In der vorliegenden kulturwissenschaftlichen Arbeit wird ein umfassender Vergleich zwischen den Erinnerungskulturen Spaniens in Bezug auf die Franco-Diktatur (1939 – 1975) und Deutschlands in Bezug auf die DDR (1949 – 1990) gezogen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Erinnerung an die 1990 zu Ende gegangene DDR sich schon an der Schwelle zur Vergangenheitsbewahrung befindet, d.h. die aktive Auseinandersetzung mit dem SED-Staat scheint in Deutschland weitgehend abgeschlossen zu sein, während in Spanien um die franquistische Vergangenheit – obwohl Diktator Francisco Franco bereits Ende 1975 starb – noch heftige Kämpfe ausgefochten werden, sich das Land also mitten in der Vergangenheitsbewältigung befindet. Allerdings soll es vordergründig nicht darum gehen, den ´Fortschritt´ des jeweiligen Umgangs mit der vergangenen Diktatur zu beurteilen, sondern anhand verschiedener Parameter einen differenzierten Einblick in das jeweilige kollektive Gedächtnis zu gewinnen und einen thematisch-inhaltlichen Vergleich zu ermöglichen. Durch die Kontrastierung soll ein tieferes Verständnis für die Eigenart der jeweiligen Erinnerung gewonnenen und Parallelen und Unterschiede herausgearbeitet werden. Abschließend ist auch zu bewerten, wie es um das Potential der derzeitigen kollektiven Erinnerung für ein nachhaltiges Fortwirken im kulturellen Gedächtnis der jeweiligen Gesellschaft bestellt ist.
Inhaltverzeichnis
1 Die Bedeutung der kollektiven Erinnerung
2 Erinnerungstheorien und –methodik
2.1 Jan und Aleida Assmann: Das kulturelle Gedächtnis
2.2 Harald Welzer: Das soziale Gedächtnis
2.3 Pierre Nora: Erinnerungsorte
2.4 Astrid Erll: Die Rhetorik der Erinnerung
3 Erinnerungskultur
4 Die Forschung zur Erinnerung an DDR und Franco-Regime
4.1 Deutschland
4.2 Spanien
4.3 Kritik und Vergleich
5 Der Übergang in die Demokratie
5.1 Die Wende
5.2 Die transición
6 Die Erinnerungskulturen im Vergleich
6.1 Dynamik der Entwicklung und besondere Phänomene
6.1.1 Vom eifrigen Blick in die Stasi-Akten zu Ostalgie und Verblassen
6.1.2 Vom pacto de olvido zur recuperación de la memoria und ola de recuerdo
6.1.3 Kritik und Vergleich
6.2 Politische und strafrechtliche Aufarbeitung
6.2.1 In Deutschland
6.2.2 In Spanien
6.2.3 Kritik und Vergleich
6.3 Wissenschaft
6.3.1 DDR
6.3.1.1 Stand der Forschung
6.3.1.2 Institutionen
6.3.2 Spanien
6.3.2.1 Stand der Forschung
6.3.2.2 Institutionen
6.3.3 Kritik und Vergleich
6.4 Die Bedeutung der privaten Initiativen
6.4.1 In Deutschland
6.4.2 In Spanien
6.4.3 Kritik und Vergleich
6.5 Die Rolle im Geschichtsunterricht
6.5.1 In Deutschland
6.5.2 In Spanien
6.5.3 Kritik und Vergleich
6.6 (Dis)kontinuität der Diktatur-Symbolik im öffentlichen Raum
6.6.1 In Deutschland
6.6.2 In Spanien
6.6.3 Kritik und Vergleich
6.7 Gedenkstätten, Ausstellungen und Museen
6.7.1 In Deutschland
6.7.2 In Spanien
6.7.3 Kritik und Vergleich
6.8 Konzentrierte Erinnerung: Gedächtnisorte
6.8.1 In Deutschland
6.8.1.1 Die Stasi
6.8.1.2 Die Mauer
6.8.1.3 Der Trabbi
6.8.1.4 Wolf Biermann
6.8.2 In Spanien
6.8.2.1 Guernica
6.8.2.2 El Valle de los Caídos
6.8.2.3 Seat 600
6.8.2.4 Manuel Vázquez Montalbán
6.8.3 Kritik und Vergleich
6.9 Der Blick zurück im Kino
6.9.1 In Deutschland
6.9.2 Beispiel Das Leben der Anderen
6.9.2.1 Die Form der Erinnerung im Film (nach Erll)
6.9.2.2 Rezeption im Kontext der zeitgenössischen Erinnerungskultur
6.9.3 In Spanien
6.9.4 Beispiel Salvador Puig Antich
6.9.4.1 Die Form der Erinnerung im Film (nach Erll)
6.9.4.2 Rezeption im Kontext der zeitgenössischen Erinnerungskultur
6.9.5 Kritik und Vergleich
7 Fazit und Ausblick
8 Literaturverzeichnis
«The past is never dead. It´s not even past.»
(William Faulkner, 1897 – 1962)
1 Die Bedeutung der kollektiven Erinnerung
Die Beschäftigung mit Erinnerung und Gedächtnis in den Geisteswissenschaften hat Konjunktur, man könnte von einem regelrechten Boom sprechen. Angesichts einer Vielzahl von Veröffentlichungen in diesem Bereich in den vergangenen Jahren mag sich manch einer fragen, ob das Thema mittlerweile nicht schon ausreichend beleuchtet worden ist und sich ein nicht zu stoppender Selbstläufer entwickelt hat. Kritik dieser Art kann allerdings mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen in vielen postdiktatorischen Staaten eindeutig zurückgewiesen werden. Tatsächlich handelt es sich bei kollektiver Erinnerung eben nicht um Wissenschaft im Elfenbeinturm, sondern um ein Thema mit höchster gesellschaftlicher Relevanz.
„Die Erinnerungskultur einer Gesellschaft ist der Spiegel ihrer Gegenwart. Aktuelle Erfahrungslagen und Erinnerungsinteressen bestimmen den Umgang mit der Vergangenheit“[1]
In vielen heutigen Demokratien mit diktatorischer Vergangenheit, sind die Unrechtsregime zwar schon lange beendet, doch ´die Gespenster der Vergangenheit´ führen auch heute noch und immer wieder zu Debatten, erbitterten Kämpfen oder werden schlichtweg als Argumentationshilfe für aktuelle Konflikte missbraucht. Schließlich wird in der Aufarbeitung einer diktatorischen Vergangenheit auch eine Art Gradmesser für die demokratische ´Reife´ einer Gesellschaft gesehen und die Auseinandersetzung um die Deutung dieser Geschichte und deren Ergebnisse bestimmen in hohem Maß die aktuelle und künftige kollektive Identität.
„Die Strategien des Erinnerns und Vergessens modellieren nämlich die hegemonialen Geschichtsbilder, die zeitgeschichtlichen Erinnerungsorte, Mythen und Meistererzählungen, die die nationale oder auch regionale Selbstwahrnehmung des Landes prägen und damit einen wichtigen Teil seiner politischen Kultur ausmachen.“[2]
Vor allem wenn größere Gruppen der jeweiligen Gesellschaft nicht mit dem vorherrschenden Gedenkdiskurs einverstanden sind, entstehen Konflikte. Es kann aber auch lediglich sein, dass aktuelle Entwicklungen verdrängte Erinnerungen wachrufen und entsprechende Vergleiche gezogen werden oder eine neue Politik, neue zivilgesellschaftliche Bewegungen oder kulturelle Ereignisse eine (veränderte) Betrachtung der Vergangenheit einfordern. Deutlich wird damit aber in jedem Fall die hohe Relevanz der scheinbar abgeschlossenen Vergangenheit für die Gegenwart. Am deutlichsten treten Prozesse dieser Art wohl derzeit in Spanien, Polen und Argentinien zu Tage.
In Spanien führte ein Gesetzesvorhaben (Ley de Memoria Histórica) zum Umgang mit der franquistischen Diktatur zu heftigen Debatten, zugleich wurde die Vergangenheit in der hochexplosiven Diskussion um die Behandlung der ETA bemüht. In dem Streit kommen die alten Gegensätze mit der typischen Rhetorik der Diffamierung der Gegner (egal welcher Seite) als fascistas und der öffentlichen Beschwörung der franquistischen Ideologie (Spanien als nación únida y católica) in Demonstrationen hoch, d.h. die Vergangenheit wird durch die aktuelle Diskussion gedeutet.[3] In Polen spaltet derzeit der Streit über ein sogenanntes ´Durchleuchtungs´-Gesetz die Gesellschaft, mit dem künftig die Verstrickung in das kommunistische System von einer Vielzahl von Bürgern offengelegt und mit entsprechenden Sanktionen belegt werden soll. Nachdem das Verfassungsgericht eine entsprechende Regelung als in weiten Teilen als verfassungswidrig erklärte, will der polnische Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski sogar eine Verfassungsänderung durchsetzen.[4] In Argentinien wurde das Verschwinden des Hauptbelastungszeugen im ersten Prozess gegen einen Folterer der Militärdiktatur zu einem ernstzunehmenden Testfall der Aufarbeitung der tragischen Geschichte und der Stabilität der heutigen Demokratie. In dem Land wurde befürchtet, dass die früheren Mächtigen der Militärdiktatur die Bürger so einschüchtern werden, dass keine weiteren Zeugenaussagen und somit keine Verurteilungen der Verantwortlichen möglich sind.[5] Aber auch in Ländern, deren Vergangenheit scheinbar weniger Zündstoff für die Gegenwart birgt, werden lange zurückliegende Zeiten ans Licht gezerrt. So evoziert das Desaster des zweiten Irakkriegs in den USA unablässig Vergleiche mit dem traumatischen Vietnamkrieg und befördert so diesen Teil der Geschichte noch stärker in den Vordergrund des kollektiven Gedächtnisses. In Deutschland holten die Gegner des Vorstoßes von Ministerin Ursula von der Leyen in der heftigen Diskussion um das Familienbild und Krippenplätze das (vermeintliche) Schreckbild der DDR-Kinderbetreuung hervor. All diese Beispiele sind aber nur ein kleiner Teil oder ein Indiz für ein umfassendes, komplexes und sich im Prozess befindliches kollektives Gedächtnis der jeweiligen Gesellschaft.
In der vorliegenden kulturwissenschaftlichen Arbeit soll versucht werden, einen möglichst umfassenden Vergleich zwischen den Erinnerungskulturen Spaniens in Bezug auf die Franco-Diktatur (1939 – 1975) und Deutschlands in Bezug auf die DDR (1949 – 1990) zu ziehen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Erinnerung an die 1990 zu Ende gegangene DDR sich schon an der Schwelle zur Vergangenheitsbewahrung[6] befindet, d.h. die aktive Auseinandersetzung mit dem SED-Staat scheint in Deutschland weitgehend abgeschlossen zu sein, während in Spanien um die franquistische Vergangenheit – obwohl Diktator Francisco Franco bereits Ende 1975 starb – noch heftige Kämpfe ausgefochten werden, sich das Land also mitten in der Vergangenheitsbewältigung befindet. Allerdings soll es vordergründig nicht darum gehen, den ´Fortschritt´ des jeweiligen Umgangs mit der vergangenen Diktatur zu beurteilen, sondern anhand verschiedener Parameter einen differenzierten Einblick in das jeweilige kollektive Gedächtnis zu gewinnen und einen thematisch-inhaltlichen Vergleich zu ermöglichen. Durch die Kontrastierung soll ein tieferes Verständnis für die Eigenart der jeweiligen Erinnerung gewonnenen und Parallelen und Unterschiede herausgearbeitet werden. Abschließend ist auch zu bewerten, wie es um das Potential der derzeitigen kollektiven Erinnerung für ein nachhaltiges Fortwirken im kulturellen Gedächtnis der jeweiligen Gesellschaft bestellt ist.
2 Erinnerungstheorien und –methodik
Die kulturwissenschaftliche Gedächtnisforschung, die Disziplinen wie die verschiedenen Philologien, Geschichte, Soziologie, Psychologie und Politikwissenschaft mit einbezieht, baut auf den frühen Konzepten von Maurice Halbwachs und Aby Warburg aus den 20er Jahren auf. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Weiterentwicklungen und Ausdifferenzierungen zur soziokulturellen Dimension des Erinnerns in verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen geleistet. Zu den zentralen Protagonisten auf diesem Feld zählen im deutschsprachigen Raum die Wissenschaftler Pierre Nora, Jan und Aleida Assmann und Harald Welzer. Ihre Überlegungen sollen im Folgenden als theoretische Grundlagen der sich anschließenden Analyse vorgestellt werden.
2.1 Jan und Aleida Assmann: Das kulturelle Gedächtnis
Aufbauend auf dem Konzept der sozialen Bedingtheit des Gedächtnisses von Maurice Halbwachs haben Jan und Aleida Assmann in mehreren Arbeiten eine differenzierte Begrifflichkeit des kollektiven Gedächtnisses dargestellt. Halbwachs hatte erstmals den Fokus auf den sozialen Bezugsrahmen des Erinnerns gelenkt, also das Gedächtnis der Gruppe als Bedingung der individuellen Erinnerung. Nach Halbwachs gibt es kein individuelles Gedächtnis ohne die Orientierung, die der Bezug auf eine soziale Gruppe bietet. Die sozialen Rahmen (cadres sociaux) machen die Erinnerung eines jeden einzelnen Menschen möglich und organisieren sie. Durch den Austausch mit anderen Menschen und Interaktion mit Medien entstehen die Inhalte des kollektiven Gedächtnisses, der Wissens- und Erfahrungsschatz einer Gruppe. Erinnert wird das, was das soziale Umfeld als erinnerungswürdig erachtet. So wird mit dem kollektiven Gedächtnis die Gruppenidentität gestützt und das Gedächtnis der einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft geformt.[7] Halbwachs macht bei seinen Überlegungen allerdings beim Kollektiv der Gruppe halt, Assmann führt die Theorie auf die Ebene der Nation weiter. Er setzt die Elemente Gedächtnis, soziale Gruppen und Kultur miteinander in Verbindung. Für seine Theorie trennt er Halbwachs kollektives Gedächtnis in zwei Bereiche. Auf einer Skala stehen sich als zwei Pole kommunikatives und kulturelles Gedächtnis gegenüber. Das kulturelle Gedächtnis hat Assmann zunächst definiert als
„Sammelbegriff für alles Wissen, das im spezifischen Interaktionsrahmen einer Gesellschaft Handeln und Erleben steuert und von Generation zu Generation zur wiederholten Einübung und Einweisung ansteht.“[8]
Mit dieser Einordnung trennt Assmann das kulturelle Gedächtnis sowohl einerseits vom kommunikativen Gedächtnis ab, als auch von der Geschichtswissenschaft andererseits. Um den Sammelbegriff des kulturellen Gedächtnisses vollständig zu verstehen, ist es notwendig kurz auf sein Gegenstück, das kommunikative Gedächtnis einzugehen. Dieses zeichnet sich laut Assmann „durch ein hohes Maß an Unspezialisiertheit, Rollenreziprozität, thematische Unfestgelegtheit und Unorganisiertheit“[9] aus. Im Vergleich zum kulturellen Gedächtnis wird das kommunikative Gedächtnis als eine Art Kurzzeitgedächtnis der Gesellschaft beschrieben. Lebende Individuen und Gruppen tragen mit ihren Erfahrungen und der Vergegenwärtigung von Vergangenheit dazu bei. Dadurch ist das kommunikative Gedächtnis zeitlich begrenzt. Es umfasst die Dauer eines Menschenlebens, rund 80 Jahre oder drei bis vier Generationen. Dadurch bewegt sich dieser Zeitrahmen laufend nach vorne. Das kommunikative Gedächtnis ist durch seine Nähe zum Alltag gekennzeichnet, ihm fehlen im Gegensatz zum kulturellen Gedächtnis Fixpunkte, die den fortschreitenden Verlust an erinnerter Vergangenheit verhindern würden. Das kommunikative Gedächtnis umfasst alle Formen des kollektiven Gedächtnisses, die auf Alltagskommunikation basieren. Demnach hat es einen informellen Charakter und ist durch Spontaneität, Affektivität, Ungeordnetheit und Beliebigkeit gekennzeichnet.[10]
Das kulturelle Gedächtnis zeichnet sich gerade durch seine Alltagsferne aus, durch kulturelle Formung, also eine organisierte und zeremonialisierte Kommunikation über die Vergangenheit, wird eine dauerhafte Fixierung der Inhalte erreicht. Mit unveränderlichen Fixpunkten, die als schicksalhaft und bedeutend gelten und eine kulturelle Formung, beispielsweise durch Texte, Riten und Denkmäler sowie eine institutionalisierte Kommunikation, etwa mit Rezitation, Begehung, Betrachtung, wird die Vergangenheit wach gehalten.[11] Dabei existiert das kulturelle Gedächtnis in zwei Modi: Zum einen als potentielles Wissen, das in Archiven, Bildern und Handlungsmustern gespeichert ist, und zum anderen als aktuelles Wissen, das der Teilmenge des potentiellen Wissens entspricht, das in der Gegenwart verwendet wird. Im Einzelnen zeigt Assmann sechs Merkmale des kulturellen Gedächtnissses auf, an denen der Begriff festzumachen ist:
Das kulturelle Gedächtnis ist durch zentrale Merkmale gekennzeichnet.
