur für Sie (und wenige andere) zugänglich in Ihren Unterlagen verweilt.
Noch konkreter wird dieses Problem bei einem erdenklichen Schul-Szenario: Ein Berufsschullehrer nutzt gemeinsam mit seinen Schülern ein Schulbuch für den Wirtschaftsunterricht. Der Lehrer hat sein Lehrerexemplar und die Schüler jeweils ihr Werk. Nun fällt dem Lehrer oder einem Schüler ein besseres oder aktuelleres Beispiel als das im Buch genannte oder eine bessere Erklärung für einen Sachverhalt ein, doch leider kann den anderen Schülern dieses Wissen nicht ohne weiteres zugute kommen. Toll wäre es doch, wenn jeder ohne größeren Aufwand seinen Beitrag zum Unterrichtsthema leisten könnte, ganz unkompliziert, ohne großen technischen Aufwand und für alle ganz schnell verfügbar. Und genau diese Hürde beseitigt das Internet als schnelles, digitales und veränderbares Medium. Die erstmals 1995 entwickelte „wiki“ ist ein System der Kommunikation, das genau das ermöglicht, was für Bücher und andere Printmedien unmöglich ist. Die Wiki ist zugleich Informationsquelle, Informationssammelsurium und Kommunikationsplattform in einem. So kann jeder Beliebige oder ein ausgewählter Personenkreis (z.B. die Fachlehrer einer Schule, eine Schulklasse, eine Projektgruppe) gemeinsam an T hemengebieten arbeiten. Es ist natürlich nichts Neues, dass mehrere Personen eine Thematik parallel oder nacheinander bearbeiten, aber bisher war es zumindest zeitweilig vonnöten, dass die beteiligten Personen am selben Ort waren. Da die Wiki ausschließlich webbasierend, also im Internet zentral abgespeichert ist, spielt es keine Rolle mehr, zu welcher Zeit und von welchem Ort der Welt aus an und in der Wiki gearbeitet wird. Diese Eigenschaft ist besonders für Menschen günstig, die sich nur von Zeit zu Zeit sehen, wie zum Beispiel Berufsschüler und Berufsschullehrer. Denn eben diese sehen sich nur ein- bis zweimal wöchentlich oder bei Blockunterricht gar nur alle paar Monate. Für diese würde ein schneller thematischer und kommunikativer Austausch eine deutliche Vereinfachung und Verbesserung der Ausbildungssituation bedeuten. Damit dieses Ziel auch wirklich gelingt und die Umsetzung möglichst nutzerfreundlich passiert, soll im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung geklärt werden, wie die Umsetzung einer solchen Wiki für den В erufsschulgebrauch möglichst optimal gelingt. Doch zunächst soll geklärt werden, was überhaupt eine Wiki ist und wie diese funktioniert.
3.1 Wiki - Der (un)verbesserlich schnelle Informationsaustausch
3.1.1 Was ist ein Wiki?
Das Wort „wiki“ stammt aus der hawaiianischen Sprache und bedeutet sinngemäß „schnell“. Doch hinter dem Wort Wiki verbirgt sich viel mehr als nur etwas Schnelles, denn eine Wiki ist eine webbasierende Software, die es allen Betrachtern einer Internetseite erlaubt, den Inhalt dieser zu lesen und s ogar zu ändern. Dies geschieht, indem die Besucher der Wiki- Internetseite diese online im Browser bearbeiten können (vgl. Ebersbach, Glaser & Heigl 2005, S. 10). Im Grunde unterscheidet eine Wiki-Internetseite nur wenig von einer normalen Internetseite, lediglich ein entscheidendes Detail ist anders. Die Wiki-Seite besitzt einen „Edit“ oder „Bearbeiten“ Button, nach dessen Betätigung jeder Besucher[2] der Internetseite selbstständig Veränderungen am Text vornehmen kann (vgl. Ebersbach, Glaser & Heigl 2005, S. 15). Das Besondere hierbei ist, dass keine Software, Programmierkenntnisse oder besondere Technik benötigt werden. Aufgrund ihrer Eigenschaften ist eine Wiki in der Regel eine Online-Enzyklopädie, in der Nutzer die Informationen nicht nur abrufen, sondern aktiv mitgestalten können. So kann jeder Internetbesucher mit einem Klick die Texte nicht nur lesen, sondern schnell und unk ompliziert ergänzen, korrigieren oder umschreiben (vgl. Lehmann & Schetsche 2005, S. 253). Damit ist die Wiki eine einfache und l eicht zu bedienende Plattform für kooperatives Arbeiten an Texten undH ypertexten (Ebersbach, Glaser & Heigl 2005, S. 10). Die populärste Wiki ist die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia, die seit ihrer Gründung im Januar 2001 über 3.000.000 Artikel sammelte und stetig wächst. Neben der englischsprachigen Schwester ist Wikipedia.de mit über 1.100.000 Artikeln die zweitgrößte Online-Enzyklopädie der Welt (vgl. Wikipedia 2010).
Die Wiki ordnet sich in die Reihe der „Werkzeuge“ ein, die zur Anwendung kommen, um den Beteiligten Zusammenarbeit, Austausch und gemeinsames Konstruieren zu ermöglichen (vgl. Grune 2000, S. 57). Denn der Computer als integrative Medienmaschine ermöglicht durch die digital fragmentierte Verfügbarkeit der Inhalte nicht allein rezeptiven Konsum, sondern schnellen Wechsel zwischen Rezeption, selektiver Information, Kommunikation und aktiver Gestaltung von Inhalten (vgl. Micklisch 2002, S. 210). Dieses Potenzial erkannte der Programmierer Ward Cunningham aus Portland, Oregon, bereits im Jahr 1995. Der Programmierer und Softwareentwickler suchte nach einem System, mit dem Programmierer schnell und unkompliziert ihre neuesten Entwicklungen veröffentlichen können. Außerdem zielte er darauf ab, dass viele Programmierer möglichst einfach und gemeinschaftlich an Projekten arbeiten können. Auch sollten alle Veränderungen durch die Nutzer dokumentiert werden. Am Ende seiner Überlegungen ging der erste Wiki-Server ans Netz und ist bis heute in Betrieb (vgl. Ebersbach, Glaser & Heigl 2005, S. 11). Die von Cunningham gesuchten Eigenschaften für schnelle Kommunikation und vereinfachte Gruppen- und Projektarbeit gleichen in vielen Punkten denenvon Berufsschullehrern. Denn mit seinen Eigenschaften setzt die Wiki an den Bedürfnissen Lehrender an, die neben den bereits genannten Kommunikationsmöglichkeiten eine umfassende Darstellungsmöglichkeit sowie Betreuung und Moderationsunterstützung bieten wollen (vgl. Bett & Wendekind 2003, S. 205). Nach Cunningham (ebd.) ist die Wiki eine technische Umsetzung für die Erfüllung von Kommunikationsbedürfnissen. Es handelt sich also bei der ursprünglichen Wiki, die vor 15 Jahren entwickelt wurde, um ein reines Kommunikationsprodukt.
