Der effiziente Einsatz von Ressourcen ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen und mittlerweile ein fester Bestandteil politischer Beschlüsse auf fast allen Ebenen: In den Institutionen der Europäischen Union, von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, in den meisten Landesregie-rungen und in vielen Kommunen wurden Ziele zur Verringerung des CO2-Ausstoßes verabschiedet. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien ist die Steigerung der Energieeffizienz dabei das zentrale Instrument, um die verabschiedeten Ziele zu erreichen. Auch aus finanziellen Gründen spielt der Energieverbrauch eine immer größer werdende Rolle: Die Energiekosten der Universität Kassel weisen seit vielen Jahren eine stark ansteigende Tendenz auf und überstiegen 2010 erstmals den Betrag von sechs Millionen Euro. Es zeigt sich also, dass den Energiekosten eine zunehmend bedeutende Rolle im Budget der Universität zukommt.
Laut einer ersten, konservativen Abschätzung aus dem Jahr 2009 lassen sich die Wärmekosten um 10 % und die Stromkosten um 15 % reduzieren. Mit welchen konkreten Maßnahmen diese Einsparungen jedoch erzielt werden können, konnte bislang nur in Teilen geklärt werden. Die vorliegende Arbeit soll das Potenzial thermischer Energieeinsparung genauer untersuchen und behandelt das Thema „Verbesserungen in der Wärmeversorgungstechnik am Beispiel eines technischen Institutsgebäudes der Universität Kassel“. Verbesserungen sind im Sinne dieser Arbeit all jene Maßnahmen, die langfristig den Energieverbrauch senken, ohne dabei die Nutzenergiebereitstellung zu beeinträchtigen. Dabei wird anhand eines im Rahmen dieser Arbeit aus dem Bestand auszuwählenden Gebäudes exemplarisch das Einsparpotenzial thermischer Energie abgeschätzt.
Im Einzelnen werden mit der vorliegenden Arbeit die folgenden Ziele verfolgt: • Die Identifizierung von Effizienzmaßnahmen in der Wärmeversorgung des Gebäudes. • Die Quantifizierung der Einsparungen.
Der Fokus der Arbeit liegt in jenen Bereichen der Anlagentechnik, die direkten Einfluss auf die Wärmeversorgung des auszuwählenden Gebäudes haben. Neben der klassischen Heizungstechnik betrifft das vor allem Systeme zur Klimatisierung.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Verbrauchsdatenanalyse
2.1 Auswahl des Gebäudes Technik III/2
2.2 Detailanalyse monatlicher Zählerstände
3 Bestandsaufnahme
3.1 Wärmeversorgung im Gebäude Technik III/2
3.2 Messtechnische Bestimmung der Wärmeverluste
3.3 Ermittlung des jährlichen Wärmeverbrauchs nach Nutzung
4 Maßnahmen im Netz der statischen Heizung
4.1 Dämmung von Pumpen und Armaturen
4.2 Regelung
4.3 Hydraulischer Abgleich
4.4 Erneuern von Thermostatventilen
4.5 Austausch der Pumpen
5 Maßnahmen im Netz der dynamischen Heizung
5.1 Anschluss der Weiss - Klimageräte
5.2 Außentemperaturregelung des dynamischen Netzes
5.3 Wärmeversorgung der Nachheizregister
5.4 Wärmerückgewinnung durch die Kälteanlage
5.5 Pufferspeicher der Wärmerückgewinnung
6 Abschaltung des Nahwärmenetzes im Sommer
7 Zusammenfassung der Einsparmaßnahmen
8 Fazit
A Anhang
A 1 Literaturverzeichnis
A 2 Abbildungsverzeichnis
A 3 Tabellenverzeichnis
Verzeichnis der Formelzeichen
Lateinische Buchstaben
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Griechische Buchstaben
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Der effiziente Einsatz von Ressourcen ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen und mittlerweile ein fester Bestandteil politischer Beschlüsse auf fast allen Ebenen: In den Institutionen der Europäischen Union, von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, in den meisten Landesregierungen und in vielen Kommunen wurden Ziele zur Verringerung des CO2-Ausstoßes verabschiedet. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien ist die Steigerung der Energieeffizienz dabei das zentrale Instrument, um die verabschiedeten Ziele zu erreichen.
Das Thema der Nachhaltigkeit nimmt auch im Leitbild der Universität Kassel eine bedeutende Rolle ein, was sich in über 60 Fachgebieten mit Umweltschwerpunkt widerspiegelt.[1] Doch auch aus finanziellen Gründen spielt der Energieverbrauch eine immer größer werdende Rolle: Die Energiekosten der Universität Kassel weisen seit vielen Jahren eine stark ansteigende Tendenz auf und überstiegen 2010 erstmals den Betrag von sechs Millionen Euro. Davon entfallen weit mehr als zwei Millionen Euro auf Fernwärme, etwa eine Millionen Euro auf Erdgas und sonstige Brennstoffe (vgl. Abbildung 1) und mehr als 3 Millionen Euro auf Strom. Es zeigt sich also, dass den Energiekosten eine zunehmend bedeutende Rolle im Budget der Universität zukommt.
Laut einer ersten, konservativen Abschätzung aus dem Jahr 2009 lassen sich die Wärmekosten um 10 % und die Stromkosten um 15 % reduzieren [s. Emmerich 2009, S. 87]. Mit welchen konkreten Maßnahmen diese Einsparungen jedoch erzielt werden können, konnte bislang nur in Teilen geklärt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Entwicklung der Energiekosten der Universität Kassel von 2002 bis 2010
Die vorliegende Arbeit soll das Potenzial thermischer Energieeinsparung genauer untersuchen und behandelt das Thema „Verbesserungen in der Wärmeversorgungstechnik am Beispiel eines technischen Institutsgebäudes der Universität Kassel“. Verbesserungen sind im Sinne dieser Arbeit all jene Maßnahmen, die langfristig den Energieverbrauch senken, ohne dabei die Nutzenergiebereitstellung zu beeinträchtigen. Dabei wird anhand eines im Rahmen dieser Arbeit aus dem Bestand auszuwählenden Gebäudes exemplarisch das Einsparpotenzial thermischer Energie abgeschätzt.
Im Einzelnen werden mit der vorliegenden Arbeit die folgenden Ziele verfolgt:
- Die Identifizierung von Effizienzmaßnahmen in der Wärmeversorgung des Gebäudes.
- Die Quantifizierung der Einsparungen. Diese ermöglicht die qualitative Einordnung der einzelnen Maßnahmen und erleichtert die Entscheidung darüber, welcher finanzielle Aufwand im jeweiligen Fall ökonomisch sinnvoll ist.
Der Fokus der Arbeit liegt in jenen Bereichen der Anlagentechnik, die direkten Einfluss auf die Wärmeversorgung des auszuwählenden Gebäudes haben. Neben der klassischen Heizungstechnik betrifft das vor allem Systeme zur Klimatisierung. Die baulichen Gegebenheiten legen – auf Gebäudeebene – im Sinne einer Systemgrenze den Rahmen dieser Arbeit fest. Es werden aber keine Maßnahmen des baulichen Wärmeschutzes behandelt.
Im Rahmen der Untersuchungen ist es zunächst von Interesse, welche wissenschaftlichen Arbeiten an der Universität Kassel bislang das genannte Themenfeld erschlossen haben. Die vorliegende Arbeit soll auf die jeweiligen Zusammenhänge aufbauen und den Fokus so legen, dass sich aus dem Gesamtkontext aller Arbeiten ein sinnvoller Zusammenhang entsteht. Den Kontext bilden dabei im Wesentlichen zwei Masterarbeiten aus den Jahren 2009 und 2010[2]:
Philipp Emmerich erstellt in „Energieeinsparung im Liegenschaftsbestand der Universität Kassel – Potentiale und Lösungsansätze“ [Emmerich 2009] mittels Standort- und Gebäudekennzahlen eine energetische Bewertung des Gebäudebestands der Universität. Benedikt Biechele beschreibt in „Entwicklung eines Energiemonitoring-Konzeptes für die Gebäude der Universität Kassel“ [Biechele 2010] u.a. den Aufbau, den Nutzen und die Bestandteile von Energiemonitoringsystemen. Dabei legt Biechele einen Schwerpunkt auf die für ein Energiemonitoring benötigten messtechnischen Gebäudeausrüstung.
Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit, die „Verbrauchsdatenanalyse“ baut auf die in [Emmerich 2009] ermittelten Kennzahlen auf, um ein Gebäude zur Detailanalyse auszuwählen. Die Analyse der Verbrauchsdaten wird zudem insofern erweitert, als dass weitergehende Möglichkeiten dargestellt werden, die monatlich abgelesenen Wärmeverbräuche zu analysieren.
In Kapitel 3, der „Bestandsaufnahme“, ist die Messdatenauswertung ein inhaltlicher Schwerpunkt. Das Kapitel zeigt u.a. Möglichkeiten auf, Messdaten im Rahmen des in [Biechele 2010] beschriebenen Energiemonitoringsystems zu analysieren und zu visualisieren.
Kapitel 4 „Maßnahmen im Netz der statischen Heizung“ und Kapitel 5 „Maßnahmen im Netz der dynamischen Heizung“ machen den inhaltlichen Kern dieser Arbeit aus: In beiden Kapiteln werden eine Vielzahl von Maßnahmen identifiziert, mit denen der Wärmeverbrauch des Gebäudes reduziert werden kann. In Kapitel 5 ist zudem in vielen Fällen eine Quantifizierung des Einsparpotenzials möglich. Im Rahmen der Arbeit wurden verschiedene Messungen durchgeführt, auf denen die entsprechenden Analysen aufbauen.
Die „Abschaltung des Nahwärmenetzes im Sommer“ (Kapitel 6) diskutiert die für das betrachtete Gebäude relevanten Aspekte, wenn dieses im Sommer von der zentralen Wärmeversorgung getrennt wird, wie es z. B. in [Emmerich et al. 2011] mit Blick auf das gesamte Nahwärmenetz vorgeschlagen wird. Die Betrachtung dieser Thematik ist an dieser Stelle auch als ein Beitrag zu weiteren aktuell stattfindenden Arbeiten zu verstehen.
In Kapitel 7 werden die Effizienzmaßnahmen zusammengestellt, die im Laufe der vorliegenden Arbeit identifiziert werden. Mit einem Fazit in Kapitel 8 wird die Arbeit abgeschlossen.
2 Verbrauchsdatenanalyse
Wie in der Einleitung deutlich wird, ist die vorliegende Arbeit der erste wissenschaftliche Beitrag am Fachgebiet für Solar- und Anlagentechnik der Universität Kassel, in deren Fokus die Heizungstechnik im Hochschulsektor steht. Wenngleich durch die oben beschriebenen Masterarbeiten und im Rahmen des Projektes Solarcampus der Liegenschaftsbestand der Universität Kassel in vielerlei Hinsicht bereits untersucht wurde, so wurde bisher nicht bestimmt, nach welchen Kriterien die Verbrauchsdaten einzelner Gebäude bezüglich des Wärmeverbrauchs untersucht werden können.
Anhand von Kennzahlen wird in Kapitel 2.1 ein Gebäude aus dem Bestand ausgewählt. Die zugrunde liegenden Kennzahlen beruhen im Wesentlichen auf den Analysen in [Emmerich 2009]. Anschließend erfolgt in Kapitel 2.2 eine detaillierte Auswertung der monatlichen Verbrauchsdaten des ausgewählten Gebäudes.
Der inhaltliche Schwerpunkt liegt in der Darstellung einer Methodik zur Analyse von (monatlichen) Verbrauchsdaten. Die dargestellten Verfahren bieten sich für Liegenschaften mit vielen Gebäuden an, um vergleichend Wärmeverbräuche darzustellen und ggf. vertiefend zu analysieren. Die verbrauchsdatenbasierte Analyse stellt insofern eine Vorstufe zur weitaus aufwändigeren messtechnischen Untersuchung dar und ließe sich etwa im Rahmen eines EDV-basierten Energiecontrollings automatisiert implementieren.
2.1 Auswahl des Gebäudes Technik III/2
Im Allgemeinen ist der erste Schritt zur energetischen Bewertung einer Liegenschaft die Analyse der zählerbasierten Verbrauchsdaten der einzelnen Gebäude. Die Verbrauchsdaten werden nach [BMVBS 2007, S. 5-6] oder [VDI 3807-1, S. 11-15] witterungsbereinigt und auf eine einheitliche Energiebezugsfläche bezogen und somit normiert.[3]
Zunächst können dann der absolute und der spezifische (d.h. der auf die Energiebezugsfläche normierte) Verbrauch einander gegenübergestellt werden. Je höher der spezifische Verbrauch ist, desto eher können Einsparmaßnahmen im entsprechenden Gebäude vermutet werden. Andererseits bedeuten hohe absolute Verbräuche, dass auch kleine prozentuale Verbesserungen zu verhältnismäßig großen Energieeinsparungen führen. Ein großes Einsparpotenzial ist also tendenziell bei denjenigen Gebäuden zu vermuten, die sowohl hohe absolute als auch hohe spezifische Verbrauchswerte aufweisen. Bei der Auswertung des spezifischen Wärmeverbauchs bietet es sich zudem an, das Ergebnis im Rahmen eines sogenannten Benchmarkings mit den Werten anderer Gebäude zu vergleichen, welche einer vergleichbaren Nutzung unterliegen. Aussagekräftig sind im Allgemeinen vor allem die folgenden Methoden:
- Vergleich mit Gebäuden gleicher Art und Nutzung innerhalb des Liegenschaftsbestands nach [VDI 3807-1, S. 27-28]
- Vergleich mit statistisch ermittelten Kennwerten von Gebäuden gleicher Art und Nutzung, z. B. aus der ages-Studie [AGES 2007] oder aus [BMVBS 2007].
Der Vergleich von Gebäuden gleicher Art und Nutzung scheint zunächst ein sehr naheliegender Schritt zu sein, da sämtliche Daten selbst erhoben werden können. Jedoch muss gerade im universitären Bereich mit einem sehr heterogenen Gebäudebestand gerechnet werden, so dass bei einem Liegenschaftsbestand von mehr als 80 Gebäuden, wie es bei der Universität Kassel der Fall ist, nur wenige Gebäudekategorien in nennenswerter Anzahl auftreten. Die Aussagefähigkeit von kleinen Stichproben bezüglich des Energieeinsparpotenzials ist begrenzt, da lediglich Einzelfälle miteinander verglichen werden und kein repräsentativer Vergleichs- oder Zielwert[4] identifiziert werden kann. An der Universität Kassel wurde daher bislang nicht systematisch auf diese Vorgehensweise eingegangen.
Ein repräsentativer Vergleichs- und Zielwert für einzelne Gebäudekategorien kann dagegen durch die Analyse einer größeren Anzahl an deutschen Hochschulgebäuden ermittelt werden, wie in [AGES 2007] geschehen. Am Standort Holländischer Platz gibt es drei Gebäude (Bibliothek, Technik I/II und Technik III/2) mit einer (Netto‑)grundfläche von mehr als 20.000 m², während alle anderen Gebäude nur bis zu 9.000 m² erreichen. Durch ihre Größe haben diese Gebäude hohe absolute Heizenergieverbräuche und erfüllen damit ein wichtiges Kriterium. Die Entwicklung der Wärmeverbrauchskennzahlen der drei größten Gebäude des Standorts Holländischer Platz (vgl. Tabelle 1) sind in Abbildung 2 zusammen mit den Zielwerten der AGES-Studie dargestellt.
Tabelle 1: Liste der drei größten Gebäude am Standort Holländischer Platz mit Nettogrundfläche, Wärmeverbrauch im Jahr 2010 und Baujahr
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Es wird deutlich, dass die Bibliothek zwar die größte Grundfläche hat, aber einen geringeren Verbrauch als das Gebäude Technik III/2 aufweist. Die Größe der beiden Technikgebäude ist vergleichbar, jedoch ist der Verbrauch in Technik III/2 deutlich höher als in Technik I/II. Dabei ist auffällig, dass das Gebäude Technik III/2 erst im Jahr 1995 entstand, während das Gebäude Technik I/II bereits im Jahr 1983 erbaut wurde. Die gesetzlichen Anforderungen der 2. Wärmeschutzverordnung von 1982 an den baulichen Wärmeschutz – von der das Gebäude Technik I/II noch nicht betroffen war – drücken sich hier offenbar nicht in einem geringeren Verbrauch aus.
In Abbildung 2 wird deutlich, dass sowohl die Bibliothek als auch das Gebäude Technik III/2 deutlich schlechter als der jeweilige Zielwert der ages-Studie abschneiden. Das Gebäude Technik I/II erreicht dagegen beinahe den Zielwert. Das Gebäude Technik III/2 verbraucht pro Quadratmeter beheizbarer Bruttogrundfläche mehr als das 1,4-fache an Heizenergie gegenüber dem Gebäude Technik I/II. Dabei ist hervorzuheben, dass die Nutzung vergleichbar ist und das Gebäude Technik III/2 erst deutlich später gebaut wurde. Ausgehend von diesen Überlegungen wurde für die vorliegende Arbeit als Untersuchungsobjekt das Gebäude Technik III/2 gewählt.