1. Identitätskonkretheit, d.h. soziale Gruppen leiten aus den Inhalten des kulturellen Gedächtnisses ihre Identität ab. Die Gegenstände des kulturellen Gedächtnis sind identifikatorisch besetzt im positiven Sinne (´das sind wir´) bzw. negativen Sinne (´das sind wir nicht´)
2. Rekonstruktivität, d. h. das kulturelle Gedächtnis ist keine abgeschlossene Konserve, sondern bezieht sein Wissen auf die aktuelle Situation.
3. Geformtheit, d.h. die Haltbarmachung des kulturellen Gedächtnisses durch Schrift, Bilder und Riten (im Gegensatz zum kommunikativen Gedächtnis).
4. Organisiertheit, d. h. institutionelle Absicherung und Spezialisierung der Träger des kulturellen Gedächtnisses (im Gegensatz zum „diffusen“ kommunikativen Gedächtnis).
5. Verbindlichkeit, d. h. der Bezug auf ein normatives Selbstbild erzeugt für die Gruppe eine klare Wertperspektive und ein Relevanzgefälle der Inhalte des kulturellen Gedächtnisses.
6. Reflexivität, d. h. das kulturelle Gedächtnis reflektiert die Lebenswelt der Gruppe, ihr Selbstbild und sich selbst.[12]
Diese Bestimmungen führen Assmann zur Definition des kulturellen Gedächtnisses als, der
„jeder Gesellschaft und jeder Epoche eigentümlicher Bestand an Wiedergebrauchs-Texten, -Bildern und –Riten (…), in deren `Pflege´ sie ihr Selbstbild stabilisiert und vermittelt, ein kollektiv geteiltes Wissen vorzugsweise (aber nicht ausschließlich) über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewusstsein von Einheit und Eigenart stützt.“[13]
Nach dem Konzept Assmanns gehört das kulturelle Gedächtnis zur Außendimension des menschlichen Gedächtnisses – im Gegensatz zum Innenphänomen des Gehirns in physiologischer und neurologischer Hinsicht. Was inhaltlich aufgenommen wird, wie diese Inhalte organisiert werden und wie lange sie Bestand haben ist weitestgehend eine Frage gesellschaftlicher und kultureller Rahmenbedingungen. In seinem Werk Das kulturelle Gedächtnis stellt Assmann drei Bereiche der Außendimension des Gedächtnisses vor, die alle in den vierten Bereich, dem kulturellen Gedächtnis, übergehen. Das mimetische Gedächtnis bezeichnet das Handeln durch Nachmachen. Weite Bereiche des Alltagshandelns, Bräuche und Sitten beruhten auf diesen mimetischen Traditionen. Das Gedächtnis der Dinge bezieht sich auf die alltäglichen Gerätschaften, wie Möbel, Geschirr, Kleidung, Werkzeuge bis zu Häusern, Dörfer und Straßen und Fahrzeugen. Die Dinge spiegeln dem Menschen ein Bild seiner selbst wider und erinnern ihn an die Vergangenheit.
Auch das kommunikative Gedächtnis ist eine Außendimension des menschlichen Gedächtnisses. Sprache und Kommunikation werden im Austausch mit anderen entwickelt. Schließlich kommen die genannten Außendimensionen in der Außendimension des kulturellen Gedächtnisses zusammen. Dort wird der Sinn überliefert. Wenn mimetische Routinen oder zweckhafte Dinge zusätzlich auf einen Sinn verweisen überschreiten sie den Bereich zum kulturellen Gedächtnis. Handlungsroutinen können Riten sein, Dinge Symbole oder Repräsentationen darstellen.[14]
Allerdings sind kommunikatives und kulturelles Gedächtnis wohl nur analytisch zu trennen. In der Praxis der Erinnerung von Individuen und Gruppen bedingen sie einander. Daher wandelt sich über längere Zeit hinweg auch das scheinbar fixe kulturelle Gedächtnis. Im Lauf der Zeit werden bestimmte Aspekte auf- oder abgewertet bzw. neue kommen dazu. Beiden Gedächtnisformen ist gemeinsam, dass sich hauptsächlich intentional mit der Vergangenheit beschäftigt wird, d. h. es geht um eine bewusste, absichtsgeleitete Praxis der Kommunikation oder Formung von Vergangenheit. In ihrem Umgang mit der Vergangenheit unterscheidet Assmann außerdem zwischen einer „kalten“ und „heißen“ Option. Demnach können „kalte“ Gesellschaften sich dem „Eindringen der Geschichte“ in ihre bestehende Struktur widersetzen bzw. einzelne Elemente ihrer Geschichte einfrieren, während „heiße“ Kulturen durch einen Drang nach Veränderung durch ihre Geschichte gekennzeichnet sind. Als Beispiele nennt Assmann Israel als „heiße“ Kultur und alte Ägypten oder das mittelalterliche Judentum als „kalte“ Gesellschaften.[15] Schließlich kann die Erinnerung an die Vergangenheit auch eine etablierte Gesellschaft bedrohen. Mit Bezug auf Herbert Marcuse verweist Assmann darauf, dass das Gedächtnis „vergangene Schrecken wie vergangene Hoffnung“ zurückruft.[16]
Nach Aleida Assmann unterscheidet sich das kulturelle Gedächtnis in die beiden Dimensionen Speicher- und Funktionsgedächtnis. Das Speichergedächtnis, umfasst den passiven Teil des kulturellen Gedächtnisses, es umfasst die Gesamtheit der, etwa in Archiven und Museen gesammelten, Dokumente und Artefakte der Vergangenheit. Es besteht eine in beide Richtungen durchlässige Verbindung zum aktiven Teil des kulturellen Gedächtnisses, dem Funktionsgedächtnis. Darin befinden sich diejenigen Inhalte, die sich in einem Selektionsprozess sozusagen einen festen Platz im Gedächtnis der jeweiligen Kultur erobert haben und die durch eingeübte Traditionen, Riten und der ihnen beigemessenen Relevanz gepflegt werden. Damit hat das kulturelle Gedächtnis eine Art beständiges Reservoir, aus dem es schöpfen kann und eine Art sichtbare, aktuelle Oberfläche. Denn auch das Funktionsgedächtnis kann sich ändern, indem Inhalte an Bedeutung verlieren und nur mehr im Speichergedächtnis fortdauern und andere neu entdeckt werden.[17]
In dem kontinuierlichen Prozess Gedächtnisbildung, befindet sich sowohl die Erinnerung an die DDR in Deutschland als auch die Erinnerung an den Franquismus in Spanien noch im kommunikativen Gedächtnis, da Zeitzeugen dieser Vergangenheiten noch am Leben sind und davon erzählen.
2.2 Harald Welzer: Das soziale Gedächtnis
In Ergänzung zum kommunikativen und kulturellen Gedächtnis hat der Sozialpsychologe Harald Welzer den Begriff des sozialen Gedächtnis entwickelt. Dieses umfasst Interaktionen, Aufzeichnungen, Bilder und Räume, die Geschichte transportieren und im sozialen Gebrauch Vergangenheit bilden, aber im Unterschied zum kommunikativen und kulturellen Gedächtnis nicht zu Zwecken der Traditionsbildung entstanden sind.
„Denn alle vier Medien transportieren und bilden Vergangenheit, ohne dass ein bewusstes - intentionales - Moment von Geschichtsvermittlung oder Traditionsbildung damit verknüpft sein müßte.[18]
Unter Interaktion versteht Welzer Kommunikation, die per se oder auch nur en passant Vergangenheit thematisiert. Als Beispiel führt er das Erzählen persönlicher Erlebnisse bei Familientreffen an, wo etwa beim intentionalen Erzählen der Geschichte des Kennenlernens von Großvater und Großmutter auch ein historischer Assoziationsraum der Umstände eröffnet wird. Dabei werde von den Sprechern unbemerkt, beiläufig und absichtslos auch Geschichte tradiert. Dasselbe gelte für Aufzeichnungen, die überhaupt nicht zur Geschichtsvermittlung angefertigt wurden, aber trotzdem einen Subtext der Vergangenheit transportieren, wie beispielsweise ein Krimi aus der Nazizeit oder ein Bündel alter Liebesbriefe, das über seinen beabsichtigten Inhalt hinaus, mittels Schrift, Papier, Briefmarke und Duktus ein Bild der Vergangenheit mittransportiert. Bilder, also Fotos und Filme, tragen laut Welzer ein besonders hohes Maß an nicht-intentionalem Subtext, beispielsweise durch die abgebildete Kleidung, Stadtansichten oder Autotypen. Sie können laut Welzer als das Medium absichtsloser Vergangenheitsbewältigung par excellence gelten. Schließlich sind wir stets von historischen Räumen umgeben. Jede Architektur repräsentiert auch eine gewisse Zeit.
Im sozialen Gedächtnis laut Welzer macht also die Praxis des kommunikativen Gedächtnisses nur einen Teil aus. Jedoch stehen die verschiedenen Praktiken des Erinnerns in Wechselwirkung zueinander. So weist Welzer darauf hin, dass beispielsweise ein Foto, das den Großvater in SS-Uniform zeigt, schnell zu einem Gespräch über die Vergangenheit und damit zur expliziten Praxis des kommunikativen Gedächtnisses führen kann. Genauso könne ein Gebäude, in dem ein bekannter Philosoph geboren wurde, zu einer Stätte des kulturellen Gedächtnisses werden. In Abgrenzung zu den Assman´schen Begriffen geht es Welzer aber um die „absichtslosen Praktiken des Verfertigens und Vergegenwärtigens von Vergangenheit“ (doing history)[19].
2.3 Pierre Nora: Erinnerungsorte
Der Begriff Erinnerungsort (lieu de mémoire) wurde von dem französischen Historiker Pierre Nora entwickelt. Dahinter steht die Idee, dass sich das kollektive Gedächtnis einer sozialen Gruppe bzw. einer Nation an bestimmten ´Orten´ kristallisiert. Nora beschreibt seine Ausgangsidee selbst als
„una exploración selectiva y erudita de los puntos de cristalización de nuestra herencia nacional, en el inventario de los principales lieux, entendida esta palabra en todas sus acepciones, en los que se había anclado la memoria colectiva y en una vasta topología de la simbólica francesa“[20].
Nora sieht den Grund für die Bildung von Erinnerungsorten in der Auflösung selbstverständlicher Gedächtnisgemeinschaften.
„Este concepto ha nacido de un sentimiento de pérdida, de la salida de lo que he propuesto denominar una „historia-memoria“, es decir, de un contexto de la memoria en el que la Historia había sido la principal formadora de la conciencia nacional, …”[21]
Sein Konzept grenzt sich von der traditionellen Geschichtsschreibung deutlich ab, als es weniger die vergangenen Ereignisse, sondern mehr deren Nachwirkung in der Gegenwart und die Bedeutung für die (aktuelle) Identität der jeweiligen Gruppe untersucht.
Mit Erinnerungsorten sind geographische Orte aber auch andere materielle oder immaterielle Dinge wie mythische Gestalten, Ereignisse, Institutionen, Begriffe, Bücher und Kunstwerke gemeint. Erinnerungsorte können einfache Gedenkstätten sein, wie Statuen großer Männer, Kriegerdenkmäler oder Gräber, Symbole und Embleme, wie in Frankreich die Trikolore, die Marseillaise, die Marianne oder Nationalfeiertag 14. Juli, Gebäude wie Notre-Dame oder der Eiffelturm oder Texte, wie die Erklärung der Menschenrechte, die französische Geschichte von Ernest Lavisse oder die Werke der Schule der Annales. Wichtig sei, dass sie „Kristallisationspunkte unseres nationalen Erbes“[22] sind.
Zu Erinnerungsorten werden die einzelnen Phänomene immer erst durch die kollektive Zuschreibung bzw. mit Hilfe von Erzählungen zu solchen. Im Zusammenhang mit der jeweiligen Erinnerungskultur werden sie dank einer gesellschaftlichen Übereinkunft zu konzentrierten Medien der kollektiven Erinnerung. Durch eine so geschaffene Abruffunktion, die zentrale Aspekte der Vergangenheit freisetzen kann, können sowohl Orte, Bauwerke als auch Personen und Konsumgüter zu Gedächtnisorten werden.[23]
Nora versammelt in seinem siebenbändigen Werk insgesamt 130 französische Erinnerungsorte. Ihnen ist gemeinsam, dass sie eine besonders aufgeladene, symbolische Bedeutung besitzen und dadurch eine identitätsstiftende Funktion haben. Dieser Überschuss an Symbolik kann sich allerdings ändern oder auch gänzlich verlieren. Als Beispiel dafür gilt die Figur Jeanne d´Arcs, die jahrhundertelang vergessen war und dann sowohl von linken als auch rechten Gruppen wiederentdeckt wurde und mit unterschiedlichen Bedeutungen versehen wurde. Bei allen Erinnerungsorten geht es darum, den „typischen Stil der Beziehung zur Vergangenheit“[24] der jeweiligen Nation herauszuarbeiten. In Anlehnung an Noras Konzept ist in Deutschland eine vergleichbare Untersuchung mit Etienne François´ und Hagen Schulzes Sammelband Deutsche Erinnerungsorte entstanden. Auch in anderen Ländern, wie Italien oder den Niederlanden wurde bereits zu den Erinnerungsorten der jeweiligen Nation gearbeitet. Gewissermaßen bilden die Erinnerungsorte nach Pierre Nora eine plastische Realisierung der Fixpunkte des kulturellen Gedächtnisses nach Jan Assmann.
