Diese Arbeit beschäftigt sich mit neueren soziologischen Texten zum Themenbereich Sterben und Tod. Sie soll zeigen, welchen Einfluss unterschiedliche soziologische Denkansätze auf die Erklärung des Umgangs mit den Themen Sterben, Tod und Trauer haben und untersuchen, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der theoretischen Position und der Beurteilung von Sachverhalten und der Auswahl von Themen, denen sich Autoren wie Klaus Feldmann, Armin Nassehi, Frank Schiefer und Céline Lafontaine widmen.
Inhaltsverzeichnis
1. Zielsetzung, Vorgehen und Gliederung der Arbeit
2. Überblick über die Thanatosoziologie
2.1. Definitionen Thanatosoziologie, Thanatologie, Tod
2.2. Vertreter, Entwicklung und Stand der Thanatosoziologie
3. Darstellung der theoretischen Texte
3.1. Klaus Feldmann
3.1.1. Theoretischer Hintergrund
3.1.2. Herangehensweise
3.1.3. Menschen-und Gesellschaftsbild
3.1.4. Zielsetzung und Problemsicht
3.1.5. Grundaussagen
3.2. Armin Nassehi
3.2.1. Theoretischer Hintergrund
3.2.2. Herangehensweise
3.2.3. Menschen-und Gesellschaftsbild
3.2.4. Zielsetzung undProblemsicht
3.2.5. Grundaussagen
3.3. Frank Schiefer
3.3.1. Theoretischer Hintergrund
3.3.2. Herangehensweise
3.3.3. Menschen-und Gesellschaftsbild
3.3.4. Zielsetzung undProblemsicht
3.3.5. Grundaussagen
3.4. Céline Lafontaine
3.4.1. Theoretischer Hintergrund
3.4.2. Herangehensweise
3.4.3. Menschen-und Gesellschaftsbild
3.4.4. Zielsetzung undProblemsicht
3.4.5. Grundaussagen
4. Vergleich
4.1. Themenwahl der Autoren
4.2. Vergleich ausgewählter Themen
4.2.1. Thanatosoziologie
4.2.2. Sterben
4.2.2.1. AussagenzumSterben
4.2.2.2. Sterben im Krankenhaus
4.2.3. Tod
4.2.3.1. Aussagen zum Tod
4.2.3.2. Der Hirntod
4.2.4. Trauer
4.2.4.1. Aussagen zu Trauer
4.2.4.2. Todes-undTrauerriten
4.3. MenschundGesellschaft
4.3.1. Zusammenhang zwischen Mensch, Gesellschaft und Tod
4.3.2. VorstellungenvomTod
4.4. Verdrängung
4.4.1. Aussagen zur Verdrängung
4.4.2. Haltung zurVerdrängungsthese
4.5. HerangehensweiseundTheorien
5. Schluss
Literaturliste
Anhang Autoren
1. Zielsetzung, Vorgehen und Gliederung der Arbeit
Diese Arbeit beschäftigt sich mit neueren soziologischen Texten zum Themenbereich Sterben und Tod. Sie soll zeigen, welchen Einfluss unterschiedliche soziologische Denkansätze auf die Erklärung des Umgangs mit den Themen Sterben, Tod und Trauer haben und untersuchen, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der theoretischen Position und der Beurteilung von Sachverhalten und der Auswahl von Themen, denen sich die Autoren widmen.
Der Soziologe Prof. Dr. Eugen Buß diagnostiziert für eine Mehrheit der Deutschen, sie würden die Themen Sterben und Tod verdrängen, hätten Angst vor dem Sterben und fänden keinen Trost mehr im Glauben, dadurch könnten sie nicht mit Freunden oder Familie darüber sprechen[1], was ernste Folgen, wie mangelnde finanzielle Absicherung der Angehörigen im Todesfall nach sich ziehen kann[2]. Demgegenüber lassen sich zahlreiche Berichte über Menschen oder Gruppen finden, die sich mit dem Tod beschäftigen und ihn nicht aussperren. So erarbeitete beispielsweise das Ethikkomitee der Caritas Augsburg Leitlinien für den Umgang mit Sterbenden[3] oder es werden Dokumentarfilme über Sterbende im Hospiz gedreht[4]. Fernsehfilme, Ausstellungen, Debatten über aktive Sterbehilfe, Suizid oder Hirntod, Sterben im Hospiz, Krankenhaus oder Zuhause oder Berichte über Bestattungspraktiken usw. bringen das Thema Sterben und Tod in die Öffentlichkeit. Einerseits wird nicht gerne über den Tod gesprochen, andererseits ist er aus den Medien nicht weg zu denken.
Viele Veröffentlichungen zum Thema Sterben und Tod sind entweder populärwissenschaftlich oder Ratgeberliteratur. Soziologische Abhandlungen finden sich überwiegend in interdisziplinären Sammelbänden und sind meist relativ kurz. Der „multiparadigmatische Zustand der Soziologie“ (Greshoff, Lindemann, Schimank 2007, 2) zeigt sich auch im Bereich der Thanatosoziologie. Ein Auswahlkriterium der zu untersuchenden Autoren waren daher erkennbare theoretische Grundlagen, die sich möglichst unterscheiden sollten. Weiterhin sollte es sich um Veröffentlichungen handeln, in denen eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema stattfindet und die den aktuellen Stand der Forschung widerspiegeln. Im Hinblick darauf wurden drei Soziologen und eine Soziologin ausgewählt, deren theoretische Haltungen einen Querschnitt heute vertretener soziologischer Grundpositionen darstellen:
Klaus Feldmann nähert sich in seinen Veröffentlichungen aus einer Position als kritischer Soziologe der Bandbreite thanatosoziologischer Themen. Die Arbeiten Feldmanns geben Hinweise auf die Vielfalt der Themen, Haltungen und Meinungen zum Bereich Sterben und Tod. Die Texte „Tod und Gesellschaft. Sozialwissenschaftliche Thanatologie im Überblick“ (2010) und „Sterben, Sterbehilfe, Töten, Suizid. Bausteine für eine kritische Thanatologie und für eine Kultivierungstheorie“ (2011) bilden die Grundlage der Beschäftigung mit dem Standpunkt von Klaus Feldmann und werden mit weiteren Texten ergänzt.
Armin Nassehi arbeitet aus einer systemtheoretischen Perspektive. Nassehi veröffentlicht häufig mit anderen Soziologen zusammen, auf die in der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen wird. Zunächst erstellte er gemeinsam mit Georg Weber in dem Buch „Tod, Modernität und Gesellschaft“ (1989) den „ Entwurf einer Theorie der Todesverdrängung“. Inzwischen ist Nassehi von der Idee der Todesverdrängung abgerückt und diagnostiziert eine “Geschwätzigkeit des Todes“ (2004). Da er allerdings das Grundmotiv des Buches von 1989 nicht gänzlich fallen lassen will (Nassehi/Saake 2005, 37), dient es als Basis für eine Annäherung an die Theoriesicht Nassehis und wird mit neueren Texten ergänzt.
Frank Schiefer schreibt in seinem Buch „Die vielen Tode. Individualisierung und Privatisierung im Kontext von Sterben, Tod und Trauer in der Moderne; wissenssoziologische Perspektiven“ (2007) über Themen der theoretischen und praktischen Thanatosoziologie aus wissenssoziologischer Position.
Céline Lafontaines Buch „Die postmortale Gesellschaft“ (2010) ist aus einer Haltung der Postmoderne geschrieben. Es handelt vom Zusammenhang zwischen dem Versuch, den Tod durch neue Technologien und medizinische Möglichkeiten zu überwinden und dem Verhältnis zu Tod in der gegenwärtigen Gesellschaft.