Wenn im weiteren Verlauf dieser Arbeit von Wiki gesprochen wird, so ist in der Regel die Plattform allgemein und weniger eine spezielle technische Umsetzung gemeint. Wird das Wiki-Konzept angesprochen, steht die Idee der Wiki im Vordergrund. Wiederum wird beim Wiki-Medium stets die technische Umsetzung in Form einer Internetpräsenz angenommen[3].
3.1.2 Die Funktionsweise und Umsetzung von Wikis
Die Funktionsweise von Wikis ist denkbar einfach, denn alles spielt sich im Internet ab: Ein potentieller Wiki-Nutzer besucht eine Internetseite, welche eine Wiki enthält oder ausschließlich aus einer Wiki besteht (z.B. Wikipedia.de). Hier sucht er nach Informationen oder verbreitet welche. Hierfür benötigt der Nutzer keine speziellen Programme, denn jegliche Veränderung wird direkt auf der Internetseite vorgenommen. Auf diese Weise lassen sich sehr leicht neue Texte und Themen anlegen und/oder bestehende Texte verändern. Auch besteht die Möglichkeit, innerhalb der Texte auf andere Internetseiten oder Textstellen zu verweisen. Ebenso simpel können Bilder und Grafiken eingebunden werden. Dabei kann die Wiki so angelegt sein, dass ausnahmslos jeder Nutzer ohne Beschränkungen die Texte verändert oder dass nur bestimmten Personen und Personengruppen unterschiedliche Rechte (Leserechte, Schreibrechte) zugeteilt werden. Grundsätzlich lassen sich zwei Anwendungsgebiete für Wikis unterscheiden: Sie können als Werkzeuge von geschlossenen Arbeitsgruppen genutzt werden oder sie richten sich über das Internet potenziell an alle. Der Einsatz einer Wiki ist von den Zi elen der Nutzer abhängig. So lassen Wikis sich als Wissensmanagement-Werkzeug für Planung und Dokumentation oder auch als weltweit verfügbarer Notizblock nutzen. Auch wäre der Einsatz als Diskussionsplattform für Allgemein- oder Expertendiskussionen denkbar (vgl. Ebersbach, Glaser & Heigl 2005, S. 11). Die offene und die geschlossene Wiki haben jeweils ihre Vorteile. So lädt die offene Wiki zu anonymen Beiträgen und damit offener Kommunikation ein, unterliegt aber zugleich auch der Gefahr des „Lexikon-Vandalismus“. Schließlich gibt es keine Hürden, die unproduktiven Nutzern das Verfassen von sinnlosen Texten oder die Löschung ganzer Artikel unmöglich machen. Dagegen erlaubt die geschlossene Wiki einem sichergestellten Nutzerkreis die Nachvollziehbarkeit jeder Veränderung und Sicherstellung festgelegter Regeln und Qualitätsstandards. Auch wären Mischformen mit öffentlichen und privaten Bereichen denkbar. Die Auswahl der passenden Wiki geschieht also immer entsprechend dem Anwendungsgebiet. Für die Anwendung der Wiki als Lehr-/Lernmedium muss zunächst gründlich abgewogen werden, welcher Wiki-Typ der sinnvollste ist.
Erstellung einer eigenen Wiki
Wer sich Gedanken über den Einsatz einer Wiki macht, kommt nicht an den Fragen zur Anschaffung und Einrichtung vorbei. Sicherlich habenviele sehr lobenswerte und gute E- Learning-Produkte aufgrund ihrer zu hohen Kosten oder zu aufwändigen Umsetzung ihren Weg in die Schule nicht geschafft. Um die Hemmnis vor der Einrichtung einer eigenen Wiki zu nehmen, soll hier kurz die Vorgehensweise zur Anschaffung und Einrichtung beschrieben werden. Ganz zu Beginn, also noch vor der Einrichtung der Wiki, gilt es eine eigene Wiki anzulegen. Dies kann auf viele verschiedene undsehr unterschiedlich aufwändige Arten geschehen. So kann der Wiki-Gründer einen Wiki-Dienst im Internet in Anspruch nehmen. Hier muss er sich nur anmelden und den Titel der Wiki angeben und schon hat er eine voll einsatzfähige Wiki. Soll der Funktionsumfang etwas breiter sein, so kann der Ersteller sich ein Wiki-Paket kostenlos oder kostenpflichtig herunterladen und di eses nach seinen Vorstellungen anpassen, um es letztlich im Internet zu veröffentlichen. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, die gesamte Wiki selbst zu konstruieren und so an di e ganz persönlichen Vorstellungen anzupassen, diese Flexibilität ist allerdings versierten Programmieren oder zahlungswilligen Kunden vorbehalten.
Die technische Umsetzung soll allerdings nicht Bestandteil dieser Arbeit sein, sodass nicht näher auf diesen Aspekt der Umsetzung einer Wiki im Schuleinsatz eingegangen wird. Dennoch möchte ich empfehlenswerte Quellen, die Schritt für Schritt die technische Einrichtung einer Wiki erklären, nicht auslassen:
- Wiki-Tools - Kooperation im Web von Ebersbach und Glaser (ISBN 3-540-22939-6)
- DokuWiki - Lehrerinnen Fortbildungs-Server (http://lehrerfortbildung-bw.de/werkstatt/cms/wiki/dokuwiki/)
Die beiden Quellen führen den Interessierten mit detaillierten und bebilderten Anleitungen zur eigenen Wiki. Auch helfen diese Anleitungen bei der Auswahl der richtigen Wiki und nennen (kostenlose) Bezugsquellen. Von der anfänglichen Installation bis zum Rechtemanagement werden alle relevanten Aspekte für die Erstellung und Einrichtung der eigenen Wiki ausführlich beschrieben.
Die Phasen der Wiki-Umsetzung - Digitale und damit virtuelle Lernnetzwerke bilden sich in drei Phasen.