Stets geht es bei den Erinnerungsorten nicht um den ´Ort´ an sich, sondern seine Bedeutung, seinen Sinn, der erst durch seine Bezüge und seine Stellung in sich immer wieder verändernden Konstellationen entsteht. Die zunächst bestehende Zuordnung eines Erinnerungsorts in ein Kategorisierungssystem, wie beispielsweise ernste oder populäre Kultur spielt keine Rolle für die Funktion als Gedächtnismetapher. Bei der Adaptierung des Konzepts für Deutschland betonen die Herausgeber Hagen Schulze und Etienne François, dass sie in ihrem Ansatz jegliche Form der Hierarchie zwischen „bedeutenden“ und „trivialen“ Themen vermeiden wollen.[25]
„…tatsächlich kann die kulturelle oder politische Wirksamkeit eines „trivialen“ Erinnerungsorts (etwa die Bundesliga, der Schrebergarten oder der Schlager) die eines „bedeutenden“ (beispielsweise Idealismus, Goethe, Beethovens Neunte) übertreffen oder überdauern.“[26]
Auch in Spanien wurde bereits seit Ende der 80er Jahre Anwendungen des Nora-Konzepts versucht, wie zum Gedächtnis des Bürgerkriegs oder der Erinnerung in der frühen Franco-Zeit speziell im Baskenland bzw. bei exilierten baskischen Kindern[27], es besteht allerdings kein vergleichbares umfassendes Werk wie die sieben Bände von Nora zu den französischen Erinnerungsorten oder die Serie deutscher Erinnerungsorte.
2.4 Astrid Erll: Die Rhetorik der Erinnerung
Aufbauend auf die Gedächtnistheorie von Jan und Aleida Assmann hat Astrid Erll ein methodisches Instrumentarium zur Untersuchung von narrativen Vergangenheitsfiktionen entwickelt. Sie verknüpft in ihrem Konzept zur Rhetorik der Erinnerung narratologische mit gedächtnistheoretischen Kategorien. Damit entwickelt sie spezielle erzähltheoretische Kategorien des kollektiven Gedächtnisses für Medien, die narrative Vergangenheitsfiktionen entwerfen. In ihrer Rhetorik des kollektiven Gedächtnisses geht sie davon aus, das literarische Verfahren „semantisiert“ sind, also selbst Bedeutung tragen und nicht nur beliebig füllbare „Behälter“ sind. Sie verweist in ihrem stark an Aleida Assmann angelehnten Konzept eindringlich auf die starke Kontext-Orientierung einer erinnerungshistorischen Narratologie. Die Existenz bestimmter Merkmale oder ästhetischer Verfahren, die notwendigerweise zu einer Rezeption als Medium des kollektiven Gedächtnisses führen, schließt sie aus.[28]
„Ob und wann ein literarischer Text zu einem Medium des kollektiven Gedächtnisses wird, kann damit letztlich nur über die Analyse seiner historischen Wirkung in der jeweiligen Erinnerungskultur beantwortet werden.“[29]
Laut Erll ist entscheidend inwiefern das gedächtnismediale Potential eines Werks im Rezeptionsprozess aktualisiert wird. Dazu zählen nicht nur individuelle und kollektive Rezeptionsstrategien, sondern auch Verfahren der erinnerungskulturellen Institutionalisierung, die massenmediale Diskussion und die Bewerbung des jeweiligen Werks. Allerdings sei davon auszugehen, dass durch bestimmte Ausdrucksformen im Sinne eines Wirkungspotentials die Rezeption als Gedächtnismedium angeregt wird. In gewissem Maß ist daher das ob und das wie einer gedächtnismedialen Funktionalisierung in der jeweiligen Rhetorik des kollektiven Gedächnisses begründet. Erll macht dabei fünf Modi der Ausprägung fest, nach denen vergangenheitsbezogene Fiktionen untersucht werden können. Sie geht zwar vornehmlich von Literatur als Untersuchungsgegenstand aus, schließt aber beispielsweise auch Filme und Comics in die dargestellte Gedächtnisrhetorik mit ein.[30]
Die Vergangenheitsregister (zusammengefasst nach Erll[31]):
Erfahrungshaftiger Modus: Dabei erscheint das Erzählte als Gegenstand des alltagsweltlichen kommunikativen Gedächtnisses. Die dargestellte Wirklichkeit wird als spezifische Lebenserfahrung einer Epoche oder sozialen Gruppe inszeniert. Es dominiert eine Darstellungsweise, die das Geschehen als gelebte Erfahrung zeigt. Es besteht eine Nähe zum kommunikativen Gedächtnis: Es wird Alltagshaltigkeit, sinnliche Erfahrungsspezifität und Authentizität suggeriert. Dieses Vergangenheitsregister steht dem kommunikativen Gedächtnis nahe.
Monumentaler Modus: Dabei erscheint das Dargestellte als verbindlicher Gegenstand eines übergreifenden kulturellen (nationalen, religiösen) Sinnhorizonts, als Mythos des verbindlichen kulturellen Gedächtnisses. Hier dominieren Verfahren, die den literarischen Text als traditionshaltiges, geformtes und Sinn stiftendes Medium erscheinen lassen. Die inszenierten Wirklichkeiten verweisen auf den Fernhorizont der Kultur, nicht auf das Alltagsleben. Die Repräsentation von Vergangenheit geschieht durch Medien und Praktiken des kulturellen Gedächtnisses. Dieses Vergangenheitsregister steht dem kulturellen Gedächtnis nahe.
Erfahrungshaftiger und monumentaler Modus stehen nicht abgegrenzt nebeneinander, sondern greifen ineinander über, können als sich ergänzende Formen hin und her oszillieren. So kann der Text sowohl der Überführung alltagsweltlicher Erinnerung in das kulturelle Gedächtnis als auch der Anreicherung von Inhalten des kulturellen Gedächtnisses durch Erfahrungshaftigkeit dienen.
Historisierender Modus: Dabei erscheint das Dargestellte als ein Teil einer abgeschlossenen Vergangenheit und als Gegenstand der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung. Dies kann mit Darstellungsweisen geschehen, die den Dialog zur Wissenschaft herstellen, wie die Einbeziehung von Quellen, Belegen, geschichtswissenschaftlicher Abhandlungen. Damit entsteht eine Fremdheit der Geschichte, die so als Gegenstand einer vergangenen Epoche erscheint.
Antagonistischer Modus: Dabei werden Erinnerungskonkurrenzen literarisch ausgehandelt, Texte greifen aktiv in das Ringen um Erinnerungshegemonie ein. Dies geschieht mit Entwürfen einer Gegen-Erinnerung, etwa indem das Gedächtnis marginalisierter Gruppen dargestellt wird oder andere Selbstbilder und Wertehierarchien als die der dominierenden Erinnerungskultur inszeniert werden. Die jedem Gedächtnismedium per se inne wohnende Selektivität, Standortgebundenheit und Perspektivität wird im antagonistischem Modus gesteigert. Gerade wo offensichtlich durch Selektion zentrale Elemente einer Erinnerungskultur in einem Fiktionsmedium ignoriert werden, kann von einem antagonistischem Modus gesprochen werden.
Reflexiver Modus: Dabei ermöglicht das literarische Werk eine erinnerungskulturelle Selbstbeobachtung. Hier herrschen Darstellungsverfahren vor, die den Text zu einem Medium der Beobachtung zweiter Ordnung werden lassen. Die Funktionsweisen und Probleme des kollektiven Gedächtnisses werden inszeniert. So wird den Rezipienten ermöglicht, an einer distanzierten Betrachtung von Erinnerungskulturen teilzunehmen. Hier geht es nicht, wie in den vier bereits vorgestellten Modi um Gedächtnis bildung sondern um Gedächtnis reflexion.
Bei den Modi der Rhetorik des kollektiven Gedächtnisses ist die Verknüpfung von erinnerungshistorischen mit narratologischen Kategorien zu beachten. Es handelt sich nicht um ein rein textimmanentes Vorgehen, die Methodik ist vielmehr stark kontextorientiert. Die Analyse geschieht und funktioniert nur mit im Zusammenhang mit der außertextuellen Erinnerungskultur. Dieses Verfahren soll in der vorliegenden Arbeit exemplarisch für eine vergleichende Filmanalyse angewendet werden.
3 Erinnerungskultur
Beim kollektiven Gedächtnis in seinen Ausprägungen als kommunikatives, kulturelles oder auch soziales Gedächtnis handelt es sich nicht um etwas Abgeschlossenes, sondern um ein offenes und veränderliches Konstrukt mentaler, materialer und sozialer Phänomene. Es ist unmöglich dieses Gewebe vollständig offenzulegen und gewissermaßen in all seinen einzelnen Fäden zu analysieren. Sichtbar wird das kollektive Gedächtnis nur in seinen Akten kollektiver Erinnerung, die in Medien jeglicher Art festgehalten werden. Durch diese Akte werden Erinnerungskulturen als die historisch und kulturell variablen Ausprägungen des kollektiven Gedächtnisses beobacht- und analysierbar.[32]
Auf der Ebene der Nation, wie hier Deutschland und Spanien, ist nie von einer einzigen homogenen Erinnerungskultur auszugehen. Vielmehr besteht das kollektive Gedächtnis, zum Teil in Konkurrenzverhältnissen, in verschiedenen Ausprägungen und Gruppen.[33] Der Begriff kollektives Gedächtnis soll nicht darüber hinweg täuschen, dass dieses Gedächtnis einer Gesellschaft für die einzelnen Individuen durchaus differiert. Verschiedene Gruppen können unterschiedliche Themen in den Vordergrund stellen bzw. dasselbe Ereignis vollkommen unterschiedlich bis gegensätzlich deuten. Auf der Ebene der Teilhabe des Individuums am kollektiven Gedächtnis kommt die familiäre Prägung bzw. die eigene Erfahrung hinzu. Individuelles und kollektives Gedächtnis durchdringen und beeinflussen sich gegenseitig. Dazu kommen weitere Variablen wie soziale und regionale Herkunft, Lebensalter, Geschlecht, Beruf. Das private, individuelle und das öffentliche, kollektive Gedächtnis können auch durchaus Unterschiede aufweisen und sogar in entscheidenden Punkten voneinander abweichen.[34]
Schließlich kann sich das kollektive (wie auch das individuelle) Gedächtnis im Laufe der Zeit verändern, dieselbe Epoche oder dasselbe Ereignis von verschiedenen Generationen unterschiedlich gedeutet oder sich die Fokussierung ändern. Beobachtet wurde dies schon anhand der deutschen Vergangenheitsbewältigung der Nazi-Zeit. Außerdem ist das kollektive Gedächtnis von der tatsächlichen Geschichte zu unterscheiden. Das Gedächtnis wählt aus und ist bei seiner Schwerpunktsetzung von der Gegenwart beeinflusst wie die Sicht der Gegenwart auch vom bestehenden Gedächtnis beeinflusst ist.[35]
Schließlich wird über die jeweilige Erinnerungskultur auch die Identität der Gesellschaften ausgebildet.
„Gesellschaften imaginieren Selbstbilder und kontinuieren über die Generationenfolge hinweg eine Identität, indem sie eine Kultur der Erinnerung ausbilden.“[36]
Assmann sieht die Erinnerungskultur auch als „soziale Verpflichtung“ einer Gruppe, in deren Mittelpunkt Frage „Was dürfen wir nicht vergessen?“ steht.[37] Eine Gemeinschaft ohne Erinnerungskultur lässt sich laut Assmann überhaupt nicht denken. „Erinnerungskultur hat es mit ‚Gedächtnis, das Gemeinschaft stiftet’, zu tun.“[38] Sie meint den inneren Zusammenhang einer sozialen Gemeinschaft durch das gemeinsame kulturelle Gedächtnis: Begründet wird die Gemeinschaft mit der Urszene des Todes, gleichsam ist das Andenken an die Toten die Basis der Erinnerungskultur.[39]. Denn Vergangenheit und damit Erinnerung entsteht durch einem Bruch mit Kontinuitäten und Traditionen.
„Neuanfänge, Renaissancen, Restaurationen treten immer in der Form eines Rückgriffs auf die Vergangenheit auf. In dem Maße, wie sie Zukunft erschließen, produzieren, rekonstruieren, entdecken sie Vergangenheit.“[40]
Der Zeithistoriker Hans Günter Hockerts definiert Erinnerungskultur als eine Form des Rückblicks auf die Vergangenheit in Abgrenzung zu Primärerfahrung (Zeitgeschichte als persönliche Erinnerung) und zeitgeschichtlicher Forschung (Zeitgeschichte als wissenschaftliche Disziplin). Zeitgeschichte als öffentliche Praxis wird in dieser Dreiteilung als Erinnerungskultur bezeichnet. Dabei meint der Begriff Erinnerungskultur in einem engeren Sinn Vergangenheitsbezüge, mit denen eine Gruppenidentität gepflegt wird und in einem weiteren Sinn den gesamten Kulturbetrieb, in dem es um Geschichte geht und nähert sich dann dem Begriff Geschichtskultur an, sie steht als Sammelbegriff für die Gesamtheit des nicht spezifisch wissenschaftlichen Gebrauchs der Geschichte in der Öffentlichkeit – „mit den verschiedensten Mitteln und für die verschiedensten Zwecke, von der Gedenkrede des Bundespräsidenten über die Denkmalpflege bis zum Fernseh-Infotainment über ´Hitlers Frauen´“.[41] Die verschiedenen Zugänge stehen in Wechselwirkung und einem Spannungsverhältnis zueinander. So diene etwa die Geschichtswissenschaft als Informationsservice für die einzelnen Formen der Erinnerungskultur oder kann Detailwissen persönlich Betroffener nutzen. Gewissermaßen kann die Geschichtswissenschaft auch als Kontrollfunktion der öffentlichen Erinnerungskultur dienen und beispielsweise Ausstellungen kritisieren. Als Vermittlerin von Geschichte muss die Wissenschaft allerdings weit hinter der Erinnerungskultur zurückstehen. Nicht aus Geschichtsbüchern beziehen die Menschen ihr Wissen über Vergangenheit sondern vor allem aus Künsten und Medien.
