Die ganze Welt ist unser Spiegel,
in dem wir uns betrachten müssen,
um den richtigen Blick für die Selbstbeobachtung zu bekommen.
Michel de Montaigne
In der gegenwärtigen sozialen Welt, die durch Veränderungen infolge von Individualisierung, Pluralisierung und Globalisierung geprägt ist, stellen sich die Menschen zunehmend die Frage „Wer bin ich?“. Eben noch im Kleid des „kollektiven Unbewußten“ (Abels 2006: 14) rückt die Frage nach der eigenen Identität dann in den Vordergrund, wenn das Bild von sich selbst mit dem Anderer verglichen wird. Wenn wir uns einem konkreten oder gedachten Anderen gegenüber sehen, blicken wir in einen Spiegel. Dann wird bewußt, was wir noch nicht sind oder nicht sein wollen bzw. nicht sein können. Auch wenn augenscheinlich ist, daß das Bild, das andere von uns haben sich von unserem Selbstbild unterscheidet, beginnen wir uns zu fragen wer wir sind und wer wir sein wollen (vgl. ebd.).
Die vorliegende Arbeit schreibt der (Selbst-)Wahrnehmung mittels photographischer Bilder und einer mit ihr verschränkten, soziokulturellen Lesart eine Schlüsselfunktion zu. Hierbei geht es um die Aneignung von Realitäten und die Selbstbeschreibung von Subjekten (vgl. Kröncke/ Nohr 2005: 7). Diesbezüglich ist zu klären, ob eine spezifische Art zu photographieren die Arbeit an der eigenen Identität beeinflußt. Untersucht wird dies am Beispiel von Lomographen , denen ein ,mechanisch-objektiver‘ Apparat als Mediensystem mit seiner Eigengesetzlichkeit gegenüber steht (vgl. ebd.: 9). Die Lomographie als spontane Schnappschußphotographie wird dabei als Medium zur Selbsterkundung und Inszenierung von Subjektivität betrachtet. Neben den Umgangsweisen und speziellen Praktiken der Lomographie werden auch die ihr eigenen Bildformen als das Produkt einer spezifischen technisch-medialen Konstellation angesehen (vgl. Kröncke/ Nohr 2005: 9). Die Lomographen sind für die Identitätsforschung aus zwei Gründen geeignet: Erstens, stellen sie ein interessantes Beispiel für die Verbindung alter (Photo-)Technik mit neuer Medialität dar, indem sie einerseits die analoge Photographie zelebrieren und diese andererseits in digitaler Form zur Selbstdarstellung nutzen. Zweitens sind die Lomographen eine Erscheinung der spätmodernen Medialität und Kulturalität. Damit stehen die Lomographen stellvertretend für andere gesellschaftliche Gruppen und ihre Mitglieder, die einem spezifischen kulturell engagierten Milieu angehören.......
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Einleitung
2 Das Patchwork der Identitäten in der Moderne
2.1 Einordnung des Konzeptes „alltäglicher Identitätsarbeit“ in die aktuelle Identitätsdebatte
2.2 Auswirkungen gesellschaftlicher Veränderungen auf die alltägliche Identitätsarbeit
2.3 Strukturelle Aspekte des Modells alltäglicher Identitätsarbeit
2.3.1 SituativeSelbstthematisierungen
2.3.2 Konstruktionender Identitätsarbeit
2.3.2.1 Teilidentitäten
2.3.2.2 Identitätsgefühl
2.3.2.3 BiographischeKernnarrationen
2.3.3 Handlungsfähigkeit
2.4 Zusammenfassung des Modells alltäglicher Identitätsarbeit
3 Abgrenzung der Untersuchungsgruppe
3.1 Wasist Lomographie? - Entstehungsgeschichte und Philosophie
3.2 Charakterisierung der Lomographen
3.3 FokusderUntersuchung
4 Empirische Untersuchung
4.1 Forschungsfragen
4.2 MethodischesVorgehen
4.2.1 Datenerhebung
4.2.2 Erhebungsinstrument
4.2.3 Datenauswertung
4.2.4 Auswahl der Befragten
4.2.5 Überblick über die Stichprobe
4.3 Methodendiskussion
5 Ergebnisse
5.1 KommentarzudenFallportraits
5.2 Beispiel Fallportrait
5.3 Vergleichende Fallanalyse
5.3.1 SituativeSelbstthematisierungender Lomographen
5.3.2 Die Bündelung der Selbstthematisierungen in lomographischen Situationen unter verschiedenen Identitätsperspektiven
5.3.3 DieEbenederTeilidentitäten
5.3.3.1 Teilidentitätsentwürfe undTeilidentitätsprojekte
5.3.3.2 Teilidentitätsstandards
5.3.4 DieMetaidentitäts-Ebene
5.3.4.1 DominierendeTeilidentität
5.3.4.2 BiographischeKernnarrationen
5.3.4.3 Identitätsgefühl
5.3.5 Handlungsfähigkeit
5.3.6 Zusammenfassung dervergleichenden Fallanalyse
5.4 Lomographen-Typen
6 Diskussion
6.1 Diskussion der Ergebnisse zum Thema Identität
6.1.1 Lomographisch geprägte Identitätskonstruktionen
6.1.2 Typen
6.2 Diskussion zum Thema Medialität und Alltag
7 Fazit und Ausblick
7.1 Fazit
7.2 Ausblick
Anhang
I ProzessualeAspektealltäglicher Lebensführung
II Fallportraits
III Tabellen
IV Glossar
V Interviewteilnehmersuche in Newsletter und Foren
VI Interviewleitfaden
Literaturverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1 Umsatz der Lomographischen AG 2006-2008
Tabelle 2a Geschlecht und Alter der Befragten
Tabelle 2b technische Voraussetzungen seitens der Interviewteilnehmer
Tabelle 3 Arbeits- und Rinkommenssituation der Interviewteilnehmer
Tabelle 4 lomographischePhotopraxisundtechnischeAspekte
Tabelle 5 lomographische Photopraxis (identitätsbezogene Aspekte)
Tabelle 6 Familien und Lebenssituation, soziale Umwelt und Verortung der Lomographie
Tabelle 7 Selbstverständnis als Lomograph, Integration in LomographenCommunity
Tabelle 8 Anerkennung für Lomographien, Rinfluß der Lomographie aufSelbstbewußtsein
Tabelle 9 Rrfahrungenundzukünftige Projektemitder Lomographie
Tabelle 10 Teilidentitätsstandards
Tabelle 11 lomographisch geprägte Identitätskonstruktionen der Studienteilnehmer
Abbildung 1 StrukturelleAspektedes Modells alltäglicher Identitätsarbeit
Vorwort
Im Rahmen dieser Diplomarbeit konnte ich ein Thema untersuchen, das mir persönlich sehr am Herzen liegt: die Lomographie und ihr Einfluß auf die Identität.