Im ersten Teil der Arbeit werden die einzelnen Autoren und ihre theoretischen Arbeiten dargestellt. Die Darstellung beinhaltet die zugrundeliegenden Theorien, die Zielsetzung, die Problemsicht, das Vorgehen und die Kernaussagen. Dem geht eine Einführung in das Themengebiet der Thanatosoziologie voraus, die einen Überblick über den Begriff, die Entstehung, die Vertreter und die Themen von den Anfängen bis zum heutigen Stand gibt.
Im zweiten Teil der Arbeit werden, ausgehend von der Frage, inwieweit sich die Grundhaltung der Autoren auf die Auswahl der behandelten Themen, deren Bearbeitung und die Beurteilung der Vorgefundenen Sachverhalte widerspiegelt, die einzelnen Theorien mit einander verglichen. Der Begriff Theorie wird in einem sehr weiten Verständnis benutzt. Aufbau der Darstellung und des Vergleichs erfolgt in Anlehnung an Hondrich (1978). Der Vergleich bezieht sich auf den Begriff und die Disziplin der Thanatosoziologie und auf die grundlegenden Annahmen bezüglich Sterben, Tod und Trauer als den wesentlichen Themen einer Soziologie von Sterben und Tod. Innerhalb dieser Themen wird auf die oben angesprochenen, nach wie vor hochaktuellen und kontrovers diskutierten speziellen Problembereiche des Sterbens im Krankenhaus und des Hirntods eingegangen. Anschließend wird die Sicht auf Mensch und Gesellschaft und auf die Vorstellungen vom Tod verglichen. Der Vergleich zum Themenbereich von der These der Verdrängung des Todes bildet einen Schwerpunkt der Arbeit, da dieses Thema von allen Autoren eingehend erörtert wird. Den Abschluss bildet ein Blick auf die Herangehensweise und die zugrunde liegenden Theorien.
2. Überblick über die Thanatosoziologie
2.1. Definitionen Thanatosoziologie, Thanatologie, Tod
Thanatosoziologie ist diejenige Soziologie, die sich mit dem Themenkomplex Sterben, Tod und Trauer beschäftigt. Die Bezeichnung geht zurück auf das griechische Wort für Tod, „Thanatos“[5].
Sie kann folgendermaßen definiert werde: „Thanatosoziologie, Soziologie des Todes, Bezeichnung für die Forschungen, die sich u.a. mit sozialen Todesbildern, mit der Erfahrung der Endlichkeit des Lebens, mit dem kulturellen Stellenwert von Tod und Sterben in der Gesellschaft sowie mit sozialen Definitionen des Sterbevorgangs befassen“ (Fuchs-Heinritz 2011, 684).
Thanatologie bezeichnet etwas umfassender das Studium aller auf Sterben und Tod bezogenen Gedanken, Gefühle, Verhaltensweisen und Phänomene (Interdisziplinärer Arbeitskreis Thanatologie (Univ. Mainz) o.J., o.S.) und ist die Wissenschaft von den Ursachen und Umständen des Todes (Baust 1993, 406).
Der Begriff Tod ist vielschichtig und wird heute überwiegend medizinisch definiert:
Within medicine, death can be defined in different ways: as the cessation of pulse and breathing; as the loss of the body’s coordination system, that is, lower brain stem, death; and cerebral cortex, that is higher brain stem, death. The current definition of death as the cassation of cerebral functioning is intimately tied to the harvesting of organs from people now dead, but whose vital physical functions - circulation and breathing - are intact and keeping their organs viable for transplantation. (White, 2006, 123).
Diese Definition des Todes als Hirntod zeigt, dass der Tod nicht nur ein biologisches Geschehen ist, sondern auch eine soziale Komponente hat, die sich auch in anderen Gebieten zeigt: „While all individuals will die, how and when they die will reflect broader patterns of inequality in society, especially around socioeconomic status, gender, and ethnicity.” (ebd., 123).
2.2. Vertreter, Entwicklung und Stand der Thanatosoziologie
„Die Soziologie hat sich bis heute außerordentlich schwer getan, den Tod als Gegenstand zu behandeln.“ (Fuchs-Heinritz 2007, 15). Diese Aussage scheint seltsam, da sich schon seit den Anfängen der Soziologie als Wissenschaft Soziologen an verschiedenen Stellen ihrer Werke zu Sterben und Tod äußerten. Eine spezifische Beschäftigung mit dieser Thematik hat allerdings erst später stattgefunden (Feldmann/Fuchs-Heinritz 1995, 8) und auch keine zentrale Bedeutung für die Allgemeine Soziologie und für einzelne Theorien der Gesellschaft erlangt (FuchsHeinritz 2007, 23).
Am Beginn der Soziologie als Wissenschaft steht Auguste Comte (1798-1857). Der französische Mathematiker, Philosoph und Soziologe gilt als Begründer bzw.
Taufpate der Soziologie (Fuchs-Heinritz 1995, 19). Den Tod bzw. die Sterblichkeit sieht Comte als wesentliche Bedingung für die Entwicklung und den Fortschritt der Gattung (ebd., 29) und für die Sicherung der sozialen Kontinuität über die Generationen (ebd., 24f; vgl. Fuchs-Heinritz 2007, 15). Der Kerngedanke ist jedoch, dass die Individuen ohne das Soziale nicht denkbar sind (Fuchs-Heinritz 1995, 40). Comte thematisierte auch den Selbstmord, den er moralisch und sozial verurteilte (Feldmann/Fuchs-Heinritz 1995, 9).
Mit Selbstmord beschäftigte sich auch Émile Durkheim (1858-1917). Der französischer Soziologe veröffentlichte 1897 die Studie „La suicide“ (Der Selbstmord), die als die erste empirische soziologische Studie gilt (Fuchs-Heinritz 2007, 18). Sie sollte das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft und ihren Einfluss auf den Einzelnen beschreiben. Durkheim sah den Selbstmord bzw. die Selbstmordrate[6] als Indikator für den anomischen Zustand von Gesellschaften (Némedi 1995, 61).
Als ersten thanatosoziologischen Text bezeichnet Moebius (2009, 73) die Studie des französischen Durkheim-Schülers Robert Hertz (1881-1915), „Die kollektive Repräsentation des Todes“ (1907), die sich mit Todes- und Trauerritualen beschäftigte. Hertz zeigte, dass der Tod kein rein bio-physiologisches Phänomen darstellt, sondern genuin ein „sozialer Tatbestand“ (fait social) ist. Der Tod steht damit nicht außerhalb von Symbolisierungen und kulturellen Deutungsmustern, sondern wird erst in diesen und durch diese wirksam.
Der deutsche Soziologe und Philosoph Georg Simmel (1858-1918) war der Ansicht das ganze Leben sei durchdrungen vom Tod, in gewisser Weise seien Leben und Sterben identische Begriffe, der Tod forme das Leben und wirke auf seine Inhalte (Hahn 1995, 80f). Ihn beschäftigte zudem die Verknüpfung von Tod und Individualität(Feldmann/Fuchs-Heinritz 1995, 10).
Der deutsche Soziologe und Nationalökonom Max Weber (1864-1920) sah die Sinngebung des Todes in der Moderne als Angelegenheit und Pflicht der persönlichen Beziehungen, der familialen Gemeinschaft und der freundschaftlichen Verbundenheit (Seyfarth/Schmidt 1995, 118). Der Tod bildete für ihn die Schnittstelle zwischen Individuum und Gesellschaft (Feldmann/Fuchs-Heinritz 1995, 11).
