In der vorliegenden Arbeit soll der Blick gerichtet werden auf drei „Erscheinungen“: Form, Inhalt und Subjekt.
Bei der Form handelt es sich um eine Gattung – die Gattung der Autobiographie. Was bezeichnet dieser Begriff? Wie ist diese Form beschaffen? Verschiedene Definitionsversuche, unterschiedliche Blickweisen sollen hier zur Sprache kommen. Denn da die Form – mit einer ungenügenden Metapher gesprochen – als Gefäß des Inhaltes benutzt wird, scheint es erhellend, auch Einzelheiten über sie in Erfahrung zu bringen. Schauen wir in diesen Krug der Form, liegt der Inhalt vor uns. Was sehen wir da? Im Falle der Autobiographie geht es um ein Menschenleben, oder doch wenigstens um Ausschnitte daraus. Wir finden Eckpunkte, Daten, Schauplätze, Personen. Aber auch: Auswahl und Deutung. Damit sind wir bei der dritten „Erscheinung“ angelangt, dem Subjekt. Wer spricht hier zu uns über sich selbst, was gibt er unseren Blicken frei, wie tut er dies und warum oder wozu wohl?
Erste Informationen über das schreibende Subjekt gibt uns eine Kurzbiographie aus einem Nachschlagewerk:
„Gertrud von Le Fort. * 11. 10. 1876 Minden (Westf.), † 1. 11. 1971 Oberstdorf.
Hugenottenfamilie. Jugend in Mecklenburg. Stud.: Philos. und Kirchengesch. 1926 in Rom Übertritt zur kath. Kirche. 1918 – 1939 Wohnsitz in Baierbrunn (Isar); Aufenthalte in Italien. Während des 2. Weltkriegs Schweiz. U.a. Mitglied der Bayer. Akad. der Schönen Künste, der Deutschen Akad. für Sprache und Dichtung. Bedeutende deutsche kath. Dichterin, „die Theologin unter den Dichtern unserer Tage“. Lyrikerin, Erzählerin und Essayistin. Erhielt u.a. 1947 den Münchener Literaturpreis, 1948 den Annette – v. – Droste – Hülshoff – Preis, 1953 den Schweizer Gottfried – Keller – Preis. Werke u.a.: Das Schweißtuch der Veronika (Roman, 1928); Der Papst aus dem Ghetto (Roman, 1930); Die Letzte am Schafott (Novelle, 1931)“ (Bertelsmann Lesering Lektorat (Hg.): Autoren in Wort und Bild. Gütersloh, S. 163.)
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theorien der Autobiographie.
2.1. Definitionen
2.2. Elemente der Autobiographie
2.3. Typen der Autobiographie
3. Gertrud von le Forts „Hälfte des Lebens“
3.1. Anmerkungen zum Titel
3.2. Lebendige Form und Subjektivität
3.3. „Dichtung und Wahrheit“
4. Schluß
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der vorliegenden Arbeit soll der Blick gerichtet werden auf drei „Erscheinungen“:
Form, Inhalt und Subjekt.
Bei der Form handelt es sich um eine Gattung – die Gattung der Autobiographie. Was bezeichnet dieser Begriff? Wie ist diese Form beschaffen? Verschiedene Definitionsversuche, unterschiedliche Blickweisen sollen hier zur Sprache kommen. Denn da die Form – mit einer ungenügenden Metapher gesprochen – als Gefäß des Inhaltes benutzt wird, scheint es erhellend, auch Einzelheiten über sie in Erfahrung zu bringen. Schauen wir in diesen Krug der Form, liegt der Inhalt vor uns. Was sehen wir da? Im Falle der Autobiographie geht es um ein Menschenleben, oder doch wenigstens um Ausschnitte daraus. Wir finden Eckpunkte, Daten, Schauplätze, Personen. Aber auch: Auswahl und Deutung. Damit sind wir bei der dritten „Erscheinung“ angelangt, dem Subjekt. Wer spricht hier zu uns über sich selbst, was gibt er unseren Blicken frei, wie tut er dies und warum oder wozu wohl?