„Die Fachwissenschaft kann immer nur relativ kleine Teile der Öffentlichkeit erreichen; die meisten Bürger begegnen der Zeitgeschichte auf andere Weise.“[42]
Marianne Birthler, die Beauftragte für die Stasi-Unterlagen, zieht bewusst den Begriff der Erinnerungskultur denen der Aufarbeitung und Vergangenheitsbewältigung vor. Im Begriff der Erinnerungskultur komme zum Ausdruck, dass das Bewusstsein der eigenen Geschichte Bestandteil der individuellen Lebenskultur wie der Kultur sozialer Gruppen sei. In der lebendigen Erinnerungskultur sieht sie eine Versöhnung durch Wahrhaftigkeit, sie bestehe nicht nur aus Archiven und Monografien, sondern auch aus Geschichten, Zeichen und Symbolen. Vieles der Erinnerungskultur unterliege der Politik, ein Teil allerdings entzöge sich der politischen Gestaltung, denn Erinnerungskultur gehöre zu der Lebenspraxis aller.[43]
In der vorliegenden Arbeit wird Erinnerungskultur verstanden als die öffentlichen und damit analysierbaren Akte kollektiver Erinnerung. Die rein private Erinnerung im Sinne eines impliziten und nicht-gesteuerten sozialen Gedächtnisses nach Welzer muss für die Analyse ausgeschlossen werden. Auch die in der Realität bestehenden vielfältigen Ausprägungen unterschiedlicher Erinnerungsmilieus- und gruppen innerhalb des Kollektivs, die sich auch abseits von den vorherrschenden Gedenkdiskursen noch weiter unterscheiden, müssen für den Vergleich weitgehend vernachlässigt werden. Schließlich meint Erinnerungskultur in der vorliegenden Arbeit ausschließlich die kollektive Erinnerung des jeweiligen Untersuchungsbereichs, also den Blick auf DDR bzw. Franco-Regime. Eine Vergleichbarkeit der beiden Erinnerungskulturen kann nur anhand einzelner Parameter hergestellt werden. Dabei können die materiale und soziale Dimension der kollektiven Erinnerung untersucht werden. Die materiale Dimension, die kulturelle Objektivationen, wie Texte, Monumente und Riten umfasst[44], wird hier in folgenden Parametern ausgedrückt: Die (Dis-)kontinuität der Diktatur-Symbolik im öffentlichen Raum, Gedenkstätten, Ausstellungen und Museen und der Blick zurück im Kino. Die soziale Dimension[45], die die Träger des Gedächtnisses in Form von Personen und Institutionen umfasst, wird in den Parametern Wissenschaft und der Bedeutung der privaten Initiativen ausgedrückt. Die Betrachtung der Vergangenheit im Geschichtsunterricht gehört beiden Dimensionen an, da sie sowohl sozial (in der Form der Lehrperson) als auch material (in der Form von Lehrplänen und –büchern) ist. Eine besondere Rolle in den Erinnerungskulturen nehmen die Fixpunkte der kollektiven Erinnerung in der Form der Erinnerungsorte (nach Nora) ein. Auch hier sollen möglichst vergleichbare Punkte gefunden werden. Schließlich werden anfangs in Anlehnung an die Annahme eines kollektiv-autobiographischen Gedächtnisses[46] die Entwicklungen der bisherigen öffentlichen Erinnerungen seit dem Ende der jeweiligen Diktaturen verglichen und in Anlehnung an Marianne Birthlers Hinweis, dass ein großer Teil der Erinnerungskulturen der Politik unterliegt, die Rolle der jeweiligen Politik verglichen. Die von Astrid Erll entworfene Methodik der Rhetorik der Erinnerung wird für die Filmanalyse angewendet.
4 Die Forschung zur Erinnerung an DDR und Franco-Regime
Vor der Darstellung der einzelnen Vergleichsaspekte soll ein Einblick in die Forschungslandschaft zu den Erinnerungskulturen in Deutschland in Bezug auf die DDR und in Spanien in Bezug auf das Franco-Regime gegeben werden.
4.1 Deutschland
Die Erinnerung an die DDR in Deutschland wurde bereits sowohl in vielen Einzelaspekten untersucht, als auch in ihrer Entwicklung[47] in mehreren Aufsätzen kritisch beleuchtet. Besondere Aufmerksamkeit erhielt in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung das Phänomen der Ostalgie. Darüber schrieben etwa der Publizist Thomas Ahbe[48] und der Politikwissenschaftler Thomas Leuerer[49]. Auch wird in Abhandlungen zur Erinnerungskultur allgemein in Deutschland, in deren Vordergrund stets die Vergangenheitsbewältigung der Nazi-Zeit steht, oft die DDR-Erinnerung (als Vergleichsfolie) miteinbezogen.[50] Auffällig ist auch die stetige Selbstreflexion. Die explizite oder implizite Frage „Haben wir schon genug aufgearbeitet/erinnert?“ scheint über vielen wissenschaftlichen Betrachtungen zu schweben.[51] Mehrere Arbeiten beschäftigen sich mit Mahn- und Denkmalen[52] und Gedenkstättenarbeit[53], auch über die Bildungsarbeit zur DDR wurde bereits differenziert reflektiert[54]. Weitere Arbeiten beschäftigen sich mit der DDR-Erinnerung unterschiedlicher Gruppen.[55] Auch zum Umgang mit der DDR im Schulunterricht liegen bereits Arbeiten vor.[56] Ein außergewöhnliches Projekt wurde von der Bauhaus-Universität Weimar initiiert. Dort rekonstruierte eine Forschergruppe das Bildgedächtnis der DDR-Bevölkerung, also Bilder, die jeder Bürger im Kopf hatte.[57] Erinnerungsorte (nach Nora), die speziell mit der DDR verbunden sind, wurden bislang nicht gesondert untersucht, sind aber in dem dreibändigen Werk Deutsche Erinnerungsorte vertreten.[58] Eine – wenn auch unvollständige – Bibliographie zu dem Thema bietet der Deutsche Bundestag an.[59]
4.2 Spanien
Pionierin der Erforschung der Erinnerung in Spanien an Bürgerkrieg bzw. Franco-Diktatur war 1996 Paloma Aguilar Fernández mit ihrer wegweisenden Studie Memoria y olvido de la Guerra Civil Española[60]. Die Politikwissenschaftlerin Aguilar nutzte dafür eine breite Datengrundlage, wie Parlamentsakten, Parteipublikationen, Zeitungen und TV-Nachrichtensendungen. Allerdings beschäftigte sich Aguilar speziell mit der Bedeutung des Bürgerkriegs während der Franco-Zeit und in der Zeit der transición. Die Rolle der Diktatur an sich in der Post-Franco-Zeit wurde nicht explizit behandelt. Diese Richtung setzt sich auch in den nachfolgenden Veröffentlichungen zur Erinnerung an den Franquismus fort: Vorrangig wird das Gedächtnis des Bürgerkriegs (mit seinen Nachwirkungen) behandelt.[61] Die Erinnerung an die immerhin vier Jahrzehnte andauernde Diktatur wird meistens allenfalls als Fortsetzung des Bürgerkriegs gewürdigt. Im Blickpunkt steht zudem meist die Erinnerung zur Zeit der transición.[62] Ausführliche Kritiken am Beschweigen der Vergangenheit während der transición legten Gregorio Morán[63] und Teresa Vilarós[64] vor. Aguilar Fernández hat ihr Interesse an diesem Forschungsgegenstand mit zahlreichen weiteren, abgegrenzteren Betrachtungen fortgesetzt.[65] Unter den deutschen Wissenschaftlern, die sich mit dem Thema beschäftigten, ist sicherlich der Historiker Walther L. Bernecker führend. Er hat nicht nur viele Einzelaspekte der Erinnerung in Spanien an den Franquismus immer wieder beleuchtet, sondern im Jahr 2006 zusammen mit Co-Autor Sören Brinkmann auch erstmals eine Gesamtbetrachtung des Themas vorgelegt.[66] Darin werden die zeitliche Entwicklung, politische, gesellschaftliche und kulturelle Aspekte gewürdigt. Außerdem liegt damit eine umfassende Bibliographie zu dem Thema vor. Die sehr fundierte Arbeit der beiden Sozialwissenschaftler behandelt allerdings die Erinnerung in den Künsten, wie Literatur und Film, nur am Rande, obwohl sich deutsche und spanische Autoren in Einzelpublikationen schon sehr speziell mit der Erinnerung an den Franquismus in Romanen, Filmen und Fernsehserien[67] beschäftigt haben.
4.3 Kritik und Vergleich
Im Bereich der DDR-Erinnerung fehlt eine Gesamtdarstellung, die politische und gesellschaftliche Aspekte des Gedenkens untersucht und auch mit dem Umgang des Themas in Literatur und Film verknüpft. Bisher liegen nur abgegrenzte Betrachtungen von Teilaspekten vor. Speziell zur DDR-Erinnerung in der Nach-Wende-Literatur, Film und Fernsehen nach 1990 (außer zu Ostalgie -Shows) wurde bisher kaum geforscht.
In Bezug auf Franco-Spanien wäre eine Erweiterung des erwähnten Überblicks von Bernecker und Brinkmann um die Erinnerung in den Künsten, die eventuell auch Wechselwirkungen und Parallelen zu Gesellschaft und Politik untersucht, wünschenswert. In beiden Wissenschaftsfeldern wäre eine stärkere Einbettung in die mittlerweile stark ausdifferenzierten Theorien zum Gedächtnis vorstellbar; ebenso böten diese, wie beispielsweise zum sozialen Gedächtnis (Welzer), zum Körpergedächtnis[68] (Ohlschläger) oder zum Verhältnis von Gedächtnis und Medialität[69] (Borsò/Krumeich/Witte) weitere Ansätze für Untersuchungen. Während im Bereich der spanischen Erinnerungskultur einige Untersuchungen zur Erinnerung an die Franco-Zeit in Literatur und Film vorliegen, ist dieses Feld in Bezug auf die DDR-Erinnerung (nach der Wende) in der Wissenschaft noch wenig thematisiert worden. Untersuchungen zur Franco-Erinnerung konzentrieren sich oft auf den Bürgerkrieg und geben der insgesamt 40 Jahre andauernden Diktatur wenig eigenen Raum. Auch fehlt es an vergleichenden Untersuchungen zur Erinnerung an die Diktaturen in Deutschland und Spanien. Die spanische Erinnerungskultur wurde lediglich in einem Sammelband[70] in politischen und gesellschaftlichen Aspekten mit der polnischen verglichen. In einem weiteren Sammelband wird Literatur und Film mit der deutschen Erinnerung (an den Nationalsozialismus)[71] verglichen. Allerdings dominieren in beiden Bänden nationale Einzeldarstellungen ohne eine direkte Gegenüberstellung. Doch erst ein schematischer Vergleich zwischen Erinnerungskulturen ermöglicht durch die Spiegelung das jeweilige Profil so klar als möglich zu erkennen.
In deutschen wissenschaftlichen Untersuchungen zur Erinnerung an die DDR wird eher der Frage nachgegangen wird, ob die jeweiligen Erinnerungsformen richtig (z.B. kritisch und differenziert) sind, ob sie genügen (wobei dann oft nicht klar ist, wie viel Erinnerung sein müsste, um einem Idealbild der perfekten Erinnerung gerecht zu werden) bzw. wie sie verbessert werden können. Dazu kommt oft die Sorge, die Erinnerung an die DDR könnte verblassen, sich auf eine nostalgisch verklärte Ostalgie reduzieren oder im Schatten der Vergangenheitsaufarbeitung der NS-Zeit keine Relevanz zugesprochen bekommen.
In der Forschung zur spanischen Erinnerung an den Franquismus geht es (noch) vielmehr darum, das lange Beschweigen bzw. die Nicht-Aufarbeitung der Vergangenheit zu erörtern und weitere Forderungen an die nun (endlich) praktizierte Erinnerungsarbeit zu stellen. Viele Fragestellungen, die in Arbeiten zur DDR-Erinnerung thematisiert werden, sind aufgrund der immer noch am Anfang stehenden Erinnerungsarbeit aber auch gar nicht möglich.
5 Der Übergang in die Demokratie
Ein jeweils kurzer Abriss der Demokratisierung der beiden Diktaturen soll helfen, die nachfolgenden Besonderheiten der jeweiligen kollektiven Erinnerung besser einordnen zu können.[72]
5.1 Die Wende
Im Herbst 1989 begann die als Wende bezeichnete friedliche Revolution in der DDR. Vorraussetzung dafür war die Reformpolitik Michail Gorbatschows in der UdSSR. Die DDR-Politiker lehnten Perestroika und Glasnost als Modell für ihren Staat ab und riefen so Unmut in der Bevölkerung hervor. Es bildeten sich verstärkt oppositionelle Gruppen und ein wachsender Ausreisestrom über die Botschaften der Bundesrepublik in Prag und Warschau und bald auch über die durchlässig gewordene ungarisch-österreichische Grenze. Aber schon bereits im Frühjahr 1989 hatte es zu gären begonnen, als verschiedene kirchliche Gruppen im Vorfeld der Kommunalwahlen dazu aufgerufen hatten das übliche sinnentleerte Ritual nicht einfach über sich ergehen zu lassen, sondern zu boykottieren oder mit „Nein“ zu stimmen. Dank einer Vielzahl unabhängiger Wahlbeobachter wurde nach der Wahl festgestellt, dass das offizielle Wahlergebnis mit 98,85% Ja-Stimmen für die Einheitsliste nur eine Fälschung sein konnte. Zahlreiche Protestaktionen waren die Folge. Allerdings wurden kritische Bürger durch die zeitgleiche brutale Niederschlagung des Aufstandes im kommunistischen China und die Zustimmung der DDR-Führung zu dem menschenverachtenden Vorgehen eingeschüchtert. Im Sommer 1989 schwoll der Ausreisestrom der DDR-Bürger an, die über die Tschechoslowakei oder Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik gelangen wollten. So war beispielsweise die Botschaft in Prag wochenlang von tausenden Menschen besetzt. Im September begannen die später berühmt gewordenen Montagsdemonstrationen in Leipzig, die Proteste in vielen anderen Städten der DDR nach sich zogen. Mit dem Schlachtruf Wir sind das Volk forderten die Menschen eine Demokratie für ihr Land ein. Zeitgleich gründeten sich im Umfeld von Kirchen und ökologischen Bewegungen verschiedene politische Gruppierungen, wie Neues Forum, Demokratischer Aufbruch oder Grüne Liga.
In dieser Situation wachsenden Widerstandes beharrte die Parteiführung bei der Feier des 40. Jahrestages ihres Staates am 7.10.1989 darauf, dass mit ihrem Regime alles in Ordnung sei. Das brachte das Fass zum Überlaufen, nicht nur bei dem sowjetischen Ehrengast Gorbatschow, sondern auch unter den DDR-Bürgern. Der Staatssicherheitsapparat erkannte, dass er die Protestbewegung nur mit dem Risiko eines großen Blutbades niederhalten konnte, und verzichtete auf die Anwendung von Gewalt. Schon zehn Tage nach dem Jubiläum trat Honecker als Partei- und Staatschef der SED ab. Innerhalb weniger Wochen zerfiel die Parteidiktatur der SED in der DDR.
