Zusammenfassung:
Die kurdische Sängerin Aynur Dogan (so ihr vollständiger Name) ist im Moment die bekannteste Stimme des kurdischen Teils der Türkei. Die Sängerin, die mit 18 Jahren nach Istanbul kam, hat geschafft, was lange als aussichtslos galt: Sie ist in der türkischen Musikszene etabliert und bekannt. Aynur hat mit ihrem Album „Keçe Kurdan“, das 2004 herauskam, gezeigt, dass kurdische und türkische Musik keine Gegensätze sein müssen. Auf diesem Album singt sie sowohl türkische als auch kurdische Volkslieder - ein Novum in der Geschichte dieser Völker, die lange nur eine Geschichte von Krieg, Ausgrenzung und Hass gewesen ist. Aynur steht für die moderne Türkei. So wurde das Album Cover von „Keçe Kurdan“ in britischen Musikzeitungen abgedruckt sowie im Magazin der London Times. Der Regisseur Fatih Akin räumte der kurdischen Sängerin eine Sequenz in seinem Film „Crossing the Bridge“ ein, einem Film, der das moderne Istanbul zeigt. Aynur war die erste Künstlerin, die in einem türkischen Film, dem 2005 entstandenen „Gönül Yarasi“, kurdische Lieder sang. So hat die engagierte Sängerin die Quadratur des Kreises bewältigt: Sie hat sich sowohl in der nicht immer geliebten Türkei einen Namen gemacht, und sie ist zudem dabei, eine international anerkannte Künstlerin zu werden.
Dr. Mirjam Schadendorf
Aynur
Zwischen kurdischer Tradition und modernen europäischen Klängen
Zusammenfassung:
Die kurdische Sängerin Aynur Dogan (so ihr vollständiger Name) ist im Moment die bekannteste Stimme des kurdischen Teils der Türkei. Die Sängerin, die mit 18 Jahren nach Istanbul kam, hat geschafft, was lange als aussichtslos galt: Sie ist in der türkischen Musikszene etabliert und bekannt. Aynur hat mit ihrem Album „Keçe Kurdan“, das 2004 herauskam, gezeigt, dass kurdische und türkische Musik keine Gegensätze sein müssen. Auf diesem Album singt sie sowohl türkische als auch kurdische Volkslieder - ein Novum in der Geschichte dieser Völker, die lange nur eine Geschichte von Krieg, Ausgrenzung und Hass gewesen ist. Aynur steht für die moderne Türkei. So wurde das Album Cover von „Keçe Kurdan“ in britischen Musikzeitungen abgedruckt sowie im Magazin der London Times. Der Regisseur Fatih Akin räumte der kurdischen Sängerin eine Sequenz in seinem Film „Crossing the Bridge“ ein, einem Film, der das moderne Istanbul zeigt. Aynur war die erste Künstlerin, die in einem türkischen Film, dem 2005 entstandenen „Gönül Yarasi“, kurdische Lieder sang. So hat die engagierte Sängerin die Quadratur des Kreises bewältigt: Sie hat sich sowohl in der nicht immer geliebten Türkei einen Namen gemacht, und sie ist zudem dabei, eine international anerkannte Künstlerin zu werden.
„Durchs wilde Kurdistan“
Erinnern Sie sich auch noch an die wilden Geschichten des sächsischen Schriftstellers Karl May? Wer zwischen dem Beginn des 20. Jahrhunderts und den 70er Jahren geboren ist, dürfte diese Fragen mit heftigem Kopfnicken bejahen. Diese grünen Bände mit wild phantasierten Titelbildern erweckten sofort in jedem Freigeist das Milieu des Abenteuers in der absoluten Fremde. „Durchs wilde Kurdistan“, 1892 erschienen, war der zweite Band von Mays außerordentlicher Orient-Reihe. Ich bin Anfang der 60er Jahre geboren, und erinnere mich noch genau daran, wie mein älterer Bruder sämtliche Bände verschlang, um anschließend beim gemeinsamen Fernsehen der verfilmten Karl-May-Stories mit enormen Wissen auf zu trumpfen – schließlich kannte er die Geschichten bereits. Ich habe längst nicht alle Bände gelesen, aber ich weiß noch, dass allein der Titel „Durchs wilde Kurdistan“ meine Phantasie mächtig anregte: Wo konnte dieses Kurdistan sein? Ein solcher Name schien mir orientalische Wüsten und verschlungene Wege zu eröffnen. Als ich schließlich die bisweilen recht heftigen Abenteuer von Kara Ben Nemsi und seinem neunmalklugen Begleiter Hadschi Halef Omar)kennenlernte, liebte ich diese ausschweifenden Erzählungen um die tapferen Männer. So stand für mich das Wort „Kurdistan“, für die Erinnerung an kindliche Leseabenteuer, es hatte einen, ein wenig im Nebel liegenden, und dennoch verheißungsvollen Klang.
