Die Geschichte der europäischen Union ist beispiellos. Was im Jahre 1951 mit einer Gemeinschaft für Kohle und Stahl begann, ist heute das, was Victor Hugo als „Die Vereinigten Staaten von Europa“ beschrieb, zum Greifen nahe.
Die heutige EU gliedert sich in 27 Mitgliedsstaaten , sie stellt einen der größten Wirtschaftsräume dar und sichert trotz unzähliger innereuropäischer Kriege in der Historie eine beispiellose Periode des Friedens.
Dennoch gilt die EU ihren Bürgern als undemokratisch, als unsozial, wirtschaftsliberal, als bürokratisch und bürgerfern. So spricht Hans Magnus Enzensberger von Brüssel als einem „sanftem Monster “
Gliederung
1. Einleitung
2. Der Vertrag von Lissabon – wesentliche Merkmale
2.1 Die EU: Mehr Haus als Dach
2.2 Demokratiedefizit
2.3 Subsidiarität und Zuständigkeitsverteilung
2.4 Die EU in der Welt
3. Wirtschafts- und Währungspolitik nach Lissabon
4. Fazit
5. Quellen
1. Einleitung
Die Geschichte der europäischen Union ist beispiellos. Was im Jahre 1951 mit einer Gemeinschaft für Kohle und Stahl begann, ist heute das, was Victor Hugo als „Die Vereinigten Staaten von Europa“ beschrieb, zum Greifen nahe.
Die heutige EU gliedert sich in 27 Mitgliedsstaaten[1], sie stellt einen der größten Wirtschaftsräume dar und sichert trotz unzähliger innereuropäischer Kriege in der Historie eine beispiellose Periode des Friedens.
Dennoch gilt die EU ihren Bürgern als undemokratisch, als unsozial, wirtschaftsliberal, als bürokratisch und bürgerfern. So spricht Hans Magnus Enzensberger von Brüssel als einem „sanftem Monster[2] “
Dessen ungeachtet steht fest, dass ein Europa ohne EU schon lange nicht mehr vorstellbar ist. Heutzutage haben 80% der deutschen Gesetzte ihren Ursprung in Brüssel. In der Politikwissenschaft ist es schon lange anerkannt, dass sich politische Prozesse in Europa in einem komplexen Mehrebenensystem vollziehen, wobei diese Ebenen fest und untrennbar miteinander verflochten sind. Niemand will heute mehr den Nationalstaat. Auch wenn der Ruf nach der „D-Mark“ immer wieder aufschreit, ist die Möglichkeit, politische Probleme allein auf nationalstaatlicher Ebene zu lösen, realitätsfremd. Jürgen Habermas spricht in diesem Zusammenhang von der „postnationalen Konstellation“[3] und meint damit, dass Staaten wie Malta oder Luxemburg nicht mehr eigenständig politische Herausforderungen wie die grenzüberschreitender Flüchtlingsströme oder Umweltkatastrophen bewältigen können.
Trotz aller unbestrittenen Vorzüge ist es der EU jedoch bislang nicht gelungen, ihre Bürger von ihren Zielen zu überzeugen. Als im Jahr 2009 die französischen und niederländischen Bürger über die Europäische Verfassung[4] abstimmten erteilten sie der EU eine schallende Ohrfeige. Die beiden ablehnenden Referenten haben die EU in eine tiefe Identitätskrise gestürzt.
Ironischerweise hätten viele der vermeintlichen Mängel der EU durch den Verfassungsvertrag überwunden werden können. Dies gilt zum Beispiel für das stets behauptete Demokratiedefizit (dazu unten, 2.2.), die unklare Zuständigkeitsverteilung zwischen EU und Mitgliedsstaaten (dazu 2.3.), die außenpolitischen Inkohärenz (dazu 2.4.) und der Vorstellung der EU als allmächtiges übergeordnetes unsichtbares Wesen.
