Aktuell sehen sich die Wirtschaftswissenschaften mit der Herausforderung konfrontiert, ökologische und gesellschaftspolitische, wie anderweitig umweltbedingte Belange mit unternehmerischer Tätigkeit zu vereinen. Denn werden natürliche Ressourcen weiter in dem rasanten Tempo abgebaut, wie es heute geschieht, zerstört dies die Basis der Wirtschaft, unsere Lebensgrundlage und die der nächsten Generationen. Infolgedessen stehen Unternehmen in den nächsten Jahrzehnten vor zahlreichen Herausforderungen: zunehmende Globalisierung, Ressourcenverknappung, Klimawandel, Urbanisierung, Verlust der Biodiversität sowie wachsende Armut. Die Aufmerksamkeit, die diese Frage von Seiten interner und externer Stakeholder bekommt, hat längst dazu geführt, dass die Wahrnehmung ökonomischer, sozialer und ökologischer Verantwortung der Unternehmen zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor geworden ist. Damit wird die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zunehmend auch davon bestimmt, wie sie die drei Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung in der strategischen Unternehmensführung festigen können, um den daraus folgenden unternehmerischen Chancen und Risiken angemessen zu begegnen. Denn bei der Entscheidung der Konsumenten für den Erwerb eines Produkts oder einer Dienstleistung fließt mittlerweile eine Vielzahl von Faktoren ein. Dazu gehören bspw. das Verhältnis des produzierenden Unternehmens zu seinen Mitarbeitern und Geschäftspartnern, die Einhaltung allgemeiner Mindeststandards für Arbeitsbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern, die Umweltauswirkungen unternehmerischer Tätigkeiten sowie die Integration des Unternehmens in das kulturelle und soziale Umfeld. Diese Aspekte spiegeln den Gegenstand dieser Arbeit wieder und sollen unter anderem anhand eines Unternehmensbeispiels der Firma Henkel aufgezeigt werden.
Man kann sagen, dass in den letzten 19 Jahren eine große Anzahl neuer Instrumente und Ansätze für das Nachhaltigkeitsmanagement entwickelt wurden, so dass es auch heute selbst Experten schwer fällt, die Übersicht über diese strategischen Managementansätze, ihre Anwendungsbereiche, Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken zu behalten. Aufgrund der sich immer wieder bildenden Innovationspotenziale aus einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung und damit verbundener Wettbewerbs- und Imagevorteile ist es zu erwarten, dass die unternehmerische Nachhaltigkeit sich weiter entwickeln und in seiner Bedeutung steigen wird.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsanalyse
2.1 Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung
2.1.1 Agenda
2.1.2 Das Drei-Säulen-Modell (Triple Bottom Line)
2.2 Corporate Social Responsibility (CSR)
2.3 Corporate Citizenship (CC)
3 Konzeptionelle Grundlagen nachhaltiger Unternehmensführung
3.1 Nachhaltigkeitsorientierte Wettbewerbsstrategien
3.2 Sustainability Balanced Scorecard (SBSC)
3.3 Nachhaltige Produkt- und Prozessinnovationen
3.4 Die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen durch nachhaltige Unternehmensführung
3.5 Green Economy
4. „Performance based on Sustainability“ - Das Beispiel Henkel
4.1 Kurzvorstellung des Unternehmens
4.2 Henkel und Nachhaltigkeit
4.2.1 Beitrag zu strategischen Prioritäten
4.2.2 Globale Herausforderungen
4.2.3 Fünf Fokusfelder nachhaltigen Handelns
4.2.4 Nachhaltigkeitsbericht
4.3 Die Anforderung an die Wertschöpfungskette
4.3.1 Definition der Wertschöpfungskette
4.3.2 Analyse der Wertkette
5 Bewertung unternehmerischer Nachhaltigkeit
5.1 Bewertungsziel
5.2 Bewertungsmethoden
5.2.1 Sustainable Value Added
5.2.2 PROSA - Product Sustainability Assessment
5.3 Kritische Würdigung
6 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Drei-Säulen-Modell
Abb. 2: The Pyramid of Corporate Social Responsibility
Abb. 3: Nachhaltigkeitsorientierte Wettbewerbsstrategien
Abb. 4: Vorgehen zur Formulierung einer SBSC
Abb. 5: Strategische Prioritäten
Abb. 6: Wertkette
Abb. 7: Die Grundstruktur von PROSA
Abb. 8: Systempyramide mit fünf Ebenen
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Definitionsansätze von Sustainable Development
1 Einleitung
“Nachhaltigkeit. Ein lange belächelter Begriff.
Ein Dreschwort für Gutmenschen.
Nichts sonst. Dachten viele. Und heute?“[1]
Auf die Relevanz des Themas Nachhaltigkeit wurde schon 1987 im Brundtland- Report, veröffentlicht durch die World Commission on Evironment and Development, hingewiesen. Doch spätestens seit dem „Erdgipfel“ 1992 in Rio de Janeiro sehen sich die Wirtschaftswissenschaften mit der Herausforderung konfrontiert, ökologische und gesellschaftspolitische, wie anderweitig umweltbedingte Belange mit unternehmerischer Tätigkeit zu vereinen. Das umwelt- und entwicklungspolitische Leitbild hierfür ist die nachhaltige Entwicklung, welches von Unternehmen in die Unternehmensstrategien integriert werden sollte. Denn werden natürliche Ressourcen weiter in dem rasanten Tempo abgebaut, wie es heute geschieht, zerstört dies die Basis der Wirtschaft, unsere Lebensgrundlage und die der nächsten Generationen. Infolgedessen stehen Unternehmen in den nächsten Jahrzehnten vor zahlreichen Herausforderungen: zunehmende Globalisierung, Ressourcenverknappung, Klimawandel, Urbanisierung, Verlust der Biodiversität sowie wachsende Armut. Wie Unternehmen ihre spezifischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung erkennen und wie sie ihnen begegnen hat in den vergangenen Jahren stark an Essenz gewonnen und soll in dieser Arbeit verdeutlicht werden. Die Aufmerksamkeit, die diese Frage von Seiten interner und externer Stakeholder bekommt, hat längst dazu geführt, dass die Wahrnehmung ökonomischer, sozialer und ökologischer Verantwortung der Unternehmen zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor geworden ist. Damit wird die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zunehmend auch davon bestimmt, wie sie die drei Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung in der strategischen Unternehmensführung festigen können, um den daraus folgenden unternehmerischen Chancen und Risiken angemessen zu begegnen. Denn bei der Entscheidung der Konsumenten für den Erwerb eines Produkts oder einer Dienstleistung fließt mittlerweile eine Vielzahl von Faktoren ein. Dazu gehören bspw. das Verhältnis des produzierenden Unternehmens zu seinen Mitarbeitern und Geschäftspartnern, die Einhaltung allgemeiner Mindeststandards für Arbeitsbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern, die Umweltauswirkungen unternehmerischer Tätigkeiten sowie die Integration des Unternehmens in das kulturelle und soziale Umfeld. Diese Aspekte spiegeln den Gegenstand dieser Arbeit wieder und sollen unter anderem anhand eines Unternehmensbeispiels der Firma Henkel aufgezeigt werden.