Auch Scheler (1874-1928) findet in neueren soziologischen Arbeiten Beachtung (vgl. Nassehi/Weber 1989, Schiefer 2007), obwohl strittig ist, ob er als Klassiker der Soziologie einzustufen ist (vgl. Wagner/Krech 1995, 120). Scheler war der Auffassung, der Mensch besitze a priori ein genuines Wissen um den eigenen Tod (ebd., 125), und es herrsche im Denken der Moderne eine auf strikter Trennung von Leben und Tod basierende Verdrängung des Todes vor (ebd., 132ff). Diese Ideen wurden später von einigen Autoren aufgenommen und weitergeführt.
Der amerikanische Soziologe Talcott Parsons (1902-1979) beschäftigte sich, ausgehend von einer sozialen Systemtheorie, mit der Differenzierung moderner Gesellschaften und der Institutionalisierung des Todes. Die, so nahm er an, von anderen institutionellen Systemen immer stärker abgekoppelt und autonomer wird (Feldmann 1995, 140f.). Der Tod der Individuen wird als funktional für die gesellschaftliche Entwicklung und als notwendig für die Evolution angesehen. Um soziale und kulturelle Anpassungen und Neuerungen zu ermöglichen, müssen Individuen der nächsten Generation Positionen und Rollen neu besetzen (ebd., 144; vgl. Feldmann 2010, 14). Parsons Rollentheorie spielte bei Untersuchungen der Beziehungen von Arzt und Patient bzw. Sterbenden eine wichtige Rolle (Fuchs-Heinritz 2007, 20).
Seit den 1960er Jahren fand das Thema Sterben und Tod fast zeitgleich in der deutschen, französischen und amerikanischen Soziologie stärkere Beachtung (ebd., 20). Besonderen Einfluss auf die Diskussion über eine Verdrängung des Todes hatte die Schrift „The Pornography of Death“ des englischen Sozialanthropologen G. Gorer (1955) über den Umgang mit dem Tod in modernen Industriegesellschaften (Knoblauch/Zingerle 2005, 12). In den USA beschäftigten sich R. Fulton und A. Strauss, der unter anderem den Gedanken des Sterbens als Statuspassage einbrachte (Fuchs-Heinritz 2007, 21), explizit mit dem Thema Sterben und Tod (Feldmann/Fuchs-Heinritz 1995, 7). Sehr einflussreich auf die Reformierung der Pflege Sterbender waren die Studien von Glaser/Strauss (1965), D. Sudnow (1967) und E. Goffman (1968) (Howarth 2001, 420f.). In Westdeutschland wurden Sterben und Tod zuerst durch Ch. von Ferber, A. Hahn, W. Fuchs thematisiert (Feldmann/Fuchs-Heinritz 1995, 7). Alois Hahn (1968) verfasste „Einstellungen zum Tod und ihre soziale Bedingtheit. Eine soziologische Untersuchung“ und Werner Fuchs (1969) das Buch „Todesbilder in der modernen Gesellschaft“ (Nassehi/Weber 1989, 12). Die Themen Vorstellungen und Einstellungen zu Tod und Sterben und Verdrängung der Endlichkeit des Lebens werden seitdem in der Soziologie behandelt (Fuchs-Heinritz 2007, 23). Christian von Fer- bers Aufsatz „Soziologische Aspekte des Todes. Ein Versuch über einige Beziehungen der Soziologie zur Philosophischen Anthropologie'“ (1963) geht auf des Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft ein[7], das zwischen individuellem Freiheitspotential und gesellschaftlichem Zwang liege (Feldmann 2010, 13; vgl. Feldmann/Fuchs-Heinritz 1995, 10) und sich im Tod besonders deutlich zeige (Moebius 2003, 2).
In den 1970er Jahren wurde der Tod in der Soziologie indirekt durch die Soziologie des Lebenslaufs thematisiert (vgl. Fuchs-Heinritz 2007, 21f.).
Das Werk des Philosophen Martin Heidegger, besonders die Schrift „Sein und Zeit“, hatte auch auf die Thanatosoziologie Einfluss. So auch die Arbeiten des Franzosen Michel Foucault, in dessen Denken der Tod ein zentrales Thema war, der aber keine griffige Theorie des Todes, des Sterbens oder des gesellschaftlichen Umgangs mit der menschlichen Endlichkeit vorlegte (Nassehi 1995, 210). Zu nennen ist auch Jean Baudrillard, der „Der symbolische Tausch und der Tod“ (1976) verfasste (Feldmann 2010, 10).
Große Verbreitung und Aufmerksamkeit erlangten die Studien des französischen Historikers P. Ariès, besonders das Buch „Geschichte des Todes“ (1980). In den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts beschäftigte sich der Soziologe Norbert Elias mit den Themen Sterben und Tod, und sein Buch „Über die Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen“ (1982) wurde von Thanatologen verschiedener Nationen rezipiert (Feldmann 2010, 10). Das Thema Verdrängung des Todes in der modernen Gesellschaft war in dieser Zeit sehr präsent.
In den 1990er Jahren erschienen Studien über Hospizarbeit (Student 1991, 1993), zu sozialen und ethnischen Unterschieden bezüglich Krankheiten und Tod und zum Thema Tod im Zusammenhang mit Religion und Massenmedien (Howarth 2001, 421). In diesem Jahrzehnt erschien auch Zygmunt Baumans Buch „Tod, Unsterblichkeit und andere Lebensstrategien“ (1994), das Tod in Zusammenhang mit Dekonstruktion stellte. Das Thema der Dekonstruktion wurde von Céline Lafontaine (2010) aufgenommen.
In jüngerer Zeit haben das Interesse der Wissenschaften sowie theoretische und empirische Untersuchungen zum Todesthema zugenommen. Auch die Soziologie wendet sich, neben der interdisziplinär ausgerichteten Thanatologie, zunehmend diesem Themenbereich zu. Eine eigene Thanatosoziologie sei im Entstehen begriffen, aber von einer Spezialdisziplin noch weit entfernt, so Knoblauch und Zin- gerle (2005, 11).
Fuchs-Heinritz (2007, 23) führt dazu aus, der Begriff „Thanatosoziologie“ sei bis heute ein eher selten benutzter Programmbegriff. Es gebe nur wenige Soziologen und Soziologinnen in Deutschland, die sich regelmäßig mit Tod und Sterben befassten und dazu publizierten. Es fehle ihnen die Verankerung in einem Fachverband, es gebe keine einschlägige Zeitschrift, keine Buchreihe und keine Tagungsreihe. Bestimmte Themen, wie die Massenmorde des 20. Jahrhunderts, die beiden Weltkriege, Sterben und Tod durch gesellschaftliche Gewalt (ebd., 23), sowie Probleme, die mit der steigenden medizinisch-technischen Verfügung über Leben und Tod entstanden sind, fänden in der Soziologie nur wenig Beachtung. Dieser Themen hat sich inzwischen Klaus Feldmann (2011) zumindest teilweise angenommen.
Insgesamt sei der soziologische Diskurs über Tod und Sterben und auch über die technische Verfügung über den Tod sehr zögerlich (Fuchs-Heinritz 2007, 24). Anders als in Großbritannien[8] gibt es „(...) a lack of institutionalization in the field in Germany.” (Lubberich 2010, 256).
Mit dem Hinweis auf die rege Publikationstätigkeit von Soziologen zum Thema Tod und Sterben, wendet sich Matter (2006, 93) gegen die Klagen, die deutschsprachige Thanatosoziologie sei zu wenig soziologisch, zu interdisziplinär, und es sei nicht zu einer Herausbildung eines eigenständigen soziologischen Forschungsfeldes gekommen. Sie stellt fest, dass die Orientierung an einer soziologischen Fragestellung vorhanden sei und Themen wie Individualisierung und Ausdifferenzierung und die besonderen (grundlagen-) theoretischen Probleme des Fachs reflektiert würden.
