„…Ich dachte mich selbst zu verlieren, und verliere nun einen Freund und in demselben die Hälfte meines Daseins…“[1]. Diese Worte verfasst Goethe nach dem Tod Schillers an einen Freund. Denn zu Lebzeiten Schillers verband die Beiden eine enge Freundschaft und so entstand der zu analysierende Brief Schillers an Goethe aus dem Jahre 1802, in welchem er das Drama „Iphigenie auf Tauris“ kritisiert. Selbiges war von Goethe im Jahre 1779 verfasst worden, wobei Goethe es später in Versform überarbeitete und erneut veröffentlichte.
Das Drama handelt von einer Griechin Namens „Iphigenie“, die in der Antike lebte und den Göttern geopfert werden soll. Die Göttin Diane verhindert dies jedoch und bringt sie auf die Insel „Tauris“ (V. 56), auf welcher Iphigenie fortan als Priesterin der Diane lebt (vgl. v. 40f). Später muss sie sich jedoch entscheiden, ob sie ihren Bruder opfern möchte, oder den König Thoas, der für sie wie ein Vater ist, betrügen um den Tantalidenfluch, der auf ihrer Familie lastet zu durchbrechen. Eine humane und dialektische Lösung trägt zum Schluss jedoch dazu bei, dass der König Thoas Iphigenie und ihren Bruder mit den Worten „So geht!“ (V. 2151) ziehen lässt....
Analyse des Briefes von Friedrich Schiller an Goethe „...Ich dachte mich selbst zu verlieren, und verliere nun einen Freund und in demselben die Hälfte meines Daseins..."[1]. Diese Worte verfasst Goethe nach dem Tod Schillers an einen Freund. Denn zu Lebzeiten Schillers verband die Beiden eine enge Freundschaft und so entstand der zu analysierende Brief Schillers an Goethe aus dem Jahre 1802, in welchem er das Drama „Iphigenie auf Tauris“ kritisiert. Selbiges war von Goethe im Jahre 1779 verfasst worden, wobei Goethe es später in Versform überarbeitete und erneut veröffentlichte.
Das Drama handelt von einer Griechin Namens „Iphigenie“, die in der Antike lebte und den Göttern geopfert werden soll. Die Göttin Diane verhindert dies jedoch und bringt sie auf die Insel „Tauris“ (V. 56), auf welcher Iphigenie fortan als Priesterin der Diane lebt (vgl. v. 40f). Später muss sie sich jedoch entscheiden, ob sie ihren Bruder opfern möchte, oder den König Thoas, der für sie wie ein Vater ist, betrügen um den Tantalidenfluch, der auf ihrer Familie lastet zu durchbrechen. Eine humane und dialektische Lösung trägt zum Schluss jedoch dazu bei, dass der König Thoas Iphigenie und ihren Bruder mit den Worten „So geht!“ (V. 2151) ziehen lässt.
Die Kritik Schillers lässt sich in vier Kernbereiche unterteilen, wobei es einige Überschneidungen gibt. Besonders ist, dass diese Kritik von der Verbundenheit bzw. Freundschaft der Beiden Vertreter der Weimarer Klassik stark geprägt ist.
Der erste Kritikpunkt zielt auf die Länge des Dramas ab, dabei beschreibt Schiller dies wie folgt: „Das Stück ist an sich gar nicht zu lang, da es wenig über zweitausend Verse enthält [...]“(Z.6f). Dabei fällt auf, dass die Formulierung sehr indirekt und absolut unpräzise ist. Genau besitzt das Drama 2174 Verse und das ist deutlich über „zweitausend“. Doch auch die Formulierung „an sich[...]“ deutet darauf hin, dass Schiller Goethe an dieser Stelle nicht verletzen möchte, das Stück jedoch für zu lang befindet. Sein Ziel besteht darin, das Werk auf „nicht einmal“ (Z. 8) zweitausend Verse zu reduzieren. Diese Wiederholung des Wortes „zweitausend“ zeigt, dass dies ein bedeutender Aspekt für Schiller ist und er daher eine Grenze ziehen möchte. Zudem stellt Schiller fest, dass Stellen, die „den Gang des Stückes verzögern“ (Z. 10) nicht nur in einzelnen Stellen zu finden sind, sondern „in der Haltung des Ganzen“ (vgl. V. 11) liegen. Dies stellt ein Dilemma dar, da Schiller zum Einen das Stück kürzen möchte, zum Anderen jedoch bestimmte Teile für „unentbehrlich“ (vgl. Z. 17) hält. Sein Lösungsvorschlag für diesen Aspekt besteht darin, moralische Kasuistik und sittliche Sprüche zu kürzen. Damit sind vor allem die vielen Sentenzen gemeint. „Um Gutes zu tun, braucht's keiner Überlegung“ (V. 1990), ist ein gutes Beispiel dafür. In dieser Szene versucht Iphigenie Thoas davon abzuhalten, die Menschenopfer wieder einzuführen.