Die überraschende Öffnung der Grenzen der DDR mit dem dramatischen Fall der Mauer in Berlin in der Nacht des 9.11.1989 beschleunigte den endgültigen Zerfall der SED-Herrschaft und das Ende der DDR, da nun die Möglichkeit der legalen und ungehinderten Übersiedlung nach Westdeutschland, die Hunderttausende wahrnahmen, den politischen Druck auf radikalere Veränderungen verstärkte. Bemühungen des Honecker-Nachfolgers Egon Krenz und des neuen Ministerratsvorsitzenden Hans Modrow das Ruder mit inneren Reformen wieder herum zu reißen blieben weitgehend fruchtlos. Im ganzen Land bildeten sich ´Runde Tische´, wo Vertreter der etablierten Parteien und der neuen Gruppierungen gemeinsam Reformen erarbeiteten. Der zentrale ´Runde Tisch´ der DDR leitete die Auflösung des berüchtigten Staatssicherheitsdienstes ein und konzipierte Anfang 1990 eine Verfassung für eine demokratische, unabhängige, sozialstaatlich und ökologisch orientierte DDR. Doch die politische Revolution war bereits weiter fortgeschritten. Dem ´Runden Tisch´ blieb nur noch die Aufgabe, die ersten freien Wahlen in der DDR zu organisieren, die vom Mai 1990 auf den 18.3.1990 vorgezogen worden waren. Seit Dezember 1989 mehrten sich die Stimmen, die die Vereinigung mit der BRD forderten. Auf den großen Demonstrationen waren nicht mehr Wir sind das Volk, sondern Wir sind ein Volk und Deutschland einig Vaterland die Parolen. In der ersten freien Volkskammerwahl am 18.3.1990 errang die Allianz für Deutschland, ein kurz zuvor auf Druck von Bundeskanzler Helmut Kohl gebildetes Wahlbündnis aus CDU, Demokratischer Aufbruch und Deutsche Soziale Union, 47% der Stimmen. Die SED, die sich inzwischen zur Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) umbenannt hatte, wurde mit 16,4% nur noch drittstärkste Partei. Das von den Bürgerrechtsbewegungen als den Trägern der demokratischen Revolution vom Herbst 1989 gebildete Bündnis 90 war mit 2,9% der Stimmen weit abgeschlagen. Der Ausgang dieser Wahl war ein nationales Plebiszit der Mehrheit der Ostdeutschen für Bundeskanzler Kohl und die von ihm verkörperte Wiedervereinigungspolitik, von der man sich eine schnelle und umfassende Besserung der Lebensverhältnisse erwartete. Nach dieser ersten freien Volkskammerwahl in 40 Jahren DDR-Geschichte bildete sich unter Lothar de Maizière (CDU) eine neue DDR-Regierung der großen Koalition, die aber nur noch das staatliche Ende der DDR abzuwickeln hatte. Sie vereinbarte Ende April mit der Bundesregierung die Einführung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zum 1. Juli 1990 und Ende August den „Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands“. Aufgrund dieses Einigungsvertrages traten die fünf Länder der DDR, die zuvor wieder an die Stelle der Bezirke getreten waren, und Ostberlin am 3.10.1990 als dem neuen „Tag der Deutschen Einheit“ der BRD und dem Geltungsbereich des Grundgesetzes bei. Während des Umbruchs versuchte das Ministerium für Staatssicherheit geheime Unterlagen zu vernichten. Bürgerrechtler konnten dies aber zu einem Großteil verhindern, indem sie Stasi-Dienststellen mutig besetzten. So retteten sie wertvolle Informationen für die spätere Aufarbeitung durch die Stasi-Unterlagen-Behörde.[73]
Zum Teil handelte es sich bei geretteten Akten aber nur um Papierschnipsel, rund 16 000
Säcke mit zerrissenen Stasi-Unterlagen wurden sichergestellt. Im Mai 2007 begann in Berlin eine staatlich finanzierte Computer-Rekonstruktion der Papierreste, nach einem eigens dafür entwickelten Verfahren. Mit den so gewonnenen Informationen könnten auch heute noch weitere Stasi-Spitzel enttarnt werden.[74]
5.2 Die transición
Der Übergang Spaniens von der autoritären Franco-Diktatur zur parlamentarischen Demokratie nach dem Tod des Diktators am 20. November 1975 vollzog sich nicht durch einen Bruch mit dem herrschenden System, sondern durch eine Erneuerung, die innerhalb der bestehenden Institutionen im Rahmen der Monarchie herbeigeführt wurde und wird daher auch als ruptura pactada bezeichnet. Grundlage dafür war die Zusammenarbeit von reformbereiten Politikern des Franco-Regimes mit der Opposition. Der Figur des Königs Juan Carlos wird großes Gewicht für das Gelingen des Demokratisierungsprozesses zugeschrieben. Seine entschiedene pro-demokratische Position verhinderte ein Aufhalten des Systemwechsels und er beeinflusste auch die Haltung der Streitkräfte. Zudem wurde durch die Massenmedien der Eindruck erweckt, dass eine demokratische Entwicklung unausweichlich ist. Die traditionelle Elite war überzeugt, dass gewisse Kompromisse zur Befriedung notwendig seien und auch die internationale Gemeinschaft übte Druck aus, eine Demokratie einzurichten.[75]
Zunächst wurden die Regierungsgeschäfte unter dem, noch von Franco ernannten, Ministerpräsidenten Arias Navarro fortgeführt. Dieser stellte sich zwar nicht gegen Reformen, setzte sich aber auch nicht besonders für eine Demokratisierung ein. Statt eines wirklichen Neubeginns verfolgte er nur eine Liberalisierung des Franco-Systems. 1976 machte der König, enttäuscht von der zögerlichen Entwicklung, Adolfo Suárez zu Navarros Nachfolger. In enger Abstimmung mit dem König setzte dieser sich nun für den schrittweisen Abbau der Strukturen des Franco-Regimes ein. Suárez war ein junger Politiker der Mitte und hatte keine belastende franquistische Vergangenheit.
Suárez vollbrachte den „paktierten Regimewechsel“ (transición pactada), der sich nach Wolfgang Merkel in drei Etappen vollzog:
1. Vorbereitung der Verfassungsreform im alten konstitutionellen Rahmen
2. Erarbeitung einer neuen Verfassung
3. konsensuelle Politik, die alle demokratischen Parteien und Gewerkschaften in politische Entscheidungen miteinband (z. B.: Moncloa-Pakte)[76]
Unter Suárez wurden wieder Parteien erlaubt, die faktisch bereits sowieso schon wieder aktiv waren. Schließlich wurde im November 1976 das „Gesetz für die politische Reform des spanischen Staates“ verabschiedet. Damit wurde das Prinzip der Volkssouveränität, unverletzliche Grundrechte und die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis der Cortes (das spanische Parlament) verankert. Die Mitglieder von Kongress und Senat sollten wieder aus freien Wahlen hervorgehen.[77] Diese Phase wird auch als „Demokratisierung ohne Demokraten“ bezeichnet.[78]
Im Juni 1977 fanden dann in Spanien die ersten freien Parlamentswahlen – ohne Hindernisse oder Zwischenfälle - seit 1936 statt. Suárez` Partei, das Mitte-Bündnis UCD gewann die Wahlen mit deutlicher Mehrheit. Die franquistische Partei musste eine Niederlage hinnehmen. Das neugewählte Zwei-Kammer-Parlament konnte nun eine Verfassung ausarbeiten. Neben politischen Reformen mussten aber aufgrund einer globalen Krise auch wirtschaftliche Schwierigkeiten als wichtige Voraussetzung für das Gelingen des Systemwechsels gemeistert werden. Im Oktober 1977 gelang es Suárez, eine Einigung aller wichtigen politischen Parteien für die pactos de moncloa zu erreichen. Diese Regelung sah vor, die staatlichen Investitionen zu erhöhen, die Arbeitslosenunterstützung und die staatliche Sozialversicherung zu verbessern und das Haushaltsdefizit zu verringern.[79] Die Wahlen zu einem verfassunggebenden Parlament 1977 führten zu einer ausgeglichenen Parteienproporz von rechts bis links. Die grundlegenden demokratischen Institutionen wurden in gemeinsamen Kompromissen geschaffen. Der ausgearbeitete Verfassungstext fand sowohl im Abgeordnetenhaus, als auch bei einer Volksabstimmung 1978 breite Zustimmung.[80] Nach der Festlegung von Puhle umfasst die spanische Demokratisierung sieben Jahre, wobei der Zeitraum der transición den Abschnitt vom Tod Francos im November 1975 bis zur Ratifikation der Autonomieregelungen für das Baskenland und Katalonien in den Referenden vom Oktober 1979 umfasst. Die Phase der Konsolidierung wird mit dem ersten Machtwechsel in der neuen Demokratie im Oktober 1982 beendet.[81]
Die Phase der transición war gekennzeichnet von einem parteiübergreifenden consenso. Alte und neue Eliten handelten den Systemwechsel aus. Der Regimewechsel konnte auf der Grundlage einer längeren ökonomischen und gesellschaftlichen Liberalisierungsphase aufbauen. Die bereits erfolgte gesellschaftliche Öffnung und der Elitenpluralismus trugen zum politischen Wandel bei, ein Fortbestehen des autoritären Regimes schien kaum eine Alternative zu sein.[82] Im Vergleich mit der gescheiterten Zweiten Republik in den 30ern hat Aguilar die vielfach besseren Bedingungen für die Etablierung einer Demokratie im Spanien der 70er herausgearbeitet: Viele destabilisierende Faktoren der Zweiten Republik, wie Konflikte um Agrarreformen, das Aufbegehren der Gewerkschaften und die katholische Kirche als Stütze der Franquisten, waren schlichtweg verschwunden. Viele heutige Entscheidungsträger hatten zudem den Bürgerkrieg nicht mehr selbst miterlebt.[83] Der Preis der im Konsens ausgehandelten Demokratisierung hatte allerdings den Preis des Beschweigens der Vergangenheit: Im pacto de olvido wurde die Geschichte von Bürgerkrieg und Franco-Regime ausgeklammert, um den System-Übergang nicht zu gefährden. Von einem reinen Mittel, um das Ziel der Demokratie zu erreichen, wandelte sich der oft gerühmte consenso, der das friedliche Aushandeln, die gegenseitige Toleranz und auch das Ruhen lassen der konfliktreichen Vergangenheit umfasst, schließlich in einen Wert an sich.[84]
In den wissenschaftlichen Arbeiten (meist aus der Politikwissenschaft) zur spanischen transición wird die Art des friedlichen, paktierten Systemübergangs meist wohlwollend bewertet bis hoch gelobt. Dass der Konsens, auf jeden Fall ohne Ausbruch von Gewalt eine Demokratie zu schaffen, auf einem bewusst beschwiegenen (aber nicht bewältigten) Konflikt beruhte, wurde in der Literatur dazu lange kaum beachtet. In Samuel Huntingtons viel beachteter Erklärung der Demokratisierungswelle ab den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wird die Bedeutung des Umgangs mit der jeweiligen Vergangenheit des Landes nicht gewürdigt. Spaniens Demokratisierung wird als fast zwangsläufige Entwicklung aufgrund der ökonomischen Modernisierung und einer als notwendig empfundenen Einbindung ins internationale System gesehen. Dreieinhalb Jahre nach dem Tod Francos gilt die Demokratie in Spanien als vollständig etabliert, die Bewältigung der Vergangenheit wird nicht als Maßstab herangezogen.[85]
6 Die Erinnerungskulturen im Vergleich
Im Folgenden sollen die Erinnerungskulturen in Deutschland und Spanien, die sich mit der DDR bzw. mit der Franco-Zeit beschäftigen, anhand ausgewählter Aspekte[86], verglichen werden. Vorgegangen wird jeweils in einem schematischen Dreischritt: Einer möglichst objektiven Betrachtung des jeweiligen Punkts in Deutschland und in Spanien, folgt Kritik und Vergleich der jeweiligen Thematik.
6.1 Dynamik der Entwicklung und besondere Phänomene
Vor der Analyse einzelner Punkte sollen die typischen Kennzeichen des jeweiligen Vergangenheitsdiskurses und ihre jeweilige besondere Entwicklung aufgezeigt und verglichen werden.
6.1.1 Vom eifrigen Blick in die Stasi-Akten zu Ostalgie und Verblassen
Im Umgang mit der DDR wird stets die Aufarbeitung der Nazi-Zeit als Vorlage und Vergleichsmaßstab herangezogen. Im Hinblick auf die Aufarbeitung mit der ´zweiten deutschen Diktatur´ ist ein besonderes Bemühen der Deutschen zu erkennen, unbedingt von Anfang an alles richtig zu machen. Schließlich war man ja nach einem zögerlichen Beginn zum Zeitpunkt der Wende auch in der Vergangenheitsbewältigung des Dritten Reichs schon vorbildhaft zu Gange.[87] Tatsächlich zeichnete sich die DDR-bezogene Erinnerungskultur nach der Zäsur des Mauerfalls und der Wiedervereinigung zunächst durch eine beeindruckende Intensität aus, die sich allerdings nach einigen Jahren bedeutend abschwächte.
Nach dem Historiker Bernd Faulenbach lässt sich die Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit in bislang vier Phasen einteilen.
- 1989 – 1991: Revolutionäre Phase, in der er es u.a. um die Sicherstellung der Akten und Überreste der Diktatur und die Enttabuisierung bestimmter Themen ging
- 1991 – ca. 1995: Phase systematischer Aufarbeitung mit beachtlicher Resonanz, an der fast alle Ebenen beteiligt waren (Arbeit der Gauck-Behörde und der Enquete-Kommission I)
- 1995 – ca. 2000: Phase allmählich nachlassenden Interesses. Hatte vorher in der Beurteilung ein Rigorismus vorgeherrscht, so schwächte sich dieser ab, eine allmähliche Historisierung des Geschehens trat ein, freilich nicht für die Opfer, was diese zu Protesten veranlasste
- Eine neue Phase setzte etwa um die Jahrtausendwende ein: die strafrechtliche Ausarbeitung lief aus, die zweite Enquete-Kommission beendet 1998 ihre Arbeit; diese wird mit veränderter Aufgabenstellung von der Stiftung Aufarbeitung weitergeführt. Das Interesse geht deutlich zurück.[88]
Die Darstellung weiterer Autoren stimmt weitgehend mit dieser Gliederung Faulenbachs überein. Die Phaseneinteilung Faulenbachs entspricht auch der These, dass sich die Erinnerung an die DDR mittlerweile weitgehend im Stadium einer Vergangenheitsbewahrung befindet.
Begonnen hatte die Aufarbeitung (nach Faulenbach) bereits noch im Transformationsprozess 1990.[89] Zentrales Thema wurden schnell die ´Inoffiziellen Mitarbeiter´, die ´IMs´ der Stasi. Auch lange tabuisierte Themen wie die Speziallager der frühen Nachkriegszeit wurden öffentlich thematisiert. In der ersten Hälfte der 90er Jahre erfolgte ein breiter Aufarbeitungsprozess: In den Jahren 1990/91 wurden auf Initiative von ostdeutscher Seite (in der Regel frühere Bürgerrechtler) entsprechende Institutionen geschaffen, wie die Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR, die Bundesbeauftragte für Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in der ehemaligen DDR und die Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages, außerdem die Institutionen zur juristischen Aufarbeitung (die Zentralstelle für die Ermittlung von Regierungskriminalität etc.). Es wurde mit der strafrechtlichen Aufarbeitung durch die Gerichte begonnen, zahllose Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet; allerdings konnte nur bei einem verhältnismäßig kleinen Teil der Fälle ein Hauptverfahren eröffnet und ein noch kleinerer Teil von Angeklagten verurteilt werden. Die strafrechtliche Aufarbeitung kam bis zur Jahrhundertwende im Wesentlichen zum Abschluss.[90] Eine teilweise Wiedergutmachung der Opfer des DDR-Regimes wurde in den frühen 90er Jahren durch die sogenannten Unrechtsbereinigungsgesetze erreicht.[91] Während man sich umgehend mit dem Herrschaftssystem beschäftigte und als totalitäre Diktatur verurteilte, kam das Interesse für Gesellschaft und Alltag in der DDR erst nach und nach auf. Ab Mitte der 90er Jahre nahm das Interesse aber insgesamt ab, immer mehr Menschen forderten ein Ende der Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Zunächst hatte eine sehr kritische Sicht auf die DDR die öffentliche Debatte dominiert. Während frühere Oppositionelle und teilweise auch die Medien eine Abrechnung oder zumindest Aufklärung der SED-Vergangenheit suchten, waren die früheren Eliten der DDR, also etwa führende Politiker der SED bzw. PDS aus dem Diskurs ausgeschlossen. Ab Mitte der 90er änderte sich dies: Es begann eine Differenzierung und Pluralisierung der Standpunkte im Hinblick auf die DDR-Vergangenheit. Während immer mehr Argumente zu hören waren, die die DDR rechtfertigten, verloren die zur Wende gegründeten Gruppen der Bürgerrechtler und Aufarbeitungsforderer an Gewicht in der öffentlichen Debatte. Laut Faulenbach konnten sie sich nur durch die Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur 1998, die nach den beiden Enquetekommissionen des Bundestags gegründet worden war, stabilisieren.[92]
Trotz der bereits erfolgten intensiven Aufarbeitung hat sich noch kein Konsens in der Bewertung der DDR gefestigt.[93] Dabei ist grob zu unterscheiden zwischen den Urteilen von West- und Ostdeutschen, sowie von früheren Befürwortern und Gegnern des Systems.