1. Einrichtungsphase - In dieser ersten Phase werden von denI nitiatoren (im schulischen Kontext in der Regel Lehrer) die Lernbereiche und G rundregeln vorgeschlagen. In dieser Phase werden auch die Regeln zum Verfassen von Texten und Organisatorisches geklärt, so kann beispielsweise eine Umgangsform beschlossen werden. Hierunter fällt neben den eigentlichen inhaltlichen Themen auch die Netiquette, welche das gute Benehmen innerhalb der Wiki regeln soll. Ein Beispiel hierfür findet sich im Anhang Seite 53 (vgl. JKU Internet Wiki 2011).
2. Interaktionsphase - Informationen werden ausgetauscht und der eigentliche Zweck des Netzwerkes wird realisiert.
3. Verbreitungsphase - Der Wissensstand verdichtet sich, es kommt zu stärkerer Differenzierung und in der Folge möglicherweise zur Einrichtung neuer Netzwerke (z.B. Wiki, Foren etc.) (vgl. Grune 2000, S. 76). Diese neuen Wikis können bestimmte Themen vertiefen oder auch als Kommunikationsplattform dienen.
Die Umsetzung der eigenen Wiki ist also deutlich weniger aufwändig und kompliziert als die von vielen anderen E-Learning-Produkten. Zeitgleich sind die Anschaffungs- und Unterhaltskosten, je nach Umsetzungsform, sehr gering und können sogar gegen Null tendieren. Da die Wiki eines der unkompliziertesten und günstigsten E-Learning-Medien ist, sollte die Hemmschwelle für ihren pädagogischen Einsatz sehr niedrig liegen. Schließlich ermöglicht die Wiki den Pädagogen und Lehrern einen weichen Einstieg in die Welt des ELearning.
Was steckt hinter dem Titel dieses Kapitels? Die Wiki ist (un)verbesserlich schnell, denn die Bedienung und Einrichtung der eigenen Wiki-Plattform ist in sehr kurzer Zeit zu bewältigen. Gleichzeitig können die Inhalte auf der Plattform von jedem Besucher[4] verbessert werden und auch dies unvergleichlich schnell. Diese Eigenschaften sind einigen Lehrern aufgefallen und sie haben diese für ihren Unterricht genutzt.
3.2 Wikis im Schuleinsatz - warum die Wiki Schule macht
Die Wiki konnte sich nicht nur als Online-Lexikon beweisen, sie hat auch den Weg in die Schule gefunden. Einige Pädagogen erkannten das Potenzial und den v ergleichsweise geringen Aufwand, sodass die Wiki sich vereinzelt bereits im Schuleinsatz beweisen durfte.
Werden Wikis für den Schuleinsatz verwendet, wird oft von einer virtuellen Tafel oder einem „Anschlagbrett ohne Glasscheibe“ gesprochen. Als virtuelle Tafel eingesetzte Wikis ermöglichen allen Unterrichtsakteuren eine Basis, an der alle gleichzeitig und doc h koordiniert schreiben können, während die Kommunikation sowohl innerhalb des Wikis, als auch im Klassenzimmer weiterlaufen kann. Auf diese Weise können Wikis als Hilfsmittel zur gemeinsamen Erarbeitung von Wissen dienen (vgl. Androwski 2010). Dabei zeichnet die Wiki besonders ihr breiter Funktionsumfang aus. So lassen sich die wichtigsten Argumente für den Einsatz in der Schule zusammenfassen (vgl. Streiff 2005): Wikis ermöglichen einen besonders einfachen und problemlosen Einsatz in der Schule, weil:
- keine Programme installiert werden müssen und die Wiki so überall zur Verfügung steht. Dies ist ein wesentlicher Vorteil für Auszubildende, die auch von ArbeitsplatzComputern auf die Wiki zugreifen und in dieser arbeiten wollen. So lassen sich Kommentare, Veränderungen und Erweiterungen leicht und ohne Rückgriff auf spezielle Programme in die Arbeiten aller Autoren einfügen.
- wenn gewünscht jede Information von jedem Schüler geändert oder gelöscht werden kann (wenn gewünscht rechtliche Einschränkung möglich). Wiki-Seiten entstehen aus Diskussionen und Konsens. Spam[5] und Trivialität werden einfach gelöscht, sodass nur Sinnvolles bleibt.
- jeder (Schüler einer Schule/Klasse/Lerngruppe) mitwirken darf. Wikis sind also nicht bestimmten Personengruppen (z.B. Besitzern spezieller technischer Ausstattung) vorbehalten. Benutzernamen und Passwörter werden für das Anbringen von Veränderungen nicht unbedingt verlangt, können aber - je nach Wiki - auch gesetzt werden. Wikis sind so bereits ab der Grundschule einsetzbar.
- Wikis die Schüler nicht unter Zeitdruck (wie z.B. beim Chat) setzen. Jeder hat Zeit nachzudenken, sich zu informieren und z u kontrollieren, bevor er einen Beitrag schreibt. Auch können bereits verfasste Texte jederzeit wieder verändert werden.
- durch das gemeinsame Arbeiten an T hemen oft eine Art Gemeinschaftsgefühl entsteht. Dies kann zu erhöhter Motivation und sozialen Kompetenzen führen. Die Arbeit anderer kann nicht nur überprüft werden, sondern steht allen in der Gruppe sofort zur Verfügung.
- Wikis nicht lehrerzentriert sind. Nicht nur die Lehrenden, auch die Lernenden können sich gegenseitig kontrollieren, verbessern und Seiten ergänzen, erweitern und Neue anlegen.
- alte Versionen der Wiki-Seiten erhalten bleiben. Lerner wie Lehrende haben s o Zugriff auf ein Seitenarchiv und k önnen Veränderungen nachvollziehen und thematisieren.
- die Einrichtung einer Wiki-Software fast immer kostenlos ist - es entstehen also bei der Nutzung von freien Wikis keine Kosten.
Der Einsatz von Wikis als Tafelersatz oder digitales Anschlagbrett bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Doch damit der Einsatz von Wikis im Unterricht funktioniert, gilt es einige Bedingungen für den erfolgreichen Einsatz des Mediums zu beachten.