Erste Informationen über das schreibende Subjekt gibt uns eine Kurzbiographie aus einem Nachschlagewerk:
„Gertrud von Le Fort. * 11. 10. 1876 Minden (Westf.), † 1. 11. 1971 Oberstdorf. Hugenottenfamilie. Jugend in Mecklenburg. Stud.: Philos. und Kirchengesch. 1926 in Rom Übertritt zur kath. Kirche. 1918 – 1939 Wohnsitz in Baierbrunn (Isar); Aufenthalte in Italien. Während des 2. Weltkriegs Schweiz. U.a. Mitglied der Bayer. Akad. der Schönen Künste, der Deutschen Akad. für Sprache und Dichtung. Bedeutende deutsche kath. Dichterin, „die Theologin unter den Dichtern unserer Tage“. Lyrikerin, Erzählerin und Essayistin. Erhielt u.a. 1947 den Münchener Literaturpreis, 1948 den Annette – v. – Droste – Hülshoff – Preis, 1953 den Schweizer Gottfried – Keller – Preis. Werke u.a.: Das Schweißtuch der Veronika (Roman, 1928); Der Papst aus dem Ghetto (Roman, 1930); Die Letzte am Schafott (Novelle, 1931)“[1]
Die Schrift, die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt, erschien unter dem Titel „Hälfte des Lebens. Erinnerungen“ im Jahre 1965 beim Münchener Ehrenwirth Verlag. Die Dichterin selbst bezeichnete sie als „stille Rechenschaft, die ich vor mir selbst ablege“ und als „Erinnerungen, die ich hier für mich selbst und meine persönlichen Freunde aufschreibe“[2]
Da der Leser in diesem Moment gleichsam in die Schar ihrer Freunde aufgenommen wird, indem er Anteil an ihrem Leben nehmen darf, ist zu hoffen, daß dies mit der gebührenden Ehrfurcht (sozusagen auf Zehenspitzen) vor einem Menschen geschieht, der „die Stille und Zurückgezogenheit geliebt“[3] hat und der „der Überzeugung [war], daß alles Wesentliche im Leben eines Menschen und eines Dichters der schützenden Hülle einer gewissen Verborgenheit bedarf“.[4]
2. Theorien der Autobiographie
2.1.Definitionen
Aus der Vielzahl der existierenden Definitionen für den Begriff „Autobiographie“ sollen hier nur einige ausgewählt werden, um einen ersten Blick auf das Thema zu gewinnen. Dabei sei gleich auf die Tatsache hingewiesen, daß es nicht möglich ist, eine letztgültige Definition zu formulieren. Exemplarisch mag hier ein Zitat von Hans Rudolf Velten als Beleg dienen: „Eine normative Definition ist aber [...] hauptsächlich aufgrund des multiplen Gattungsfeldes und des Formenwandels, den die Autobiographie im Laufe ihrer Entwicklung durchgemacht hat, nicht zu leisten“.[5]
Der Begriff „Autobiographie“ stammt aus dem Griechischen und ist aus den Wörtern „autos“ (selbst), „bios“ (Leben) und „graphein“ (schreiben) zusammengesetzt. Die kürzeste Übertragung ins Deutsche wäre demnach „die schriftliche Darstellung des eigenen Lebens“. Aufgrund der Aspekte der Schriftlichkeit und der ästhetischen Gestaltung werden solche Dokumente zur Literatur gerechnet, wobei jedoch der Aspekt der Fiktionalität schon ein Problem darstellt. So kann der Begriff auch eine umfassendere, außer-literarische Bedeutung annehmen, wie H. R. Velten formuliert: „Heute ist ‚Autobiographie‘ ein gängiger, umfassender Begriff für alle denkbaren literarischen und nicht-literarischen Formen der Lebensbeschreibung und der Selbstdarstellung geworden. Trotzdem haftet ihm auch die modellhafte Vorstellung einer auf die Entwicklung der Persönlichkeit konzentrierten Lebensbeschreibung an.“[6] Velten betrachtet die Autobiographie vor allem unter pragmatischen Gesichtspunkten: „Sie kann generell als eine Form sprachlichen Handelns, als eine Kommunikationsstruktur verstanden werden“.[7] Ähnlich argumentiert auch Jürgen Lehmann, wenn er sagt: „Autobiographie ist eine Textart, durch die ihr Autor in der Vergangenheit erfahrene innere und äußere Erlebnisse sowie selbst vollzogene Handlungen in einer das Ganze zusammenfassenden Schreibsituation sprachlich in narrativer Form so artikuliert, daß er sich handelnd in ein bestimmtes Verhältnis zur Umwelt setzt.“[8]
Was der Autor beim Verfassen seiner Lebensbeschreibung vor allem leistet, ist das Ordnen von einer Vielfalt von Erfahrungen in bestimmte Schemata: „Das Leben wird zur homogenen, universalen Form verschriftlicht, die die zahllosen und unendlich vielfältigen Aspekte der subjektiven Vergangenheit in ein rationales Schema ordnet.“[9]
Bernd Neumann definiert den Begriff „Autobiographie“ in Abgrenzung zu dem der Memoiren. So schreibt er: „Wenn die Memoiren das Ergehen eines Individuums als Träger einer sozialen Rolle schildern, so beschreibt die Autobiographie das Leben des noch nicht sozialisierten Menschen, die Geschichte seines Werdens und seiner Bildung, seines Hineinwachsens in die Gesellschaft.“[10]
Schließlich ist noch zu beachten, daß eine sprachliche Handlung immer in einem bestimmten Umfeld geschieht und auch ihr Inhalt keineswegs zusammenhanglos dasteht: „Erinnerungen können nur im Kontext der individuellen Entwicklung und der relevanten gesellschaftlichen Bezüge thematisiert werden.“[11]
[...]
[1] Bertelsmann Lesering Lektorat (Hg.): Autoren in Wort und Bild. Gütersloh, S. 163.
[2] Gertrud von le Fort: Hälfte des Lebens. Erinnerungen. München: 31965, S 6.
[3] Hälfte des Lebens, S. 5.
[4] ebd.
[5] Hans Rudolf Velten: Das selbst geschriebene Leben. Heidelberg: 1995, S. 6.
[6] Velten, S. 9.
[7] ebd., S. 18.
[8] Jürgen Lehmann: Bekennen-Erzählen-Berichten. Tübingen: 1988, S. 36.
[9] ebd., S. 235.
[10] Bernd Neumann: Identität und Rollenzwang. Frankfurt/Main: 1970, S. 25.
[11] Ortrun Niehammer: Autobiographien von Frauen im 18. Jahrhundert. Tübingen: 2000, S. 41.
- Quote paper
- Mirjam Krapoth (Author), 2001, Gelebte Dichtung - gedichtetes Leben, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19083
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