Im Jahr 1945 erschien Sir Karl Poppers Buch „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde I – Der Zauber Platons“ in der ersten Auflage unter dem Originaltitel „The Open Society and Its Enemies, I. The Spell of Plato“. Bis heute gilt es als eines seiner bekanntesten Werke. In diesem Band konzentriert er sich auf Platon und dabei vor allem auf dessen Gerechtigkeitsbegriff. Im zweiten Band folgen Abhandlungen zu den Staatstheorien bei Hegel und Marx. Allen drei Philosophen wirft Popper dabei vor, geschlossene und totalitäre Staatssysteme zu entwerfen und für deren Entstehung folglich mitverantwortlich zu sein. Diesen stellt er seinen Entwurf einer offenen Gesellschaft entgegen, welcher vor allem dadurch gekennzeichnet ist, dass er in seiner Struktur anpassungsfähig bleibt und somit dem Volk im Rahmen von Kommunikation und Konsens die Ausgestaltung der Staatsstruktur dauerhaft ermöglicht. Die Suche nach einer festen und perfekten Struktur gibt er dabei zugunsten der demokratischen Organisation auf.
Im Jahr 1945 erschien Sir Karl Poppers Buch „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde I - Der Zauber Platons“ in der ersten Auflage unter dem Originaltitel „The Open Society and Its Enemies, I. The Spell of Plato“. Bis heute gilt es als eines seiner bekanntesten Werke. In diesem Band konzentriert er sich auf Platon und dabei vor allem auf dessen Gerechtigkeitsbegriff. Im zweiten Band folgen Abhandlungen zu den Staatstheorien bei Hegel und Marx. Allen drei Philosophen wirft Popper dabei vor geschlossene und totalitäre Staatssysteme zu entwerfen und für deren Entstehung folglich mitverantwortlich zu sein. Diesen stellt er seinen Entwurf einer offenen Gesellschaft entgegen, welcher vor allem dadurch gekennzeichnet ist, dass er in seiner Struktur anpassungsfähig bleibt und somit dem Volk im Rahmen von Kommunikation und Konsens die Ausgestaltung der Staatsstruktur dauerhaft ermöglicht. Die Suche nach einer festen und perfekten Struktur gibt er dabei zugunsten der demokratischen Organisation auf.
Die hier vorliegende deutsche Ausgabe von 1957 (mit einem Vorwort von 1955) widmet er dem 150sten Todestag Immanuel Kants. Dessen aufgeklärtes Menschenbild und seine daraus abgeleitete Idee der Mündigkeit finden sich in Poppers Gedanken wieder.
Im Laufe seines Lebens (1902 - 1994) war Popper Zeuge einiger der schrecklichsten Gräuel der Menschheitsgeschichte geworden. Das Buch entstand in den Jahren 1938 - 1943 in Christchurch (Neuseeland). In dieser Zeit erlebte die Welt eine totalitäre Diktatur in Deutschland und den Weltkrieg, den diese entfachte. Entsprechend ist das Buch durchaus als Versuch zu sehen vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland die Gründe für das Entstehen solcher Systeme zu begreifen, die Wurzeln dieses Denkens zu untersuchen und Wege hinaus aufzuzeigen. Eine der Wurzeln für einen totalitären Staat wie diesen sieht Popper in Platons Gerechtigkeitsbegriff. Hinter diesem stehe „im Grunde sein Verlangen nach einer totalitären Klassenherrschaft und sein Entschluss, diese herbeizuführen.“(S. 194)
Platons Gerechtigkeitsbegriff in der Politeia greift auf individueller und gemeinschaftlicher Ebene. Sie ist Ausdruck einer inneren Unaufgeregtheit der Seele, die sich einstellt, wenn Mut, Verstand und Begehren als die Teile einer Seele in sich und zueinander in Balance sind. Diese Idee wird später von Epikur zum Begriff der Ataraxie weiterentwickelt.