Welcher Meinung man sich auch anschließt, recht unstrittig ist, dass wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Publikationen zum Themenbereich zunehmen und es mehr Debatten in der Öffentlichkeit durch populäre Kommunikationsmedien zu verschiedenen Problembereichen, wie beispielsweise Himtod, Transplantationstechniken oder Euthanasie gibt (vgl. Knoblauch/Zingerle 2005, 14).
In den letzten Jahren haben sich in Deutschland neben K. Feldmann und W. Fuchs-Heinritz, besonders A. Nassehi und W. Schneider, sowie H. Knoblauch und A. Zingerle vorwiegend in Sammelbänden zum Themenbereich geäußert. Ein Beispiel für Anregungen und Veröffentlichungen anderer Disziplinen ist von T. Macho und K. Marek (2007) „Die neue Sichtbarkeit des Todes“. Als interdisziplinäres Projekt ist „Tod und toter Körper. Zur Veränderung des Umgangs mit dem Tod in der gegenwärtigen Gesellschaft“[9] zu nennen, an dem der Soziologe Prof. Dr. Hubert Knoblauch beteiligt ist und das sich aus Teilprojekten zu den Bereichen Soziologie, Philosophie, Medizin und Rechtswissenschaften zusammensetzt. Aus dieser Zusammenarbeit entstanden mehrere Veröffentlichungen[10]. Ein neues Buch des Mediziners D. Groß u.a. (Hg.) zum Thema Tod ist: „Who wants to live forever? Postmoderne Formen des Weiterwirkens nach dem Tod.“ (2011). Der Blick auf die älteren Autoren zeigt, dass einige ihrer Ideen die heutigen Soziologen noch immer in ihrem Denken beeinflussen. Außerdem wird deutlich, dass nicht nur Soziologen, sondern auch Philosophen, Anthropologen, Psychologen etc. das soziologische Denken prägten und prägen; viele der neueren Publikationen zeichnen sich durch Interdisziplinarität aus.
3. Darstellung der theoretischen Texte
3.1. Klaus Feldmann
3.1.1. Theoretischer Hintergrund
Klaus Feldmann arbeitet mit einer Kombination aus klassischen Ansätzen, die er „weitherzig als Rahmen“ nutzt, in den verschiedene Subtheorien eingefügt werden (Feldmann 2004, 32). Seiner Ansicht nach kann jede ,soziale Tatsache’, dazu gehören für ihn auch Sterben und Tod, mit Hilfe von Grundlagentheorien analysiert und gesellschaftlich verortet werden. Als Ausgangspunkt wählt er den Funktiona-[9] [10] lismus bzw. die Systemtheorie[11], die Konfliktansätze[12] und den Symbolischen Interaktionismus[13] (Feldmann2010, 14).
Der klassische Funktionalismus beschäftigt sich mit dem sozialen System und dessen Erhaltung. Er entwickelte sich weiter zu einer makrosoziologischen Systemtheorie, die Tod von Systemen und Individuen nicht ausführlich in ihre Reflexionen einbezog. Das Hauptinteresse funktionalistischer Theoretiker richtete sich auf Gruppen und Kollektive und nicht auf das Individuum. Wichtiges Untersuchungskriterium war die Funktion sozialer Phänomene für die Gesellschaft, weiterhin ging es um Fragen der sozialen Integration, das Gleichgewicht sozialer Systeme und die Koordination der Teilsysteme (ebd., 15).
Konfliktansätze beziehen sich auf die Konkurrenz zwischen Gruppen und Kollektiven um die Verteilung von Lebensressourcen und Lebenschancen. Die Konkurrenz findet überwiegend auf der Makroebene statt, doch können auch die Mesoebene[14] oder die Mikroebene[15] betroffen sein (ebd., 15f.).
Feldmann verwendet einen weiten Begriff von Symbolischem Interaktionismus, der phänomenologische, ethnomethodologische, ethnographische und partiell sozialpsychologische Ansätze einschließt (ebd., 16, Fn.9). Er erklärt, dass Begriffe in interaktiven und kommunikativen Auseinandersetzungen mit Bedeutungen und Assoziationen versehen und ihr normaler Gebrauch festgelegt werde, wie beispielsweise: natürlicher Tod, Euthanasie, Sterbehilfe, Verdrängung des Todes und Hirntod. Diese Definitionsprozesse könnten durch eine Kombination von symbo- lisch-interaktionistischen, konfliktorientierten, funktionalistischen und wissenssoziologischen Perspektiven analysiert werden. Auch mögliche Problembereiche, wie das „natürliche Sterben“ im Krankenhaus, könnten so thematisiert werden (Feldmann2010, 17).
Seit einiger Zeit tritt Feldmann verstärkt für eine kritische, reflexive multiparadigmatische Thanatologie ein und bezeichnet sich als „Kritischen Sozialwissenschaftler“ (Feldmann 2011, 2). Er wendet sich ausdrücklich dagegen, im Rahmen eines bestimmten „Paradigmas“ (ebd., 4f.) zu arbeiten[16], erklärt jedoch eine gewisse Nähe zu den neuen kritischen Theorien von Beck und Giddens (ebd., 5, Fn.25)[17]. Feldmann scheint gesellschaftliche und soziale Probleme nicht nur aufdecken, sondern aktiv einwirken und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen zu wollen. Er betont, eine offene kritische Thanatologie wende sich gegen Anthropo- und Eurozentrismus, sei konfliktorientiert und beziehe Herrschafts- und Institutionenanalyse, Ideologiekritik, Wissens- und Wissenschaftsforschung und Theorien der sozialen Ungleichheit mit ein. Sie erkläre ,normale’ und ,abweichende’ Deutungsmuster, Einstellungen, Praktiken und andere soziale Tatsachen und scheue nicht vor expliziteren, konkreteren und risikofreudigeren Wertungen zurück, als es der wissenschaftlichen Etikette entspräche und berücksichtige auch unterschiedlichste Sichtweisen (ebd., 4f.). Als Vertreter einer gemäßigt kritischen reflexiven Thanatosoziologie mit pragmatischer und empirischer Orientierung nennt er: Allan Kellehear, David Lester, Tony Walter, Stefan Timmermans, Clive Seale, Zoreh Bayatrizi und Beverley McNamara (ebd., 6).
3.1.2. Herangehensweise
Vielfältig wie seine theoretischen Grundlagen ist auch Feldmanns Umgang mit den Themen der Thanatosoziologie. Er sucht, wie er schreibt, im sozialwissenschaftlichen Raum nach Sterben und Tod, befragt Leitgestalten der Soziologie, zieht verschiedene Grundlagentheorien und Denkrichtungen[18] für eine Erörterung des Themas heran und versucht die historische Entwicklung thanatosoziologi- schen Denkens nachzuvollziehen, um einen Überblick über das thanatosoziologi- sehe Feld und Denkanstöße zu geben (Feldmann 2010, 10f.). Sterben und Tod bezeichnet er als „soziale Tatsaehen“, die mit Hilfe der Grundlagentheorien analysiert und gesellschaftlich verortet werden sollten (ebd., 14). In jüngerer Zeit arbeitet er aus einer stärker kritischen Position heraus und sammelt „Bausteine für eine kritische Thanatologie und Kultivierungstheorie“ (Feldmann 2011). Er fokussiert auf kritisches Hinterfragen und eine De- und Neukonstruktion von Begriffen, Argumenten und Begründungsritualen: „In diesem Text wird eine solche Begriffs- und Konzeptgrübelei und -schnüffelei betrieben, allerdings nicht tiefschürfend genug, sondern eher als intellektuelle und heuristische Lockerungsübung - da mir keine Forschungsmittel zur Verfügung stehen.“ (Feldmann 2011 10f.). Er verbindet Beobachtung und Kritik und argumentiert explizit ,reflexiv normativ’(ebd., 2, Fn.5). Feldmann begründet seine Erkenntnisse interessanterweise mit Fundstellen aus dem Internet (Feldmann 2011, 3f.) und bezieht empirische Untersuchungen anderer in seine Überlegungen mit ein[19]. Er führte keine eigenen empirischen Untersuchungen in diesem Bereich durch.