3.2.1 Organisatorische Gelingensbedingungen des Wiki-Einsatzes
Wie bei jedem pädagogischem Werkzeug müssen bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit das eingesetzte Werkzeug funktioniert. In diesem Kapitel sollen Aspekte aufgeführt werden, die im Voraus von der Lehrperson beachtet werden sollten. So ist es sinnvoll, den Nutzern einer Wiki vorab den Umgang mit der Lernplattform üben zu lassen. Dies soll die kognitive Belastung für die Schüler möglichst niedrig halten und dafür sorgen, dass sie sich im Verlauf der fachlichen Nutzung nicht mehr mit technischen Problemen auseinandersetzen müssen (vgl. Bett & Wendekind 2003, S. 202). Wichtig ist grundsätzlich, dass die Wiki-Plattform möglichst einfach handhabbar ist, damit die bestehende Motivation nicht durch übermäßigen, nicht inhaltlich bedingten Zeitaufwand zunichte gemacht wird. Aus didaktischer Sicht darf die Bedienung der Wiki also weder die Lernenden noch die Lehrenden überfordern (vgl. Bett & Wendekind 2003, S. 202). Hier wäre es sicher sinnvoll, vor der Einführung eines solchen Konzepts eine Übungseinheit vorausgehen zu lassen, die allen Beteiligten den Umgang mit der Technik vertraut macht.
Anerkennung von Nutzung der Wiki - Internet-unterstütztes Lernen kann nur dann Erfolg haben, wenn die angebotenen Lernkonzepte von den Lernern auch genutzt werden. Dies ist meist nur der Fall, wenn durch die Nutzung Lehrleistungen (Anerkennung als Hausaufgaben, Benotung, Notenverbesserung, Fleißpunkte etc.) erworben werden und der Lehraufwand in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht der Prüfung steht (vgl. Bett; Wendekind 2003, S. 99).
Technische Voraussetzungen - Voraussetzung für den e ffizienten Einsatz von neuen Medien, insbesondere dem Internet, ist, dass diese verfügbar sind und ei nwandfrei funktionieren. Neben dem Minimumstandard der funktionierenden Technik sollten diese auch im ausreichenden Maß vorhanden sein. Zur Präsentation und Besprechung der (Zwischen-) Ergebnisse sollte beispielsweise ein Beamer oder eine andere Präsentationseinrichtung (Remute Desktop, OHP-Display etc.) vorhanden sein (vgl. Wimmers 2000, S. 48).
Störfaktoren/Rechtliche Bedingungen - Im Netz gibt es durchaus auch andere Möglichkeiten der Beschäftigung als unterrichtsbezogenes Arbeiten undR echerchieren. Teilnahme an Chats, Surfen auf Seiten mit pornographischen Inhalten, Spiele, Download von Software usw. werden oft für spannender befunden als die Suche und Verarbeitung von Wirtschaftsdaten (vgl. Wimmers 2000, S. 48). Daher muss hier die - wenn auch leidige - Aufsichtspflicht der Lehrer besonders ernst genommen werden. Auch wenn dies nicht immer möglich und gewünscht ist, so sollte zumindest stichprobenartig kontrolliert werden. Auch muss den Schülern klar gemacht werden, dass ihre Webbesuche nachvollziehbar sind (vgl. Wimmers 2000, S. 48). Diese Kontrollen sollen einerseits die Unterrichtsqualität sicherstellen, andererseits aber auch vor problematischer Nutzung des Internets bewahren. Denn neben der Gefahr, dass Schüler sich in den Weiten des Internets verirren (lost in space), können diese auch illegale Seiten besuchen oder Web-Seiten missbräuchlich verwenden. So bestünde die Möglichkeit, dass Schüler auf fremde Namen einkaufen oder ungezogene bis illegale Einträge in Gästebücher schreiben. Als Kontrollinstrument bietet sich hier nebenden gelegentlichen Kontrollen durch denLehrer auch eine Benutzerordnung, samt eines Internet-Surf-Fahrtenbuches an. In diesem würden die Schüler denbenutzen Computer, das Datum und die Surfzeit festhalten. Schülern und Lehrern muss klar sein, dass das Internet kein rechtsfreier oder anonymer Raum ist (vgl. Wimmers 2000, S. 48).
3.2.2 Integration weiterer Bestandteile und Aufgaben in die Wiki
Die Wiki lässt sich als Learning Content Management System (LCMS) einstufen. Die LCMS versuchen Lerninhalte unterschiedlicher Art zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Lernenden zu präsentieren. Die LCMS dienen also dazu, verstreutes Wissen zu organisieren und das „Wissen über das Wissen“ zu verwalten, und sollen als Organisationsgedächtnis dienen. So können elektronische Bildungsangebote immer komplexer werdendes Wissen aktuell halten und zugleich den Nutzern bereitstellen (vgl. Bett & Wendekind 2003, S. 193). Ein für den Schuleinsatz optimal gerüstetes online-Lernkonzept muss viele Aufgaben erfüllen und Bestandteile beinhalten. Diese sind bei der Wiki bereits einhalten und brauchen nicht zusätzlich eingesetzt werden. Die im Folgenden aufgeführten Aufgabenfelder wurden in der Vergangenheit in einzelnen, jeweils für sich funktionalen Programmen realisiert. Doch aufgrund der technischen Entwicklung der Wiki lassen sich diese Aufgaben heute auch in einem Konzept vereinen. So kann eine Wiki sehr unterschiedliche Aufgaben übernehmen:
Communications Tools - sind Computerprogramme, die der Unterstützung der Organisation der Kooperation unter kommunikativen Gesichtspunkten dienen. Aufgabe der Software ist die Abwicklung und Unterstützung von Kommunikation in Form von Text, Grafik, Sprache oder Video (vgl. Grune 2000, S. 58).
Shared Applications - sind alle Programme, die eine gemeinsame und synchrone Bearbeitung von Dokumenten über Netzwerke (z.B. Internet) möglich machen. Diese Zusammenarbeit kann synchron oder asynchron erfolgen (vgl. Grune 2000, S. 58 f.).
Shared Workspace - Ein Ablage- und Sicherungssystem für Dateien und Informationen, im Gegensatz zu Shared Applications befinden sich die Dokumente nicht auf einem lokalen Computer, sondern auf einem allen zugänglichen Ablageort im Netz (z.B. Internet oder Schulnetzwerk). Shared Workspace zeichnet sich dadurch aus, dass sie bis auf die Steuerung und Verwaltung des Zugriffs auf die Daten keine eigene Funktionalität besitzt (vgl. Grune 2000, S. 59).
Conceptmanager- sind Anwendungen, die speziell der Strukturierung, Planung, Entwicklung und Darstellung von Wissen und Ler nwegen bzw. -zielen dienen. Die Nutzung dieser Programme dient meist nur zum Zweck der Strukturierung, Gliederung bzw. Konzepterstellung. Ein Beispiel hierfür wäre das Programm MindManager, welches dem Erstellen digitaler Gedankenlandkarten dient (vgl. Grune 2000, S. 59).