„Eine verbindliche Deutung der DDR-Geschichte gibt es (auch innerhalb der ostdeutschen Teilgesellschaft) bislang nicht. Begriffe wie „Unrechtsregime“ oder „zweite Diktatur“ können von Teilnehmern als Provokation aufgefasst werden, während ehemalige Regimegegner und Verfolgte eine grundsätzliche Delegitimierung des „Experiments DDR“ für selbstverständlich halten (…).“[94]
Speziell bei aus der DDR stammenden Bürgern scheint eine Lücke zwischen dem individuellem und dem öffentlich-offiziellem kollektiven Gedächtnis zu klaffen. Laut Dietrich Mühlberg hat ihr Gedächtnis und Erinnerungsbedarf sogar oft nur wenig mit den offiziellen Darstellungen zu tun. Der Autor vertritt die Meinung, dass die früheren DDR-Bürger sogar dazu angehalten werden, den größeren Teil ihrer Erfahrungen aus der Erinnerung zu löschen und sich an das kommunikative und kulturelle Gedächtnis der alten Bundesrepublik zu halten.[95] Mühlbergs Hinweis, dass diese spezifische DDR-Erinnerung aber unter anderem mit Bewahrungshandlungen und Erinnerungsstücken gepflegt wird, lenkt den Blick auf ein Phänomen, das als Gegenbewegung zu dieser Kolonialisierung der Erinnerung zu verstehen ist. Als Kompensation zur deutschen Erinnerungskultur im Sinne des kulturellen Gedächtnis (nach Assmann) besteht eine Art Subsystem von ostdeutscher DDR-Erinnerung, das aber lediglich als soziales Gedächtnis (nach Welzer) praktiziert wird. Am meisten Beachtung und schließlich auch Eingang in die gesamtdeutsche Erinnerungskultur fand diese Form der Erinnerung als sogenannte Ostalgie. Statt um abstrakte Kategorien, wie totalitäre Diktatur oder Unrechtsstaat geht es dabei um verlorene Bilder, Gerüche, Gesten, Gefühle und Worte. Diese nostalgische Haltung zum SED-Staat setzte nach einer Phase der Ernüchterung (über das neue System) bei vielen früheren DDR-Bürgern ein. Das Phänomen der Ostalgie wird damit erklärt, dass es für die Menschen ein Problem darstellt, diese Zeit ausschließlich kritisch zu sehen, weil ihre eigene Lebensgeschichte damit verwoben ist. Außerdem habe der Partei- und Staatsapparat in den letzten beiden Jahrzehnten nicht mehr nur Angst und Ohnmachtsgefühle aufkommen lassen. Dadurch sei es für die Bürger schwierig, das von ihnen erlebte Land nur als Unrechtsstaat zu sehen. In den Medien erreichte die Ostalgie -Welle im Jahr 2003 mit mehreren Fernseh-Shows, die die verlorene Alltags-Kultur der DDR mit zahlreichen Souvenirs der Zeit und den früheren Stars des SED-Staats aufleben ließen, ihren Höhepunkt.[96] In den Sendungen wurde der politische Aspekt ausgeklammert und ein harmloses und skurriles und teilweise auch liebenswertes Bild[97] der DDR gezeichnet. Parallel dazu veränderte sich die kollektive Erinnerung - zumindest der Ostdeutschen – im Rückblick auf die DDR.[98] Gleichzeitig kann die Ostalgie auch als Abgrenzung zu den Westdeutschen verstanden werden, als der Versuch dem Spiegel der Erfolgsgeschichte etwas entgegenzuhalten. Beispielsweise erinnert Jana Hensels gut verkaufte nostalgische DDR-Kindheitserinnerung Zonenkinder[99] stark an den westdeutschen Bestseller Generation Golf[100] von Florian Illies. Generell gilt die Besonderheit der unterschiedlichen Erfahrungen der heute ´vereinigten´ Deutsche als Blockade in der kritischen Beschäftigung mit der Vergangenheit.[101] So empfinden beispielsweise Ostdeutsche, die dem SED-Staat eher kritisch gegenüber standen und stehen, es als unangenehm einer Art westdeutschem Druck ausgesetzt zu sein, die DDR zu verurteilen.
Weitere Konflikte ergeben sich aus dem Vergleich mit der NS-Aufarbeitung: Aus dem ständigen Vergleich mit der Aufarbeitung der anderen, und unbestritten noch schlimmeren Diktatur, rühren aber auch Konflikte der Nazi- und Stasi-Opfergruppen, die jeweils befürchten, dass ihr Schicksal nicht gebührend beachtet werde.[102] Diverse Aufarbeitungslobbyisten, darunter der Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, beklagen auch, dass die kritische Erinnerung an die DDR auf nur wenige Gruppen in der Gesellschaft begrenzt sei. Laut Knabe gibt es zwar einen kleinen Sektor professionell arbeitender Aufarbeitungseinrichtungen, aber insgesamt konnte die kommunistische Diktatur in der DDR nicht wirklich nachhaltig ins gesellschaftliche Bewusstsein gehoben werden. Es sei auch nicht gelungen klare politisch-moralische Standards zu errichten. So habe es beispielsweise im Bundestag einen Abgeordneten gegeben, der hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter war und ein Mitglied einer früheren Bundesregierung sei ein Stasi-Partner gewesen, ohne dass dies in der Gesellschaft thematisiert worden sei.[103] Ein positiveres Urteil fällt Marianne Birthler, ihre Einschätzung teilt wohl auch ein Großteil der Deutschen:
„Kaum ein anderes Land auf der Welt hat 15 Jahre nach dem Ende einer Diktatur bereits einen solchen Forschungsstand und eine solche öffentliche Wahrnehmung sowie ein Parlament, das in vier aufeinanderfolgenden Legislaturperioden mit riesengroßer Mehrheit den politischen Willen zum Ausdruck gebracht hat, dass die Vergangenheit aufgearbeitet, dass nicht weggeschaut und nicht erst eine Generation gewartet hat.“[104]
In der jüngsten Zeit geht es auch immer wieder um die Frage, inwiefern der Schutz der Täter eine gesellschaftliche Aufarbeitung behindert. Zahlreiche frühere Parteifunktionäre und Stasi-Mitarbeiter haben in den vergangenen Jahren Gerichtsprozesse gewonnen, wenn es darum geht ihre Verwicklung in das SED-System in den Medien zu verschweigen. Bestes Beispiel dafür ist der Politiker und Anwalt Gregor Gysi (Die Linke), der erreicht hat, dass die vom Immunitätsausschuss des Bundestags getroffene Feststellungen über sein Verhältnis zum Staatssicherheitsdienst der DDR nicht mehr wiedergegeben dürfen. Generell habe sich nach dem Ende des NS-Regimes erwiesen, dass der Rechtsstaat mit seinen juristischen Möglichkeiten dem Erbe der totalitären Diktatur relativ machtlos gegenüber stehe, urteilt Autor Jochen Staadt in einer Analyse des Problems Täterschutz vs. Aufarbeitung.[105]
6.1.2 Vom pacto de olvido zur recuperación de la memoria und ola de recuerdo
Die herausragende Besonderheit der Auseinandersetzung der Spanier mit ihrer franquistischen Vergangenheit liegt in ihrer Verspätung. In der Phase der transición und darüber hinaus, bis zur Jahrtausendwende, galt der pacto de olvido. Um ein erneutes Ausbrechen des Konflikts der dos españas in einen Bürgerkrieg um jeden Preis zu vermeiden, bestand der gesellschaftliche Konsens, dass an der Vergangenheit nicht gerührt wird. Paloma Aguilar Fernández, die Pionierin der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Gedenkdiskurs in Spanien, beschreibt das Phänomen folgendermaßen:
„A lo largo de la transición española tuvo lugar un pacto tácito entre las elites más visibles para silenciar las voces amargas del pasado que tanta inquietud suscitaban entre la población,”[106]
Mit dem Schreckgespenst des Bürgerkriegs im Hintergrund wurde der Fokus geradezu obsessiv auf Frieden, Stabilität und den viel beschworenen consenso der Parteien gerichtet. Während der 40 Jahre währenden Diktatur war die Erinnerung an den Konflikt schließlich auch bewusst zur Stabilisierung des Systems wach gehalten worden. Während der transición war die Erinnerung der Spanier bestimmt von einer Kollektivschuld am Geschehenen und dem vorrangigen Wunsch dies nie zu wiederholen.
„En España se fraguó una memoria histórica consensuada de la contienda, según la cual, en primer lugar, todos fueron igualmente culpables de las barbaridades cometidas entonces y, en segundo lugar, dicha tragedia no debe repetirse nunca más.”[107]
Dabei wurde das Beschweigen der Vergangenheit von der früheren Opposition zum Franco-Staat nicht nur in Kauf genommen, sondern die gelobten Tugenden moderación und concordia auch gerne für sich selbst übernommen. Einschränkend muss aber festgehalten werden, dass es sich beim viel zitierten Beschweigen der Vergangenheit, in der Politik vorrangig um ein Druckmittel handelte.
„Während der Sitzungen des Verfassungsauschusses wurde die traumatische Erfahrung des Bürgerkriegs immer dann angeführt, wenn strittige Punkte wie die Position der Kirche oder des Militärs verhandelt wurden und es galt, die Kompromissbereitschaft der anderen Fraktionen zu erhöhen.“[108]
Führende Medien wie El País, La Vanguardia und ABC wachten über die Einhaltung des Schweigepakts mit kommentierendem Lob und Tadel. Wer sich nicht daran hielt, wie beispielsweise die Kommunistin Dolores Ibarruris bei ihrer Rückkehr nach Spanien 1977, wurde öffentlich in die Schranken gewiesen und darauf hingewiesen, die Versöhnung zu gefährden.[109] Trotz der Demokratisierung wurde der Opfer der Diktatur nur mit symbolischen Gesten von König Juan Carlos gedacht, die allerdings stets im Ausland (!) stattfanden. Das Staatsoberhaupt besuchte die KZ-Gedenkstätte Mauthausen in Österreich und traf sich in Mexiko mit Manuel Azañas Witwe. Aber noch zum 60. Jahrestag des Ausbruchs des Bürgerkriegs (1996) wurde der Franquismus in den Massenmedien kaum behandelt.[110]
Allerdings galt das Beschweigen der Vergangenheit nicht für alle Bereiche, die die Erinnerungskultur einer Gesellschaft ausmachen. Während in der Tagespresse nur von der amnesia colectiva zu lesen war, wurden Bürgerkrieg und Diktatur in Literatur und Kino ausführlich behandelt. Aguilar, für die diese widersprüchliche Situation ein Anlass für ihr wegweisendes Werk Memoria y olvido de la guerra civil war, spricht von einer geradezu paradoxen Situation.[111] Auch Intellektuelle wie Juan Goytisolo und Manuel Vázquez-Montalbán standen dem nationalen Vergessen stets kritisch gegenüber. Goytisolo prophezeite schon 1978, dass eine Beschäftigung mit der Franco-Vergangenheit noch ausstehe. Entsprechend der langen Dauer der „Krankheit“ werde sich auch die „Genesung“ lange hinziehen. Er schrieb:
„Die Völker verhalten sich nicht anders als die einzelnen: sie neigen dazu, einen dichten Schleier über jene Teile ihrer Vergangenheit zu breiten, mit denen sie nichts mehr zu schaffen haben wollen – ohne daß sie deshalb mit dem erlittenen Trauma fertig geworden wären.“[112]
Gegenstand einer breiten gesellschaftlichen Debatte wurde die franquistische Vergangenheit erst rund 25 Jahre nach dem Tod des Diktators. Parallel zu privaten Aufarbeitungsinitiativen und einem erstarkenden Einfluss der Geschichtswissenschaft wurde der Franquismus nun auch in populären Medien verstärkt behandelt. Bestes Beispiel dafür ist die Fernsehserie Cuéntame cómo pasó, die mit ihrem nostalgisch-verklärenden Rückblick auf die Spät-Franco-Zeit[113] Rekordzuschauerzahlen verbuchte. Auch Erinnerungsromane, wie etwa Soldados de Salamina von Javier Cercas wurden zu Bestsellern. Das so lange verdrängte Trauma bahnte sich nun mit aller Kraft seinen Weg in der recuperación de la memoria, in der zum Teil sogar eine regelrechte ola de recuerdo[114] gesehen wird. Erkärt wird das Aufflammen der Erinnerung in der gesellschaftlichen Debatte mit dem allmählichen Aussterben der Träger des kommunikativen Gedächtnisses und dem Generationswechsel, der ein neues Verhältnis zur Vergangenheit ermöglicht.[115] Ein Konsens in der Bewertung der Vergangenheit ist aber mit dem erstarkten Interesse an der jüngsten Geschichte noch lange nicht erreicht. Vielmehr zeigt sich erneut die starke Spaltung der Gesellschaft. Nach einer Umfrage von El Mundo waren 70 Jahre nach Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs nur 51 Prozent von 1000 Befragten der Meinung, dass Franco einen Putsch gegen eine legitime Regierung angezettelt hatte.[116] Als eine Art Motor in der Entwicklung zu dem breiten Interesse für die Vergangenheit wird die Initiative um den Journalisten Emilio Silva gesehen. Sein Verein Asociación para la Recuperación de la Memoria Histórica (ARMH) kämpft für die Identifizierung und würdevolle Bestattung von rund 30 000 Bürgerkriegstoten auf Seiten der Republikaner, die in Massengräbern verscharrt sind, und die Aufklärung der Todesumstände. Der ARMH schaltete 2002 sogar die UNO zu der Frage ein, die der spanischen Regierung umfassende Untersuchungen zu den Verschwundenen des Bürgerkriegs empfahl.[117] So ist der spanische Blick auf den Franquismus auch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Diktatur von der Spannung zwischen Erinnern und Vergessen geprägt.