In der vorliegenden Arbeit erfolgt zunächst eine Erläuterung zentraler Begrifflichkeiten, die zum besseren Verständnis beitragen sollen. Hierbei werden Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung, die Agenda 21, das Drei-Säulen-Modell, Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship begrifflich voneinander abgegrenzt und definiert. Anschließend wird im dritten Kapitel eine Literaturanalyse vorgenommen, um die konzeptionellen Grundlagen nachhaltiger Unternehmensführung zu verdeutlichen. Geprägt ist dieses Kapitel durch die Erläuterung und Umsetzung nachhaltigkeitsorientierter Wettbewerbsstrategien, Prozess- und Produktinnovationen sowie der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen durch eine nachhaltige Unternehmensführung. Abschließend wird in diesem Kapitel die Green Economy beschrieben, die auf eine Win-win-Situation für Umwelt und Ökonomie abzielt. Im nächsten Schritt steht die nachhaltige Unternehmensführung am Beispiel des Henkel-Konzerns im Fokus dieser Arbeit. Die jährlich erscheinende Nachhaltigkeitsberichterstattung des Unternehmens gilt weltweit als vorbildlich. Das 5. Kapitel widmet sich der Bewertung von Nachhaltigkeit in Unternehmen, da Bewertungsmethoden einen wesentlichen Erfolgsfaktor für die Umsetzung von Nachhaltigkeit darstellen. Die beiden recherchierten Methoden, Sustainable Value Added und Product Sustainability Assessment, werden hier erläutert und finden im Anschluss kritisch Würdigung. Den Abschluss findet diese Arbeit in Kapitel 6 in Form eines Fazits mit Ausblick in die Zukunft.
Methodisch stützt sich die Diplomarbeit auf eine qualitative Literaturanalyse, durch ausschließlich publizierte Texte. Von einer eigenen Datenerhebung wurde dabei abgesehen. Die verarbeiteten Quellen fanden vornehmlich aus englisch- und deutschsprachigen Wissenschaftsmagazinen sowie aus den Bibliotheken der Freien Universität Berlin und der Universität Potsdam Eingang in die Arbeit.
2 Begriffsanalyse
Zwar sind die Begriffe Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Citizenship (CC) ein aktuelles und viel diskutiertes Thema, jedoch herrschen unterschiedlichste Interpretationsformen. Das vorliegende Kapitel dient daher der begrifflichen Klärung von Nachhaltigkeit und soll einen präzisen Überblick sowohl über die Agenda 21 und die Triple Bottom Line als auch über die gesellschaftliche Unternehmensverantwortung (CSR) und das bürgerliche Engagement in und von Unternehmen (CC) geben.
2.1 Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung
Der Ursprung des Nachhaltigkeitsbegriffs ist bereits im Mittelalter im Kontext der europäischen Wald- und Forstwirtschaft zu sehen, wobei er Ende des 18. Jahrhunderts Eingang in die deutsche Forstordnung fand.[2] Zu dieser Zeit zielte Nachhaltigkeit auf eine Optimierung der langfristigen wirtschaftlichen Nutzung der Ressource Holz, durch Beachtung des forstwirtschaftlichen Prinzips, nach dem nicht mehr abgeholzt werden darf als jeweils nachwachsen kann.[3] Die zweite Definition stellt Nachhaltigkeit als eine Wirkung, die über einen längeren Zeitraum anhält, dar.[4] Diese kommt dem weitschweifigen Begriffsverständnis nahe, greift jedoch bei dem geforderten Verständnis der nachfolgenden Arbeit nicht tief genug. Wenn im Folgenden von Nachhaltigkeit bzw. nachhaltiger Entwicklung gesprochen wird, ist die Rede von Nachhaltigkeit als übernommenes Leitbild basierend auf der allgemein anerkannten Definition des Berichts „Our Common Future“, 1987 veröffentlicht durch die 1983 gebildete World Commission on Evironment and Development (WCED) unter dem Vorsitz der damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland:
„Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“[5]
Eine Analyse der einschlägigen Literatur rund um das Thema Sustainability und Sustainable Development hat ergeben, dass verschiedene Adjektive bei der Begriffsübertragung ins Deutsche Verwendung finden. Als die am zahlreichsten verwendeten Übersetzungen von „sustainable“ erweisen sich ,nachhaltig‘, ,zu- kunftsfähig‘, ,tragfähig‘ und ,dauerhaft.[6] Renn & Kastenholz (1996) zeigen, dass es verschiedene Definitionsansätze von nachhaltiger Entwicklung gibt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Definitionsansätze von Sustainable Development
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Renn/Kastenholz (1996), S.88.