Vieles, was in der Europäischen Verfassung enthalten war, ist auch im Vertrag von Lissabon niedergelegt. Anders als seine große Schwester verzichtet der Vertrag von Lissabon aber auf das heikle Wort „Verfassung“ und kommt als nüchterner völkerrechtlicher Vertrag daher[5]. Einschränkend muss man jedoch sagen, dass auch die Verfassung Europas ein völkerrechtlicher Vertrag war. Nicht von ungefähr lautet die offizielle Bezeichnung: „Vertrag über eine Verfassung für Europa.“
Schlägt man den Vertrag von Lissabon das erste Mal auf, so sticht zunächst die technische und unprätentiöse Sprache ins Auge. Die Sprache, gepaart mit der hohen inhaltlichen Komplexität des Vertrages von Lissabon, ist bereits Gegenstand zahlreicher Parodien geworden. So gibt es an einem kleinen Theater in Freiburg ein Stück in dem knappe fünfzehn Minuten aus dem Vertrag von Lissabon vorgelesen wird, aber niemand versteht etwas, worauf auch folgendes Zitat anspielt: „Kein Mensch kann daher verstehen, was da vorgetragen wird; das Publikum hält die „Perfomance“ für absurdes Theater.“[6]
Ist so ein Werk wirklich geeignet, die Euroskeptiker in London, Paris und Amsterdam von einer Europäischen Zukunft zu überzeugen? Wer sich die Mühe macht, den Vertrag etwas genauer zu studieren, der wird feststellen, dass sich hinter der schwierigen Sprache des Vertragswerkes viele bemerkenswerte Ansätze verstecken und dass die Europäische Union in vielerlei Hinsicht von dem Reformvertrag profitieren kann. Die Reformen, die durch den Vertrag von Lissabon angestoßen wurden, werden im Folgenden genauer dargestellt.
2. Der Vertrag von Lissabon – wesentliche Merkmale
Im folgendem werden die wichtigsten Merkmale des Vertrags von Lissabon in 4 Punkte gegliedert.
2.1 Die EU: Mehr Haus als Dach
Für das Verständnis des Lissabonner Vertrages ist es wichtig, sich zunächst deutlich zu machen, wovon wir eigentlich sprechen, wenn wir das Kürzel EU in den Mund nehmen.
Die EU wurde 1992 durch den Maastricht Vertrag geschaffen.[7] Seither galt sie als Dach dreier Säulen (siehe Abbildung): Der Europäischen Gemeinschaft (EG), der gemeinsamen Außen-Politik und Sicherheitspolitik (GASP) und der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Pfetsch, Die Europäische Union
Während erstere aus der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und letztlich aus der EGKS (siehe oben) hervorging, kamen die zweite und dritte Säule durch den Vertrag von Maastricht neu hinzu. Zwar stellt die EG ein Völkerrechtssubjekt mit eigener Rechtspersönlichkeit (Artikel 281 EGV) dar, dennoch handelt es sich bei den anderen beiden Säulen um bloße Formen intergouvernementaler Zusammenarbeit. Das Drei-Säulen-Modell, das seit jeher in Schulbüchern unterrichtet wurde und zum allgemeinen Bildungskanon eines jeden Abiturienten gehört, ist seit dem Vertrag von Lissabon Geschichte. Inzwischen hat die EU selbst Rechtspersönlichkeit (Artikel 47 EUV) und kann somit eigenständig im völkerrechtlichen Verkehr auftreten, das heißt etwa völkerrechtliche Verträge schließen. Dies gilt einerseits im Sinne einer gemeinsamen europäischen Handelspolitik gegenüber Drittstaaten, andererseits geht es aber neben den wirtschaftlichen Interessen in der EU auch um ein gemeinsames Zusammenleben der Völker und die Stärkung der Menschenrechte. So kann die EU aufgrund der neu erlangten Rechtspersönlichkeit seit Lissabon auch etwa der EMRK beitreten, was ihr der EUGH in Luxemburg in der „Maastricht-Ära“ noch verboten hatte.
[...]
[1] Weitere Staaten folgen 2013
[2] [2] Enzensberger, Sanftes Monster Brüssel
[3] Die postnationale Konstellation, Jürgen Habermas / Friedrich Ebert Stiftung
[4] Gegenstand der Abstimmung war der „Vertrag über eine Verfassung für Europa“, welcher im Jahre 2004 von den Staats- und Regierungspräsidenten aller Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde. Die Verfassungen mancher Mitgliedstaaten sahen allerdings die Notwendigkeit eines Referendums vor, damit der Vertrag in Kraft treten kann.
[5] Pache/Rösch, Der Vertrag von Lissabon, NVwZ 2008 Seite 473
[6] Süddeutsche Zeitung vom 19.05.2010 „Der unverständliche Vertrag“
[7] Pfetsch, Die Europäische Union Seite 59
- Quote paper
- Enrico Hahne (Author), 2012, Der Vertag von Lissabon und seine Ziele, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/191491
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