6.1.3 Kritik und Vergleich
Ein herausragender Unterschied in der Dynamik der beiden Erinnerungskulturen ist ihr fast entgegen gesetzter Verlauf: Während die Aufarbeitung der DDR direkt nach ihrem Ende intensiv in Medien und Politik in Gang gesetzt wurde und sich nach einigen Jahren aber deutlich abschwächte, ist in Spanien nach 1975 für lange Zeit ein bewusstes Nicht-Erinnern zu beobachten. Im Vergleich zu Spanien war der Rückblick auf die DDR kaum von Tabus behindert, schnell konnte öffentlich über die Beurteilung des untergegangenen Staates diskutiert werden. Bei den geschichtsversessenen Deutschen scheint zudem die bereits gemachte Erfahrung mit der NS-Aufarbeitung eine beschleunigende Wirkung gehabt zu haben. Zum Zeitpunkt des Endes der DDR hatten die Deutschen den Umgang mit einer diktatorischen Vergangenheit – ebenfalls nach einer Phase der versuchten Verdrängung – gelernt. Ein Gegensatz zeigt sich auch in den Perspektiven auf die Vergangenheit. Während in Spanien speziell die Geschichte der Opfer lange Zeit ausgeblendet war und eigentlich erst mit dem Beginn des Erinnerungsbooms um die Jahrtausendwende in den Vordergrund rückte, war der DDR-Erinnerungsdiskurs lange Zeit von der Opfer- bzw. Kritikerseite beherrscht. Erst in der jüngsten Vergangenheit meldeten sich verstärkt auch die ´Täter´ in Form ehemaliger Stasi-Offiziere – bemerkenswert ungeniert - in der Öffentlichkeit zu Wort und beharren auf ihre Deutung des SED-Staats.[118] Während die DDR zunächst rigoros verurteilt wurde, wurden später auch in der Öffentlichkeit differenziertere Standpunkte vertreten. In Spanien dagegen wurde die radikale Verurteilung des Franco-Regimes erst mit der Zeit möglich und auch heute noch werden öffentlich positive Aspekte der Diktatur betont. Dies ist immer noch gesellschaftlich eher akzeptiert als ein ähnliches Verhalten in Bezug auf die DDR in Deutschland. Das Gedächtnis der ´Täter´ bzw. von Vertretern einer eher unkritischen Haltung zur Diktatur hat in der kollektiven Erinnerung Spanie
Parallelen zeigen sich in Formen der Nostalgie und dem Hervorheben der „guten Zeiten“ beim Rückblick auf die Diktaturen, die allerdings in ihrem zeitlichen Abstand zur Demokratisierung in Spanien weit später auftreten als in Deutschland. In Bezug auf die DDR zeigte sich die Ostalgie in vor allem in Fernsehshows, der literarischen Besinnung auf spezielle Ost-Kindheiten und einer Rückbesinnung auf Ost-Produkte. In Spanien zeigte sich dies in der nostalgischen Fernsehserie Cuéntame und wehmütigen Rückbesinnungen auf die Konsum- und Medienwelt der späten Franco-Zeit, beispielsweise im Internet-Forum www.teacuerdas.com.[119]
Die Theorie des kulturellen Gedächtnisses scheint den spanischen Fall gut zu beschreiben: An der Grenze des kommunikativen Gedächtnisses wird intensiv verhandelt wie die Franco-Vergangenheit im kulturellen Gedächtnis gesehen werden soll. Die neu aufgeflammte Auseinandersetzung um den Franquismus ist symptomatisch für die Phase der Vergangenheitsbewältigung. Obwohl der zeitliche Abstand zur DDR kürzer ist, erscheint es derzeit so, als ob die Phase der aktiven Auseinandersetzung bereits abgeschlossen ist, also bereits die Phase der Vergangenheitsbewahrung eingesetzt hat. Zumindest deutet momentan nichts auf eine neuerliche breite Auseinandersetzung hin. Es müsste allerdings geklärt werden, inwiefern der kolonialisierende Einfluss der kollektiven westdeutschen Erinnerung die DDR-Vergangenheit am Eingang in die gesamtdeutsche Erinnerungskultur tatsächlich behindert.
6.2 Politische und strafrechtliche Aufarbeitung
Die Haltung der Politik ist bei der Ausgestaltung von Erinnerungskultur von entscheidender Bedeutung[120]. Sie bestimmt nicht nur den Umgang mit Opfern und Tätern, sondern hat auch großen Einfluss auf die Entwicklung des öffentlichen Gedenkens mit Ausstellungen und Museen, auf die Darstellung im Geschichtsunterricht, die (Dis)kontinuität von öffentlicher Symbolik aus der Diktatur und sie beeinflusst auch die Bildung von Erinnerungsorten.
6.2.1 In Deutschland
Eine herausragende Rolle bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit durch die Politik spielten die beiden vom Bundestag eingesetzten Enquete-Kommissionen. So hat der Deutsche Bundestag vom Frühjahr 1992 bis Sommer 1994 der ´Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland´ eine eigene Enquete-Kommission gewidmet, die in der darauffolgenden Legislaturperiode 1994 bis 1998 ihre Arbeit unter dem Titel ´Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit´ fortsetzte. Die beiden Kommissionen unter Leitung des Abgeordneten Rainer Eppelmann (CDU) beschäftigten sich nicht nur mit der Geschichte der DDR, sondern auch mit den Wirkungen der SED-Herrschaft und dem Erinnern und Gedenken an diese Zeit. In den Anhörungen kamen Sachverständige und Zeitzeugen aus ganz Deutschland und den verschiedensten Bereichen zu Wort, dazu gehörten auch Opfer der SED-Diktatur und Vertreter von Opposition und Widerstand. Die schriftlichen Ergebnisse der ersten Enquete-Kommission mit Protokollen der Anhörungen und wissenschaftlichen Gutachten umfasste 15 000 Seiten und wurden in einer 18-bändigen Edition veröffentlicht. Laut Peter Maser konnte die erste Enquete-Kommission eine breite Öffentlichkeit erreichen, politische und wissenschaftliche Diskussionen anregen und wesentliche Beiträge zu einer präziseren Bewertung der SED-Diktatur leisten. Die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth bezeichnete die gesammelten Materialien als einzigartiges Zeugnis der Vergewisserung gerade eben erlebter Vergangenheit. Heutigen wie Späteren sei damit eine repräsentative Sammlung von artikulierten Gefühlen, Erfahrungen, Meinungen und Bewertungen an die Hand gegeben, deren Wert mit dem zeitlichen Abstand steigen werde. Die zweite Enquetekommission rief allerdings im Vergleich zu ersten ein nicht mehr so starkes Interesse hervor. Rainer Eppelmann, der Vorsitzende der Kommission, erklärte sich dies mit einer Normalisierung. Vieles von dem, was in der Arbeit der ersten Kommission noch sensationell wirken konnte, sei in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre dann schon selbstverständlicher Bestandteil des antitotalitären Konsenses im vereinigten Deutschland gewesen. Laut Maser war es besonders schwierig das Alltagsleben in der DDR angemessen zu beschreiben, obwohl es die kollektive Erinnerung entscheidend mitbestimme.[121]
[...]
[1] Aus der Beschreibung des Sonderforschungsbereichs Erinnerungskulturen der Universität Gießen www.innovations-report.de
http://www.innovations-report.de/html/berichte/dfg_geisteswissenschaften/bericht-21880.html (30.05.2007)
[2] Rey, David (2003b): Erinnern und Vergessen im post-diktatorischen Spanien. In: Sabrow, Martin/Jessen, Ralph/Große Kracht, Klaus (Hg.): Zeitgeschichte als Streitgeschichte. Große Kontroversen nach 1945, München, S. 347 – 369, S. 347.
[3] Vgl. Perger, Werner A.: Die Gespenster der Vergangenheit. In: Die Zeit vom 08.03.2007.
[4] Vgl. dpa: Polens Regierungschef will Verfassungsänderung zu «Durchleuchtung» vom 15.05.2007.
[5] Vgl. dpa: Hauptbelastungszeuge für Folterer in Argentinien angeblich ermordet vom 21.12.2006.
[6] Die Begriffe Vergangenheitsbewältigung und Vergangenheitsbewahrung werden in Anlehnung an den Ansatz des Historikers Nobert Frei verwendet. Er unterscheidet in Bezug auf die Nazi-Zeit vier Phasen des Umgangs mit dieser Vergangenheit. Er differenziert zwischen der Phase der politischen Säuberung (1945-1949: Handeln der Siegermächte), der Vergangenheitspolitik (fünfziger Jahre: Verharmlosung, Leugnung und Amnestie der Täter), der Vergangenheitsbewältigung (sechziger und siebziger Jahre: Auseinandersetzung mit dem Holocaust, v.a. die Generation der Nachkommen fordert eine verstärkte Aufklärung über die Nazi-Zeit, es bildet sich ein aktives Netzwerk von Politikern, Juristen, Künstlern und Intellektellen das sich gegen einen Schlussstrich wehrt ) und der jetzigen Phase der Vergangenheitsbewahrung (nicht Erinnerungskampf und praktische Bewältigung, sondern Erinnerungskultur mit der Frage, wie erinnert werden soll, steht im Vordergrund); vgl. Frei, Norbert (2005): 1945 und wir. Das Dritte Reich im Bewußtsein der Deutschen, München, S. 23 – 40.
[7] Vgl. Assmann, Jan (19992): Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München, S. 44.
[8] Assmann, Jan (1988): Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. In: Assmann, Jan/Hölscher, Toni: Kultur und Gedächtnis, Frankfurt am Main, S. 9.
[9] Assmann (1988), S. 10.
[10] Assmann (1988), S. 9f.
[11] Assmann (1988), S. 14.
[12] Assmann (1988), S. 13 - 15.
[13] Assmann (1988), S. 15.
[14] Vgl. Assmann (19992), S. 20/21.
[15] Vgl. Assmann (19992), S. 68/69.
[16] Vgl. Assmann (19992), S. 85/86.
[17] Vgl. Assmann, Aleida (20032): Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München, S. 141/142.
[18] Welzer, Harald (2001): Das soziale Gedächtnis. Geschichte, Erinnerung, Tradierung, Hamburg, S. 16.
[19] Welzer (2001), S. 18.
[20] Nora, Pierre (1998): La aventura de Les lieux de mémoire. S. 17 – 34. In: Cuesta Bustillo, Josefina: Memoria e Historia, Madrid, S. 17/18.
[21] Nora (1998), S. 27.
[22] Vgl. François, Etienne/Schulze, Hagen (2001): Deutsche Erinnerungsorte, München, S. 16.
[23] Vgl. auch Erll, Astrid (2005): Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, Stuttgart, S. 138/139.
[24] Vgl. François/Schulze (2001), S. 16.
[25] Vgl. François/Schulze (2001), S. 18.
[26] François/Schulze (2001), S. 20.
[27] Vgl. Cuesta Bustillo, Josefina (1998): Memoria e historia. Un estado de la cuestión. In: Cuesta Bustillo, Josefina: Memoria e Historia, Madrid, S. 203 – 229, S. 223/224.
[28] Vgl. Erll (2005), S. 167 – 193.
[29] Erll (2005), S. 167.
[30] Vgl. Erll (2005), S. 167 – 169.
[31] Vgl. Erll (2005), S. 167 – 191.
[32] Vgl. Erll, Astrid (2003): Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. In: Nünning, Ansgar/Nünning, Vera (Hg.): Konzepte der Kulturwissenschaften. Stuttgart, S. 156 – 180, S. 176.
[33] Vgl. Erll (2003), S. 176.
[34] Vgl. dazu auch Aguilar Fernández, Paloma (1996): Memoria y olvido de la Guerra Civil española, Madrid, S. 26.
[35] Vgl. dazu auch Aguilar (1996), S. 36/37.
[36] Assmann (19992), S. 18.
[37] Assmann (19992), S. 30.
[38] Assmann (19992), S. 30.
[39] Vgl. Assmann (19992), S. 33.
[40] Assmann (19992), S. 32.
[41] Hockerts, Hans Günter (2002): Zugänge zur Zeitgeschichte: Primärerfahrung, Erinnerungskultur, Geschichtswissenschaft. In: Jarausch, Konrad H./Sabrow, Martin (Hg.): Verletztes Gedächtnis. Erinnerungskultur und Zeitgeschichte im Konflikt. Frankfurt/NewYork, S. 39 – 74, S. 41.
[42] Vgl. Hockerts, (2002), S. 53.
[43] Vgl. Birthler, Marianne (2006): Die BStU im Wandel der Rechtssprechung und der öffentlichen Diskurse in Ost- und Westdeutschland. In: März, Peter/Veen, Hans-Joachim (Hg.): Woran erinnern? Der Kommunismus in der deutschen Erinnerungskultur. Köln, S. 123 – 132, S. 124.
[44] Vgl. Erll (2003), S. 177.
[45] Vgl. Erll (2003), S. 177.
[46] Vgl. Erll (2003), S. 177/178: „Im Sinne der Konstituierung eines `kollektiv-autobiographischen Gedächtnisses´ geht es in Erinnerngskulturen um die kollektive Vergegenwärtigung einer gemeinsamen Vergangenheit und um ´Sinnbildung über Zeiterfahrung´. (Jörn Rüsen). Der Fokus kulturwissenschaftlicher Untersuchungen zu kollektiv-autobiographischen Gedächtnissystemen richtet sich auf Dynamik, Kreativität und Narrativität (…).“
[47] Beispielsweise Mühlberg, Dietrich (2002): Vom langsamen Wandel der Erinnerung an die DDR. In: Jarausch, Konrad H./Sabrow, Martin (Hg.): Verletztes Gedächtnis. Erinnerungskultur und Zeitgeschichte im Konflikt. Frankfurt/New York, S. 217 – 252; Faulenbach, Bernd (2004): Zum Wandel des Umgangs mit der SBZ- und DDR-Geschichte. In: Behrens, Heidi/Wagner, Andreas (Hg.): Deutsche Teilung. Repression und Alltagsleben. Erinnerungsorte der DDR-Geschichte. Leipzig, S. 31 – 43.
[48] Ahbe, Thomas (2005): Ostalgie. Zum Umgang mit der DDR-Vergangenheit in den 1990er Jahren, Erfurt.
[49] Leuerer, Thomas (2004): Die heile Welt der Ostalgie – Kollektive politische Erinnerung an die DDR durch mediale Verzerrung. In: Goll, Thomas/Leuerer, Thomas: Ostalgie als Erinnerungskultur?, Baden-Baden, S. 46 – 59.
[50] Faulenbach, Bernd (1996): Geschichtserfahrung und Erinnerungskultur im vereinigten Deutschland. In: Gewerkschaftliche Monatshefte 47, Düsseldorf, S. 232 – 239.
[51] Vgl. beispielsweise Misselwitz, Hans (2005): War die bisherige Aufarbeitung der SED-Diktatur erfolgreich? In: Faulenbach, Bernd/Jelich, Franz-Josef (Hg.): „Assymetrisch verflochtene Parallelgeschichte?“ Die Geschichte der Bundesrepublik und der DDR in Ausstellungen, Museen und Gedenkstätten, Essen, S. 41 – 50.
[52] Becker, Anja (2004): Wie Gras über die Geschichte wächst. Orte der Erinnerung an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, Berlin.
[53] Beispielsweise Kaminsky, Annette (2001): Erinnerung, Gedenken und Gedenkstätten für Widerstand, Opfer und Verfolgung in der zweiten Diktatur auf deutschem Boden. In: Groppo, Bruno/Schindler, Christine (Hg.): Erinnerung an Diktatur und Verfolgung im internationalen Vergleich, Leipzig, S. 179 – 188.
[54] Behrens, Heidi/Wagner, Andreas (Hg.) (2004): Deutsche Teilung. Repression und Alltagsleben. Erinnerungsorte der DDR-Geschichte, Leipzig; Ullrich, Maren (2006): Geteilte Ansichten. Erinnerungslandschaft Deutsch-Deutsche Grenze, Berlin.
[55] Beispielsweise Ahbe, Thomas/Hofmann, Michael (2002): “Eigentlich unsere beste Zeit”. Erinnerungen an den DDR-Alltag in verschiedenen Milieus. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B17, S. 13 – 22.; Neubert, Ehrhart (2006): Westdeutsche und ostdeutsche Erinnerungsperzeptionen. In: März, Peter/Veen, Hans-Joachim (Hg.): Woran erinnern? Der Kommunismus in der deutschen Erinnerungskultur, Köln, S. 165 – 190.