Pedagogicals Agents - sind digitale „pädagogische Assistenten“, die dem Lerner als Begleiter in der digitalen Lernumgebung zur Verfügung stehen. Sie sind datenbankbasierte Computerprogramme, deren Aufgabe die Übernahme von Routineaufgaben (z.B. Rechtschreibprüfung), Informationsrecherche und das Verfügbarmachen von Lernstrategien ist. Diese Werkzeuge sind pädagogisch neutral, da keine Lernziele verfolgt werden, und erlauben dem Lerner selbst die didaktische Aufbereitung und S trukturierung der Lerngegenstände. Dennoch ist ihr didaktischer Wert hoch anzusetzen, da die Lerntätigkeiten Wahrnehmen, Interpretieren und H andeln optimal unterstützt werden können (vgl. Grune 2000, S. 59 f.).
Durch das Enthalten der Wiki um diese Funktionen kann sie näher auf die Bedürfnisse der Lernenden eingehen und ihnen Individualisierung, Interaktivität, Adaptivität beim Einzellerner und verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten mit Mitschülern und Lehrenden bieten. Außerdem kann Wiki durch das Beinhalten dieser Funktionen Lerngruppen bei der Kommunikation und Kooperation unterstützen (vgl. Bett & Wendekind 2003, S. 205). Mit den zahlreichen Möglichkeiten bietet die Wiki ein sehr breites Spektrum an Umsetzungs- und Einsatzformen. Im folgenden Kapitel sollen diese Möglichkeiten ausführlich dargestellt werden.
4 Medienbasierte Kommunikation und Kooperation - das Potenzial der Wiki
Die Metapher der Wiki als „virtuelle Tafel“ ist zwar sehr gut geeignet, um die Grundidee und das Prinzip Außenstehenden zu verbildlichen, allerdings schränkt diese Beschreibung die Funktions- und Einsatzvielfalt des Mediums erheblich ein. Die Wiki kann viel mehr als eine Tafel bieten, darum wird der schlichte Vergleich der Wiki mit einer virtuellen Tafel ihr nicht wirklich gerecht. Neben dieser simpelsten Variante, die Wiki als Unterrichtsmedium zu nutzen, eröffnen sich zahlreiche Einsatzmöglichkeiten über denen ei ner virtuellen Tafel hinaus. Denn Wikis können auch als Lernplattform oder Hilfsmittel zum gemeinsamen Erarbeiten von Wissen dienen. Hier liegt die wahre Stärke der Wiki, denn als Kommunikationsplattform eröffnet sie viele Möglichkeiten.
In diesem Abschnitt sollen einige Einsatzbereiche genannt werden, die die berufsschulische Lehr- und Lernprozesse unterstützen sollen. Diese Unterstützung zielt auf die Optimierung des Informations- und Wissenstransfers in der Organisation „Schule“ ab. Der Zweck besteht darin, die menschliche Kommunikation und I nformationsverarbeitung zu unterstützen. Ein Informationssystem wie die Wiki umfasst also nicht nur technische Komponenten, sondern muss als „soziotechnisches System“ verstanden werden, bei dem die menschliche und maschinelle Komponente ineinander greifen (vgl. Coenen 2002, S. 23). Damit eröffnen sich für die Gestaltung einer Wiki vier wesentliche Dimensionen. Diese lassen sich nach dem ATOM-Modell erklären, in dem die folgenden Komponenten berücksichtigt werden:
- Aufgabe,
- Technologie,
- Organisation,
- Mensch (vgl. Coenen 2002, S. 24).
Die Dimension der Aufgabenstellung undauch die Dimension Technologie werden beim Blended-Learning angesprochen. So soll im folgenden Kapitel die Wiki als Technologie für eine Verbesserung des kooperativen Lehrens und Ler nens beschrieben werden. Diese Kooperation bezieht sich im Wesentlichen auf die Förderung der Kommunikation und die Eröffnung individueller Lernhilfen. Letztlich sollen auch die beteiligten Organisationen des Berufsschulwesens, die Berufsschule und die Ausbildungsbetriebe, durch den Einsatz einer Wiki zusammenrücken. Denn als virtuelle Kommunikationsbasis sollen Berufsschullehrer, Ausbilder undA uszubildende einen Ort für mehr gemeinsames Arbeiten finden. Bei der Förderung individueller Lernprozesse kann das Wiki-Medium ebenfalls eine Hilfe sein.
Ziel dieses Kapitel ist folglich die Darstellung verschiedener Designs einer Wiki-Konstruktion, wobei mit Design nicht die optische Erscheinung und Gestaltung gemeint ist. Vielmehr ist die Gestaltung der Aufgabenstellungen, die Eröffnung von Lernmethoden und die Verbesserung der Kommunikation innerhalb einer und durch die Wiki gemeint.
4.1 Die Wiki als Blended-Learning Instrument an berufsbildenden Schulen
Hybride Lernszenarien (Blended-Learning) charakterisieren den Mix verschiedener Medien und Methoden innerhalb einer Lehrveranstaltung (Bett & Wendekind 2003, S. 202). Für den Schulkontext bedeutet dies die Verbindung von traditionellem Schulunterricht mit individuellen kooperativen Online-Szenarien. Durch den virtuellen Unterricht, also beim Lernen in der Wiki, soll eine stärkere Individualisierung und erhöhte Aktivität der Lernenden erreicht werden. Außerdem soll der Präsenzunterricht, also klassisch in der Schule, von reiner Wissensvermittlung befreit werden (vgl. Bett & Wendekind 2003, S. 202). Bei dem hybriden, also ergänzenden Einsatz einer Wiki würde diese hauptsächlich verwendet für:
- den Erwerb von Grundlagenwissen in individuellen Lernformen, z.B. durch das Angebot von Skripten und multimedialen Dateien,
- den Zugang zu externen Informationsquellen, wie Literaturlisten, Linklisten, OnlineNachschlagewerken und Dokumentenarchiven,
- wiederholende, vertiefende oder ergänzende Aufgabenbearbeitung als Self Assessment oder auch in der Gruppe (vgl. Bett & Wendekind 2003, S. 202 f.).
Wichtig ist auch bei dieser Umsetzungsform, dass die Wiki-Plattform und die darauf verfügbaren Inhalte nicht unverbunden zum eigentlichen Unterrichtsgeschehen stehen. Die hier angebotenen Inhalte müssen eng mit denen des Präsenzunterrichts verwoben sein. Diese Verzahnung von Unterricht und Wiki-Nutzung könnte einerseits durch das Verweisen während des Unterrichts erfolgen, aber auch durch ein Bezugnehmen auf Geschehnisse aus der Wiki. So könnten beispielsweise Diskussionsaspekte aus der Online-Kommunikation bzw. Lösung von Online-Aufgaben in dem Präsenzunterricht der Berufsschule aufgegriffen werden (vgl. Bett & Wendekind 2003, S. 203).