3.1.3. Menschen- und Gesellschaftsbild
Der Mensch ist zugleich Teil einer Gesellschaft und Kultur sowie ein freies Individuum, er ist ein Teil der Natur, aber auch ein ,Freigelassener’ der Natur (Feldmann 2010, 18). Feldmann schließt an die traditionelle Annahme an, der Mensch bestünde aus verschiedenen Wesensteilen. Der religiösen dualistischen KörperSeele-Teilung setzt er eine Dreiteilung entgegen und unterteilt das menschliche Wesen in Körper, personale und soziale Identität (ebd., 18).
In modernen Kulturen habe sich das Selbstverständnis des Menschen verändert. Leben und Körper seien nun persönliches Eigentum und würden instrumentalisiert[20]. Die moderne Gesellschaft beschreibt er als globalisiert (Feldmann 2010a, 581f.) und in verschiedene teilautonome Subsysteme mit unterschiedlichen Institutionen, Feldern, vielfältigen Herangehensweisen, Professionalisierungen, Perspektiven, gruppenspezifischen Interessen und Interaktionspotentialen differenziert (Feldmann 2010, 8). Als besonderes Problem des modernen Staates hebt er die Tendenz zur staatlich legitimierten sozialen Tötung und Lebensminderung hervor[21]. Gesellschaft und Individuen seien zwar voneinander unabhängiger geworden (ebd., 14; Feldmann 2011, 107), jedoch durch den Tod miteinander verschränkt (vgl. Feldmann 2010, 17f.). Funktionalistisch betrachtet werde das Individuum durch das Bewusstsein seiner Endlichkeit zur ,Leistung’ motiviert; weil das Kollektiv bzw. die Gesellschaft das Individuum überdauere, hoffe es durch Leistungen für das Kollektiv an der kulturell konzeptionierten Unsterblichkeit zu partizipieren (ebd., 15f.). Vor allem in traditionellen Kulturen habe das Individuum so sein individuelles Leben und Sterben dem Kollektiv untergeordnet. In modernen Industriegesellschaften sei die Situation verändert. Säkularisierte Menschen hätten ihre traditionelle christliche Unsterblichkeit verloren oder zumindest sei sie nicht mehr gesichert, einige Großkollektive hätten ihre relative Unsterblichkeit bzw. Langlebigkeit gefestigt, andere (Klein-) Kollektive seien sterblicher’ geworden (ebd., 120).
3.1.4. Zielsetzung und Problemsicht
Feldmann beabsichtigt, in dem Buch „Tod und Gesellschaft“ einen Überblick über die Soziologie von Sterben und Tod zu geben, der „(...) weder zu undifferenziert ist, noch im Sumpf der Fakten ertrinkt.“ (Feldmann 2010, 8). Auch in seiner neuen Internet-Veröffentlichung: „Sterben, Sterbehilfe, Töten, Suizid. Bausteine für eine kritische Thanatologie und für eine Kultivierungstheorie“ (Feldmann 2011) versucht er Aufklärungsarbeit zu leisten und als kritischer Wissenschaftler die herkömmlichen Todesdiskurse und Deutungsmuster zu hinterfragen, da sie nach seiner Meinung Herrschaft stabilisierten, Ungleichheit begünstigten und Innovation und Forschung behinderten (ebd., 10f.). Neben der Kritik an Deutungsmustern, Praktiken und problematischen gesellschaftlichen und sozialen Zustän- den (ebd., 4f.) thematisiert er den Zusammenhang zwischen Leben und Sterben und Missstände in diesem Bereich (ebd., 8f).
Er thematisiert Probleme der derzeitige Lebens- und Sterbeordnung (vgl. Feldmann 2011, 2). In öffentlichen Stellungnahmen zu Sterben und Tod gäbe es einen normativen Überhang und die in der Medienöffentlichkeit auftretenden Funktionäre äußerten massive Wertungen im Interesse ihrer Organisationen (Feldmann 2010, 8).
Feldmann diagnostiziert einen Mangel an sozialwissenschaftlicher Präsenz. Sozialwissenschaftler und insbesondere kritische Sozialwissenschaftler, würden bei Diskussionen und Entscheidungen im Todesbereich kaum einbezogen, sondern hauptsächlich Vertreter der medizinischen, rechtlich-politischen, militärischen und kirchlichen Subsysteme (Feldmann 2010, 7f.). In den meisten sozialwissenschaftlichen Theorien und Untersuchungen werde der Tod nicht thematisiert (Feldmann 2010, 11), es fehle eine kritische reflexive multiparadigmatische Thanatologie (ebd., 17, Fn.10), und die vorhandene Thanatologie leide an einer mangelhaften wissenschaftlichen Institutionalisierung und Professionalisierung (ebd., 7). Feldmanns Ziel ist nicht nur aufzuklären, Missstände aufzudecken und Kritik zu üben. Er möchte eine entsprechende Thanatologie verstärkt installieren und Anregungen für Lösungen geben. Eine Lösung sieht er in der Konstituierung einer Kultivierungstheorie, die die Humanisierung und Liberalisierung im Sterbe-, Todes- und Lebensbereich vorantreibt.
3.1.5. Grundaussagen
Feldmann fasst das Ergebnis seiner bisherigen Arbeiten zusammen:
„Die derzeitige Lebens- und Sterbeordnung, die durch Recht, medizinische Standesmacht und eine politische und ökonomische Oligarchie gesichert und durch die dominanten Diskurse (Medien, Wissenschaft und Religion) legitimiert wird, behindert kreative Entwicklung und Kultivierung, stützt Privilegienstrukturen und bewirkt unnötig viele Verletzungen von Menschen, Lebensminderung, Tötung und Folter.“ (Feldmann 2011,2)
Zur Verbesserung dieser gesellschaftlichen Situation seien die Liberalisierung, Humanisierung und Kultivierung der Regelungen und Praktiken der Sozialisation und Erziehung, der aktiven Sterbehilfe, des Suizids, der Beihilfe zum Suizid und der Patientenverfügungen wesentlich (Feldmann 2011, 2f.).