Sustainable Development bedeutet:
... eine Entwicklung, welche die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu beschneiden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen;
... ein positiver sozio-ökonomischer Wandel, der die ökologischen und sozialen Systeme nicht schwächt, von denen die Gesellschaft und ihre Teilgruppen abhängig sind;
... eine nachhaltige, auf Dauer angelegte wirtschaftliche und soziale Entwicklung, bei der die natürliche Umwelt und der damit verbundene Kapitalstock an natürlichen Ressourcen so weit erhalten werden müssen, dass die Lebensqualität zukünftiger Generationen gewährleistet bleibt;
... eine Konstanthaltung des natürlichen Kapitalstocks, indem ausschließlich die Zinsen des Naturkapitals aufgebraucht werden dürfen;
... eine Entwicklung, bei der die gesamte Energie von der gegenwärtigen Sonnenkraft gewonnen wird und alle nichterneuerbaren Ressourcen wiederverwendet werden
Wie in Tabelle 1 zu sehen ist, fällt es schwer eine einheitliche Definition der Begrifflichkeit Sustainable Development vorzunehmen, da sich das Leitprinzip von Grund auf aus einem ökologischen, ökonomischen und sozialen Blickwinkel heraus erforschen und interpretieren lässt.[7]
Nichtsdestotrotz hat der Terminus nachhaltige Entwicklung längst seinen Weg aus den Umweltinitiativen und politischen Lagern in die Chefetagen der Wirtschaft gefunden. In allen Bereichen der modernen Wirtschaft wird eine nachhaltige Betrachtungsweise immer wichtiger, denn wer begrenzte Ressourcen effizienter und dadurch auch dauerhafter nutzt ist im Vorteil. Als Auslöser dieser weit verbreiteten unternehmerischen Denkweise wird oft das 1992 ins Leben gerufene Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert betitelt.
2.1.1 Agenda 21
Im Juni 1992 haben die Vereinten Nationen auf der Rio-Konferenz ein weltweites Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert entwickelt. Regierungsvertreter von über 170 Staaten und zwischen 500 und 800 Vertreter verschiedenster Nichtregierungsorganisationen nahmen an der United Nations Conference on Environment and Development teil.[8] Die sogenannte Agenda 21, bestehend aus 40 Kapiteln und 359 Seiten, lässt sich in vier Teile untergliedern:
1. Soziale und wirtschaftliche Dimension
2. Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen für die Entwicklung
3. Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen
4. Mittel zur Umsetzung
Es wird offenbart, dass die Gesellschaft vor gewaltigen Aufgaben steht. Klimawandel, Urbanisierung, Hunger, Armut, Analphabetentum und Krankheit sollen mittels einer globalen Partnerschaft überwunden werden. Folglich nimmt sich die Agenda 21 der einschlägigsten Probleme der heutigen Zeit an und ist gleichzeitig bemüht, die Erde auf die Herausforderungen des kommenden Jahrhunderts vorzubereiten.[9]
„Sie ist [ebenfalls] Ausdruck eines globalen Konsenses und einer auf höchster Ebene eingegangenen politischen Verpflichtung zur Zusammenarbeit im Bereich von Entwicklung und Umwelt.“[10]
Nicht nur die Belastung auf die Umwelt muss reduziert werden, sondern auch die Unterstützung der Mittelschicht muss gewährleistet sein, um in dem Bestreben einer nachhaltigen Entwicklung Erfolge zu verzeichnen, schrieb Sadik (1992) in seinem Artikel „A new development agenda“.[11]
Gemäß Kapitel 28 des Aktionsprogramms sind auch kommunale Initiativen für die Unterstützung der Agenda 21 notwendig. Es wird betont, dass globale Probleme besser auf örtlicher Ebene zu lösen sind und die Kommunen zur Aufgabe haben, einen Konsens zur Bevölkerung aufzubauen, um bei der Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung erfolgreich zu sein. Diesem Appell folgend hat weltweit eine wachsende Zahl von Kommunen eigene Agenda-Prozesse ins Leben gerufen.
2.1.2 Das Drei-Säulen-Modell (Triple Bottom Line)
Durch die hohe Sensibilität für pflichtbewusstes und nachhaltiges Wirtschaften schreiben immer mehr Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung in Ihrer Unternehmensphilosophie groß. Auch die Enquete-Kommission Schutz des Menschen und der Umwelt des 13. Deutschen Bundestages hat erkannt, dass neben der ökologischen auch die ökonomische und soziale Dimension wichtig für eine nachhaltige Entwicklung sind.[12] Hayward (2003) drückte diese Notwendigkeit für Unternehmen wie folgt aus:
„It is not sufficient to judge a corporation's performance merely by the traditional metrics of assets, liabilities, profit and loss. Companies also need to measure their environmental and social performances.”[13]
Hierbei kann sich an der Modellierung einer nachhaltigen Entwicklung, dem Drei-Säulen-Modell, auch Triple Bottom Line genannt, orientiert werden. Das Modell besteht aus drei Dimensionen, die in Wechselbeziehungen bzw. Abhängigkeiten zueinander stehen. Die ökonomische, in der die zentrale Rolle der Privatwirtschaft für die Entwicklung eines Landes beschrieben wird, die ökologische, um das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch und der natürlichen Umwelt abzukoppeln und die soziale Dimension, zur Vermeidung gesellschaftlicher Ausgrenzungen. Dieses „Dreigespann“ bildet den Kern aller Nachhaltigkeitsaktivitäten und soll als Indikator einer nachhaltigen Entwicklung dienen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Drei-Säulen-Modell
Quelle: Eigene Darstellung (2011)
Hinzufügend können die aufgestellten Werte des „Magischen Dreiecks“ in „harte“ und „weiche“ Faktoren unterteilt werden. Bei den „harten“ Faktoren handelt es sich z.B. um die verantwortliche Unternehmensführung (Corporate Governance), Spendenpolitik, Umweltbewusstsein, Stakeholder, Strukturen, Recht und Arbeitsmarkt. Wohingegen die „weichen“ Faktoren, die vergleichsweise schwer zu messen sind, eher Themen betreffen, wie z.B. der Umgang mit den Mitarbeitern und ethische Normen der Geschäftstätigkeit, also um gesellschaftliche, kulturelle, soziopsychologische, ethische und religiöse Rahmenbedingungen. Innerhalb der Gesellschaft erfolgt inzwischen tendenziell eine Verlagerung der Gewichtung von „harten“ und „weichen“ Faktoren. Mit zunehmender Relevanz der „weichen“ Faktoren steigt der Druck, Instrumente zu entwickeln, mit denen diese eruiert werden können. Ein jährlicher Zufriedenheitsindex der Mitarbeiter, anhand dessen eine Zufriedenheitskurve erstellt wird, wäre ein Beispiel für die Bewertung eines „weichen“ Faktors. Das primäre Ziel stellt hierbei die Ermittlung eines eventuellen Verbesserungsbedarfs der Mitarbeiterzufriedenheit dar.[14]
2.2 Corporate Social Responsibility (CSR)
Das Konzept CSR existiert seit über 70 Jahren und wird in vielen Ländern praktiziert.[15] Eine allgemein anerkannte Definition gibt es auf internationaler Ebene bisher nicht. Unlängst ist CSR aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit geraten.[16] Viele Unternehmen haben erkannt, dass die Berücksichtigung von Stakeholder-Interessen essenziell für die Umsetzung der Unternehmensverantwortung ist und dauerhafter ökonomischer Erfolg nicht mehr nur durch kurzfristige Profitmaximierung gewährleistet werden kann. Als Triebkräfte von CSR können folglich die zunehmenden Veränderungen der unternehmerischen Wertschöpfung bezeichnet werden.