Lernnetzwerke durch die Wiki - Ein wesentliches Problem beim Lernen mit Printmedien und herkömmlichen E-Learning-Konzepten ist die Isolation der Benutzer. Denn treten während des Lernens Probleme oder Fragen auf, können die Lernenden üblicherweise keine Hilfe vom Lernmedium erwarten. Sicherlich bieten viele E-Learning-Programme bereits vorbestimmte Antworten auf bestimmte Themen, allerdings ist diese Hilfe wenig personalisiert. Das Resultat ist üblicherweise Frustration und reduzierte Lerneffizienz. Deshalb ist es wichtig, dass ein Lehr-/Lernsystem die Kommunikation und Zusammenarbeit von Benutzern (Schüler, Lehrer etc.) untereinander unterstützt. Diese Anforderungen erfüllt der Einsatz des Wiki-Mediums, vorwiegend als Kommunikationswerkzeug, aber auch Blended-Learning-Medium und zur Unterstützung von Teamfunktionalität für das Lernen und Arbeiten in Gruppen. Die Wiki gliedert sich als mögliches Instrument für mehr kollaboratives und kooperatives Lernen in Lernnetzwerken ein. Lern- und Erfahrungszusammenschlüsse sind kein neues didaktisches Konzept, sondern haben in Deutschland eine reiche Tradition. Denn der freiwillige Zusammenschluss in Vereinen oder Gesellschaften zur Weitergabe von Informationen und Wissen sowie der gegenseitigen Unterstützung und Hilfe ist längst deutsche Tradition (vgl. Grune 2000, S. 75). Lernnetzwerke sind durch drei didaktische Perspektiven gekennzeichnet:
1. Lernen ist erfahrungsbezogen und eng mit den alltäglichen/betrieblichen Aufgaben und Problemen der Mitglieder verbunden (ebd.).
2. Lernen geschieht wechselseitig, d.h. Mitglieder geben das eigene Wissen an andere weiter und können auf das der anderen zurückgreifen (ebd.).
3. Wissen ist dynamisch. Die Weitergabe und Entwicklung des Wissens wird honoriert, nicht nur dessen Besitz (ebd.).
Die Mitglieder, also beispielsweise (Berufsschul-)Schüler und Lehrer, sind zugleich Lerner, Berater und Vermittler. Allesamt verfügen über einen (vollen oder beschränkten) Zugang zu einer zentralen Datenbank, auf der alle relevanten Daten gespeichert und s o anderen Mitgliedern verfügbar gemacht werden können. Die Lerngegenstände und Wissensbereiche werden von den Mitgliedern, also Lehrern und Schülern, bestimmt. Die Lehrkraft muss zwar
nicht zwingend die Themen und Themengebiete festlegen, doch ist dieses Vorgehen in der Praxis der Regelfall. Neben der Rolle des Lehrers als Organisator gilt es noch weitere Rollen und Funktionen in Abhängigkeit an di e Mitglieder des Netzwerkes zu vergeben. Diese Vergabe richtet sich nach den К ompetenzen und der Bereitschaft, sodass Rollen wie Lernhelfer, Tutor und Organisator und ähnliche vergeben werden können (vgl. Grune 2000, S. 76). Diese Rollen definieren zum Beispiel, zu welchem Zeitpunkt welche Art von Beiträgen erzeugt werden können (Erklärung, Frage, Kommentar, Ablehnung, Zustimmung etc.) (vgl. Bett; Wendekind 2003, S. 201).
4.2 Förderung des kooperativen Lernens durch das Wiki-Medium
Das kooperative Lernen fußt auf dem Grundgedanken, dass Lernen ein natürlicher sozialer Prozess ist, bei dem Teilnehmer miteinander kommunizieren und sich gegenseitig anregen. Dies beinhaltet nach Konrad und Traub (vgl. 2001, S. 28) weiterführende Aspekte, welche bei Gruppenarbeiten eine wesentliche Ebene einnehmen. Somit müssen bei dem Einsatz eines E-Learning-Mediums wie der Wiki stets folgende Aspekte im Vordergrund stehen:
- Lernen geschieht stets in einem aktiven und konstruktiven Prozess, bei dem Lernende neue Informationen mit vorhandenem Wissen verknüpfen, um neue Ideen und Sinnzusammenhänge zu konstruieren.
- Lernen geschieht auf soziale und kommunikative Weise, da der Austausch und die Diskussion das Verstehen und die Reflexion des jeweiligen Lerngegenstands optimieren können.
- Gelernt wird stets in Kontexten, die jeden Beteiligten dazu anregen zu kooperieren. Dies wiederum hilft dabei, Probleme zu identifizieren und ans pruchsvolle Problemlösefertigkeiten zu erwerben.
- Das Lernen beinhaltet eine affektive Dimension sowie das subjektive Erleben.
Damit werden sowohl soziale als auch emotionale Herausforderungen geschaffen. Diese Herausforderungen geschehen auf Seiten der Schüler und auch der Lehrer. Im Folgenden sollen die Rollen beim Lernen und Lehren mit einer Wiki beschrieben werden.
4.2.1 Die Rolle der Schüler und Auszubildenden
Das Lernen in virtuellen Arbeitskontexten entspricht in vieler Hinsicht dem Modell ganzheitlicher beruflicher Handlungskompetenz (vgl. Kehl, Kunzendorf & Wolf 2006, S.63). Jenes im Vorkapitel beschriebene Lernen in Lernnetzwerken kommt den Forderungen nach der Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz nach. Denn die zwei Systeme „Wirtschaft“ und „Pädagogik“ stehen im laufenden Prozess des Kommunizierens und kooperativen Handelns (vgl. Rebmann & Tredop 2008. S. 257). Schüler die sich zu Lernnetzwerken zusammenschließen und fachliche Informationen austauschen sowie gemeinsam erarbeiten, können grundliegende Kernkompetenzen erwerben (vgl. Rebmann & Tredop 2008. S. 257):
1. Sachkompetenz: Der Erwerb berufsrelevanten Wissens.
2. Gestaltungskompetenz: Die Fähigkeit an der Gestaltung berufliche Praxis sachkompetent mitzuwirken.
3. Sozialkompetenz: Die Entwicklung beruflichen Selbstbewusstseins und I ch-Identität durch Beförderung sozialer Interaktionen. Als Verbindungsglied zwischen den dr ei Kernkompetenzen wirken drei weitere Teilkompetenzen, die aus der Verknüpfung der Kernkompetenzen erzeugt werden (vgl. Rebmann &Tredop 2008. S. 257):
4. Methodenkompetenz: Die Fähigkeit berufsrelevantes Wissen im praktischen Handeln zu überprüfen und berufliche Praxis beschreiben und erklären zu können.