Auch an den Wechselreden der Charaktere möchte Schiller Kürzungen vornehmen. So können beispielsweise Dialoge zwischen Iphigenie und Thoas (vgl. V. 1805) vermindert werden. Wodurch zumindest das Problem der Länge gelöst wäre. Gleichzeitig beweist Schiller enorme Textkenntnis. „ Das Historische und Mythische muss unangetastet bleiben, es ist ein unentbehrliches Gegengewicht des Moralischen“ (Z. 15f). Dem fügt er noch hinzu, dass all das, „was zur Phantasie spricht“ (vgl. Z. 17), am wenigsten verändert werden darf. Damit spielt Schiller auf die Lücken, bzw. Leerstellen des Stückes an, welche der Leser durch eigene Gedanken oder Vorstellungen füllen soll. So z.B. die Tatsache, die eigentlichen Handlungen der Figuren, da das Drama häufig nur die Gedankengänge, nicht aber konkrete Maßnahmen oder Verhaltensweisen schildert. Der konkreteste Vorschlag im Bereich der Kürzung verweist darauf, dass „die Orestischen Szenen zu verkürzen“ (Z. 27) sein. Eine dementsprechende Szene könnte der 2. Aufzug, 1. Auftritt sein, in welchem das Schicksal Orests und Pylades geschildert wird. Dies sind die einzigen Stellen, welche man kürzen kann, ohne dass sich direkte Beeinträchtigungen im Verständnis des Dramas ergeben. Alles in allem birgt die Kritik der scheinbaren Länge das Problem, dass sie zwar durch kürzen gelöst wird, doch die Spannungslosigkeit und die Kritik an der fehlenden Dramatik löst das nicht.
Der zweite wichtige Kritikpunkt Schillers ist eben diese Spannungslosigkeit, oder die fehlende „Belebung“ (Z. 29) des Dramas. Diese fehlende Dramatik ist darauf zu beziehen, dass das Moralische bzw. die sich entwickelnde Humanität und die Sittlichkeit größere Gefühlsausbrüche und somit auch spannungsreiche Handlungen fast komplett unterbinden. Außerdem bemängelt Schiller, dass „Thoas und seine(r) Taurier“ (Z. 29ff) zwei Akte lang nicht erwähnt werde“. Gerade dies könnte jedoch in Akt II und Akt III für spannungsreichere Situationen sorgen und somit zur Belebung des Dramas beitragen. Außerdem ist dieser Kritikpunkt verheerend, da der Leser eine Spannungslosigkeit in einem Drama oder Roman als Länge erlebt. Dieser Aspekt ist also nach Schiller dringend zu berücksichtigen, um ein ausgewogenes und kompaktes Drama sowohl von der Länge, als auch vom Verlauf der Handlungsstränge zu erhalten.
Der dritte Kritikpunkt ist der wohl am schwierigsten umzusetzende, da Schiller einen der Protagonisten für „Bedenklich“ (Z. 18) hält. Dies beschreibt er als „lange und einförmige Qual“ (Z. 21). Diese Paraphrase deutet an, dass seine Auftritte quälend lang sind und den Verlauf des Dramas hinauszögern und somit die Handlung künstlich strecken. Außerdem so Schiller, ist Orest ohne die direkte Verfolgung der Erinnyen nicht entscheidend für die Handlung. Außerdem bemängelt Schiller, dass Orest lediglich „im Gemüt“ (Z. 20) leidet oder verängstigt ist. Das heißt, ihm fehlen Passagen, in welchen Orest von seiner Panik getrieben extrem handelt oder seiner Angst freien Lauf gewährt. Doch eben diese Szenen existieren in dem Drama nicht. Somit spricht Schiller hier einen wunden Punkt an, dessen Umsetzung eine komplette Umschreibung des Dramas zur Folge hätte. Vorstellbar wäre in dem Zusammenhang, dass Orest sich nicht nur innerlich, sondern auch nach außen hin gegen seine Angst wehrt und sein internalisierendes Verhalten aufgibt.
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- Arbeit zitieren
- Andreas Thäwel (Autor:in), 2012, Analyse des Briefes von Friedrich Schiller an Goethe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190571