Einen ausführlichen Überblick über die konzeptionelle Entwicklung von CSR bieten das Pyramidenmodell nach Archie Carroll und das Grünbuch der Europäischen Kommission. Archie Carroll, von der University of Georgia, war einer der ersten Akademiker, der eine Unterscheidung zwischen den verschieden unternehmerischen Verantwortlichkeiten sah.[17] Seine erste konkrete Definition des Begriffs CSR aus dem Jahre 1979 lautet:
„The social responsibility of business encompasses the economic, legal, ethical and discreationary (philanthropic) expectations that society has of organizations at a given point in time.”[18]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: The Pyramid of Corporate Social Responsibility
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Carroll (1991), S. 42
Mit dieser Modellierung werden der Umfang und die Kategorien der sozialen Verantwortlichkeit abgebildet. Die sogenannte Pyramid of Corporate Social Responsibility besteht aus vier Komponenten, die als zusammenhängend zu betrachten sind. Das Fundament bildet die ökonomische Verantwortlichkeit. Hier stellt die Profitabilität eines Unternehmens das primäre Motiv dar, denn ohne monetäre Mittel kann das gesellschaftliche Handeln nicht realisiert werden. Die Einhaltung geltender gesetzlicher Bestimmungen - „Play by the rules of the game“[19] - wird ebenfalls als fundamental angesehen und beschreibt die nächste Komponente. Ergänzend zu diesen beiden wird als dritte Ebene das moralisch einwandfreie Auftreten gegenüber den Stakeholdern und der Gesellschaft erwartet, um unfaires und ungerechtes Handeln zu vermeiden. Mitarbeiter und Eigentümer eines Unternehmens „sollten anerkannte Verhaltensstandards antizipieren und dabei stets die jeweiligen nationalen wie internationalen gesetzlichen Vorgaben beachten.“[20] Die Spitze der Pyramide bildet die philanthropische Verantwortlichkeit, auch als Corporate Citizenship bezeichnet, welche sich durch das soziale Engagement in verschiedenen Bereichen auszeichnet. Die Gesellschaft wünscht, dass sich die Unternehmen als gute Bürger verhalten und ihren Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Einen detaillierteren Überblick hierzu wird es unter dem Punkt 2.3 geben.
Die Europäische Kommission hat in ihrem 2001 erschienenen Grünbuch „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung von Unternehmen“ CSR folgendermaßen definiert:
„Soziale Verantwortung ist ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren.“[21]
Diese Rahmenbedingungen sollen den Unternehmen einen Denkanstoß geben und das Prinzip der Freiwilligkeit verdeutlichen. Unter sozialer Verantwortlichkeit wird also nicht mehr nur noch die bloße Einhaltung von rechtlichen Bestimmungen verstanden, sondern auch das vermehrte Investieren in Humankapital, in die Umwelt und in die Beziehungen zu anderen Stakeholdern.[22]
2.3 Corporate Citizenship (CC)
Eine zahlreich vorzufindende Übersetzung von CC ist die des bürgerlichen oder gesellschaftlichen Engagements in und von Unternehmen. Die Begrifflichkeit existiert schon seit vielen Jahren, doch gerade in den vergangenen 20 Jahren erhielt der Terminus Einzug in die Sprache der Geschäftswelt. Immer häufiger engagieren sich Unternehmen als „gute Bürger“ für das Gemeinwohl und übernehmen so eine zusätzliche gesellschaftliche Verantwortung. Dieses wird meist als selbstverständlich angesehen und in der Regel nicht mit dem ökonomischen Nukleus des Unternehmens in Verbindung gebracht.[23] In Bezug auf das Handlungsfeld von CC gibt es in der wissenschaftlichen Diskussion noch keine Einigkeit. Crane, Matten und Moon (2008) schrieben, dass CC im Wesentlichen eine andere Bezeichnung für die philanthropische Verantwortung, also der vierten Ebene des Pyramidenmodells (vgl. Abb. 1), ist.[24] In diesem Verständnis nimmt CC demzufolge einen Teilbereich von CSR ein, in den alle Sponsoring- und Spendenaktivitäten sowie die Förderung des freiwilligen altruistischen Einsatzes von Mitarbeitern fallen (Corporate Giving). Des Weiteren kommt die instrumentelle Umsetzungsvariante Corporate Volunteering zum Tragen, bei der z.B. Unternehmen den Einsatz von Personalressourcen für gesellschaftliche Anliegen gewährleisten.[25] Für professionell ausgestaltetes CC ist zudem die strategische Kooperation mit Regierungs- oder Nichtregierungsorganisationen (NRO) charakteristisch, etwa in Form von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften.