Abbildung 3 zeigt, wie sich die Kosten des Wärmeverbrauchs im ausgewählten Gebäude in den Jahren 2003 bis 2010 entwickelt haben. Es wird deutlich, dass sich diese seit 2005 mehr als verdoppelt haben und zuletzt etwa 190.000 Euro im Jahr betrugen. Neben einer geringen Verbrauchssteigerung ist das v. a. auf steigende Energiepreise zurückzuführen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Entwicklung des Wärmeverbrauchskennwerts der Gebäude Technik I/II, Technik III/2 und der Bibliothek unter Gegenüberstellung mit den Zielwerten der AGES-Studie.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Entwicklung der Kosten des Wärmeverbrauchs des Gebäudes Technik III/2
- Die Berechnungen basieren auf dem jährlich bestimmten Arbeits- und Leistungspreis.
2.2 Detailanalyse monatlicher Zählerstände
Im Folgenden werden die monatlichen Verbrauchsdaten des ausgewählten Gebäudes Technik III/2 nach zwei verschiedenen Methoden analysiert: Dem Tagesmitteltemperatur-Verfahren und dem Heizgradtag-Verfahren.
Das Tagesmitteltemperatur-Verfahren nach VDI 3807 Blatt 1 wird dazu verwendet, den Heizenergieverbrauch und den Verbrauch für Prozesswärme (inkl. Trinkwarmwasser) aus dem gemessenen Gesamtwärmeverbrauch zu errechnen. Die Berechnung kann dann zur Bestimmung des langjährigen mittleren Heizenergieverbrauchs verwendet werden, wie es z. B. in Kapitel 3.3 auf Basis von Messdaten in einer leicht modifizierten Form geschieht. Dabei wird u. a. der Wärmeverbrauch als Funktion der mittleren Außentemperatur dargestellt, was sich in späteren Berechnungen als nützlich erweist.
Bei der Berechnung nach VDI 3807 werden die erfassten Verbrauchsdaten (Januar 2002 bis Januar 2011) zunächst zeitlich bereinigt, sodass sie sich jeweils genau auf einen Monat beziehen. Anschließend erfolgt eine Umrechnung des Verbrauchs pro Monat auf die mittlere Leistung.[5] Diese Werte werden dann in Abbildung 4 (Seite 8) über der mittleren Tagestemperatur des jeweiligen Monats aufgetragen. In [VDI 3807-1] wird dann das folgende Verfahren zur Bestimmung der Heizgrenze aufgeführt:
„[Man erhält] in der Heizperiode eine Punkteschar, durch die eine Regressionsgerade (Heizgerade) mit bestimmter Steigung gelegt werden kann. Außerhalb der Heizperiode (in den Sommermonaten) liegen die Verbrauchswerte auf einer Waagrechten und zeigen den außentemperaturunabhängigen Verbrauch an. Die Heizgrenztemperatur ergibt sich aus dem Schnittpunkt der beiden Geraden.“ [VDI 3807-1, S. 42]
Nach VDI 3807 muss also in den Wintermonaten eine lineare Regression und in den Sommermonaten eine einfache Mittelwertbildung durchgeführt werden. Der Schnittpunkt der beiden Geraden bestimmt dann die Heizgrenztemperatur (auch Heizgrenze genannt). Für diese Berechnungen muss die Punkteschar jeweils für (außen-)temperaturabhängige und für (außen‑)temperaturunabhängige Werte in zwei Bereiche aufgeteilt werden.
In der Norm wird keine allgemeine Angabe darüber gemacht, auf welche Weise diese beiden Bereiche aufgeteilt werden sollen. Es wird allerdings auf die Heizperiode verwiesen. Im angegebenen Beispiel der VDI 3807 wird pauschal der Verbrauch der Monate Juni und Juli als temperaturunabhängig angenommen. Diese Vorgehensweise ist aber nicht allgemein anwendbar: Es gibt z. B. auch besonders kalte Monate Juni und Juli, an denen der Verbrauch nicht temperaturunabhängig ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Abhängigkeit der mittleren Wärmeleistung von der Außentemperatur
- Die rechnerische Heizgrenze liegt bei 14,2°C mittlerer Tagestemperatur.
Zur Unterteilung der Punkteschar wurde in dieser Arbeit daher zunächst die in Deutschland für Bestandsgebäude übliche Heizgrenze von 15 °C verwendet (siehe [IWU 2011]), da so die Heizperiode näherungsweise abgebildet werden kann. Alle Datenpunkte mit mittleren Monatstemperaturen kleiner oder gleich 15 °C werden so als außentemperaturabhängig gewertet und alle übrigen Datenpunkte (bei T a > 15 °C) fallen in den von der Außentemperatur unabhängigen Bereich. Die allgemeine Geradengleichung lautet:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(2.1)
Die lineare Regression über die Werte unterhalb der mittleren Monatstemperatur von 15 °C ergibt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(2.2)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(2.3)
Der Mittelwert der Punkteschar oberhalb der angenommenen Heizgrenztemperatur von 15 °C dient zur Berechnung der von der Außentemperatur unabhängigen Leistung und beträgt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(2.4)
Nach VDI 3807 kann nun zudem die Heizgrenze bestimmt werden. Rechnerisch wird dazu in Gl. (2.1) für die Außentemperatur T a eine unbekannte Heizgrenztemperatur T HG eingesetzt und dann mit gleichgesetzt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(2.5)
Die Gleichung kann dann zur unbekannten Heizgrenztemperatur T HG aufgelöst werden. Die auf diese Weise berechnete Heizgrenze ist die Temperatur, bei der die Regressionsgerade von auf den Mittelwert des temperaturunabhängigen Bereichs trifft. Mit den oben bestimmten Werten des Gebäudes Technik III/2 ergibt sich:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(2.6)
Bis zu dieser Stelle entspricht die Vorgehensweise der Norm; die Ergebnisse können also bereits verwendet werden. Es ergibt sich allerdings eine kleine Ungenauigkeit: Dadurch, dass die Heizgrenze bei 14,4 °C und nicht bei 15 °C liegt, müssen die Datenpunkte bei 14,4 bis 15,0 °C mittlerer Außentemperatur als (außen‑) temperaturunabhängig gewertet werden. In die Regressionsgerade und in sind diese aber als (außen‑)temperaturabhängige Werte eingeflossen.
Diese geringe Ungenauigkeit kann vermieden werden, indem in mehreren Iterationsschritten die Aufteilung der Datenpunkte so angepasst wird, dass diese entsprechend der berechneten Heizgrenze erfolgt. Im hier angewandten leicht modifizierten Verfahren wird also im Sinne eines iterativen Prozesses s und 0, und die erneut berechnet, wobei nun zur Unterteilung der Punkteschar Gl. (2.6) verwendet wird:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(2.7)
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(2.8)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(2.9)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(2.10)
Es ergibt sich also wiederum eine neue Heizgrenztemperatur. Ein weiterer Iterationsschritt ist aber nicht nötig, da sich im Bereich zwischen 14,2 °C und 14,4 °C keine Datenpunkte befinden, die ansonsten die Regression und die Mittelwertbildung beeinflussen würden. Die Abweichung zwischen beiden Iterationsschritten ist im vorliegenden Fall sehr gering, kann jedoch auch größer ausfallen, wenn die zunächst angenommene Heizgrenze weniger gut zutrifft.
Es soll durch diese Vorgehensweise jedoch nicht der Eindruck erweckt werden, dass die Heizgrenztemperatur damit genau bestimmt werden kann. Obwohl durch die Iteration eine Unsicherheit verringert wird, gibt es viele weitere Unsicherheiten (wie z. B. die Streuung der Datenpunkte aufgrund des Nutzerverhaltens, Messunsicherheiten, und unten die genauer erläuterte Unsicherheit durch die Verwendung von Monatsmittelwerten), die ein exaktes Ergebnis verhindern. Im Fall des Gebäudes Technik III/2 überlagern sich zudem verschiedene Heizkreise mit teilweise unterschiedlichen Heizgrenzen, so dass es sich um eine rechnerische, aber keine real eingestellte Heizgrenze handelt.
