1. Einleitung
September 2011: nach politischen Revolutionen in Ägypten und anderen Ländern der arabischen Welt wartet man gespannt darauf, wie es in diesen Staaten weitergehen mag. Folgt der jahrelangen Diktatur des ehemaligen Staatschefs Mubarak ein wirklicher Umbruch des Staatssystems oder wird das System dasselbe bleiben, nur mit lediglich anderen Namen in der Regierung?
Wie es auch kommen wird, die künftigen Regenten werden der Auffassung sein, dass es sich um das beste Staatssystem handle.
Die Frage nach dem besten Staatssystem ist objektiv nicht beantwortbar und immer wieder für eine Diskussion gut, da nicht nur viele verschiedene Staatsformen vorliegen, sondern ebenso viele Staatsentwürfe, die ihre Schwerpunkte unterschiedlich gewichtet haben.
Einer der bekanntesten Staatsentwürfe ist der Platons, den er in der Politeia (ca. 370 v. Chr.) vorstellt. Ein Staat basierend auf Gerechtigkeit, in dem Ausbildung und Erziehung eine wichtige Rolle spielt – insbesondere die der künftigen Regenten.
Dem gegenüber steht das totalitäre Staatssystem, welches George Orwell in seinem dystopischen Roman 1984 (1949) aufzeigt: ein Überwachungsstaat, der sich scheinbar in ständigem Krieg mit anderen Staaten befindet und Privatsphäre nicht zulässt.
Obwohl diese beiden Staatsentwürfe auf den ersten Blick komplett gegensätzlich erscheinen, haben sie durchaus gemeinsame Strukturen in ihrem System, die mögliche Gefahrenpunkte der Politeia beinhalten. In dieser Arbeit möchte ich einen Vergleich der beiden Systeme anstellen, um zu klären, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede liegen. Die Untersuchung wird sich auf die Organisation des Gemeinwesens beschränken, da ein vollständiger Systemvergleich im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist. Also auf den Aufbau des Staates und dem Menschenbild, das Platon und Orwell entwerfen. Zunächst werden die Entwürfe separat betrachtet, um sie daraufhin miteinander vergleichen zu können. Zum Abschluss werde ich untersuchen, welche Gefahren der platonische Staatsentwurf mit sich bringt und wie diese auch in 1984 verarbeitet werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Politeia
- Hintergründe des platonischen Staatsentwurfs
- Die Struktur des platonischen Staats
- Der Staatsaufbau
- Das Menschenbild
- George Orwells 1984
- Der Inhalt
- Strukturen des totalitären Staats
- Der Aufbau
- Das Menschenbild in 1984
- Vergleich
- Aufbau
- Vergleich Menschenbild
- Welche Gefahren birgt Platons Staatsentwurf
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit setzt sich zum Ziel, die Rezeption der Politeia in George Orwells 1984 zu analysieren und die beiden Staatsentwürfe anhand ihrer Strukturen und Menschenbilder zu vergleichen. Die Analyse soll aufzeigen, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Systemen bestehen und welche Gefahren der platonische Staatsentwurf bergen könnte.
- Vergleich des Aufbaus der beiden Staatsentwürfe
- Analyse der dargestellten Menschenbilder in der Politeia und 1984
- Bewertung der Gefahren, die der platonische Staatsentwurf bergen könnte
- Rezeption der Politeia in 1984
- Untersuchung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Systemen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Relevanz des Themas in Bezug auf aktuelle politische Ereignisse dar und führt den platonischen Staatsentwurf sowie das totalitäre Staatssystem in George Orwells 1984 ein. Die Arbeit soll einen Vergleich der beiden Systeme anstellen und die möglichen Gefahren des platonischen Staatsentwurfs beleuchten.
Das zweite Kapitel widmet sich der Politeia. Es werden die Hintergründe des platonischen Staatsentwurfs, seine Struktur und das darin dargestellte Menschenbild erläutert. Der Staatsentwurf Platons wird als hierarchisch gegliederte Klassengesellschaft beschrieben, die aus drei Ständen besteht: dem Stand der Philosophen, dem Stand der Wächter und dem Stand der Erwerbstätigen. Die Zuordnung zu einem dieser Stände erfolgt nicht durch Vererbung, sondern hängt von den individuellen Fähigkeiten eines Einzelnen ab. Die Ausbildung der Regenten und Wächter spielt eine zentrale Rolle, während die Gesetze eine eher zweitrangige Rolle spielen. Das Menschenbild Platons geht davon aus, dass der Mensch Körper und Geist umfasst und als ein intelligentes, wenn auch sehr triebhaftes Wesen gesehen wird, dessen Triebe durch Erziehung kontrolliert werden müssen. Ein wichtiger Aspekt ist die Eugenik, die die Qualität der Regenten durch die Zusammenführung der richtigen Paare und die Berechnung der günstigsten Zeit für die Zeugung verbessern soll.