Platon erkennt im Staat analog zu den Seelenteilen drei Bevölkerungsteile wieder. Die Basis ist dabei der mit Besonnenheit assoziierte Erwerbsstand der Bauern und Handwerker. Der darüberstehende Wächterstand verkörpert die Tapferkeit und den Philosophenherrschern weist er die Weisheit zu. Die Gerechtigkeit ist es, die den Staat ordnet und dem Individuum seinen Platz im Staat gibt, für den er am besten geeignet ist und mit dem Erfüllen seiner zugewiesenen Aufgabe den perfekten Staat ermöglicht. Denn sie gebietet, dass "jeder einzelne nur einen öffentlichen Beruf in der Stadt ausüben soll, nämlich den, zu welchem seine Natur am besten geeignet ist" (Pol. IV 432e).
Entsprechend findet sich in der Politeia die Definition der Gerechtigkeit, dass jeder das Eigene und Seinige hat und tut (Pol. IV 434).
In dieser Sicht auf die Gerechtigkeit finden sich eine Ungleichheit des Menschen in seinen Fähigkeiten und ein naturgemäßer Platz für jeden innerhalb der Gesellschaft. Diese Ungleichheit gipfelt im Stand der Philosophenherrscher, die allein über die Weisheit verfügen die Ideen hinter den Welterscheinungen zu erkennen. Wie im Höhlengleichnis wäre der noch immer Angebundene nicht fähig die Erklärungen desjenigen zu verstehen, der außerhalb der Höhle in die Sonne geblickt hat zu verstehen und würde ihn vermutlich gewaltsam zum Schweigen bringen. Weisheit ist eine elitäre Tugend für Platon. Entsprechend ist es gerecht und natürlich, dass der Staat von einer kleinen Elite geführt wird, deren Handlungen nach den Ideen vom beherrschten Volk nicht nachvollzogen werden kann. Ebenso ist begründbar, dass ein elitäres Volk oder eine Rasse über die anderen gebietet. Die Gründe für die Herrschaft sind dabei nur von den Herrschenden einsehbar und es liegt in der Natur der Beherrschten dies nicht zu verstehen. Die Kopplung der Ideenlehre mit der angeborenen Tugendhaftigkeit des Menschen ermöglicht eine kritische Auslegung Platons bezüglich Diktaturen. Die Dualität von Abbildern und Urbildern kann durch Anamnese (Erinnerung an einen vorkörperlichen Zustand im Reich der Ideen) der ewigen und unveränderlichen Urbilder und ihre Verknüpfung mit der Sinneswahrnehmung der gegenständlichen und vergänglichen Abbilder nur durch Vernunft und Verstand, also Weisheit, vollständig erkannt werden. Über diese Fähigkeit verfügt jedoch, wie bereits erwähnt, nur ein Teil der Menschheit. Da das Wissen nun aber auch nur ihnen zusteht und niemandem sonst, muss der Plan hinter einer Tat oder einem Krieg nicht allen kommuniziert werden. Die unwissende Mehrheit im Gegenteil durch die Gerechtigkeit sogar dazu aufgerufen besonnen und tapfer den Plan umzusetzen von dem sie nichts wissen (können). In diesem Sinne ist das Zitat Poppers zum Zusammenhang totalitärer Herrschaft und Gerechtigkeit bei Platon wohl zu verstehen. An einer Stelle in Platons Text, die Popper auch dem ersten Kapitel der vierten Auflage von 1975 voranstellt, ist es vor allem das Führerprinzip und das Ziel die Individuen der Gesellschaft von der Eigenständigkeit wegzubringen, die Poppers These sehr deutlich unterstützt. Auch die Forderung die Kinder von den leiblichen Verwandten zu trennen und im Sinne ihrer Position im Staat uniform zu erziehen unterstützt die Kritik Poppers. Der Umgang mit behinderten Säuglingen und ungewollten, bzw. überzähligen Kindern wird bei Platon wie zu dieser Zeit durchaus üblich mit Absonderung umschrieben. Diese Praxis der Kindstötung findet sich auch in späteren Epochen, nur ist es hier das systemische und berechnende Element, welches als Basis für die menschenverachtende Eugenik während der Nazidiktatur gelten kann.
- Citation du texte
- Martin Lobitz (Auteur), 2011, Betrachtung der Kritik Poppers an Platons Gerechtigkeitsbegriff, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190836