5. Moralkompetenz: Das Entwickeln und Ü berprüfen von Normen und ethischen Imperativen.
6. Abstraktionskompetenz: Das Entwickeln sprachlicher Verallgemeinerungen.
Diese Kompetenzen sind als Qualifikationsbündel erforderlich um den neuen Produktions-, Arbeits- und Organisationsstrukturen des Berufslebens gerecht zu werden (vgl. Rebmann & Tredop 2008. S. 257f.). Dabei meint die berufliche Handlungskompetenz zunächst nur die berufliche Sachkompetenz (Fachkompetenz), also das berufsrelevante Wissen und die Fähigkeit, im Beruf sachlich angemessen und fachlich kompetent zu handeln. Die berufliche Handlungskompetenz schließt aber auch die Methodenkompetenz ein, folglich die Fähigkeit berufsrelevantes Wissen und Problemlösungen in der beruflichen Praxis zu überprüfen und Lösungsvorschläge zu entwickeln (vgl. Rebmann, Tenfelde & Uhe 2003, S. 108ff.). Diese Kernkompetenzen werden durch das Verfassen von fachlichen Artikeln gefordert und gefördert. Darüber hinaus werden durch das Arbeiten in Partner- oder Gruppenzusammenschlüssen Handlungs- und Sozialkompetenzen, mit deren Sprache und Kommunikation, aber auch die Entwicklung von Selbstbewusstsein und Ich-Identität gefördert. Damit die Kompetenzen optimal gefördert werden, müssen Lehr /Lernarrangements entwickelt werden, die möglichst viele oder sogar alle Kompetenzen im Zusammenhang abverlangen. In den folgenden Kapiteln ab 4.3 sollen hierfür vielversprechende Einsatzmöglichkeiten der Wiki, zur optimalen Förderung der Kern- und Teilkompetenzen beruflicher Handlungsfähigkeit diskutiert werden. Doch zunächst sollen die veränderten Kompetenzen und Aufgaben der Lehrer beim Wiki-Einsatz aufgezeigt werden.
4.2.2 Die Rolle der Lehrer und Ausbilder
Der Erfolg von Blended-Learning Systemen, ganz gleich welcher Art, hängt von der Kompetenz und dem Engagement der Moderatoren ab. Diese Moderation würde im Berufsschulkontext im Wesentlichen von Lehrern und Ausbildern übernommen werden, aber auch andere Personen (z.B. freiwillige Schüler) könnten die Rolle des Moderators übernehmen. Der Moderator oder die Moderatoren müssen zwei wesentliche Kompetenzbereiche beherrschen:
1. Fachliche undm ethodische Kompetenz: Unterstützung der Schüler in fachlichen Fragen und Hilfestellung in Hinblick auf eine zielgerichtete Problemlösemethodik. Das Geben von Feedbacks und Bewerten von Problemlösevorschlägen.
2. Kompetenz als Moderator und Coach: Die Fähigkeit der Steuerung von Lernern und Lerngruppen mit dem systematischen Ziel der Entwicklung von Handlungsfähigkeit. Der Moderator wird damit zum Partner der Schüler für die Entwicklung ihrer Kompetenz als selbstgesteuerter Einzellerner sowie als aktiver Lernpartner in Tandems und Lerngruppen (vgl. Phillips 2002, S. 184 f.)
Diese Kompetenzen müssen einerseits bei der Lehrkraft oder den Ausbildern vorhanden sein, andererseits bindet die Moderation des Blended-Learning-Prozesses Zeit, welche zur Verfügung stehen muss. Daher gilt es zu klären, ob einerseits die benötigten Kompetenzen und andererseits die Zeit bei den Lehrenden zur Verfügung stehen. Welche Kompetenzen benötigt werden, hängt von der Einsatzart des Blended-Learning-Mediums ab. In den folgenden Abschnitten sollen besonders vielversprechende Einsatzmöglichkeiten des WikiMediums ausführlich beschrieben werden.
4.3 Die Wiki zur Verbesserung von Gruppenarbeit
Die Wiki als Blended-Learning-Medium im bietet viele sinnvolle Möglichkeiten Zusammenhang mit Gruppenarbeit. So bietet sich die Wiki auch als Kommunikations- und Austauschzentrale für Tandem- und Gruppenarbeiten an. Denn die Attribute der Wiki kommen ganz besonders zur Geltung, wenn mehrere Personen gemeinsam an ei nem Thema oder Themenfeld arbeiten. Informationsaustausch, Kommunikation, gegenseitige Hilfestellung usw. werden räumlich undzeitlich flexibel realisiert. Durch den Einsatz einer Wiki kann in Verbindung mit Gruppenarbeiten das KOPING gefördert werden. Das KOPING- Verfahren soll dabei helfen, Lernprozesse erfolgreich zu machen. Hierfür bildet die KOPING- Gruppe das zentrale Element. Das Wort KOPING ist ein Kunstwort, welches an dem englischen Wort „coping“ anlehnt und übersetzt „Bewältigung“ oder „mit etwas fertig werden“ bedeutet. Doch die eigentliche Konstruktion des Begriffs leitet sich aus den Anfangsbuchstaben der KOPING-Idee heraus: Kommunikative Praxisbewältigung IN Gruppen. In der Stressforschung hat der Begriff „coping“ eine zentrale Bedeutung, da die Bewältigung von Anforderungen, Belastungen oder Konflikten befähigt werden sollte. Dies sollte möglichst in kleinen Gruppen geschehen, die im gegenseitigen Austausch stehen und sich so wechselseitig in ihrer Entwicklung unterstützen (vgl. Sauter & Sauter 2002, S. 105 ff.). Das KOPING kann natürlich durch persönliche Treffen arrangiert werden, doch ist diese Form der Zusammenkunft nicht immer die rationellste Art der Kommunikation. Daher kann die Wiki eine vertrauliche Basis für eine feste KOPING-Gruppe sein, in der kommunikativer Austausch zur Bewältigung von Praxisproblemen dient. Damit fußt das KOPING auf dem kooperativen Lernen, dessen Bestandteile viele Vorteile für das gemeinsame Lernen bieten. Je nach Einsatz- und Umsetzungsform des Wiki-Mediums haben die Schüler eine zentrale Aufgabe, die Erarbeitung von Gruppenaufgaben. Diese Aufgabe kann beispielsweise die Erarbeitung eines Projektthemas oder einer längeren Hausaufgabe sein. Hierbei entsteht in gegenseitiger Kommunikation und Diskussion neues Wissen, welches zusammengetragen wird. Dabei unterstützen die Gruppenmitglieder sich gegenseitig und können Hilfe und Unterstützung von Lehrkräften erhalten. Neben fachlichen Hürden können sich auch soziale oder organisatorische Probleme eröffnen, zu deren Beseitigung alle Beteiligen beitragen. Dabei werden die zentralen Merkmale des kooperativen Lernens nach Konrad und Traub (2001, S. 6 ff.) gefördert:
- Positive Wechselwirkung: Die Gruppenmitglieder kommunizieren durch häufiges Interagieren und lernen Situationen aus der Perspektive anderer zu sehen.