3 Konzeptionelle Grundlagen nachhaltiger Unternehmensführung
Die kritische Betrachtung von Profitorientierung und unternehmerischen Aktivitäten ist keineswegs ein neues Phänomen, sondern Kennzeichen einer Entwicklung der vergangenen Jahre. Der Gebrauch des Nachhaltigkeitsbegriffs hat in den letzten Jahrzehnten einen fast inflationären Zuwachs erfahren. Nachhaltige Unternehmensführung, CSR und CC sind zu modischen Schlagwörtern mutiert und zeigen im Bereich der Managementliteratur Präsenz und Handlungsbedarf an.[26] Unternehmen haben zur Kenntnis genommen, dass ihnen von Seiten der Gesellschaft Verantwortung zugeschrieben wird und sie Wege finden müssen, mit den gesellschaftlichen Erwartungen angemessen umzugehen. Durch die zunehmende Globalisierung der Wertschöpfungskette, den wachsenden Einfluss global agierender Unternehmen auf Gesellschaft und Politik und die Erkenntnis, dass der Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Form nicht unbedingt zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beiträgt, hat sich die Stellung der Unternehmen im sozioökonomischen Umfeld entscheidend gewandelt. 51 der weltweit 100 größten wirtschaftlichen Einheiten sind Unternehmen, was verdeutlicht, wie viel Macht ihnen zukommt.[27] Ergänzend veranschaulicht das Beispiel „Demografischer Wandel“, dass Nachhaltigkeit nicht nur staatlich verordnet werden kann, sondern Aufgabe der Wirtschaft und damit der Unternehmen ist.[28] Denn das Investieren durch Unternehmen und das Konsumieren durch Verbraucher entscheiden ebenso über Nachhaltigkeit wie der Staat mit seinen Programmen und Gesetzen.[29]
Durch die Relevanz unternehmerischer Nachhaltigkeit und die positiven Konsequenzen für die Unternehmensführung ist die nachhaltige Entwicklung zu einem bedeutenden Leitbild unternehmerischer Tätigkeiten avanciert.
„In Leitbildern und Grundsätzen kommt die Bedeutung zum Ausdruck, die bestimmten Oberzielen, Strategien und Maßnahmen vom Unternehmen eingeräumt wird.“[30]
Darüber hinaus legen sie die Positionierung des Unternehmens gegenüber den drei Dimensionen (vgl. Kap. 2.1.2) bzw. Herausforderungen fest.[31] Die gleichrangige Stellung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Ebene ist charakteristisch für eine Vielzahl wissenschaftlicher Nachhaltigkeitskonzepte und „folgt der Vision einer Harmonisierbarkeit unterschiedlichster Anforderungen.“[32] Insofern dürfen diese nicht als isoliert betrachtet werden, sondern als vernetztes Konstrukt des Nachhaltigkeitskonzeptes. Als Konkretisierung zum Leitbild der Nachhaltigkeit haben sich auf Seiten der Unternehmen die Leitbilder der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung (CSR) und die des bürgerlichen Engagements in und von Unternehmen (CC) etabliert. Ein wesentlicher Aspekt von CSR und CC ist die Schaffung von Transparenz durch Auskünfte von Unternehmen - ermöglicht u.a. die Unternehmensbewertung (Benchmarking) - und durch einen Dialog mit den Stakeholdern [33]; also externe Kompetenzen nutzen und im Gegenzug Wissen zur Verfügung stellen. Denn zur Lösung komplexer Sachverhalte, mit denen sowohl Politik als auch Wirtschaft konfrontiert werden, kann die Kompetenz einzelner Gruppen nicht ausgeklammert werden. Es müssen folglich Kompetenzen gebündelt werden, um zu einem Ergebnis zu kommen. Die Transparenz von Unternehmen dient ebenfalls als Mittel zur Korruptionsprävention und verhindert allgemein abzulehnende Wirtschaftspraktiken, wie z.B. Bilanzfälschungen oder Geldwäsche.[34] Ein weiteres Kennzeichen unternehmerischer Nachhaltigkeit und der Gegenpol des Shareholder-Value-Ansatzes ist die Stakeholder-Orientierung. Entgegen des Diktums „The Social Responsibility of Business is to Increase its Profits“ von Friedman (1970), in dem er die Profitmaximierung als einziges unternehmerisches Ziel nennt, rückt der Stakeholder-Value vermehrt in den Fokus unternehmerischer Tätigkeiten und erweckt das Bewusstsein für Mitverantwortung.
„[...] meeting the needs of a firm’s direct and indirect stakeholders (such as shareholders, employees, clients, pressure groups, communities etc), without compromising its ability to meet the needs of future stakeholders as well.” [35]
So definieren Dyllick und Hockerts (2002) die Grundlage von Corporate Sustainability und verdeutlichten den wachsenden Einfluss sowie die steigenden Erwartungen wichtiger Anspruchsgruppen. Stakeholder, die sich in interne (z.B. Mitarbeiter oder Eigentümer) und externe Gruppen (z.B. Zulieferer und Kunden) unterteilen lassen, sind solche Institutionen, ohne deren Zuwendung ein Unternehmen nicht existieren könnte. Eine Untersuchung von Schlund (2007), in der die Gewichtung einzelner Anspruchsgruppen beleuchtet wurde, führte zu dem Ergebnis, dass die Nachfrager bzw. Kunden eine überdurchschnittlich hohe Bedeutung (97 Prozent) für unternehmerisches Handeln haben. An zweiter und dritter Stelle werden Mitarbeiter (96 Prozent) und Shareholder (88 Prozent) gesehen.[36] Damit wird das Ergebnis der Untersuchung, dass am Institut für Marketing an der Freien Universität Berlin durchgeführt wurde, bestätigt. Hier wurden mehrere Top-Manager nach der Bedeutung einzelner Stakeholder befragt und auch sie betitelten die Kunden und Eigentümer als wichtigste Anspruchsgruppe. Lediglich die Mitarbeiter wurden bei der von Jeschke (1993) durchgeführten Befragung an sechster Stelle genannt.[37] Wie signifikant die Integration von Zielgruppen, die nachhaltig vorteilhafte Darstellung des Unternehmens und die Stärkung der Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen sind, zeigen heutzutage verschiedene Trendstudien und Prognosen.[38]
