Die Arbeit beschäftigt sich mit den theoretischen Aspekten von Mediennutzung und -wirkung bei Jugendlichen sowie der Klärung einiger wichtiger Begriffe zur Sozialisation und Mediensozialisation. Am Beispiel der Indie-Kultur wird dann der Stellenwert der Medien innerhalb der Jugendkultur aufgezeigt und wie bzw. wofür diese genutzt werden.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Sozialisation
2.1. Mediensozialisation
2.2. Breite (broad) und enge (narrow) Sozialisation
2.3. Sozialisationsprozess
3. Medien im Sozialisationsprozess
3.1 Medienausstattung und Mediennutzung von Jugendlichen
3.2 Mediennutzungsmotive
3.2.1 Unterhaltung
3.2.2 Identitäsformung
3.2.3 Sensation-Seeking
3.2.4 Bewältigung
3.2.5 Anschluss zu anderen Jugendlichen
3.3 Zwischenfazit
4. Jugendkulturelle Medienwelt
4.1 Jugendkultur
4.2 Indie
4.3 Medien und der Zugang zu Indie
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Seit sich Internet und Handy zu ständigen Begleitern des Alltags entwickelten, wandelte sich die Industriegesellschaft im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zu einer Informations- und Kommunikationsgesellschaft. Heute sind Medien in der Öffentlichkeit allgegenwärtig. Der Konsum von Massenmedien bestimmt längst in hohem Maße unsere Freizeitgestaltung und zugleich auch unser Handeln und Denken, ohne dass es uns häufig bewusst ist. Sie nehmen Einfluss auf die verschiedensten Lebensbereiche, wobei im Kontext dieser Arbeit insbesondere Jugendlichen und der Prozess der Sozialisation im Feld von Medien und Jugendkulturen betrachtet wird. Jugendliche wachsen heute in einer Umwelt auf, die wie nie zuvor von Medien geprägt ist. „Die heutige Jugend ist die erste Generation, die erste Gruppe, die von Beginn an Kultur als Medienkultur kennengelernt hat“ (Vogelsang, 2002).
Zudem ist ein regelrechter Jugendkulturmarkt entstanden, auf dem sich jeder “stilvoll" bedienen und einbringen kann. Kaum eine der vielen Gruppierungen kommt dabei ohne mediale Inszenierung aus. Doch wie finden Jugendliche die zu ihr passende Szene? Inwieweit haben Massenmedien eine identitätsstiftende Wirkung auf Jugendkulturen und ihre Mitglieder? Durch die Verbreitung der Medien vergrößert sich die Zahl der wählbaren Selbstdarstellungsmuster und Gruppenzugehörigkeiten. Jugendliche sozialisieren sich eigenständig, indem sie über die Mediennutzung Zugang zu Jugendkulturen finden. Dabei ist es nicht einmal entscheidend interaktiv am Geschehen einer Gruppe teilzunehmen, sondern sich durch Medienkonsum den Habitus der Szene anzueignen und somit gefühlt Teil einer Gemeinschaft zu werden. Die Einflussnahme von Medienangeboten auf den Identitätsentwurf ist daher aufzuzeigen.
Die Arbeit beschäftigt sich zu Beginn mit den theoretischen Aspekten von Mediennutzung und -wirkung bei Jugendlichen sowie der Klärung einiger wichtiger Begriffe zur Sozialisation. Am Beispiel der Indie-Kultur wird dann der Stellenwert der Medien innerhalb der Jugendkultur aufgezeigt und wie bzw. wofür diese genutzt werden.
2. Sozialisation
Sozialisation ist die „Folge aktiver Prozesse der Auseinandersetzung mit der symbolischen, sozialen und materiellen Umwelt sowie mit sich selbst" (Vollbrecht & Wegener, 2010, S. 9). Außerdem ist Sozialisation „ein lebenslang währender Vorgang der Führung, Betreuung und Prägung des Menschen durch Verhaltenserwartungen, Verhaltensermutigungen und Verhaltenskontrollen unserer Beziehungspartner..." (Pürer, 1998, S. 86). Die Persönlichkeit des Menschen entwickelt sich über soziale Interaktionen, Erziehung und weitere Umweltfaktoren. Dabei haben traditionell Familie, Freunde und Einrichtungen wie die Schule den größten Einfluss in der Jugendphase und werden als die wichtigsten Sozialisationsinstanzen anerkannt. Doch mit Zunahme der Massenmedien bis hin zu unserer heutigen Informations- und Wissensgesellschaft nehmen Medien einen immer größeren Stellenwert im Sozialisationsprozess ein. In der Auseinandersetzung mit Sozialisation treten auch die Begriffe Enkulturation und Personalisation auf. Mit Enkulturation wird die Aneignung kultureller Werte beschrieben (Erfahrungen, Güter, Maßstäbe, Symbole), die zur ,,Erhaltung, Entfaltung, Differenzierung und Sinndeutung der eigenen wie der Gruppenexistenz" beiträgt. Personalisierung hingegen hebt die individuellen Aspekte hervor (Bildung und Prägung sowie die Anwendung der Fähigkeiten zur Integration) (Pürer, 1998, S. 87).
