Michel Foucault theoretisierte gerne in Bereichen, wo es sich schwer hindenken lässt. Mit seiner radikalen Verabschiedung kausal-historischer Erklärungsmuster gab er ein schwer nachdenkbares Theoriegebilde auf, welches immer wieder zu heftigen Diskussionen führte und weiterhin führt. Auch für die Politikwissenschaft lieferte Foucault ein fruchtbares Tool zu einer neuen und differenzierteren Betrachtung politikwissenschaftlicher Problemstellungen. Sein Gouvernementalitäts-Theorem besagt, dass es eine allumfassende Mentalität in modernen Demokratien gibt, die nicht nur den gemeinsamen Boden aller Formen politischen Denkens und Handeln bildet, sondern viel mehr noch ein Ensemble formiert, das von den Institutionen, Verfahren, Analysen und Reflexionen, den Berechnungen und Taktiken gebildet wird, welche die Ausübung einer bestimmten Art von politischer Macht ermöglichen.
Diese Arbeit wird anhand zweier Texte von Nikolas Rose und Peter Miller versuchsweise aufzeigen, inwiefern dieses Theorie-Tool Foucaults weitergeführt werden kann. Die Untersuchung der Texte Political Power beyond the State: Problematics of Government und Das ökonomische Leben regieren von Rose und Miller sollen insbesondere aufzeigen, dass politische Macht nicht allein die Handlung eines Staates ist, sondern unter dem Stichwort Regieren (problematics of government) verhandelt werden könnte. Denn nicht etwa ein Abstraktum namens der Staat hat das Regieren erfunden, eher gilt, dass das Gebilde Staat eine besondere Form geworden ist, die das Regieren angenommen hat. Es liegt eine Art bottom-up Theorie vor, die vorschlägt, das Konzept von einem souveränen politischen Apparat, dem Staat, nach seinem Entstehungshintergrund und seinen Strategien zu hinterfragen. Der Staat soll also nicht als etwas natürlich gewachsenes verstanden werden, das eine feststehende Konstante ist. Mit Hilfe einer Gouvernementalitäts-Analyse soll das Konzept des Staates ganz grundsätzlich in Frage gestellt werden, indem die ihm zu Grunde liegenden Funktionsmechanismen und Machttechnologien offen gelegt werden.1
In der abschließenden Diskussion soll mit Hilfe der Medientheorie Friedrich Kittlers der Versuch unternommen werden, die Gouvernementalitäts-Theorie als einen Effekt technischer Medien zu denken. Ziel ist es, den medientechnischen Unterbau von Gouvernementalität aufzudecken und dadurch ein besseres Verständnis der Funktionsmechanismen der Technologien des Regierens zu erlangen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Relevanz der Gouvernementalitäts-Analyse
3. Abgrenzung gegenüber der Staatssoziologie
4. Politische Rationalität und ihre sprachliche Verfasstheit
5. Technologien des Regierens
6. Diskussion
1. Einleitung
Michel Foucault theoretisierte gerne in Bereichen, wo es sich schwer hindenken lässt. Mit seiner radikalen Verabschiedung kausal-historischer Erklärungsmuster gab er ein schwer nachdenkbares Theoriegebilde auf, welches immer wieder zu heftigen Diskussionen führte und weiterhin führt. Auch für die Politikwissenschaft lieferte Foucault ein fruchtbares Tool zu einer neuen und differenzierteren Betrachtung politikwissenschaftlicher Problemstellungen. Sein Gouvernementalitäts-Theorem besagt, dass es eine allumfassende Mentalität in modernen Demokratien gibt, die nicht nur den gemeinsamen Boden aller Formen politischen Denkens und Handeln bildet, sondern viel mehr noch ein Ensemble formiert, das von den Institutionen, Verfahren, Analysen und Reflexionen, den Berechnungen und Taktiken gebildet wird, welche die Ausübung einer bestimmten Art von politischer Macht ermöglichen.
Diese Arbeit wird anhand zweier Texte von Nikolas Rose und Peter Miller versuchsweise aufzeigen, inwiefern dieses Theorie-Tool Foucaults weitergeführt werden kann. Die Untersuchung der Texte Political Power beyond the State: Problematics of Government und Das ökonomische Leben regieren von Rose und Miller sollen insbesondere aufzeigen, dass politische Macht nicht allein die Handlung eines Staates ist, sondern unter dem Stichwort Regieren (problematics of government) verhandelt werden könnte. Denn nicht etwa ein Abstraktum namens der Staat hat das Regieren erfunden, eher gilt, dass das Gebilde Staat eine besondere Form geworden ist, die das Regieren angenommen hat. Es liegt eine Art bottom-up Theorie vor, die vorschlägt, das Konzept von einem souveränen politischen Apparat, dem Staat, nach seinem Entstehungshintergrund und seinen Strategien zu hinterfragen. Der Staat soll also nicht als etwas natürlich gewachsenes verstanden werden, das eine feststehende Konstante ist. Mit Hilfe einer Gouvernementalitäts-Analyse soll das Konzept des Staates ganz grundsätzlich in Frage gestellt werden, indem die ihm zu Grunde liegenden Funktionsmechanismen und Machttechnologien offen gelegt werden.[1]
In der abschließenden Diskussion soll mit Hilfe der Medientheorie Friedrich Kittlers der Versuch unternommen werden, die Gouvernementalitäts-Theorie als einen Effekt technischer Medien zu denken. Ziel ist es, den medientechnischen Unterbau von Gouvernementalität aufzudecken und dadurch ein besseres Verständnis der Funktionsmechanismen der Technologien des Regierens zu erlangen.