Das dritte Kapitel behandelt George Orwells 1984. Es werden der Inhalt des Romans, die Strukturen des totalitären Staats und das Menschenbild in 1984 erläutert. Die Gesellschaft Ozeaniens ist in drei Klassen gegliedert: die Innere Partei, die Äußere Partei und die Proles. Die Zuordnung zu einer Klasse erfolgt nach den Fähigkeiten und der Intelligenz des Einzelnen. An der Spitze der Parteipyramide steht der Große Bruder, ein Führungsidol, das aus der Inneren Partei hervorgegangen ist. Die Mitglieder der Inneren Partei erhalten eine spezielle Ausbildung und zeichnen sich durch gute Rhetorik und Zwiedenken aus. Einem Machtmissbrauch sollen durch Vorkehrungen wie Eigentumslosigkeit, intensive Kontrollen und einer gründlichen Auslese der Führungskräfte vorgebeugt werden. Das Leben der beiden oberen Klassen ist von Bemf bis Freizeitgestaltung vollständig durchgeplant. Eine wichtige Rolle spielt der Überwachungsapparat, der keine Privatsphäre zulässt. Die Bürger werden Tag und Nacht durch Televisoren und Mikrophone überwacht. Zusätzlich gibt es Jugendorganisationen, die die Gedankenpolizei unterstützen und darauf ausgerichtet sind Andersdenkende zu enttarnen. Das Menschenbild in 1984 geht von einem dualistischen Menschenbild aus und hebt den Menschen als triebhaftes Wesen hervor, dessen Triebe durch Erziehung unter Kontrolle gebracht werden müssen. Orwell zeichnet nicht das Bild vom Menschen als Individuum, sondern das eines Gemeinschaftswesens, das seine Erfüllung in der Partei findet und ihr immer den Vorrang gewährt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Förderung bestimmter Eigenschaften und die Äußerlichkeiten, die einem Idealbild unterliegen sollen. Beide Aspekte sollen durch Eugenik erreicht werden, die in diesem Fall auf medizinisch-technischem Potenzial Ozeaniens beruht.
Das vierte Kapitel vergleicht die beiden Staatsentwürfe. Es werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Aufbau und im Menschenbild der beiden Systeme herausgearbeitet. Beide Staatsentwürfe sind in ein hierarchisches Klassensystem gegliedert, das jeweils aus drei Klassen besteht. Beide Gesellschaften sind pyramidenförmig aufgebaut, so dass nur ein kleiner Teil der Bevölkerung in der ersten Klasse angesiedelt ist. Diese repräsentiert in beiden Staatsentwürfen die Klasse der Regenten. Um zur Führungselite aufzusteigen, bedarf es einer besonderen Erziehung und Ausbildung, da die Zugehörigkeit zu einer Klasse weder in der Politeia noch in 1984 durch Vererbung entschieden wird. Es zählen allein die individuellen Fähigkeiten des Einzelnen, die über die Zugehörigkeit zu einem Stand entscheiden. Um möglichst gute Führungskräfte heranzubilden, legen sowohl Orwell als auch Platon Wert auf eine gute und qualifizierte Ausbildung, die jedoch nicht alle Klassen der Gesellschaft betrifft, sondern nur den ersten Stand. In Teilen erhält auch die zweite Klasse eine Ausbildung, um ihre Fähigkeiten besser auszuprägen. Ein weiterer gemeinsamer Punkt liegt in den besonderen Auflagen, die die beiden ersten Stände der Gesellschaft erfüllen müssen. Darunter fallen zum Beispiel Eigentumslosigkeit, Eugenik und auch die schon fast bewusste Aus- beziehungsweise Abgrenzung gegenüber dem dritten Stand. Der dritte Stand verfügt demnach über große Freiräume. Dennoch haben auch diese Bürger ihren festen Platz in der Gesellschaft. Sie sind es, die für die materielle Lebensgrundlage zu sorgen haben. Neben diesen Gemeinsamkeiten bestehen jedoch auch Unterschiede, die im starken Gegensatz zueinander stehen. Als einer der wichtigsten ist das Staatsziel zu nennen. Bei Platon lautet es der Eudaimonia des Ganzen zu dienen, was sich dadurch begründen lässt, dass Platons Tugendlehre auf den vier Kardinalstugenden beruht. Diese gilt nicht nur für das Seelenleben des Einzelnen, sondern auch auf Staatsebene und besonders für die Ordnung der drei Stände. Die Doktrin des ozeanischen Staats hingegen ist bloße Fassade. Hinter ihr verbirgt sich der totalitäre Machtanspruch der Staatselite, die ihr Streben nach Macht hinter scheinheiliger Propaganda versteckt. Macht wird als Mittel der Befriedigung gesehen — nicht als Stabilisator des Staats oder der Harmonie in der Gesellschaft. Sie dient lediglich dem Selbstzweck. Hier offenbart sich der wesentliche Unterschied zur Politeia. Dort wird die Macht nicht als ein Gut, sondern vielmehr als eine Bürde gesehen. Um die Stabilität des Staates beizubehalten, ist den Verantwortlichen Ozeaniens jedes Mittel recht, da keine Verbindung zu moralischen Prinzipien besteht. Die ozeanische Methode, die Einheit der Ständeordnung