Neben der rechtzeitigen Überwindung von Zielkonflikten und der Schaffung von Win-win-Situationen ist es essenziell für eine nachhaltige Unternehmensführung, dass die Organisation von ihren Erträgen „lebt“ und nicht ihre Substanzen „verzehrt“. Ein Beispiel hierfür wären der Aufbau und Erhalt qualifizierter Personalressourcen.[39] Demnach sollten sich alle unternehmerischen Entscheidungen und Handlungen durch betriebswirtschaftliche Langfristorientierung auszeichnen, welche auch die zukünftige Befriedigung der Bedürfnisse aller Stakeholder sicherstellt. Des Weiteren bewegt sich Nachhaltigkeit auf Unternehmensebene im Spannungsfeld zwischen Unternehmensaktivitäten und Gesellschaftsproblemen. Beide Ansatzpunkte sind bedeutsam, denn im Rahmen einer nachhaltigen Unternehmensausrichtung müssen nach innen und außen gerichtete unternehmerische Tätigkeiten berücksichtigt werden. Von Unternehmen wird erwartet, dass sie zunächst einmal ihre „eigenen vier Wände in Ordnung bringen“, bevor sie sich den Nachhaltigkeitsproblemen der Gesellschaft annehmen. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass externe Stakeholder dies als unternehmerische „Pflicht“ ansehen und die Nachhaltigkeitsprobleme der Gesellschaft als Ganzes in den Vordergrund stellen. Aufgrund dessen werden die Leistungen eines Unternehmens von externen Stakeholdern daran bemessen, welchen Beitrag sie zur Bewältigung dominanter Nachhaltigkeitsprobleme der Gesellschaft leisten.[40]
Nach ausgiebiger Literaturrecherche zur nachhaltigen Unternehmensführung wird ersichtlich, dass es sich um ein in Theorie und Praxis aktuelles Thema handelt, welches ein neues unternehmerisches Denken zur Folge hat. Das zunächst gesellschaftspolitische Thema ist zum Leitbild unternehmerischer Tätigkeiten avanciert. Unternehmen werden in Zukunft neben der ökonomischen Dimension intensiver auf den sozialen und ökologischen Sektor achten, um den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden. Ziel ist es, eine Strategie zu schaffen, bei der alle Beteiligten einen für sie akzeptablen Nutzen erlangen (Win-win-Situation). Unternehmen müssen vermehrt die Möglichkeiten der verschiedenen Handlungsfelder erkennen, entsprechend eine Nachhaltigkeitsstrategie konzipieren und in Zukunft zunehmend in die Unternehmensphilosophie implementieren, orientiert an den internen und externen Anspruchsgruppen. Zukünftig werden nämlich nur noch Unternehmen Vertrauen bei den Stakeholdern genießen, die sich dieses Inhaltes annehmen. Jedoch muss das Engagement im Bereich eines vernünftigen Sachverstandes bleiben, denn nach wie vor bildet die Profitabilität eines Unternehmens die Basis für die Umsetzung von gesellschaftlicher Verantwortung (vgl. Kap. 2.2). Was Nachhaltigkeit in Unternehmen letztendlich auszeichnet hat gegenwärtig einen relativ breiten Interpretationsspielraum. Es kann jedoch festgehalten werden, dass nachhaltige Unternehmensführung den Gegenpol zu kurzfristigen Managementansätzen bildet und die folgend aufgeführten Punkte als Kennzeichen von Corporate Sustainability bezeichnet werden können[41]:
Berücksichtigung ökologischer, ökonomischer und sozialer Voraussetzungen, inklusive resultierender Wechselwirkungen und Konsequenzen.
Überwindung von Zielkonflikten und Schaffung von Win-win-Situationen.
Betriebswirtschaftliche Langfristorientierung, die auch die zukünftige Befriedigung der Bedürfnisse unterschiedlichster Stakeholder sicherstellt.
Kein „Verzehr“ der Substanz sondern „Leben“ von den Erträgen. Z.B. Aufbau und Erhalt qualifizierter Personalressourcen, also alle Maßnahmen der Bildung und Qualifikationsvermittlung, der Förderung und beruflichen Weiterentwicklung aller Mitarbeiter unter Berücksichtigung der Entwicklung der organisatorischen Rahmenbedingungen.
Berücksichtigung nach innen und nach außen gerichteter Effekte der unternehmerischen Tätigkeit.
Stakeholder-Orientierung.
Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme, wie z.B. mehr soziale Gerechtigkeit.
3.1 Nachhaltigkeitsorientierte Wettbewerbsstrategien
Wird der Frage nachgegangen, warum sich Unternehmen des Nachhaltigkeitsthemas annehmen, so sind häufig strategische Gründe dafür zu finden. In Strategien, die das Bindeglied zwischen Zielen und Maßnahmen bilden, werden einerseits Aspekte der unternehmerischen Verantwortung und des aufgeklärten Selbstverständnisses, andererseits aber auch Elemente der Ökonomität und Wettbewerbsfähigkeit sowie des Images und der Reputation akzentuiert. Die entsprechende Wahl der Nachhaltigkeitsstrategie ist von verschiedenen Faktoren abhängig, da die Nachhaltigkeitsanforderungen von Branche zu Branche variieren und stark vom Branchen- bzw. Unternehmenskontext beeinflusst werden. Dieser führt letzten Endes zur tatsächlichen Ausprägung einer Nachhaltigkeitsstrategie.[42] Durch die Orientierung der Nachhaltigkeitsstrategien am finanziell bemessenen Unternehmenswert lassen sich drei wettbewerbsstrategische Gründe für ein nachhaltiges Unternehmenshandeln unterscheiden: Zum einen geht es um die Planungssicherheit, bei der die langfristige Absicherung des Unternehmenserfolges aufgrund großer Unsicherheiten im Fokus steht. Zweitens geht es um die Vermeidung von Konflikten mit internen und externen Stakeholdern, dementsprechend um die Sicherung von Akzeptanz und Legitimität. Und es geht drittens um Innovation und Zukunftssicherung, also darum, bestehende Kunden langfristig zu binden und neue Kunden zu generieren. Das Antizipieren und Profitieren von Differenzie- rungs- und Marktpotenzialen kann somit zu Wettbewerbsvorteilen führen.[43] Durch den Einsatz der o.g. nachhaltigkeitsorientierten Wettbewerbsstrategien haben Unternehmen die Chance, ökologische und soziale Nachhaltigkeitspotenziale für ihre ökonomische Tätigkeit zu nutzen. Infolgedessen steht der eigentliche Strategienutzen im Fokus der strategischen Ausrichtung.[44] Je nach Art des Nutzens lässt sich ein entsprechender Strategietyp nach Dyllick und Gminder ableiten:
1. Strategietyp „sicher“: Dieser verfolgt das Ziel der Beherrschung und Verminderung von Risiken.
2. Strategietyp „glaubwürdig“: Der Nutzen hier liegt in der Verbesserung von Unternehmensimage und Unternehmensreputation.