Der Heizenergieverbrauch kann nun – wieder nach VDI 3807 – als Funktion der Außentemperatur berechnet werden. Dieser ist per Definition (außen‑)temperaturabhängig und ergibt sich aus der Differenz zwischen temperaturabhängigem Verbrauch und (außen‑)temperaturunabhängigem Verbrauch :
(2.11)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Angepasst mit den Werten des Gebäudes Technik III/2 aus (2.7) bis (2.9) ergibt sich für den Heizenergieverbrauch:
(2.12)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In Abbildung 4 ist die Regressionsgerade nach Gleichung (2.1) mit den Werten aus (2.7) und (2.8) sowie der temperaturunabhängige Verbrauch aus (2.9) eingetragen. Die Heizgrenze aus (2.10) befindet sich am Schnittpunkt beider Geraden. Diese rechnerisch bestimmte Heizgrenze muss allerdings nicht genau mit der real eingestellten bzw. der sich ergebenden Heizgrenztemperatur übereinstimmen und ist eher als grober Anhaltswert zu verstehen.
Auf dieser Basis kann die Norm-Heizlast nach [DIN EN 12831 Beiblatt 2] in einem vereinfachten Verfahren berechnet werden. Dazu wird in Gleichung (2.12) die Norm-Außentemperatur eingesetzt, welche für Kassel beträgt(s. [DIN EN 12831 Beiblatt 1, S. 12]):
(2.13)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die aus den Verbrauchsdaten ermittelte Norm-Heizlast des Gebäudes Technik III/2 beträgt 589 kW. Da in den Messungen interne und solare Wärmeeinträge enthalten sind, ist die nach diesem Verfahren vereinfacht ermittelte Heizlast geringer als die standardmäßig errechnete Norm-Heizlast über die Hüllflächen. Zum Vergleich: Die beim Bau des Gebäudes nach DIN 4701 errechnete Norm-Heizlast beträgt 747 kW.
Bei der Verwendung von (2.7) bis (2.13) muss bei der Zuordnung der Datenpunkte in außentemperaturab- und unabhängige Bereiche neben den bereits beschriebenen Unsicherheiten zusätzlich berücksichtigt werden, dass systematische Fehler durch die Verwendung von Monatsmittelwerten anfallen:
Die Datenbasis für die obige Auswertung beruht auf monatlichen Verbrauchswerten und den zugehörigen mittleren Außentemperaturen des jeweiligen Monats. Bei mittleren Monatstemperaturen knapp oberhalb der Heizgrenztemperatur kann davon ausgegangen werden, dass einzelne Tage des Monats unterhalb der errechneten Heizgrenztemperatur gelegen haben und erst im Monatsmittel die Heizgrenztemperatur überschritten wurde. Abbildung 5 zeigt zur Verdeutlichung ein fiktives Beispiel, bei dem die mittlere Temperatur des gesamten Betrachtungszeitraums bei 16 °C und die zugehörige mittlere Leistung bei 85 kW liegt. Diese Werte würde man in der Auswertung nach diesem Kapitel als temperaturunabhängigen Verbrauch ansetzen. Im Beispiel wurde jedoch an einigen Tagen im Monat geheizt. Um das reale zu bestimmen, dürften diese kalten Tage eigentlich nicht in den Mittelwert einfließen, sondern das reale zu 83 kW bei einer mittleren Monatstemperatur von 17 °C bestimmt werden.
Es zeigt sich durch das Beispiel, dass bei der Auswertung der monatlichen Verbrauchswerte des Gebäudes Technik III/2 in Abbildung 4 die Datenpunkte im (außen‑)temperaturunabhängigen Bereich eigentlich etwas geringe Verbrauchswerte aufweisen müssten, als es in der Grafik dargestellt ist. Außerdem lägen dann die zugehörigen mittleren Tagestemperaturen bei etwas höheren Werten. Insgesamt wird der temperaturunabhängige Verbrauch durch die Monatsmittelwerte etwas überschätzt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Beispiel einer systematischen Überbewertung des von der Außentemperatur unabhängigen Wärmeverbrauchs
- (T HG = 15 °C)
Bei denjenigen Wertpaaren, die im Mittel unterhalb der Heizgrenztemperatur liegen, fließen auch Tage, an denen der Verbrauch außentemperaturunabhängig war in den Mittelwert des von der Außentemperatur abhängigen Verbrauchs ein. Abbildung 6 zeigt zur Verdeutlichung ein Beispiel, in dem der Mittelwert aller Messwerte des Betrachtungszeitraums bei 90 kW und einer Temperatur von 14 °C liegt. Wenn nur die temperaturabhängigen Messwerte verwendet würden, würde der reale Verbrauch von 94 kW bei einer mittleren Temperatur von 13 °C errechnet werden. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass im Fall des Gebäudes Technik III/2 in Abbildung 4 diejenigen Monatswerte, die knapp unterhalb der Heizgrenze liegen, eigentlich etwas höhere Leistungen bei etwas niedrigeren mittleren Temperaturen aufweisen müssten. Eine Aussage darüber, wie sich die Regressionsgerade durch diese systematischen Abweichungen ändern würde, lässt sich nicht generell treffen: Einerseits führt der höhere reale Verbrauch zu einer flacheren Steigung der Gerade. Andererseits führt die niedrigere mittlere Monatstemperatur zu einer größeren Steigung. Beide Einflüsse überlagern sich, so dass nicht bestimmt werden kann, wie sich die Steigung der Regressionsgerade letztlich ändern würde.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Beispiel einer systematischen Unterbewertung des Heizenergieverbrauchs
- (T HG = 15 °C)
Die hier beschriebenen systematischen Fehler lassen sich durch die Verwendung von Tagesmesswerten deutlich vermindern, die aber im Fall der Universität Kassel nicht systematisch erhoben werden. Als Alternative zur Verwendung des Tagesmitteltemperatur-Verfahrens wird daher zur Vermeidung der genannten systematischen Fehler nun das „Heizgradtag-Verfahren“ eingeführt, wobei die Begrifflichkeit an das Tagesmitteltemperatur-Verfahren angelehnt ist. Die Monatsverbräuche werden dabei ebenfalls in die mittlere Leistung umgerechnet, aber bei dieser Auswertung über die Heizgradtage (HGt15) des jeweiligen Monats aufgetragen (s. Abbildung 7). Heizgradtage werden berechnet, indem an Heiztagen die Differenzen zwischen der Außentemperatur und der Heizgrenztemperatur[6] erfasst und zu einem Monatswert aufsummiert werden. Diese Vorgehensweise hat gegenüber der Verwendung von Monatsmitteltemperaturen den Vorteil, dass sich kalte und warme Tage nicht gegenseitig im Mittel ausgleichen. Die oben beschriebenen systematischen Fehler bei der Verwendung von Monatswerten im Tagesmitteltemperatur-Verfahren können daher im Heizgradtag-Verfahren vermindert werden. Temperaturschwankungen innerhalb eines Tages führen jedoch weiterhin zu geringen systematischen Fehlern im Bereich der Heizgrenztemperatur. Außerdem muss die Heizgrenztemperatur in etwa bekannt sein, um die Heizgradtage bestimmen zu können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Darstellung des Wärmeverbrauchs in Abhängigkeit von der Anzahl der Heizgradtage
Falls die Festlegung auf eine Grenze zwischen temperaturabhängigem und ‑unabhängigem Verbrauch nicht benötigt wird, kann nun eine quadratische Regression über alle Datenpunkte durchgeführt werden. Eine Unterteilung der Punkteschar wie beim Tagesmitteltemperatur-Verfahren ist dann nicht mehr nötig und Iterationsschritte erübrigen sich somit ebenfalls. In Abbildung 7 führt die quadratische Regression sogar zu einem etwas höheren Bestimmtheitsmaß als beim Tagesmitteltemperatur-Verfahren (0,96 anstelle von 0,93), was bedeutet, dass die Regression die Verbrauchswerte tendenziell genauer abbildet. Der von den HGt15 unabhängige Term der Regression stellt zudem einen Anhaltswert für den von der Außentemperatur unabhängigen Verbrauch dar.
Im Vergleich beider Verfahren kann festgestellt werden, dass sich das Tagesmitteltemperatur-Verfahren eignet, wenn die Heizgrenztemperatur oder die Heizlast benötigt wird. Eine hohe Genauigkeit kann jedoch wie oben erläutert v. a. mit Monatsverbrauchswerten nicht erzielt werden. Wenn eine vergleichsweise einfach berechenbare Regression der Verbrauchsdaten benötigt wird, ist das Heizgradtag-Verfahren in Kombination mit einer quadratischen Regression vermutlich die beste Wahl.