2. Relevanz der Gouvernementalitäts-Analyse
Die in der Einleitung skizzierte Vorgehensweise bedarf einer Legitimation. Daher soll danach gefragt werden, welche Fragestellungen zu einer solchen Konzeption politischer Macht führen.
Die Autoren bedienen sich einer historisch begründeten Herangehensweise, die auf zwei zentralen Argumenten fußt. 1. Das Auftauchen von politischen Problemstellungen ist erklärungsbedürftig. Es gibt nicht einfach Probleme wie beispielsweise Arbeitslosigkeit, Verbrechen, Krankheit und Armut. Es muss erklärt werden, was diese Probleme zu politisch relevanten Fragestellungen werden lässt, wie also zuvor überhaupt nicht vorhandene Tätigkeitsfelder politischer Handlungen zu einem Komplex werden, der von nun an als etwas Verbesserungswürdiges identifiziert und fortlaufend neu konstruiert wird?[2] 2. Es ist ebenfalls keine Selbstverständlichkeit, dass politische Programme richtig oder falsch, Erfolg bringend oder Misserfolg produzierend sein sollen. Diese Denkweise selbst ist bereits eine Ideologie über die Verfasstheit von Realität und ein erstes Beispiel für eine Mentalität des Regierens. Der Hang bzw. fast schon Zwang zur Bewertung ist ein zentraler Bestandteil modernen politischen Denkens und nicht folgenlos. Da es aber Konsens ist, Politik in der Kategorie Erfolg/Misserfolg zu denken, wird nicht darüber reflektiert, was diese Mentalität bereits impliziert und durch ihre Geltung bewirkt. Daraus ergibt sich die Fragen nach den Methoden und Mitteln dieser Urteilssprechung und der Diskursivierung von politischen Problemstellungen. Es bedarf der Spezifikation einer bestimmten Mentalität, die Wirklichkeit als etwas Feststellbares, Berechenbares und Optimierbares postuliert.[3]
3. Abgrenzung gegenüber der Staatssoziologie
Bevor die konkreten Theoreme von Gouvernementalität ausgearbeitet und diskutiert werden, lohnt sich die Darstellung von Rose/Millers Abgrenzung ihrer Theorien von denen konventioneller Staatssoziologien, die ja zumeist mit einer streng historisch-chronologischen Methodik operieren. Anhand des divergierenden Verständnisses der drei Grundkategorien Realismus, Sprache und Wissen wird die Abgrenzung vorgenommen.
Historische Staatssoziologie ist nach eigenem Methodikverständnis um einen positiven Realismus bemüht. Ziel der Untersuchungen ist es in der Regel, eine Beschreibung sozialer Verhältnisse zu gewährleisten, wie sie wirklich sind oder in der Vergangenheit waren. Anhänger dieser Forschungsrichtung begreifen Personen, Organisationen oder Vorkommnisse in einer kausal-historischen Weise und versuchen so die wahren Motive und Interessen der Akteure zu Tage zu fördern. Foucault und seine Schule bezweifelt, dass diese Art von Realismus überhaupt möglicht ist. Deshalb versucht eine Untersuchung auf der Basis des Konzepts von Gouvernementalität viel grundsätzlicher zu fragen: Was ist politische Macht? Wie entsteht sie und welche Effekte hat sie? Woher stammt das Wissen, auf Grund dessen politische Entscheidungen getroffen werden bzw. überhaupt erst einmal die Problemstellungen produziert werden, die einer Entscheidung bedürfen?
Wichtig zum Verständnis von Gouvernementalitäts-Theoremen ist die ihnen zu Grunde liegende Sprachphilosophie. Sprache wird nicht als ein Neutrum, als ein beschreibendes bzw. rein deskriptives Element verstanden. Viel mehr wird davon ausgegangen, dass Sprache ein grundsätzlich formgebendes, performatives Element von Wirklichkeit ist. Wie die Welt sprachlich benannt wird, hat bereits einen Effekt auf ihre Wirklichkeit. Es kommt also nicht so sehr auf die konkreten Inhalte sprachlicher Vermittlung an, sondern in welcher Form, im Rahmen welches Diskurses diese Daten entstehen, verwaltet und benutzt werden. Dieses diskursive Feld selbst wird als der Entstehungshintergrund eines Konzepts mit dem Namen Staat angesehen. Durch diese Herangehensweise wird der Blick frei auf das System von Wissen und das daran gekoppelte System von Handlungen, wodurch Regieren überhaupt erst möglich wird.
[...]
[1] Vgl. S. 57, Rose/Miller 1994.
[2] Vgl. S. 58, Rose/Miller 1994.
[3] Vgl. S. 59, Rose/Miller 1994.
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- Caspar Borkowsky (Autor), 2003, Technologien des Regierens, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19007
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