3. Strategietyp „effizient“: Das zentrale Element ist die Verbesserung von Produktivität und Effizienz.
4. Strategietyp „innovativ“: Strebt eine Differenzierung im Markt an.
5. Strategietyp „transformativ“: Die Transformations-Wettbewerbsstrategie verfolgt das Ziel einer nachhaltigen Marktentwicklung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Nachhaltigkeitsorientierte Wettbewerbsstrategien
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gminder (2006), S.102.
Bei den einzelnen Strategietypen handelt es sich um idealtypische Betrachtungen, die in der Praxis meist nicht in Reinform, sondern als Kombination anzutreffen sind. Ergänzend weisen sie einen Trend in der nachhaltigkeitsorientierten Unternehmensentwicklung auf.[45] Verdeutlicht bedeutet dies, dass Unternehmen den Terminus Nachhaltigkeit eingangs defensiv bzw. reaktiv entwickeln und auf diese Weise versuchen, ihren Fortbestand zu sichern. Erst im zweiten Schritt kommt es durch die Entdeckung des Nachhaltigkeitsmanagements zur Entwicklung eines Kostensenkungspotenzials. Darauf basierend werden meist das Potenzial nachhaltigkeitsorientierter Produktdifferenzierung erkannt und innovative Produkte auf dem Markt lanciert. Daher werden die Strategietypen in der Abb. 3 in einer aufeinander aufbauenden Weise dargestellt, wobei der Strategietyp „sicher“ als Fundament eines nachhaltigkeitsorientierten Strategiegebäudes angesehen werden kann. Ohne diese Grundlage werden andere Strategien in Krisenfällen überflüssig oder obskur.[46]
Bei der Strategie „sicher“ ist die aktive Verminderung bzw. Beherrschung von Unternehmensrisiken vorrangige Aufgabe des Nachhaltigkeitsmanagements. Intention ist es, die bestehenden Marktpositionen oder Erfolgspotenziale der Organisation gegenüber Beschränkungen oder Benachteiligungen, die in Form von Handlungs- oder Finanzrisiken drohen, abzusichern. In verschiedenen Branchen und Unternehmen kommt es hier zu einer unterschiedlichen Ausprägung der Risikopotenziale. Diese entstehen für Unternehmen je nach Problemlage in ihrer ökologischen und sozialen Umwelt. Ungelöste Nachhaltigkeitsprobleme sind bspw. Klimaschutz, Mobilität oder Armut.[47]
Durch die steigende Zahl der Interessengruppen, die Ansprüche an ein Unternehmen stellen, weist das Nachhaltigkeitsthema vielfältige Ansatzpunkte für „Glaubwürdigkeitsstrategien“ auf. Diese Glaubwürdigkeit kann als ein bedeutendes Kapital angesehen werden, welches die Zusammenarbeit mit verschiedenen Behörden und den Umgang mit kritischen Situationen vereinfacht. Ziel ist folglich, das Unternehmen vor möglichen Image- und Reputationsverlusten zu schützen. Entsprechende Maßnahmen in risikokritischen Branchen, wie z.B. in der Chemiebranche, sind defensiv ausgerichtet und dadurch sehr stark mit der Risikobewältigungsstrategie verknüpft. In anderen Branchen hingegen, wie z.B. in der Lebensmittelindustrie, ist eine offensive Ausrichtung anzustreben. Diese ist wiederum mit der Marketing- und Kommunikationsstrategie verknüpft, um somit einen Image- und Reputationsaufbau zu forcieren. Das Kernelement dieser nachhaltigkeitsbezogenen Wettbewerbsstrategien ist allerdings der klare Bezug zu den Nachhaltigkeitsproblemen des Unternehmens oder der Branche.[48]
Das primäre Ziel des Strategietyps „effizient“ ist die Verbesserung der Öko- und Sozialeffizienz der internen Prozesse, da sie diverse Verbesserungen der Produktivität im Bereich der Energie- und Ressourceneffizienz ermöglichen. Ökoeffizienz bedeutet, parallel Umweltbelastung und Kosten zu senken, d.h. die anfallenden Kosten- und Umweltbelastungen pro Produkt und/oder Serviceeinheit werden minimiert. Die Sozialeffizienz versucht, die Leistungsfähigkeit und Motivation von Mitarbeitern und Partnern durch eine ausführliche Einbeziehung sozialer Anliegen (z.B. Flexibilisierung von Arbeitsbeziehungen) zu stärken und somit ein entsprechendes Kosteneinsparungspotenzial zu bewerkstelligen. Entsprechende Maßnahmen können an einer Reduktion des Energie- und Materialbedarfs oder durch eine Verringerung des Mitarbeiterbedarfs ansetzen. Der Fokus liegt folglich auf einer Kostensenkung und somit der Ausnutzung von Win-win-Potenzialen zwischen der ökologischen und ökonomischen Dimension. Durch Organisationsoptimierungen in den Bereichen der Produkte, der Unternehmensprozesse und der Managementebene kann ebenfalls eine Verbesserung der Ökoeffizienz erzielt werden. Der Nukleus hier ist eine Integration des Umweltschutzes in die internen Betriebsprozesse. Die Sozialeffizienz berücksichtigt die sozialen Kosten. Diese setzen sich aus Personalaufwand, Steuern und gesetzlichen Sozialleistungen zusammen. Interne Beispiele für die Sozio-Effizienz wären zum einen Organisati- ons- und Personalentwicklungen, die zufriedenere Mitarbeiter zur Folge haben und zum anderen freiwillige Sozialleistungen, die zu günstigeren Lohnabschlüssen führen. Externe Beispiele sind Subventionen für Standortentscheidungen für strukturschwache Regionen oder Steuererleichterungen für bestimmtes soziales Engagement (z.B. Beschäftigung von Behinderten).[49] An den internen und externen Beispielen für Sozialeffizienz wird deutlich, „dass auf der sozialen Seite Win- win-Potenziale schwieriger zu orten und fragwürdiger im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Nachhaltigkeit einzustufen sind.“[50]