Zum Abschluss der Verbrauchsdatenanalyse wird nun mit dem Tagesmitteltemperatur-Verfahren abgeschätzt, wie groß der temperaturunabhängige Verbrauchsanteil des Gebäudes Technik III/2 im Jahresmittel ist. Dazu wird die oben ermittlete Heizgrenztemperatur von etwa 14,2 °C verwendet.
So können für jedes Jahr diejenigen Monate identifiziert werden, an denen die Heizgrenztemperatur oberhalb der Heizgrenztemperatur lag. An diesen Sommermonaten entspricht der außentemperaturunabhängige Verbrauch gerade dem Gesamtwärmeverbrauch des Gebäudes. Sofern die Wärmebereitstellung in diesen Monaten nicht grundlegend anders geregelt ist als in der übrigen Zeit des Jahres, kann angenommen werden, dass der außentemperaturunabhängige Verbrauch auch die übrigen Monate des Jahres in einer vergleichbaren Größenordnung wie im Sommer liegt. Im Gebäude Technik III/2 ist dies weitgehend der Fall. Es wird daher angenommen, dass in Monaten mit einer mittleren Monatstemperatur unterhalb der Heizgrenztemperatur der Mittelwert des sommerlichen temperaturunabhängigen Verbrauchs anfällt. Das Ergebnis der Auswertung ist in Abbildung 8 für die Jahre 2002 bis 2010 graphisch dargestellt, wobei der Anteil des Heizenergieverbrauchs witterungsbereinigt wurde (Witterungsbereinigung nach [Emmerich 2009, S. 21]).
In der Abbildung wird deutlich, dass der Heizenergieverbrauch nur 60 – 70 % des Gesamtwärmeverbrauchs ausmacht. Der restliche Verbrauch ist von der Außentemperatur unabhängig. Dieser Wert entspricht in [VDI 3807-1] dem Prozesswärmeverbrauch, was im Fall des untersuchten Technikgebäudes in Frage gestellt werden muss: Basierend auf messtechnischen Untersuchungen wird der außentemperaturunabhängige Verbrauch in Kapitel 3 weiter untergliedert. Dabei wird sich u.a. zeigen, dass der Verlustanteil des temperaturunabhängigen Verbrauchs bei über 90 % liegt. Der Anteil der Wärmeverluste allein im von der Außentemperatur unabhängigen Bereich liegt also bei etwa 30 % des Gesamtverbrauchs, was im Jahr 2010 bei einem Arbeitspreis von 75 Euro pro MWh mithin ca. 51.000 Euro ausgemacht hätte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Entwicklung des (außen-)temperaturab- und unabhängigen Wärmeverbrauchs in den Jahren 2002 – 2010
- Der Verlustanteil des temperaturunabhängigen Verbrauchs liegt nach Kapitel 3.2 bei etwa 90 %.
3 Bestandsaufnahme
In Kapitel 3.1 werden der Aufbau und die Verteilungsstruktur der Wärmeversorgung des Gebäudes schematisch dargestellt und erklärt. Detailliertere Darstellungen zu einzelnen Thematiken werden hingegen dort näher erläutert, wo sie für die jeweilige Betrachtungen von Nutzen sind. Unter Zuhilfenahme von Messergebnissen wird in Kapitel 3.2 die ungefähre Höhe der Wärmeverluste des Gebäudes abgeschätzt und dargestellt, wie sich die Verbrauchsanteile im Sommer zusammensetzen. Es wird zudem erläutert, an welchen Stellen des Gebäudes Messungen vorgenommen wurden. In Kapitel 3.3 wird dargestellt, wie sich die jährlichen Verbrauchsanteile zusammensetzen.
3.1 Wärmeversorgung im Gebäude Technik III/2
Das Gebäude Technik III/2 verfügt über eine mit Fernwärme gespeiste zentrale Pumpen-Warmwasserheizung im Zweirohrsystem. Die horizontale Wärmeverteilung befindet sich im ersten Untergeschoss und speist die zentrale Warmwasserbereitung, das Netz der Lüftungsanlagen sowie die einzelnen Heizkreise (vgl. Abbildung 9):
In den vier Heizungs- bzw. Lüftungszentralen sind jeweils ein Heizungsverteiler für den Vorlauf und eine Sammelschiene für den Rücklauf installiert. Aus den Verteilern und Sammlern werden die einzelnen Heizkreise gespeist, wobei jede Regelgruppe über eine eigene Umwälzpumpe verfügt. „Jede Gruppe kann zwischen 0 und 100% geregelt werden. Dem Vorlauf jeder Gruppe wird mittels Motormischventil Rücklaufwasser derselben Gruppe beigemischt. Regelung in Abhängigkeit von der Außentemperatur. Beste Art der Regelung. Umlaufende Wassermengen in den einzelnen Gruppen können konstant gehalten werden.“ [Recknagel et al. 2011, S. 470 – 471] Die Heizkreise versorgen vor allem Büros und Labore, aber auch Deckenstrahlheizungen von Hallen. Diejenigen Heizkreise, die die Heizkörper in Büros und Laboren speisen, werden über Installationsschächte in die oberen Stockwerke geführt, welche sich in räumlicher Nähe zu den Treppenhäusern befinden. Im jeweiligen Stockwerk folgt dann die horizontale Anbindung zu den Verbrauchern. Dieses Heizungsnetz wird das Netz der statischen Heizung genannt.
Die Heizungshauptleitung speist außerdem das über einen Wärmeübertrager gekoppelte sog. Netz der dynamischen Heizung, an welches Lüftungsanlagen, Heizregister und Klimageräte angebunden sind. Das Netz hat eine ähnliche räumliche Ausdehnung wie das Netz der statischen Heizung (d.h. über alle Stockwerke vom 2. Untergeschoss bis ins 4. Obergeschoss), besitzt aber keine eigenen Regelkreise. Es gibt eine zentrale, differenzdruckgeregelte Umwälzpumpe. Der Rücklauf des Netzes der dynamischen Heizung mündet in drei 3000 L Pufferspeichern, von denen einer in Betrieb ist. Diese sollen mit der Abwärme der ebenfalls im ersten Untergeschoss installierten Kälteanlage erwärmt werden. Nach den Pufferspeichern wird der Rücklauf über einen an die Heizungshauptleitung gekoppelten Wärmeübertrager auf Vorlauftemperatur gebracht.
Die zentrale Trinkwarmwasserbereitung ist der dritte an die Hauptleitung angeschlossene Verbraucher. Die Problematik dieses Systems – im Wesentlichen hohe Zirkulationsverluste bei gleichzeitig geringem Warmwasserbedarf – wurde im Wintersemester 2011 von einer Solarcampusgruppe festgestellt. Aktuell laufen weitere Untersuchungen, die mit großen Verlusten behaftete, zentrale Warmwasserbereitung durch dezentrale Warmwasserbereitungen zu ersetzen. Auf die Trinkwarmwasserbereitung wird daher in dieser Arbeit nur am Rande eingegangen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: Schematische Darstellung der Wärmeverteilung im 1. UG des Gebäudes Technik I/II
- Die Heizungshauptleitung speist die zentrale Trinkwarmwasserbereitung, die einzelnen Heizkreise über Verteiler in den Zentralen 1 – 4 sowie das Netz der dynamischen Heizung (rot eingezeichnet), an welchem Lüftungsanlagen und Klimageräte angeschlossen sind. Aus Darstellungsgründen sind die Rückläufe nicht eingezeichnet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 10: Aufteilung des Gebäudes von links nach rechts in Achsen 1 - 21
- Im Bild sind die Achsen 8 bis 11 schraffiert hervorgehoben. Durch die Achsenbezeichnung wird die räumliche Zuordnung einzelner Gebäudeabschnitte in schematischen Darstellungen vereinfacht.