- Individuelle Verantwortlichkeit: Alle Lernenden sind dafür verantwortlich, ihre Teilaufgaben zu erledigen, d.h. sie tragen Sorge und Verantwortung für alle zu erarbeitenden Inhalte.
- Hilfreiche Interaktion: Viele Aufgabenbereiche müssen gemeinsam erarbeitet werden, dabei ist wichtig, dass die Schüler sich gegenseitig anregen, anleiten und ermutigen.
- Feedback: Das Lernen in Gruppen zeichnet sich vor allem durch das Geben und Nehmen von Informationen aus. Dieser Austausch und dieses Feedback gibt den Gruppenmitgliedern Gelegenheit, ihr konzeptionelles Verständnis zu korrigieren und durch die Eröffnung neuer oder anderer Wissensstände zu neuen Einsichten zu gelangen.
- Angemessene Nutzung kooperativer Fertigkeiten.
- Reflexion der Gruppenprozesse.
Die Schüler erleben also, Verantwortung für sich und ihre Aufgaben zu tragen, interagieren dabei miteinander und unt erstützen sich gegenseitig. Dabei werden fachliche und gruppendynamische Fertigkeiten gewonnen, wie beispielsweise die Aussprache von konstruktiven Feedbacks. Für das Gelingen von kooperativem Lernen gehören positive Interdependenzen, wie gemeinsame Belohnungen für die gesamte Gruppe, gemeinsame Hilfsmittel und Ressourcen, sowie zueinander komplementäre Rollen und Funktionen (Leser, Überprüfer, Motivator usw.) (vgl. Konrad & Traub 2001, S. 53). Das kooperative Lernen in Gruppen oder mit einem Lernpartner führt viele Vorteile mit sich, diese können durch den Einsatz einer Wiki weiter ergänzt werden.
Doch natürlich bringt die Wiki im kooperativen Lernen nicht nur Vorteile mit sich, so lassen sich die typischen Probleme der Gruppenarbeit nicht verleugnen, besonders weil diese durch eine Wiki verstärkt werden könnten. Die typischen Probleme der Gruppenarbeit und somit oft auch demotivierende Faktoren lassen sich kurz zusammenfassen. So ist der „free-rider effect“ zu nennen, dieser beschreibt die Unproduktivität einiger Mitglieder einer Arbeitsgruppe. Diese Einzelnen halten sich bewusst bei der Mitarbeit zurück, weil sie wissen, dass motivierte Andere ihren Teil früher oder später übernehmen (vgl. Hartinger & Fölling- Albers 2002, S.132f.). Insbesondere bei Gruppenarbeiten fernab des Schulunterrichts bleibt traditionell jegliche direkte Eingreif- oder Kontrollfunktion des Lehrkraft aus (vgl. Hartinger & Fölling-Albers 2002, S.132f.). Besonders virtuelle Lerngruppen sollten nicht allein gelassen werden, da s onst vermeintliche Chancen zu Fallstricken werden können (vgl. Fischer & Waibel 2002, S. 41). Für dieses Problem lassen sich grundsätzlich zwei Lösungsstrategien nennen, zum einen eine technische Kontrolle und zum anderen eine klassische Aufgabenverteilung. Die Aufgabenverteilung mit klarer individueller Verantwortlichkeit würde einerseits zu einer Verpflichtung führen und andererseits eine Einzelbewertung ermöglichen. Dieses Vorgehen widerspricht allerdings dem Gedanken der Gruppenarbeit und des kooperativen Lernens, die eine gemeinsame Erreichung von Zielen in der Gruppe fördern soll (vgl. Hartinger & Fölling-Albers 2002, S.132f.). Dennoch können klassische Methoden, wie die Vergabe individueller Verantwortlichkeit bei gleichzeitiger Gruppenbelohnung, sinnvolle Maßnahmen zur Förderung einer zweckmäßigen Gruppenarbeit sein (vgl. Fischer & Waibel 2002, S. 42). Dagegen erlaubt der Einsatz einer erweiterten Wiki eine technische Kontrolle der Schülerleistungen und dadurch einen sehr exakten Überblick über die tatsächlich erbrachte Leistung eines jeden einzelnen Schülers. So ist es üblich, dass Lehrpersonen auf die Wiki-Artikel und Texte der Schüler jederzeit Zugriff haben. Dieses Vorgehen ermöglicht dem Lehrer nicht nur einen Überblick über die Leistungen jedes einzelnen Gruppenmitglieds, er hat auch die Möglichkeit, bei Fehlentwicklungen oder Problemen innerhalb der Gruppen frühzeitig einzugreifen.
[...]
[1]Im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung wird bei der Beschreibung von Personengruppen stets die maskuline Form verwendet. Dies soll die Lesbarkeit erhöhen und kein Diskriminierungsanstoß sein.
[2] Es besteht auch die Möglichkeit, die Veränderungsrechte auf bestimmte Personen oder Personenkreise zu beschränken.
[3]Die Wortverwendung weicht von dem allgemeinen Verständnis des Begriffs Wiki ab, das mit einem Lexikon oder einer Enzyklopädie gleichgesetzt wird. Um in dieser Ausarbeitung das Verständnis der Wiki als Plattform oder Kommunikationsbasis zu verdeutlichen, wird in der Regel ganz pauschal von der Wiki gesprochen.
[4] wenn gewünscht
[5]Englisch für „Abfall“ oder „Plunder“, in diesem Zusammenhang unsinnige Inhalte.
- Arbeit zitieren
- Master of Education Bernd Sanders (Autor:in), 2011, E-Learning - Die Wiki als Medium für die Optimierung von Lehr-/Lernsituationen in Berufsschulen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/191700
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