[56] Beispielsweise Arnswald, Ulrich (2004): Zum Stellenwert der DDR-Geschichte in schulischen Lehrplänen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B41-42, S. 28 - 35; Arnswald, Ulrich/Bongertmann, Ulrich/Mählert, Ulrich (Hg.) (2006): DDR-Geschichte im Unterricht, Berlin.
[57] Holzwarth, Werner (1998): Kollektive Bilder 2, Weimar.
[58] François, Etienne/Schulze, Hagen (2001): Deutsche Erinnerungsorte, München.
[59] Die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. Literaturauswahl aus den Beständen der Bundestagsbibliothek. http://www.bundestag.de/wissen/bibliothek/akt_lit/littipps/geschichte/littippddr.pdf (30.05.2007)
[60] Aguilar Fernández, Paloma (1996): Memoria y olvido de la Guerra Civil Española, Madrid.
[61] Vgl. Beispielsweise Reig Tapia, Alberto (1997): Memoria viva y memoria olvidada de la guerra civil. In: Sistema. Revista de Ciencias Politicas, Nr. 136, Januar 1997, S. 27 – 41; Díaz-Plaja, Fernando (1987): La España que sobrevive. Cincuenta años despué s de la Guerra, Madrid; Tusell, Javier (1986): Los hijos de Sangre. La España de 1936 desde 1986, Madrid.
[62] Beispielsweise bei Macher, Julia (2002): Verdrängung um der Versöhnung willen? Die geschichtspolitische Auseinandersetzung mit Bürgerkrieg und Franco-Diktatur in den ersten Jahren des friedlichen Übergangs von der Diktatur zur Demokratie in Spanien (1975 – 1978), Bonn.
[63] Morán, Gregorio (1991): El precio de la transición, Barcelona.
[64] Vilarós, Teresa M. (1998): El mono del desencanto. Una crítica cultural de la transición española (1973 – 1993), Madrid.
[65] Beispielsweise Aguilar Fernández, Paloma (1997): La amnesia y la memoria: Las movilizaciones por la amnistía en la transición a la democracia. In: Cruz, Rafael/Pérez Ledesma, Manuel (Hg.): Cultura y movilización en la España contemporánea, Madrid, S. 327 – 357; Aguilar Fernández, Paloma (1999): The Memory of the Civil War in the Transition to Democracy: The Peculiarity of the Basque Case. In: Paul Heywood (Hg.): Politics and Policy in Democratic Spain: No longer different?, London; Aguilar Fernández, Paloma (2001): Justicia, política y memoria: Los legados del franquismo en la transición española, Madrid.
[66] Bernecker, Walther L./Brinkmann, Sören (2006): Kampf der Erinnerungen. Der Spanische Bürgerkrieg in Politik und Gesellschaft 1936 – 2006, Nettersheim.
[67] Beispielsweise Winter, Ulrich (2006): Lugares de memoria y de la Guerra civil y del Franquismo: representaciones literarias y visuales, Madrid; Gómez López-Qiñones, Antonio (2006): La guerra persistente: memoria, violencia, utopia; representaciones contemporáneas de la Guerra Civil Española, Madrid; Droll, Silke (2005): Verklärte Geschichte: Zwischen kulturellem Gedächtnis und massenmedialer Nostalgie. Konstruktion spanischer Erinnerung in der Fernsehserie „Cuéntame cómo pasó“, Universität Regensburg (unveröffentlichte Bachelor-Arbeit); Rey, David (2003a): Die Franco-Ära in der medialen Geschichtskultur Spaniens: Bürgerkrieg und Diktatur in Kino und Fernsehen seit 1975. In: Institut für Europäische Geschichte (Hg.): Jahrbuch für europäische Geschichte, München, S. 113 – 159.
[68] Öhlschläger, Claudia/Wiens, Birgit (1997): Körper – Gedächtnis – Schrift. Der Körper als Medium kultureller Erinnerung, Berlin.
[69] Borsò, Vittoria/Krumeich, Gerd/Witte, Bernd (2001): Medialität und Gedächtnis. Interdisziplinäre Beiträge zur kulturellen Verarbeitung europäischer Krisen, Stuttgart/Weimar.
[70] Ruchniewicz, Krzysztof/Troebst, Stefan (2004): Diktaturbewältigung und nationale Selbstvergewisserung. Geschichtskulturen in Polen und Spanien im Vergleich, Wroclaw.
[71] Bannasch, Bettina/Holm, Christiane (2005): Erinnern und Erzählen. Der Spanische Bürgerkrieg in der deutschen und spanischen Erzählliteratur und in den Bildmedien, Tübingen.
[72] Auf die Geschichte der DDR und des Franco-Regimes kann aus Platzgründen nicht gesondert eingegangen werden. Gute Einblicke geben: Weber, Hermann (20003): Die DDR 1945 – 1990. München; Wolle, Stefan (19992): Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971 – 1989, Bonn; Stickler, Matthias (2004): „Uns gehört die Zukunft“ – Grundlinien der Geschichte der DDR. In: Goll, Thomas/Leuerer, Thomas: Ostalgie als Erinnerungskultur? Symposium zu Lied und Politik in der DDR, Baden-Baden, S. 16 – 37.
[73] Zusammengefasst nach Lindner, Bernd (2001): Die demokratische Revolution in der DDR 1989/90, Bonn.
[74] Schütz, Jutta/dpa: Zerrissene Stasi-Akten am Computer rekonstruiert – Pilotprojekt vom 09.05.2007.
[75] Bernecker, Walther L. (1990): Spanien und Portugal zwischen Regime-Übergang und stabilisierter Demokratie. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B51, S. 15 – 28, S.16.
[76] Merkel, Wolfgang (1990): Vom Ende der Diktaturen zum Binnenmarkt 1993. Griechenland, Portugal und Spanien auf dem Weg zurück nach Europa. S. 3 – 14. In Außenpolitik und Zeitgeschichte B51/1990, S.5.
[77] Thesing, Josef (1982): Wandel des politischen Systems in Spanien 1975-1978. In: Biskup, R./Dürr, E./Garcia Echevarría, S. (Hg.): Spanien und die Europäischen Gemeinschaften, Bern/Stuttgart. S. 49 – 89.
[78] Bernecker (1990), S.16.
[79] vgl. Thesing (1982).
[80] vgl. Kraus, Peter A. (1996): Südeuropa: Die erfolgreiche Institutionalisierung der Demokratie und ihre gesellschaftlichen Voraussetzungen. in: Merkel, Wolfgang/Sandschneider, Eberhard/Segert, Dieter (Hg.): Systemwechsel 2. Die Institutionalisierung der Demokratie, Opladen, S. 256 – 278, S. 271.
[81] Puhle, Hans-Jürgen (1994): Transitions, Demokratisierung und Transformationsprozesse in Südeuropa. In: Merkel, Wolfgang: Systemwechsel 1. Theorien, Ansätze und Konzeptionen, Opladen, S. 173 – 194, S. 178.
[82] Vgl. Merkel, Wolfgang/Puhle, Hans-Jürgen (1999): Von der Diktatur zur Demokratie. Transformationen, Erfolgsbedingungen, Entwicklungspfade, Opladen, S. 69.
[83] Vgl. Aguilar (1996), S. 212 ff.
[84] Vgl. Aguilar (1996), S. 212.
[85] Vgl. Huntington, Samuel P. (1993): The third wave. Democratization in the Late Twentieth Century, London.
[86] Vgl. Punkt 3 Erinnerungskultur.
[87] Dafür sind Aussagen, wie diese typisch: „Auch wenn die historische Auseinandersetzung mit der DDR nicht frei von parteipolitischen Rechthabereien und Missverständnissen zwischen Ost- und Westdeutschen ist, so verfolgt sie doch viel aktiver und offener als noch in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik die Bemühungen, die nationalsozialistische Vergangenheit der Deutschen aufzuarbeiten.“ Aus: Bleek, Wilhelm (20035): DDR – Geschichte. In: Andersen, Uwe/Woyke, Wichard (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik, Opladen, S. 127 – 133, S. 133.
[88] Faulenbach, Bernd (2005): Zur Einführung in die Tagung „Asymmetrisch verflochtene Parallelgeschichte?“. In: Faulenbach, Bernd/Jelich, Franz-Josef (Hg.): „Asymmetrisch verflochtene Parallelgeschichte?“. Die Geschichte der Bundesrepublik und der DDR in Ausstellungen, Museen und Gedenkstätten, Essen, S. 9 – 14, S. 12.
[89] Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch die einsetzende Musealisierung der DDR noch vor ihrem Ende. So rief das Deutsche Historische Museum bereits vor der Währungsumstellung die DDR-Bürger auf, alltägliche Gegenstände im Museum abzugeben. Dieser Hinweis wird in der Ausstellung „Parteidiktatur und Alltag in der DDR“ (30. März bis 29. Juli 2007) gegeben. Die SED-Diktatur wurde also schon in diesem frühen Stadium als Geschichte betrachtet.
[90] Vgl. Faulenbach, Bernd (2004), S. 35.
[91] Vgl dazu detailliert Rose, Norman (2004): Der Umgang mit den Opfern der DDR-Diktatur. Die sogenannten SED-Unrechtsbereinigungsgesetze. Universität Hamburg. http://www.nrose.de/hausarbeiten/Reha.htm (9.2.2007)
[92] Vgl. Faulenbach (2004), S. 31 – 43.
[93] Vgl. Faulenbach (2004), S. 43 und Leo, Annette (2004), Nicht vereinigt. Studien zum Geschichtsbewusstsein Ost- und Westdeutscher. In: Behrens, Heidi/Wagner, Andreas (Hg.): Deutsche Teilung. Repression und Alltagsleben. Erinnerungsorte der DDR-Geschichte, Leipzig, S. 58 – 68, S. 59.
[94] Behrens/Wagner (2004), S. 21.
[95] Vgl. Mühlberg (2002).
[96] Vgl. Goll, Thomas (2004): Einführung – Erinnerungskultur und Ostalgie. In: Goll, Thomas/Leuerer, Thomas (Hg.): Ostalgie als Erinnerungskultur, Baden-Baden, S. 9 – 15.
[97] Vgl. auch Goll (2004), S. 9.
[98] Das Institut für Demoskopie Allensbach überprüfte dies mit der Frage: „Wenn jemand über die DDR sagt „Wir waren alle gleich und hatten Arbeit. Darum war es eine schöne Zeit.“ Dieser Aussage stimmten im Sommer 2004 54 Prozent der Befragten zu, Mitte der 90er Jahre waren es nur 48 Prozent. Vgl. Noelle Elisabeth: Mehr miteinander sprechen. In Deutschland will nicht zusammenwachsen, was zusammengehört. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.7.2004.
[99] Hensel, Jana (2002): Zonenkinder, Reinbek.
[100] Illies, Florian (2000): Generation Golf, Berlin.
[101] Vgl. Faulenbach (2004), S. 31 – 43.
[102] Vgl. Lutz, Thomas (2004): Zweierlei Gedenkstätten? Was die Errichtung von Gedenkstätten für Opfer des NKWD in der SBZ sowie der SED-Diktatur für die Erinnerung an die NS-Opfer bedeutet. In: Behrens, Heidi/Wagner, Andreas (Hg.): Deutsche Teilung, Repression und Alltagsleben. Erinnerungsorte der DDR-Geschichte, Leipzig, S. 97 – 109.
[103] Vgl. ohne Autorangabe (2006): Woran erinnern? Zwischenbilanz und Neuausrichtung der Erinnerung an die kommunistische Diktatur. Überlegungen von Wissenschaft, Regierung und Opposition. In: März, Peter/Veen, Hans-Joachim (Hg.): Woran erinnern? Der Kommunismus in der deutschen Erinnerungskultur, Köln, S. 215 – 230, S. 216/217.
[104] Vgl. ohne Autorangabe (2006), S. 227.
[105] Staadt, Jochen: Auf einem Auge blind? Täterschutz oder Aufarbeitung. In: Deutschlandradio Kultur vom 01.06. 2006. http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/506427/ (29.05.2007).
[106] Aguilar (1996), S. 21.
[107] Aguilar (1997), S. 329.
[108] Macher, Julia (2004): Historische „Meistererzählungen“ über Bürgerkrieg und Franco-Diktatur in Parlament und Printmedien Spaniens (1975-1978). In: Ruchniewicz, Krzysztof/Troebst, Stefan (Hg.): Diktaturbewältigung und nationale Selbstvergewisserung. Geschichtskulturen in Polen und Spanien im Vergleich, Wroclaw, S. 139 – 147, S. 141.
[109] Vgl. Macher (2004), S. 144/145.
[110] Vgl. Brinkmann, Sören (2005): Verspätete Erinnerung. Motive und Reichweite der jüngsten Vergangenheitsarbeit in Spanien. In: Sozial.Geschichte, 20. Jg., Oktober 2005, Heft 3, S. 98 – 114, S. 98.
[111] Vgl. Aguilar (1996), S. 20.
[112] Goytisolo, Juan (1982): Spanien und die Spanier, München (Original von 1969 mit Aktualisierungen von 1978), S. 272.
[113] Vgl. Droll (2005).
[114] Vgl. Stucki, Andreas/López de Abiada, Manuel (2004): Culturas de la memoria: transición democrática en España y memoria histórica. Una reflexion historiográfica y político-cultural. In: Iberoamericana. América Latina – España – Portugal. Ensayos sobre letras, historia y sociedad. Notas. Reseñas iberoamericanas. Año IV, N. 15, S. 103 – 122, S.104.
[115] Vgl. Winter, Ulrich (2004): Spaniens Intellektuelle: Eine neue Diskussionskultur und die Debatte um Identitäten und „Erinnerungsorte“. In: Spanien heute. Politik – Wirtschaft – Kultur, Frankfurt am Main, S. 631 – 656, S. 643/644.
[116] dpa: 70. Jahrestag des Bürgerkriegs: Mehrheit verurteilt Franco vom 18.07.2006.
[117] Vgl. Bernecker, Walther L. (2005): Demokratisierung und Vergangenheitsaufarbeitung in Spanien. In: Bannasch, Bettina/Holm, Christiane (Hg.): Erinnern und Erzählen. Der Spanische Bürgerkrieg in der deutschen und spanischen Literatur und in den Bildmedien. Tübingen, S. 9 – 24.
[118] Vgl. Die Gnade des späten Comebacks auf www.stern.de vom 19.05.2006 http://www.stern.de/politik/historie/:Ex-Stasi-Offiziere-Die-Gnade-Comebacks/561524.html (01.05.2007)
[119] www.teacuerdas.com http://www.teacuerdas.com/ (27.04.2007).
[120] Vgl. Punkt 3 Erinnerungskultur.
[121] Vgl. Maser, Peter (2006): Die parlamentarische Aufarbeitung von Diktaturgeschichte am Beispiel der Enquetekommissionen des Deutschen Bundestags. In: März, Peter/Veen, Hans-Joachim (Hg.): Woran erinnern? Der Kommunismus in der deutschen Erinnerungskultur, Köln, S. 133 – 146.
- Arbeit zitieren
- M.A., B.A. Silke Droll (Autor:in), 2007, Der Blick zurück auf DDR und Franco-Regime, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190742
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