Durch eine nachhaltigkeitsorientierte Innovationsstrategie wird versucht eine bewusste Ausrichtung der Produkte und Leistungen an den Kriterien der Nachhaltigkeit zu erreichen. Dies eröffnet Differenzierungsmöglichkeiten gegenüber den Wettbewerbern und schafft einen nachhaltigkeitsorientierten Mehrwert für den Kunden. Soziale und ökologische Produktdifferenzierungen finden wir z.B. in Niedrigenergiehäusern, Biolebensmitteln, Fair Trade Produkten oder Car Sharing.[51] Eine Großzahl der Konsumenten ist leider nicht bereit, die entstehenden Mehrkosten zu tragen, wie die letzte Dekade ergeben hat. Trotzdem können Unternehmen durch das Anbieten eines Zusatznutzens Wettbewerbsvorteile am Markt erlangen. Diese machen sich dann bezahlt, wenn nachhaltigkeitsorientierte Standards zu gesetzlichen Auflagen werden. Ziel der Innovationsstrategie ist daher, sich durch eine klare Differenzierung der Produkte und Dienstleistungen auf den Absatzmärkten zu etablieren. Um qualifizierte Arbeitskräfte zu rekrutieren, kann sich das Unternehmen bspw. als fortschrittlicher Arbeitgeber positionieren oder sozio-ökologische Anleger ansprechen, um sich am Finanzmarkt zu differenzieren. Praktisch wird die Innovationsstrategie durch ein nachhaltigkeitsorientiertes Innovationsmanagement umgesetzt. Der Fokus der Forschungs- & Entwicklungsabteilung sollte dabei stets auf die Bedürfnisse und Funktion, die ein Produkt erfüllt, gelegt werden, um so neue Produkte für den Endverbraucher zu entwerfen. Durch den sogenannten First Mover Effect könnte dies zu neuen Lösungen führen und Wettbewerbsvorteile schaffen. Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Optimierung der Wertschöpfungskette, d.h. es muss während der Herstellungs- (z.B. Kosmetika ohne Tierversuche), Konsum- (z.B. Energiesparlampen) und NachKonsumphase (z.B. leicht und kostengünstig entsorgbare Verbrauchsprodukte) eine Nachhaltigkeitsorientierung berücksichtigt werden. Ebenfalls müssen Kriterien wie die Berücksichtigung relevanter Kundenbedürfnisse, sprich Form, Farbe, Qualität, Funktion etc., mit einbezogen werden.[52]
[...]
[1] Brand et al. (2010), S. 76.
[2] Vgl. Langer (2011), S. 9.
[3] Vgl. Duden (2011)
[4] Vgl. Duden (2011)
[5] Hauff (1987), S. 46.
[6] Vgl. Dyckhoff (2000), S. 79.
[7] Vgl. ibd., S. 81.
[8] Vgl. Taylhardat/Zilinskas (1992), S. 402.
[9] Vgl. Agenda 21, S.4.
[10] Agenda 21, S. 4.
[11] Vgl. Sadik (1993), 6f.
[12] Vgl. Deutscher Bundestag (1998), S. 17.
[13] Hayward (2003), S. 42.
[14] Vgl. Kuhlen (2005), S. 28f.
[15] Vgl. Freeman & Hasnaoui (2011), S. 419.
[16] Vgl. Koch (2010), S. 531.
[17] Vgl., Werther & Chandler (2006), S. 9.
[18] Carroll & Buchholtz (2006), S. 35.
[19] Carroll (1991), S. 42.
[20] Hardtke (2010), S. 42.
[21] Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001), S. 7.
[22] Vgl. ibd., S. 7.
[23] Vgl. Backhaus-Maul et al. (2008), S. 19.
[24] Vgl. Crane et al. (2008), S. 21.
[25] Vgl. Dubielzig/Schaltegger (2005), S. 236.
[26] Vgl. Thul et al. (2007), S. 11.
[27] Vgl. Gminder (2006), S. 91.
[28] Vgl. Linne (2003), S. 27.
[29] Vgl. ibd., S. 27.
[30] Balderjahn (2004), S. 51.
[31] Vgl. Balderjahn (2004), S. 51.
[32] Schrader/Hansen (2001), S. 24.
[33] Vgl. Balderjahn (2004), S. 57.
[34] Vgl. Kuhlen (2005), S. 19.
[35] Dyllick/Hockerts (2002), S. 131.
[36] Vgl. Schlund (2007), S. 76f.
[37] Vgl. Jeschke (1993), S. 75.
[38] Vgl. Käckenhoff (2008), S. 13.
[39] Vgl. Thul et al. (2007), S. 16.
[40] Vgl. Dyllick (2003), S. 237f.
[41] Vgl. Thul et al. (2007), S. 16.
[42] Vgl. Gminder (2006), S. 89.
[43] Vgl. Dyllick (2003), S. 239f.
[44] Vgl. Gminder (2006), S. 101.
[45] Vgl. Dyllick et al. (1997) zit. n. Gminder (2006), S. 101.
[46] Vgl. Gminder (2006), S. 102.
[47] Vgl. Dyllick (2003), S. 268.
[48] Vgl. ibd., S. 269.
[49] Vgl. Gminder (2006), S. 107.
[50] Gminder (2006), S. 107.
[51] Vgl. Dyllick (2003), S. 270.
[52] Vgl. Gminder (2006), S. 107f.
- Citation du texte
- Timo Weber (Auteur), 2012, Nachhaltige Unternehmensführung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/191053
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