Das nächste Mal, dass ich mit diesem Wort konfrontiert wurde, war viele Jahre später. Ich studierte inzwischen und formierte mich mit den Studentenprotesten gegen Sadam Husseins menschenverachtendes Regime, insbesondere gegen seine Angriffe auf den kurdischen Teil des Irak. Unternehmen konnten wir nichts gegen sein wildes Morden aller Minderheiten und Menschenrechtler, doch damals begann ich mich erneut für diesen vernachlässigten Landstrich zu interessieren. Ich lernte – und dies war nun meine dritte Begegnung mit dem kurdischen Volk, dass die Kurden schon immer mit der Karo 7 in der Hand geboren wurden. Sie stellen heute im 21. Jahrhundert, die größte Minderheit der Welt dar, die kein eigenes Land besitzt, also staatenlos ist. Während der „Neuverteilung“ des Orients nach dem 1. Weltkrieg ließ man bei der Grenzziehung das kurdische Gebiet außer acht. Somit gehört mein verheißungsvolles „Kurdistan“ heute vier Staaten an: Dem Irak, dem Iran, Syrien und der Türkei. Während des 2. Weltkriegs gab es eine Bewegung der Kurden zu einem eigenen Nationalstaat, die jedoch schon bald kriegerisch beendet wurden.
Doch die Kurden erwiesen sich als äußerst widerständig. Sie akzeptierten ihre „Eingemeindung“ nicht, sondern pochten auf ihre Eigenständigkeit. Dies führte in allen „Gastländern“ zu Streitigkeiten, doch irgendwann auch zu roher Gewalt. Besonders mit den Türken gab es immer wieder Gefechte.
Kulturschock Istanbul
Einer solchen türkischen Aggression fiel auch die Heimat von Aynur Dogan zum Opfer. 1975 wurde sie in dem Dorf Hasankeyf in der türkischen Provinz Tunceli geboren. Ihre kurdische Familie gehört zu den Aleviten, einer nicht arabischen, islamischen Religion. Die Aleviten sind weit weniger dogmatisch als ihre muslimischen Glaubenbrüder. Es gibt keine Sharia, und keine lästigen Zeremonien und Rituale. In der Mitte des Alevitentums steht der Mensch. Der Gesang und die Musik spielen eine ganz wichtige Rolle in dieser Glaubensgemeinschaft. Denn sie ist es, die die Gemeinde vereint und das menschliche Dasein, das Gefühlsleben betont. So gab es auch für Aynur in jungen Jahren viel Musik und Gesang. „Wir Aleviten tanzen und singen unseren Glauben, der viel weiter zurückreicht als der Islam.“ sagt sie im Gespräch mit Susanne Schanda im Jahr 2009 („Eine reine Stimme“, auf norient.com, auch alle anderen Zitate stammen aus diesem Artikel). In ihren jungen Jahren dachte Aynur Dogan in keiner Weise daran, Sängerin zu werden. Doch schließlich gelangte das türkische Fernsehen auch in ihre abgelegene Provinz. Und da sah und hörte das siebenjährige Mädchen zum ersten Mal türkische und auch ausländische Musik. „In diesem Moment entdeckte ich die Welt der Musik.“ sagt sie und erklärt, dass ihr nun auch bewusst wurde, dass sie zu einer Minderheit gehörte und dass sie in einem türkischen Land lebte. „Bis dahin hatte ich geglaubt, alle Menschen auf der Welt seine Aleviten und Kurden, weil ich als Kind nichts anderes kannte.“
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- Citation du texte
- Mirjam Dr. Schadendorf (Auteur), 2011, Aynur - Zwischen kurdischer Tradition und modernen europäischen Klängen , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/191661