Feldmann kritisiert, die Diskurse und Praktiken des Lebens und Sterbens, der Bio- thanatosphäre, seien gegenwärtig gesellschaftlich, institutionell, weltanschaulich und wissenschaftlich zersplittert und segmentiert. Verschiedene Gruppen, Organisationen und Institutionen versuchten, wichtige Gebiete zu besetzen und Interessen durchzusetzen. So spräche man von Politisierung, Verrechtlichung, Mediali- sierung, Medikalisierung, Ethisierung, Ökonomisierung, Psychologisierung, Bürokratisierung, Sakralisierung, jedoch kaum von Soziologisierung (Feldmann 2011, 165). Er fordert, Themen wie Lebensmehrung, Lebensminderung und das, wie er es nennt, ,andere Sterben’, z.B. in unterentwickelten Ländern und Regionen, müssten stärker beachtet werden[22]. Ihm erscheint es wichtig, statt der heute üblichen Palliativ-, Hospiz- und Sterbehilfe-Debatten, öffentliche herrschaftssensible Diskurse, wissenschaftliche Untersuchungen, innovative Vernetzungen, rechtliche, politische und ökonomische Regeländerungen im Dienste einer Verbesserung der lokalen und globalen Lebenschancen verstärkt durchzuführen. Feldmann vertritt eine Biothanatologie, die auf eine Vernetzung verschiedener Bereiche, theoretischer und semantischer, institutioneller, organisatorischer und kultureller Ebenen, Felder und Netzwerke abzielt (Feldmann 2011, 3). Biothanatologie solle als inter- und transdisziplinär (pluralistisch-normativ) orientierte Sozialwissenschaft von Leben und Sterben der Menschen und anderer Lebenselementen konzipiert werden, allerdings ohne eine Monopolisierung der Bearbeitung des Themas (ebd., 2, Fn.2).
Feldmann ist der Ansicht, in der Konkurrenz zwischen Kollektiven gehe es traditionell um Leben und Tod; heute, in der reichen Welt, vor allem im ökonomischen und weniger im militärischen Bereich. Die rationale Bearbeitung der Problematik des globalen Lebens und Sterben würde jedoch vernachlässigt, denn es würden Bedrohungsängste geschürt, um die Bevölkerung in Stress und Abhängigkeit zu halten, und Schaukämpfe geführt um Stammzellen, Pränataldiagnostik, und Sterbehilfe (Feldmann 2010b, 72).
Feldmann versucht, Leben und Sterben in einen globalen Gesamtzusammenhang zu stellen. Um Leben und Sterben nachhaltig zu ,verbessern’, seien bisher getrennt laufende Diskurse und Praxen zu vernetzen und verkrustete Strukturen zu öffnen, um die Pflege des Lebenssystems Erde, eine Verringerung der sozialen Ungleichheit und der damit verbundenen Lebensminderung auf verschiedenen Ebenen, global, national, regional, zu erreichen (Feldmann 2011, 190). Feldmann spricht sich dafür aus die Verteilung des Geldes zu überdenken und statt in veraltete, innovationshemmende Institutionen, in die Förderung unterprivilegierter Kinder und alter Menschen zu investieren (Feldmann 2011,188). In der Entwicklung der Thanatosoziologie, in der Gesellschaft und im professionellen Umfeld sei eine Verlagerung des Schwerpunktes vom physischen Tod auf das physische Sterben festzustellen. Die Folge seien kapitalintensive ökonomische, soziale und kulturelle Aktivitäten und Ideologien (Feldmann 2010a, 573). Das medizinischtechnische System würde zur Leitinstitution für die Sterbegestaltung (ebd., 579), „Leben und Tod machen“ würde perfektioniert und gerate in Konflikt mit zentralen Werten, wie der Selbstbestimmung und dem Tötungsverbot (ebd., 580).
Zum Thema Töten meint er, es sei unvermeidlich ein Teil des Alltagshandelns, der Kommunikation und Interaktion auf allen Ebenen, folglich solle Töten zivilisiert und kultiviert werden (Feldmann 2011, 191).
Ein weiteres Problem sei, dass die derzeitige Professionalisierung zu wenig auf die neuen Kontext- und Konstruktionsbedingungen ausgerichtet sei. In der modernen globalisierten Gesellschaft gäbe es unterschiedliche Todeskonzeptionen und -praktiken, Tod und Trauer differenzierten sich immer mehr aus und seien immer weniger in Richtlinien und Grundsätzen fassbar (Feldmann 2010a, 581f.). Diese Veränderungen werden anscheinend aus Feldmanns Sicht zu wenig beachtet, obwohl er feststellt, dass es auch Kultivierungszonen durch Hospiz-, Palliativ- und right-to-die-Bewegungen gibt (ebd., 581).
Feldman stellt einen Zusammenhang zwischen der Situation, in der die Gesellschaft sich befindet und dem Umgang mit Sterben und Tod her. Er ist der Meinung, um den Umgang mit Sterben und Tod in modernen Gesellschaften verstehen zu können, müssten die gesellschaftlichen Strukturen, das Wirtschaftssystem, die Fortschritte in Wissenschaft und Technik, die Säkularisierung und Pluralisie- rung der religiösen Institutionen und Vorstellungen, die Individualisierung und die Veränderungen der Familienstrukturen beachtet werden (Feldmann 2011a, o.S.). Um Verbesserungen zu erzielen, versucht er seine Kultivierungstheorie zu etablieren. Den Begriff Kultivierungstheorie verwendet Feldmann im Sinne von Elias und anderen Kulturtheoretikem. Er versteht darunter eine reflexive Zivilisierung und innovative Weiterentwicklung kultureller Einstellungen und Praktiken. Zivilisierung, Humanisierung und Kultivierung seien verwandte Begriffe, wobei Kultivierung als übergreifende Bezeichnung zu verstehen sei. In einer modernen Gesellschaft sei Kultivierung sowohl auf individueller Ebene als auch auf kollektiver Ebene festzustellen. Als Ziel nennt er die Herstellung einer friedlichen pluralistischen Weltgesellschaft (Feldmann 2011,9).
3.2. Armin Nassehi
3.2.1. Theoretischer Hintergrund
A. Nassehi und G. Webers (1989, 9) Grundlage für die Analyse ist die funktionalstrukturelle Theorie bzw. die Systemtheorie Luhmann'scher Prägung (ebd., 11,16). Sie untersuchen das Todesthema mit einer gewissen Interdisziplinarität und setzten sich dementsprechend mit erkenntnistheoretischer, gesellschaftstheoretischer, anthropologischer, soziologischer, philosophischer und religiöser Theoriebildungen auseinander (ebd., 11). Ihre eigene Theoriebildung vollzieht sich auf der Basis verschiedener gesellschaftstheoretischer Ansätze. Neben Luhmanns Systemtheorie ziehen sie die phänomenologische Lebenswelttheorie von A. Schütz, die konstruktivistische Wissenssoziologie von P.L. Berger und T. Luck- mann und die Theorie kommunikativen Handelns von J. Habermas heran (ebd., 16), um ihren Verdrängungsbegriff zu verankern. Aus gesellschaftstheoretischer Perspektive heraus bilden die Systemtheorie und die Wissenssoziologie die Basis des von ihnen entwickelten soziologischen Verdrängungsbegriffs (ebd., 164ff.).