3.2 Messtechnische Bestimmung der Wärmeverluste
Im Rahmen der messtechnischen Untersuchungen wurden verschiedene Leistungsmessungen am Gebäude durchgeführt. Die grundlegende Berechnungsgleichung zur Bestimmung eines Wärmestroms ist:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(3.1)
Die Dichte und die isobare Wärmekapazität c p wurden jeweils bei einer mittleren Temperatur als konstant angenommen. Der jeweilige Volumenstrom und die Temperaturdifferenzen wurden mit einem Ultraschall-Durchfluss Messgerät „Optisonic 6300“ (Krohne Messtechnik), zwei Wärmemengen-Messgeräte „Fluxus F601“ (Felxim GmbH) sowie separaten NiCr-Ni Thermoelementen bestimmt. Es wurden im Zeitraum vom 18.08.2011 bis zum 28.09.2011 die folgenden Verbräuche gemessen (vgl. Abbildung 11, Seite 19):
Die mittlere Leistung des Wärmeverbrauchs der dynamischen Heizung liegt bei 40 kW und wurde über eine Volumenstrommessung am Rücklauf und Temperatursensoren am Vorlauf[7] und am Rücklauf bestimmt. Es wird so der gesamte Verbrauch der dynamischen Heizung gemessen, jedoch ohne die separat gemessenen Verbräuche der Pufferspeicher der Wärmerückgewinnung. Es zeigt sich eine außergewöhnlich hohe Grundlast und zusätzliche Leistungspeaks, die tendenziell mit niedrigen Außentemperaturen korrelieren (vgl. auch Abbildung 28, S. 49). In der unten dargestellten Abbildung 11 wird der Wärmeverbauch für Entfeuchtung (s. u.) einzeln aufgeführt; der mittlere Verbrauch der dynamischen Heizung beträgt dann noch ca. 32 kW, denen im Grundlastfall kein Nutzen zugeordnet werden kann.
Die mittlere Leistung des Wärmeverbrauchs der Pufferspeicher liegt bei 12 kW und wurde über dieselbe Volumenstrommessung am Rücklauf der dynamischen Heizung und dem erwähnten Temperatursensor am Rücklauf vor Eintritt in die Pufferspeicher sowie einem weiteren Temperatursensor nach Austritt aus den Pufferspeichern bestimmt. Die Wärmerückgewinnung der Kälteanlage könnte im Prinzip die Werte verfälschen. Da diese im Messzeitraum aber nicht in Betrieb war, entsprechen die gemessenen Werte gerade den Speicherverlusten mit der zugehörigen Anbindung. Aufgrund der geringen Temperaturdifferenz zwischen Speichereintritt und -austritt kann die Höhe der Speicherverluste nicht mit hoher Genauigkeit bestimmt werden.
Die Leistungsaufnahme der Klimageräte zum Zweck der Luftentfeuchtung wurde direkt am Ein- und Austritt in die Klimageräte in Raum 1215 (1,2 kW) und 1222 (6,6 kW) gemessen. Da die Messung in Raum 1222 erst ab dem 19.09.11 und in Raum 1215 erst ab dem 24.09.11 stattfand, wird für den vorherigen Zeitraum ein konstanter Mittelwert angenommen. Der Wärmeverbrauch eines weiteren Labors in Raum 0311 kann vernachlässigt werden. Die versorgten Labore sind die einzigen drei Laborräume, bei denen die beteiligten Fachbereiche bewusst konditionierte Luft anfordern. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch in den anderen sechs Klimageräten Luft entfeuchtet wird, allerdings wird dieser Verbrauch dann als Verlust gewertet, da in den zugehörigen Laboren im aktuellen Betrieb keine Notwenigkeit für eine Entfeuchtung besteht. Ein Teil des gemessenen Wärmeverbrauchs in Raum 1215 und Raum 1222 kann auch auf einen Anteil Heizwärmebedarf zurückzuführen sein, da die Klimageräte auch heizen können. Der Wärmeverbrauch zur Entfeuchtung wird also ggf. leicht überschätzt. Da die Klimageräte jedoch von den Lüftungszentralen vorgewärmte Luft erhalten, dürfte der Heizwärmeanteil gerade im Sommer gering sein.
Der Nutzenergieanteil der Trinkwarmwasserbereitung (0,5 kW) und die Verluste der Trinkw armwasserzirkulation (10,1 kW) wurden im Rahmen einer Solarcampus-Studienarbeit im Jahr 2011 bestimmt und werden als konstant angenommen. Den Messergebnissen nach trifft das vor allem bei den Zirkulationsverlusten weitgehend zu. Die Variation im Nutzwärmeverbrauch des Warmwassers wird aufgrund des geringen absoluten Verbrauchs vernachlässigt: In Abbildung 11 ist der Wärmeverbrauch für Warmwasser ohnehin lediglich als dünner Strich zu erkennen.
Um die Verluste der horizontalen Wärmeverteilung (v. a. der Hauptleitung) und den Verbrauch der statischen Heizung zu bestimmen, wird auf Messdaten des bei der Fernwärme-Übergabestation fest installierten Wärmemengenzählers zurückgegriffen. Hier konnten von Seiten der Gebäudeleittechnik stündliche Messwerte zur Verfügung gestellt werden. Da die Auflösung dieser Messwerte allerdings nur in Schritten von 100 kW[8] vorliegt, wird für jeden Datenpunkt jeweils der Mittelwert aus dem Messwert sowie den sechs vorherigen und den sechs nachfolgenden Messwerten gebildet. Auf diese Weise kann der reale Verbrauch gut nachgebildet werden, wie die eindeutige Korrelation mit den Verbrauchswerten der dynamischen Heizung zeigt.
Die Verlustleistung der horizontalen Wärmeverteilung lässt sich nun aus der Differenz zwischen dem Gesamtwärmeverbrauch des Gebäudes und den Verbräuchen der einzeln erfassten, zuvor beschriebenen Leistungen berechnen. Dabei entspricht das Ergebnis gerade den Verlusten der Hauptleitung, wenn die Außentemperatur größer als 15 °C ist, da die nicht einzeln erfassten Heizkreise in diesem Fall abgeschaltet sind. Der Mittelwert dieser Messwerte in Höhe von 13 kW wird für die übrige Zeit der Messstrecke als konstant angenommen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 11: Aufteilung des Wärmeverbrauchs nach Verwendungsart
- Im Zeitraum vom 07. - 09.11. 2011 konnten keine Messwerte erfasst werden.
Der Wärmeverbrauch der statischen Heizung ergibt sich dann bei Messwerten, bei denen die Außentemperatur weniger als 15 °C betrug. Vom Gesamtwärmeverbrauch des Gebäudes werden, wie bei der Bestimmung der Wärmeverluste der Hauptleitung, die Verbräuche aller anderen Verbraucher abgezogen. Es zeigt sich, dass bei kälteren Außentemperaturen – etwa am 20.09.11 – die statische Heizung den größten Anteil am Wärmeverbrauch des Gebäudes ausmacht.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass bei Außentemperaturen größer als 15 °C Wärmeverluste den überwiegenden Teil des Gesamtverbrauchs ausmachen. So lag in der zweiten Augusthälfte, einem Zeitraum mit sommerlich warmen Temperaturen, der Gesamtverbrauch bei 76 kW. Davon wurden nur etwa 8 kW für Entfeuchtung und Trinkwarmwasserbereitung verwendet, die restlichen 69 kW sind Verluste. Hinzu kommen bei Außentemperaturen von unter 15 °C noch Leitungs- und Regelungsverluste der statischen Heizung, die im Rahmen dieser Auswertung nicht erfasst werden können. Der Verlustanteil liegt im Sommer bei über 90 %. In der übrigen Zeit des Jahres sinkt der relative Anteil der Verluste am Gesamtverbrauch, weil der Heizwärmebedarf steigt. Die absolute Höhe der Verluste wird jedoch tendenziell eher steigen, da dann auch die statische Heizung in Betrieb ist.
3.3 Ermittlung des jährlichen Wärmeverbrauchs nach Nutzung
Mit den in Kapitel 2 beschriebenen Auswertungen der monatlichen Verbrauchsdaten und der oben dargestellten Auswertung des sommerlichen Wärmeverbrauchs konnte noch keine Aussage darüber getroffen werden, wie groß jeweils der Anteil der statischen und der dynamischen Heizung am gesamten Wärmeverbrauch eines Jahres ist.
In diesem Abschnitt wird das Tagesmitteltemperatur-Verfahren aus Kapitel 2.2 auf die gemessenen Verbrauchsdaten der dynamischen Heizung und den Verbrauch der statischen Heizung angewandt. In Abbildung 12 stellt jeder Datenpunkt eine mittlere Tagesleistung der statischen bzw. der dynamischen Heizung dar, wobei diese über der mittleren Außentemperatur des jeweiligen Tages aufgetragen sind. Der Verbrauch der statischen Heizung errechnet sich dabei aus dem an der Fernwärmeübergabe gemessenen Gesamtverbrauch des Gebäudes abzüglich des Verbrauchs der dynamischen Heizung und des Verbrauchs der zentralen Trinkwarmwasserbereitung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(3.2)
In sind bei dieser Definition neben dem Verbrauch der statischen Heizung auch die Leitungsverluste der horizontalen Verteilung im ersten Untergeschoss enthalten.
