Der Zusammenbruch der großen US-amerikanischen Investmentbank Lehmann Brothers im September 2008 stürzte nicht nur die Weltwirt-schaft in die Rezession, sondern auch das marktwirtschaftliche System insgesamt in eine Legitimationskrise. Das Finanzmarktversagen wird insbesondere im öffentlichen Diskurs auf ein Moralversagen seitens der Management-Elite zurückgeführt. Die Reaktion vieler Ökonomen fiel allerdings deutlich anders aus. Der Wirtschaftsethiker Karl Homann etwa sagte in einem Interview, dass nicht die Menschen die Schuld trügen, sondern falsche Anreizwirkungen im System (vgl. Wirtschaftswoche, 2009). Es scheint ganz offenbar so zu sein, dass das intuitive Moralverständnis der meisten Menschen mit dem der Ökonomik im Konflikt steht. Um es mit den Worten des Nobelpreisträgers Thomas C. Schelling zu sagen:
"[d]urch nichts unterscheiden sich Ökonomen so sehr von anderen Menschen, als durch ihren Glauben an die Marktwirtschaft, oder an das, was manche den freien Markt nennen." (Schelling, 2009, S. 517)
So mag es für den Nicht-Ökonomen geradezu grotesk anmuten, dass es in der Ökonomik verschiedene Theorien gibt, die versuchen, moralisches Handeln ökonomisch zu erklären. Derartige Konzepte stehen in der Tradition des sog. ökonomischen Imperialismus. Ein Begriff, der durch Wirtschaftsnobelpreisträger Gary Becker geprägt wurde und der das „Phänomen, dass der ökonomische Ansatz auch auf Probleme angewendet wird, die nicht zum Problemkanon der Wirtschaftswissenschaften gehören“, bezeichnet (vgl. Pies, 1998, S. 1). In der Tat scheint auf den ersten Blick die ökonomische Theorie für die menschliche Eigenschaft der Moral blind zu sein - schließlich modelliert sie den Menschen aus methodischen Erwägungen als profitmaximierenden und vollkommen amoralischen Egoisten.
Im Rahmen dieser Arbeit soll die ökonomische Theorie der Moral einer kritischen Analyse unterzogen werden. Dafür werden in Abschnitt 2 zunächst die ideengeschichtlichen Grundlagen der normativen Ökonomik mit Bezug zur Moralphilosophie erörtert. Den Kernbereich bildet Abschnitt 3: Hier werden zwei bekannte ökonomische Konzeptionen von Moral (Hegselmann und Homann) miteinander verglichen. Im abschließenden Diskussionsteil werden Möglichkeiten und Grenzen des ökonomischen Ansatzes in Bezug auf das Phänomen der Moral erörtert und insbesondere der ethische Subjektivismus in der Ökonomik am Beispiel der Theorie von Homann aus philosophischer und methodischer Perspektive kritisch hinterfragt.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Grundlagen der ökonomischen Theorie der Moral
2.1 Begriffsklärung: Moral, Moralität und Ethik
2.2 Die menschliche Vernunft als Basis eines universellen Geltungsanspruchs der Moral. Der Kategorische Imperativ Immanuel Kants
2.3 Das moralphilosophische Fundament der normativen Ökonomik:
Von der angelsächsischen Vertragstheorie bis zu Adam Smith
3. Ökonomische Theorien der Moral: Konzeptionen und Lösungsversuche des moralischen Dilemmas
3.1 Das Gefangenendilemma
3.2 Karl Homann - institutionelle Ordnungs- statt normativer Sollensethik
3.3 Das Modell von Hegselmann - Die ökonomische Funktion der Moral
4. „Ökonomik als Fortsetzung der Ethik mit anderen Mitteln?“ - Sinn, Möglichkeiten und Grenzen der Moralökonomik
5. Kritik des ethischen Subjektivismus: theoretische, methodologische und philosophische Einwände
6. Schlussbemerkungen
7. Anhang: Literaturverzeichnis
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- Simon Weingärtner (Author), 2010, Die Ökonomische Theorie der Moral - eine kritische Analyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190657
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