2.1. Mediensozialisation
Unter dem Begriff der Mediensozialisation wird die Sozialisation durch Massenmedien1 verstanden mit Blick „auf ihre Bedeutung als Informationsmultiplikatoren und Meinungsmacher, als Wissensvermittler und Bildungsgutträger, als Kulturübermittler und Unterhaltungsproduzenten sowie als Werbeträger für wirtschaftliche und politische Interessen." (Pürer, 1998, S. 90). Seit ihrer Entwicklung sind Medien ,,vorwiegend als Gefährdungsfaktoren für gelingende Sozialisation betrachtet oder gar diffamiert" worden (S. Kübler, 2010, S. 27). Innerhalb der letzten Jahre konnte jedoch ein Paradigmenwechsel von einer ,,[...] normativen Sichtweise, die Sozialisation vor allem unter der Perspektive der Anpassung des Subjekts an die Gesellschaft verstand, zu einer interaktionistischen Sichtweise, in der von einem aktiven, die gesellschaftliche Wirklichkeit konstruierenden Subjekt ausgegangen wird [...]" (Aufenanger, 2008, S. 87), verzeichnet werden. Diese Perspektive legt das Verständnis von Mediensozialisation als einen Prozess nahe, in dessen Verlauf sich der Mensch ,,[...] aktiv mit seiner mediengeprägten Umwelt auseinandersetzt, diese interpretiert sowie aktiv in ihr wirkt und zugleich aber auch von Medien in vielen Persönlichkeitsbereichen beeinflusst wird" (Aufenanger, 2008, S. 87). Der Medienkonsument sucht sich aus, was er sehen möchte und es steht immer die Frage im Raum, wer die Medien nutzt (Vollbrecht & Wegener, 2010). Zum Schluss muss noch ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal der Sozialisationsinstanz Massenmedium und allen anderen genannt werden. Familie, Schule etc. folgen dem Grundsatz die soziale Ordnung zu erhalten und die eigene Kultur von Generation zu Generation weiterzugeben. Medien dagegen folgen ökonomischen Interessen. Die produzierten Inhalte folgen der Annahme, was die Konsumenten interessieren könnte und das immer innerhalb der von anderen Sozialisationsinstanzen auferlegten Rahmenbedingungen wie Jugendschutzgesetze (vgl. Arnett, 1995, S. 526).
2.2. Breite (broad) und enge (narrow) Sozialisation
Sozialisation verläuft abhängig vom kulturellen Milieu unterschiedlich und ist inneren und äußeren Einflüssen ausgesetzt (vgl. Süss, 1998, S. 285). In Kulturen, die den Individualismus fördern, kommt es laut Arnett zu einer weit gefassten Sozialisation, während in Kulturen in denen Gehorsam und Konformität sehr wichtig sind, die enge Sozialisation vorantreiben. Letzteres fördert die Mitglieder einer Gemeinschaft sich an vorgeschriebenen Standards im Glauben und Verhalten festzuhalten. In den meisten westlichen Kulturen wird dagegen die breite Sozialisation vollzogen, in der jedes Mitglied seinen eigenen Neigungen folgen kann. Auch die Medien korrespondieren mit der breiten Sozialisation. Insbesondere in Ländern in denen Pressefreiheit eine Selbstverständlichkeit ist und Inhalte nicht durch die Regierung zensiert werden. In dieser Gesellschaft herrscht ein unüberschaubares Angebot an Medieninhalten, denen sich die Heranwachsenden bedienen können, was wiederum dazu führt, dass eine hohe Anzahl von unterschiedlichen Wertevorstellungen, Interessen und Persönlichkeiten existieren. Jeder Jugendliche kann von den Inhalten jene auswählen, die am stärksten mit seinen Überzeugungen korrespondieren (vgl. Arnett, 1995, S. 526).
2.3. Sozialisationsprozess
Wie schon mehrfach angedeutet, ist Sozialisation ein Prozess in der Entwicklung des Menschen. Der Vorgang kann analog zum Kommunikationsprozess betrachtet werden. Die Analogie ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Kommunikator, Aussage, Rezipient und Wirkung und ist dementsprechend komplex. Am Anfang steht der Sozialisator - das Medium. Massenkommunikationsinhalte werden produziert und der Produzent ist dabei selbst sozialisierenden Einflüssen ausgesetzt. Die Inhalte, verstanden als Angebote, werden manchmal vom Kommunikator mit bewussten Sozialisationszielen hergestellt, aber häufiger unbewusst mit latenten Normen versehen (vgl. Pürer, 1998, S. 86ff.). Es wäre falsch anzunehmen, die Inhalte würden direkt auf den Rezipienten einwirken. Das Stimulus-Response-Modell geht in der Grundannahme davon aus, ,,als ob die Massenmedien die Handlungsträger oder Auslöser von sozialisierenden Wirkungen wären" (Bauer, 1988, S. 548). In der Sozialisation können zwei Phasen benannt werden. Die primäre Sozialisation ist gekennzeichnet durch Intimbeziehungen im Familienverband und findet daher im Kindesalter statt. Im Jugendalter setzt dann die sekundäre Sozialisation ein. Diese kennzeichnet sich durch den erweiterten sozialen Umkreis und ist von permanenter Dauer. Man könnte auch noch von der sog. tertiären Sozialisation sprechen, welche mit dem Ausstieg aus dem Berufsleben beginnt und den Prozess des Alterns hervorhebt (vgl. Pürer, 1998, S. 88).