In späteren Arbeiten nimmt Nassehi eine ausdrücklich systemtheoretische Position ein (Nassehi 2003, 14), die er auch beibehält (Schneider/Nieder 2007, 19f.). Systemtheorie ist ein interdisziplinäres und operatives Theorieprogramm, das mit einer besonderen erkenntnistheoretischen Perspektive Erscheinungen aller Art als Ergebnis oder Prozess gegliederter und stabilisierter wechselseitiger Verbundenheit beschreibt. System bedeutet eine Menge von Objekten, einschließlich ihrer Eigenschaften, die als Elemente über Relationen verbunden sind; dabei wird nicht von real-existierenden Systemen ausgegangen, sondern es werden lediglich Zusammenhänge als Systeme beschrieben (Endruweit/Trommsdorff 2002, 587f.). Die Elemente sozialer oder soziologischer Systeme sind soziale Fakten, also sozi- ale Handlungen oder abstrakte Kommunikationen. Der systemische Zusammenhang ist als Interaktion von sinnhaften sozialen Handlungen oder Kommunikationen gefasst. Es wird eine Verselbständigung sozialer Handlungen oder Kommunikationen gegenüber den sie produzierenden Individuen unterstellt. Soziale Systeme bilden und differenzieren sich entlang sozialer Funktionen und erfüllen Funktionen. Es besteht eine Innen-Außen-Differenz zwischen System und Umwelt. Im System besteht eine besondere Verdichtung sozialer Interaktivität und Kommunikation, die durch spezielle, systemspezifische Schematisierungen (Codes)[23] und für das jeweilige System generalisierte Kommunikationsmedien hergestellt wird. Umwelt ist mehrdimensional konzipiert und besteht aus anderen sozialen Systemen, natürlichen Gegebenheiten, oder Individuen, die die systemspezifischen sozialen Handlungen bzw. Kommunikationen produzieren (Ronge 2000, 668f.). Systeme sind gekoppelt, bauen aufeinander auf, stellen Umwelten füreinander, diese wechselseitige Verbundenheit und der ständige zyklische Austausch von Systemen ist die Voraussetzung für Selbstorganisation und Selbsterzeugung (Endruweit/Trommsdorff 2002, 587f.), wofür Luhmann den Begriff Autopoiesis benutzt (vgl. dazu Staubmann 2007, 218ff.). Weitere Begrifflichkeiten Luhmanns sind Komplexität[24], Kontingenz[25], Sinn[26], Kommunikation[27] und Struktur[28]. Weitere Gedanken sind: das soziale System ist ein System sinnhafter Kommunikationen, die Gesellschaft ist ein Sozialsystem und moderne Gesellschaften sind durch funktionale Differenzierung gekennzeichnet, d.h. durch eine Vielzahl von Subsystemen, die jeweils unterschiedliche Funktionen erfüllen (ebd., 232). Diese Begriffe werden von Nassehi und Saake in der Beschäftigung mit dem Themenkomplex Tod und Sterben benutzt (vgl. Nassehi/Saake 2005).
3.2.2. Herangehensweise
Nassehi und Weber (1989, 13) wollen die von ihnen vermutete „Unterbelichtung“ des Todes in der Wirklichkeitsstruktur moderner Individuen und Gesellschaften mit gesellschaftstheoretischen Mitteln „erhellen“ und mit ausdrücklichem Bezug auf Habermas aus und mit den Kategorien der Moderne selbst erklären[29]. Um den „Entwurf einer Theorie der Todesverdrängung“ aus einer gesellschaftstheoretischen Position heraus zu leisten, stellen sie erkenntnistheoretische Überlegungen zur Genese des Todeswissen und zum Todesbewusstsein an, untersuchen anschließend die historische Entwicklung der Individuierung des Todesbewusstseins und den Wandel von Todesbildern durch die strukturelle Rekonstruktion der „Geistesgeschichte des Todes“[30]. Sie beschäftigen sich mit der spezifischen sozialen Ausformung der radikalen Individualisierung der Todeserfahrung in der Moderne und mit moderner „Thanatopraxis“, um auf verschiedenen Ebenen nachzuweisen, dass die gesellschaftliche Verdrängung des Todes ein für die Moderne konstitutives und funktionales Strukturelement ist. Durch die Rekonstruktion verschiedener Modernisierungstheorien versuchen sie die Entstehung der modernen Verdrängung des Todes aus der Herausbildung und Entwicklung der Modernität selbst zu erklären (ebd., 15f.). Mittels einer Analyse der Bedingungen und Möglichkeiten zur Rekonstruktion des Memento mori unter Strukturbedingungen der Moderne klären sie die Möglichkeit einer Überwindung der modernen Todesverdrängung (ebd., 16). Der Untersuchung liegt keine eigene empirische Datenerhebung zugrunde, sondern eine Sekundäranalyse von unterschiedlichsten Konzepten, Theorien, Denksystemen, Texten, Quellen und Daten (ebd., 14). Später beteiligten sich Nassehi und Weber am Forschungsprojekt “Todesbilder in der modernen Gesellschaft“ (1999-2002). Auf der Grundlage dieser Interviews entstanden die Arbeiten „Kontexturen des Todes“ (vgl. Nassehi/Saake 2005, 31ff.)[31] und „Todesexperten“ (Nassehi 2007, 123ff.), die sich mit Kommunikation im Bereich des Sterbens und des Todes befassen.
3.2.3. Menschen- und Gesellschaftsbild
Der Mensch ist dasjenige Lebewesen, das um den eigenen Tod und seine Unabwendbarkeit weiß (Nassehi/Weber 1989, 45) und sich deshalb mit seiner Endlichkeit auseinandersetzen muss (ebd., 40). Die moderne Form des Individuums habe ihre Wurzeln im Christentum und dem Glauben, der Mensch sterbe als ganze Person und werde als ebendiese von Gott wieder aufgeweckt. Die Seele gehe nicht mehr als gleichsam identitätslose Substanz in das ihr Ähnliche ein. Das Individuum erscheine nun als vereinzeltes Wesen und der Tod gewänne einen totalen Charakter (ebd., 113). Auch die Veränderung der Gesellschaftsstruktur in funktionale Differenzierung habe das unverwechselbare Individuum erst hervortreten lassen (Nassehi 2007, 126). Das moderne Individuum ist durch Multiinklusion in die Gesellschaft gekennzeichnet und durch eine Segmentierung der Identität, die durch die gesellschaftliche Macht der Institutionen der Produktion und Verwaltung hervorgerufen wurde (Nassehi/Weber 1989, 202).
Die moderne Gesellschaft erscheint Nassehi und Weber (1989, 195f.) als komplex und durch den gesellschaftlichen Differenzierungsprozess in voneinander unabhängige und vom Menschen weitgehend abgekoppelte Funktions- bzw. Teilsysteme segmentiert. Sie sei gekennzeichnet durch technische Produktion, Bürokratie und eine damit verbundene Pluralisierung der Lebenswelten (ebd., 186). Mensch und Gesellschaft bedingten sich wechselseitig (ebd., 62). Doch in der Moderne bestehe ein Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft im Bereich der „subjektiven“ und „objektiven“ Wirklichkeit. Dort habe das Todesproblem für gesellschaftstheoretische Fragestellungen eine besondere Relevanz (ebd., 14). Der Tod sei dem Leben a priori zugehörig, trotzdem aber das Fremdeste und Geheimnisvollste der Existenz und das Symbol für unübersehbare Kontingenz. Symbolische Deutungen des Todes machen ihrer Meinung nach gemeinschaftliches und gesellschaftliches Leben überhaupt erst möglich (ebd., 423). Die gesamte Selbstdeutung von Kulturen und Kosmologien finde im Tod einen ihrer entscheidenden Kulminationspunkte (Nassehi 2003, 287).
[...]
[1] Buß 2008, o.S.
[2] Buß 2007, o.S.
[3] Hörwick 2011, 6
[4] Zick 2010, o.S.
[5] „Thanatos“ (griech. Tod), von S. Freud nicht schriftlich benutzter, von anderen in die psychoanalytische Literatur, eingeführter Begriff, der zur Bezeichnung des Todestriebes dient; als Gegenspieler des Eros konzipiert (Horn 2011, 684).
[6] Gegenstand von Durkheims Analyse ist nicht der Selbstmord als spezifische Handlung, sondern die als Eigenschaft einer Gruppe konzipierte Tendenz sich selbst zu töten (Fuchs-Heinritz 2007, 18), bzw. die Selbstmordrate (Feldmann/Fuchs-Heinritz 1995, 9).