Nach dem in Kapitel 2.2 beschriebenen iterativen Tagesmitteltemperatur-Verfahren kann nun jeweils die Punkteschar der Verbrauchswerte in außentemperaturab- und unabhängige Verbräuche aufgeteilt werden. Die Regressionsanalyse der statischen Heizung führt dann zu folgenden Ergebnissen:
(3.3)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(3.4)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(3.5)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(3.6)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 12: Mittlere Leistung der statischen und dynamischen Heizung als Funktion der Außentemperatur
- Die Tagesmittelwerte beziehen sich mit Unterbrechungen auf den Zeitraum vom 18.08. bis zum 22.11.2011.
Für die dynamische Heizung ergibt sich:
(3.7)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(3.8)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(3.9)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(3.10)
Aus den Daten können zwei wichtige Rückschlüsse gezogen werden:
1. Es wird deutlich, dass der (außentemperaturabhängige) Heizenergieverbrauch der statischen Heizung deutlich größer ist als der Verbrauch der dynamischen Heizung . Die Heizperiode beginnt bei der statischen Heizung zudem deutlich früher. Das bedeutet, dass die statische Heizung während der Heizperiode den größten Verbraucher darstellt. In Kapitel 4 werden Maßnahmen beschrieben, um diesen Verbrauchsanteil zu senken.
2. Der von der Außentemperatur unabhängige Verbrauch der dynamischen Heizung ist beinahe dreimal größer als der statischen Heizung. Dies wurde bereits in Kapitel 3.2 deutlich und wird im gesamten Kapitel 5 wieder aufgegriffen, da hier ein großes Einsparpotenzial zu erwarten ist.
Anhand der Regressionen in Abbildung 12 kann nun der witterungsbereinigte monatliche Wärmeverbrauch unter Verwendung von langjährigen Mittelwerten berechnet werden. Während der temperaturunabhängige Verbrauch Q stat.u und Q dyn.u ganzjährig anfällt, ist dies beim außentemperaturabhängigen Verbrauch Q stat.H und Q dyn.H nur an Heiztagen der Fall. In der Regression wird dann die mittlere Monatstemperatur an Heiztagen verwendet.
In Abbildung 13 können somit alle Verbrauchsanteile auf einer monatlichen Basis dargestellt werden. Zusammen mit dem Verbrauch der zentralen Trinkwarmwasserbereitung ergibt sich so der witterungsbereinigte monatliche Wärmeverbrauch des Gebäudes Technik III/2. Der witterungsbereinigte Jahresverbrauch ergibt sich durch die Summation der Monatswerte und liegt bei etwa 1.850 MWh. Davon entfallen ca. 62% auf die statische Heizung, 33% auf die dynamische Heizung und 5% auf die Warmwasserbereitung (vgl. Abbildung 14).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 13: Witterungsbereinigte Darstellung der Verbrauchsanteile der statischen Heizung, der dynamischen Heizung sowie Warmwasserverbrauch
- Die gepunkteten Anteile der statischen und dynamischen Heizung sind von der Außentemperatur unabhängig und machen 30 % des Jahresverbrauchs aus (vgl. Abbildung 14).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 14: Anteile der dynamischen und der statischen Heizung sowie Trinkwarmwasserversorgung am witterungsbereinigten Gesamtverbrauch
4 Maßnahmen im Netz der statischen Heizung
In diesem Kapitel werden grundlegende Problematiken der statischen Heizung dargelegt und Verbesserungsmaßnahmen identifiziert. Begleitend zu den einzelnen Abschnitten wird auf die Bewertung nach [DIN EN 15378] „Heizungssysteme in Gebäuden – Inspektion von Kesseln und Heizungssystemen“ eingegangen. In dieser wird ein Checklistenverfahren beschrieben, mit welchem die energetische Qualität der Anlagentechnik anhand von klar definierten Kriterien mit Punkten bewertet wird. Dadurch kann ein erster Eindruck über die Bedeutung der potenziellen Verbesserungsmöglichkeiten erlangt werden.
Die Bewertungsskala der DIN EN 15378 reicht von null bis hundert Punkten, wobei null Punkte das Optimum darstellen. Eine hohe Punkteanzahl zeigt dagegen ein großes Verbesserungspotenzial auf. Die Unterteilung der in den Teilbereichen der Heizungstechnik maximal erreichbaren Punkte wird in folgender Abbildung dargestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 15: Bewertung des Heizungsystems nach DIN EN 15378.
Eine große Punktzahl bedeutet ein großes Verbesserungspotenzial. Die Bewertung des Wärmeerzeugers ist wegen der Nutzung von Fernwärme im vorliegenden Fall irrelevant.
Da die Effizienz des Wärmeerzeugers (z. B. Abgasverlust, Ventilationsverluste, Brennwertnutzung u.a.) nicht bewertet wird, verringert sich die maximal mögliche Punktezahl auf 62 Punkte. Diese Punktezahl wird erreicht, wenn es keine Regelung gibt, die Pumpen überdimensioniert sind, eine Rohrleitungsdämmung nicht vorhanden ist und die Heizkörper nur mit einfachen Handrädern und nicht mit Thermostatventilen zu bedienen sind.
Es ist zu erwarten, dass sich das Gebäude Technik III/2 trotz teilweise vorhandener Schwächen deutlich von diesem „worst case“ abheben wird. Jedoch wird sich im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen, dass die Bewertung der jeweiligen Aspekte im Einzelfall durchaus die Maximalpunktzahl erreicht.
4.1 Dämmung von Pumpen und Armaturen
Die Rohrleitungsdämmung ist für ein Bestandsgebäude auf einem guten Stand. Im Regelfall sind alle Rohrleitungen sowie größere Einbauten wie Absperrventile oder Schmutzfänger gedämmt. Als Dämmmaterial wird dabei üblicherweise Mineralwolle verwendet.
Ungedämmt sind dagegen typischerweise die folgenden Bestandteile des Heizungssystems (vgl. Abbildung 16):
- Absperrhähne
- Druckregulierventile
- Beimischventile
- Entlüftungsrohre
- Messtechnische Einrichtungen
- Pumpen und deren Flansche
Neben dem Heizungsnetz ist im Gebäude Technik III/2 auch ein Kaltwassernetz installiert. Die Kälte wird durch einen Verbund von 6 Kompressionskälteanlagen mit je 40 kW elektrischer Leistung bereitgestellt. Im Gegensatz zum Heizungssystem sind die Armaturen im Kaltwassernetz aus Gründen des Korrosionsschutzes gedämmt. In der DIN 4140 wird u.a. die Ausführung von Wärmedämmungen an betriebstechnischen Anlagen in der technischen Gebäudeausrüstung beschrieben. Die Ausführung der Dämmung von Einbauten an Kälteanlagen gelten danach „ sinngemäß für Wärmedämmungen, wobei dann stets die […] Dampfbremse entfällt “ [DIN 4140, S. 53]. Die Abbildungen 17 und 18 machen den qualitativen Unterschied in der Ausführung von Kälte- und Wärmedämmungen im Gebäude Technik III/2 deutlich: Im Kaltwassernetz bleibt einzig der Motor der Pumpe ungedämmt; alle anderen Armaturen sind gedämmt.
Für ungedämmte Armaturen besteht gemäß der Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (der Energieeinsparverordnung) eine gesetzliche Nachrüstverpflichtung: „ Eigentümer von Gebäuden müssen dafür sorgen, dass bei heizungstechnischen Anlagen bisher ungedämmte, zugängliche Wärmeverteilungs- und Warmwasserleitungen sowie Armaturen, die sich nicht in beheizten Räumen befinden […] gedämmt sind. “ [EnEV 2009, §10 Abs. 2]
Aus rechtlicher Sicht ist es also im Prinzip eindeutig, dass die o.g. ungedämmten Armaturen auch nachträglich gedämmt werden müssen. Durch die Bemühungen der Landesregierung Hessen – der Eigentümerin der Universitätsliegenschaften – bis zum Jahr 2030 CO2-neutral zu arbeiten [Hessischer Landtag 2010], kann auch vom politischen Willen ausgegangen werden, diese Verpflichtungen umzusetzen.