3. Medien im Sozialisationsprozess
Da bisher viel darüber gesprochen wurde, dass in heutiger Zeit die Medien einen hohen Stellenwert im Leben der Heranwachsenden haben, soll an dieser Stelle genauer untersucht werden, wie ein von Medien geprägtes Leben aussieht. Aufschluss gibt hierbei die JIM-Studie 2010. Diese Langzeitstudie des medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest beschäftigt sich mit dem Medienumgang der 12-19- jährigen in Deutschland. Einige wichtige Kernergebnisse sollen im Folgenden kurz dargelegt werden. Anschließend soll der Theorie Rechnung getragen werden, dass es sich bei der Mediennutzung und -wirkung nicht um ein einfaches Stimulus-Response-Modell handelt, sondern der Rezipient aktiv Medien nutzt und welche Motive ihn dabei leiten.
3.1 Medienausstattung und Mediennutzung von Jugendlichen
Medien nehmen laut der aktuellen Studie von 2010 einen wichtigen Platz im Alltag der Jugendlichen ein. Sie sind in großem Maße mit Mediengeräten ausgestattet. Das Internet, der Fernseher und das Handy sind heute ein Standard in jedem Haushalt, wobei die Jugendlichen hier in ihrem Wissen um die Bedienung der Geräte oft ihren Eltern weit voraus sind. Gerade der Computer bzw. der Laptop mit Internetanschluss ist nach aktuellen Zahlen weiter verbreitet als ein eigener Fernseher im Zimmer. Den besitzt nur noch gut die Hälfte der 12-19-jährigen. Für die Heranwachsenden sind Internet und Handy schon lange keine „Neuen Medien“ mehr. Ein deutscher Haushalt hat im Durchschnitt 4,0 Handys, 2,7 Computer, 2,4 Fernsehgeräte und 1,6 Internetzugänge. Die hohe Medienverfügbarkeit bedeutet jedoch nicht, dass die gesamte Zeit der Jugendlichen für die Nutzung solcher Geräte gebraucht wird. Vor allem das Pflegen von sozialen Kontakten abseits der Medien hat für Heranwachsende auch heute noch einen besonders hohen Stellenwert. Je ein Viertel der befragten Jungen und Mädchen gab darüber hinaus an, täglich oder zumindest mehrmals pro Woche etwas mit der Familie zu unternehmen. Auch Sport nimmt weiterhin einen wichtigen Platz in der Wochengestaltung von Jugendlichen ein. Die Bedeutung dieser Aktivitäten hat sich im Verlauf der Studie kaum verändert und blieb seit 2004 relativ stabil. Dennoch ist die Zeit der Mediennutzung in den vergangenen Jahren angestiegen. In der aktuellen Studie gaben 61 Prozent der Jugendlichen an, täglich fernzusehen (ca. 120 Minuten), 63 Prozent sind täglich online (durchschnittlich 138 Minuten) und 80 Prozent nutzen täglich ihr Handy. Werden diese Zahlen mit den Zahlen aus den 90er Jahren verglichen, ist festzuhalten, dass trotz des Aufkommens des Internets die Nutzung von Fernsehen nur wenig eingebüßt hat. Für 74 Prozent gehört neben Fernsehen und Internet das Radio zum Wochenalltag, neben Musik-CDs (62 Prozent) und MP3-Playern (83 Prozent). Hier spiegelt sich der hohe Stellenwert von Musik wieder. Darüber hinaus sei erwähnt, dass gedruckte Medien auch weiterhin Bestand haben. Traditionelle und neue Medien stehen in keinem Verdrängungsverhältnis zueinander. Im Falle von widersprüchlichen Informationen im Internet genießen Printmedien unter Jugendlichen weiterhin eine hohe Glaubwürdigkeit in ihrem Informationsgehalt. Allgemein lässt sich feststellen, dass das Internet von den Heranwachsenden zunehmend als Meta-Medium genutzt wird und teilweise das Einschalten des Fernsehers, Radios oder das Aufschlagen der Zeitung ersetzt.
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1 Massenmedien verstanden als Kommunikationsmittel, die durch technische Vervielfältigung und Verbreitung, Inhalte an ein öffentliches, anonymes, disperses und in seiner Anzahl unbestimmtes Publikum verbreitet. Der Einfachheit wird der Plural Medien synonym mit Massenmedien verwendet.
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