[7] Von Ferbers Diktum ist, dass das Verhältnis des Einzelnen zum Tode „sein unaussprechliches Geheimnis und zugleich ein gesellschaftlich vermitteltes Verhalten“ ist (vgl. Ferber 1963: 354f. zitiert nach Moebius 2003, 1).
[8] Das „Centre for Death and Society“ der University of Bath ist im Bereich der Sterbe- und Todesforschung hervorzuheben ( http://www.bath.ac.uk).
[9] Knoblauch, H., Groß, D. u.a.: http://www.todundtoterkoerper.eu/home.php
[10] http://www.todundtoterkoerper.eu/publikationen.php
[11] Funktionalismus bezeichnet keine einheitliche Theoriebildung, sondern verschiedene Richtungen. Bekannte Vertreter sind Talcott Parsons und Niklas Luhmann. Die zentralen Begriffe bei Parsons sind: System, Struktur und Funktion. System bedeutet eine spezifische Form der Verbundenheit von Ereignissen und Prozessen, die wechselseitig aufeinander einwirken. Struktur bezeichnet die Ordnung der Beziehungen zwischen den Einheiten und Funktion den Beitrag zur Erhaltung der Struktur (Abels 2001, 118, 195ff.). Niklas Luhmann entwickelte diese Gedanken weiter (ebd., 209ff.).
[12] Es gibt verschiedene Konflikttheorien, wie z.B. die Theorie von R. Dahrendorf, deren Thema die ungleiche Verteilung von Macht und Antagonismus zwischen Gesellschaft und Individuum ist (Abels 2007, 118ff.).
[13] Diese Theorie geht zurück auf G.H. Mead und H. Blumer (vgl. Abels 2007, 208f).
[14] In Organisationen und Professionen wird um Ressourcen konkurriert, beispielsweise zwischen Ärzten und Priestern. (Feldmann 2010, 15f.).
[15] Ein von der Makro- bis zur Mikroebene reichender Konfliktansatz ergibt sich aus feministischen bzw. Geschlechtertheorien (ebd., 15f.).
[16] Die Verwendung des Begriffs „Kritischer Sozialwissenschaftler“ rückt ihn trotzdem in die Nähe zur sog. „Kritischen Theorie“ (vgl. Preglau 2007).
[17] „Statt das Unvermeidliche aufzuzeigen, wollen Beck und Giddens die Gestaltungs- und Möglichkeitsspielräume aufdecken. Ihnen geht es um eine in gesellschaftliche Prozesse eingreifende, sich engagiert zu Wort meldende Soziologie. Dabei zögern sie nicht, konkrete Vorschläge zur Behebung sozialer Probleme zu unterbreiten“ (Schroer 2009, 512).
[18] „Feldmann (2004) bietet den Lesern einerseits Begriffe, Konstrukte und Typologien als Werkzeuge an, andererseits werden die in der amerikanischen Soziologie gebräuchlichen drei Perspektiven oder Paradigmen Funktionalismus, Konflikttheorien und symbolischer Interaktionismus in Kombination mit themenspezifischen Modellen eingesetzt. Das Feld wird in seiner thematischen, disziplinären, theoretischen und methodischen Heterogenität gezeigt.“ (Feldmann 2010a, 570).
[19] Als Beispiel: Feldmann 2010, 136, Fn.103
[20] Im Gegensatz zu traditionellen Kulturen haben das Leben und der Körper für den modernen Menschen eine andere Bedeutung, sie seien nicht mehr Eigentum Gottes, sondern persönliches Eigentum und würden für die eigenen Zwecke instrumentalisiert (Feldman 2010, 169). Sei der lebende und tote Körper in traditionellen Kulturen sozial eingegliedert und unverzichtbarer Bestandteil auch eines sozialen Übergangs in das Reich der Toten gewesen, werde er immer mehr zu einem ,bloßen Instrument’, dessen Teile auswechselbar seien (ebd., 25). Der Körper sei vorwiegend ein Mittel zum Zweck der Lebensverlängerung, zum Kampf gegen den Tod, der Sozialteil und die Psyche nur zweitrangig. Zugespitzt formuliert er, die Körper würden wie Maschinen behandelt, ausgewechselt oder wegrationalisiert (ebd., 26ff).
[21] Feldmann schneidet das Problem des Tötens an, weil physisches Töten überwiegend abgelehnt werde, weil es aber noch immer aggressive Ziele und die Konkurrenz um knappe Ressourcen gäbe, habe sich das physische Töten in soziales Töten, bzw. die physische Gewalt in strukturelle Gewalt gewandelt. Lebensminderung und soziales Töten seien gestattet, würden teilweise sogar staatlich gefördert und vor allem ökonomisch belohnt. Durch Globalisierung und neue Technologien würden soziale Tötung und ihre Verschleierung ausgeweitet und differenziert (Feldmann 2010, 220f.).
[22] In der herrschaftlich kontrollierten öffentlichen und in der wissenschaftlichen Diskussion um Sterben und Tod würden zwei Megathemen ausgesperrt: Erhaltung und Kultivierung des Lebenssystems Erde und das miserable Leben und Sterben von hunderten Millionen Menschen (Feldmann 2010b, 72).
[23] Kommunikationsmedien sind an die Möglichkeit von Sinn gebunden und durch Sinn werden Differenzen konstituiert. Bei der Ausbildung funktionsspezifischer Subsysteme lassen sich nun „Leitdifferenzen“ ausmachen, diese nennt Luhmann binäre Codes (Staubmann 2007, 233).
[24] Bedeutet eine Vielzahl von Elementen, die möglichen Verknüpfungen zwischen den Elementen werden eingeschränkt. Selektion von Beziehungen, mögliche Relationen werden vorläufig ausgeschlossen (ebd., 220f.).
[25] Bedeutet, dass etwas auch anders möglich wäre, es für die Selektion der Beziehungen der Elemente eines Systems nicht nur eine Möglichkeit gibt (vgl ebd., 220f).
[26] Sinn ermögliche ein Prozessieren von Informationen nach Maßgabe von Differenzen die nicht in der Welt vorgegeben sind, sondern autopoietisch aus Sinn selbst produziert werden (ebd., 227ff.).
[27] Kommunikation ist eine emergente Einheit, die zustande kommt, wenn drei Selektionen zu einer Synthese gebracht werden: Information, Mitteilung und Verstehen (vgl. ebd., 222f.).
[28] Struktur bezeichnet die Einschränkung oder genauer die Selektion der Einschränkung der in einem System zugelassenen Relationen zwischen Elementen (Staubmann 2007, 228).
[29] „Es ist möglich, das Problem des Todes mit Hilfe von Standards zu behandeln, die der Moderne angemessen sind, und die Kriterien der Kritik an der modernen „Thanatopraxis“ aus der Moderne selbst abzuleiten.“ (Nassehi, Weber 1989, 13).
[30] Um die existentiale Dimension des Todesbewusstseins mit sozialen Aspekten verbreitern zu können, haben sie auf die Ansätze von P.L. Landsberg und K. Jaspers zurückgegriffen, die die Antizipation des Todes aus den Strukturen der elementarsten Sozialbeziehungen ableiten. Die dort gewonnenen Erkenntnisse sehen sie aus mikrosoziologischer Perspektive durch P. Berger und T. Luckmann bestätigt. Sie nehmen an, dass die vis-a-vis-Situation die grundlegendste ist und auch in ihr die stabilsten Wirklichkeitskonstruktionen generiert werden (ebd., 49).
[31] Damit könne die schon 1989 gestellte Frage beantwortet werden, wie in der Moderne über den Tod kommuniziert werde (Nassehi/Saake 2005, 41, Fn.11).
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