in der Politeia zu zerstören, der Respekt, auf dem die Arbeitsteilung beruht, zu zerstören, wodurch auch die Harmonie der Ständeordnung nicht fortbestehen könnte. Schließlich passiert auch dies in Ozeanien: die beiden separaten Bereiche der Partei sind von den Proles nahezu vollkommen abgespalten. Ein Bereich, der zunächst gemeinsame Strukturen aufzuweisen scheint, ist der Kontrollbereich. Die Stände kontrollieren sich in der Politeia selbst bzw. innerhalb der Stände kontrollieren sie sich gegenseitig und beugen so Problemen vor. In Ozeanien scheint es ähnlich — der Schein kann jedoch trügen. Das Streben nach Macht — das wirkliche höchste Ziel — wirkt sich auch auf die Kontrollbereiche aus. Dadurch entsteht ein Totalitätsanspruch, der sich nicht mit der Politeia vergleichen lässt! Dort kommt es zwar auch zur Anwendung von Täuschungen und Propaganda, jedoch nur in Ausnahmefällen. In Ozeanien hingegen sind sie alltäglich und zeichnen ein allumfassendes Ausmaß. Der Bürger wird nicht nur zum gläsernen Bürger, der Tag und Nacht von Televisoren und Mikrophonen überwacht wird, auch seine Gedanken werden durch die dafür eigene Gedankenpolizei kontrolliert. Die individuelle Freiheit scheint gänzlich abgeschafft, da man der Überwachungsmaschinerie komplett ausgesetzt ist und sich ihr auch nicht entziehen kann. In den Kontrollbereich fallen zudem auch die Zensur von Kunst und Wissenschaft. Während im platonischen Staat nur einige Werke der Zensur unterliegen, wird im OrwelVschen Staat nichts zensiert — Kunst, Literatur und Wissenschaft werden vollkommen ausgelöscht. So bleiben keine Rückstände der Geschichte im System zurück bzw. so erliegt auch die Geschichte der ebenen Kontrolle.
Das fünfte Kapitel beleuchtet die Gefahren, die der platonische Staatsentwurf bergen könnte. Es wird darauf hingewiesen, dass die ähnlichen Strukturen in der Politeia und in 1984 zeigen, wie anfällig der platonische Staatsentwurf ist. Obwohl die Einteilung in die gesellschaftlichen Klassen nach einem rationalen Prinzip erfolgt und auch viel Wert auf die Ausbildung der Regenten gelegt wird, ist in Ozeanien ein totalitäres Machtgebilde entstanden — und kein auf Gerechtigkeit basierender Staat, wie es der platonische Staatsentwurf vorsieht. Einem Machtmissbrauch konnte in 1984 nicht vorgebeugt werden. Auch wenn der Vorgang nicht weiter beschrieben wird, schien er kein unmögliches Unterfangen darzustellen und auch die Tatsache, dass Personen das Verlangen haben, die Macht nur besitzen zu wollen, spricht gegen die Ausbildung der drei Klassen, in der nicht nur die Kontrolle der Triebe gelernt werden soll, sondern auch der Ausbau der tugendspezifischen Fähigkeiten erfolgt. Ein aus dem Machtmissbrauch folgender Schritt ist die Abschaffung der Gewaltenteilung: einzelne Gewalten werden in der Führungselite vereinigt, sodass sie nicht mehr autonom bestehen und eine Machtbegrenzung eines einzelnen Organs nicht vorhanden ist. Damit ist auch der Sinn der Gewaltenteilung — die Sicherung von Freiheit und Gleichheit — nicht mehr gegeben. Durch einige Mängel in der Ausbildung und dem unkontrolliert triebhaften Wesen des Menschen, lässt sich der gerechte Staat in mehreren, nicht unmöglichen Schritten zu einem totalitären Staatsgebilde umfunktionieren. Und auch bei überspitzter Betrachtung und Interpretation des platonischen Menschenbildes offenbaren sich Gefahren. Betrachtet man den Aspekt der Eugenik genauer, könnte man vermuten, dass Platon den idealen Menschen kreieren will und eine bestimmte Ideologie verfolgt. Dem ist jedoch nicht so! Dennoch zeigt auch dieser Punkt in 1984, dass er durchaus negativ interpretierbar ist. Der Mensch als solcher wird zum Instrument der Partei, die ihn systematisch zum idealen Bürger Ozeaniens machen will und dieses Vorhaben zum Beispiel durch konsequente Sprachverarmung oder Gehirnoperationen umsetzt — so wird der Bürger zum idealen Genossen: tapfer: furchtlos: der Partei treu verfallen und nicht in der Lage Unmut in Wonne zu fassen, geschweige denn ihn überhaupt zu empfinden!
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Politeia, 1984, Staatsentwürfe, Systemvergleich, Totalitarismus, Gerechtigkeit, Macht, Eugenik, Ausbildung, Erziehung, Menschenbild, Kontrolle, Überwachung, Freiheit, Gewaltenteilung und die Rezeption des platonischen Staatsentwurfs in George Orwells 1984.
- Citar trabajo
- Silke Fuhrmann (Autor), 2011, Die Rezeption der Politeia in George Orwells "1984" - Ein Systemvergleich, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/191214
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