Die o.g. Verpflichtung zur nachträglichen Dämmung entfällt allerdings nach §10 Abs. 6 der EnEV 2009, wenn „die für die Nachrüstung erforderlichen Aufwendungen durch die eintretenden Einsparungen nicht innerhalb angemessener Frist erwirtschaftet werden können.“ Da es sich allerdings um eine Ausnahmeregelung handelt, kann im Regelfall nicht davon ausgegangen werden. Dass die Dämmung ein bedeutendes Einsparpotenzial ausmacht, zeigt sich zudem darin, dass sie nach DIN EN 15378 mit maximal 20 Punkten das zweitgrößte Einsparpotenzial aufweist (s. Abbildung 15).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 16: Heizungszentrale III: Ungedämmte Bestandteile
- Typischerweise ungedämmt sind Pumpen, Entlüfter und Messgeräte wie z. B. Thermostate. Außerdem sind in diesem Fall die Dämmungen von zwei Ventilen entfernt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 17: Dämmung von Pumpen, Absperrhähnen und messtechnischen Einrichtungen im Kaltwassernetz
- Ähnlich wie hier sollten auch die Armaturen im Heizungsnetz gedämmt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 18: Vergleich der Ausführung von Wärme- und Kältedämmungen.
Nach DIN 4140 sollte die energetische Güte beider Dämmarten identisch sein. Im Bild sind die Absperrhähne, das Regelventil und die Beimischung nur im Kaltwassernetz gedämmt.
Um die Wirtschaftlichkeit von Dämmmaßnahmen an Armaturen besser bewerten zu können, erscheint eine überschlägige Bewertung des energetischen Einsparpotenzials sinnvoll. In der [VDI 2055-1, S. 35 - 41] wird der Einfluss von Wärmebrücken an betriebstechnischen Anlagen, z. B. durch Armaturen oder Flansche, beschrieben. Dabei wird der Einfluss der Wärmebrücken über eine äquivalente Länge ausgedrückt. Der Wärmeverlust über die Wärmebrücke entspricht so dem Verlust, der rechnerisch über ein gedämmtes Rohr mit der äquivalenten Länge der jeweiligen Wärmebrücke anfallen würde:
(4.1)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Um typische Verluste über Wärmebrücken zu bestimmen, müssen also die äquivalente Länge, der längenbezogene U-Wert sowie die mittlere Fluid- und Lufttemperatur bekannt sein.
- Für die äquivalente Länge von Armaturen werden in [VDI 2055-1, S. 152] typische Werte je nach Nennweite der Rohrleitung und Temperaturniveau des Fluids genannt. Ungedämmte Armaturen haben demnach in Gebäuden bei einer Innentemperatur von 20 °C und einer Fluidtemperatur von 50 - 100 °C bei Rohrleitung mit einer Nennweite von 50 mm eine äquivalente Länge von 9 - 15 Metern. Gedämmte Armaturen weisen entsprechend der VDI 2055 immer noch eine äquivalente Länge von 4 - 5 m auf. Um die Einsparung zu bestimmen, wird im Folgenden die Differenz der unteren Grenzwerte, d.h. 5 Meter pro Wärmebrücke verwendet.
- Nach [DIN 18599-5, S. 47] wird ein für die Baualtersklasse ab 1980 bis heute typischer längenbezogener U-Wert von 0,2 W/(m K) angenommen.
- Die Fluidtemperatur variiert je nach Heizkreis und Außentemperatur. Für die Abschätzung wird T f = 50 °C für den Zeitraum der Heizperiode verwendet. Die Lufttemperatur liegt bei etwa 20 °C.
Bei diesen Annahmen beträgt die mittlere Verlustleistung einer Wärmebrücke nach Gleichung (4.1) ca. 50 W. Durch die Dämmung sinkt die Verlustleistung dann auf 20 W, sodass ca. 30 W eingespart werden.
Die Dauer der Heizperiode liegt nach [IWU 2011] bei einer Heizgrenztemperatur von 15 °C im Mittel bei 266 Tagen, d.h. bei ca. 6.400 Stunden pro Jahr. Der Wärmeverlust über diesen Zeitraum beträgt dann ca. 200 kWh pro Jahr. Das entspricht bei 7,5 Ct./kWh jährlichen Mehrkosten von ca. 15 Euro pro ungedämmter Armatur.
Die auf diese Weise errechneten Kosten beruhen auf einer Reihe von Annahmen (s. o.), die im Einzelnen stark variieren können. Allerdings wurden stets realistische Werte gewählt, so dass im Mittel näherungsweise das errechnete Ergebnis zu erwarten ist. Letztlich dient die Abschätzung nur dazu, die Frage zu beantworten, ob die Dämmmaßnahme grundsätzlich wirtschaftlich ist und ob dementsprechend eine Nachrüstpflicht gemäß Energieeinsparverordnung besteht. Diese Frage kann eindeutig bejaht werden: Laut [VDI 2067-1, S. 22] liegt die rechnerische Nutzungsdauer von Rohrleitungsdämmungen zum Zwecke der Wirtschaftlichkeitsbewertung bei 20 Jahren, was zu Einsparungen von insgesamt etwa 300 Euro führt.
Die Einsparungen (ca. 300 Euro) werden in den allermeisten Fällen größer sein, als die entstehenden Kosten durch die Dämmung einer Armatur. Auch wenn in Einzelfällen niedrigere Einsparungen eintreffen, dürfte die Wirtschaftlichkeit weiterhin gewährleistet sein, da die Kosten für die nachträgliche Dämmung einer einzelnen Wärmebrücke i. d. R. sehr gering sind. Oft müsste nur ein Stück Rohrleitung gedämmt werden (z. B. bei Absperrhähnen, Entlüftungsrohren und messtechnischen Einrichtungen). Auch in den übrigen Fällen sind oft nur Kosten von bis zu 100 Euro zu erwarten. Selbst dann liegt die Amortisationsdauer für die Dämmung einer Armatur bei weniger als sieben Jahren.
Die grundsätzliche Wirtschaftlichkeit und damit die Nachrüstpflicht nach EnEV 2009 § 10, Abs. 2 wurde somit belegt. Auf eine Berechnung des gesamten Einsparpotenzials wird an dieser Stelle verzichtet, da hierfür eine hinreichend solide Datenbasis fehlt.
Für die Dämmung werden nach DIN EN 15378 10 von 20 Punkten veranschlagt, da eine Dämmung vorhanden ist, diese aber nicht die Anforderungen der EnEV erfüllt. Es ist jedoch auch die Angaben von Zwischenwerten möglich. Da die Rohrleitungen sowie größere Einbauten i. d. R. gut gedämmt sind, wäre ein deutlich geringerer Wert – etwa 5 Punkte – sicherlich eine angemessenere Bewertung.
[...]
[1] Siehe http://www.uni-kassel.de/uni/umwelt, Stand 12.12.2011
[2] Weitere Masterarbeiten zu den Themenbereichen Lüftung, Beleuchtung und Trinkwarmwasserversorgung werden derzeit erstellt (Stand Dezember 2011). Hinzu kommt das als Lehrveranstaltung konzipierte Projekt „solarcampus – Energieeffizienz an der Hochschule“, wo im Rahmen von studentischen Arbeiten viele Untersuchen an Universitätsgebäuden stattfinden.
[3] Vom BMVBS wird die Nettogrundfläche vorgegeben [BMVBS 2007, S. 3]. Andererseits empfiehlt der VDI die Bruttogrundfläche [VDI 3807-1, S. 16]. Wichtig sind letztlich die eindeutige Kennzeichnung der verwendeten Energiebezugsfläche und die einheitliche Verwendung innerhalb von vergleichenden Analysen.
[4] In Bezug auf die ages-Studie [AGES 2007] entspricht der Vergleichswert dem Modus der untersuchten Gebäude, ist also der am häufigsten vorkommende Wert. Der Zielwert wird durch das untere Quartil ausgedrückt, d.h. dass nur die besten 25% der betrachteten Gebäude diesen Wert erreichen.
[5] Wenn nur mittlere Leistungen verwendet werden, kann auf eine separate zeitliche Bereinigung verzichtet werden. Diese ist jedoch wichtig, wenn z. B. Monatswerte verwendet werden, da sich die Zeiträume sonst nicht vergleichen lassen.
[6] Für Bestandsgebäude wird üblicherweise TH = 15 °C angenommen, was sich hier relativ gut mit den in Gl. (2.10) ermittelten 14,2°C deckt.
[7] Nachdem festgestellt wurde, dass der entsprechende Sensor zunächst etwas zu geringe Werte maß, wurde er versetzt. Mit den nun konstant ca. 1 K höheren Messwerten wurden die vorherigen Messwerte korrigiert.
[8] Der Zähler erfasst Messwerte im Intervall von 100 kWh die stündlich erfasst werden. Das entspricht einer mittleren Leistung von 100 kW.
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