Diesbezüglich gilt mein besonderer Dank meinem Betreuer Herrn Prof. Dr. G. G. Voß, der es erst möglich gemacht hat, dieses Thema zu bearbeiten. Er hat mich auf dem Weg von der Themenfindung, über den Forschungsprozeß hinweg bis zur Fertigstellung der Arbeit in zahlreichen Gesprächen mit hilfreichen Ratschlägen und Anregungen unterstützt.
Weiterhin danke ich den Mitarbeitern der Lomographischen Botschaft Deutschland, Ingeborg Jaiser und Lothar Schmidt, durch deren Aufruf im Newsletter ich die Mehrzahl meiner Interviewteilnehmer gewinnen konnte.
Außerdem gilt Severin Matusek, von der Lomographischen Gesellschaft International, sowie Christian David Schmidt, dem Regisseur des Films „Love & Motion“ mein Dank für ihre Unterstützung.
Ein großes Dankeschön gilt Volker Schütz und allen anderen Teilnehmern dieser Studie[1], durch deren Enthusiasmus die Forschungsarbeit noch zusätzlich motiviert wurde.
Überdies danke ich meiner Familie und meinen Freunden dafür, daß sie mich über die ganze Zeit bis zur Fertigstellung der Diplomarbeit unterstützt und mir durch private Widrigkeiten geholfen haben.
1 Einleitung
Die ganze Welt ist unser Spiegel, in dem wir uns betrachten müssen, um den richtigen Blick für die Selbstbeobachtung zu bekommen.
Michel de Montaigne[2]
In der gegenwärtigen sozialen Welt, die durch Veränderungen infolge von Individualisierung, Pluralisierung und Globalisierung geprägt ist, stellen sich die Menschen zunehmend die Frage „Wer bin ich?“. Eben noch im Kleid des „kollektiven Unbewußten“ (Abels 2006: 14) rückt die Frage nach der eigenen Identität dann in den Vordergrund, wenn das Bild von sich selbst mit dem Anderer verglichen wird. Wenn wir uns einem konkreten oder gedachten Anderen gegenüber sehen, blicken wir in einen Spiegel. Dann wird bewußt, was wir noch nicht sind oder nicht sein wollen bzw. nicht sein können. Auch wenn augenscheinlich ist, daß das Bild, das andere von uns haben sich von unserem Selbstbild unterscheidet, beginnen wir uns zu fragen wer wir sind und wer wir sein wollen (vgl. ebd.).
Die vorliegende Arbeit schreibt der (Selbst-)Wahrnehmung mittels photographischer Bilder und einer mit ihr verschränkten, soziokulturellen Lesart eine Schlüsselfunktion zu. Hierbei geht es um die Aneignung von Realitäten und die Selbstbeschreibung von Subjekten (vgl. Kröncke/ Nohr 2005: 7). Diesbezüglich ist zu klären, ob eine spezifische Art zu photographieren die Arbeit an der eigenen Identität beeinflußt. Untersucht wird dies am Beispiel von Lomographen[3], denen ein ,mechanisch-objektiver„ Apparat[4] als Mediensystem mit seiner Eigengesetzlichkeit gegenüber steht (vgl. ebd.: 9). Die Lomographie als spontane Schnappschußphotographie wird dabei als Medium zur Selbsterkundung und Inszenierung von Subjektivität betrachtet. Neben den Umgangsweisen und speziellen Praktiken der Lomographie werden auch die ihr eigenen Bildformen als das Produkt einer spezifischen technisch-medialen Konstellation angesehen (vgl. Kröncke/ Nohr 2005: 9). Die Lomographen sind für die Identitätsforschung aus zwei Gründen geeignet: Erstens, stellen sie ein interessantes Beispiel für die Verbindung alter (Photo-)Technik mit neuer Medialität dar, indem sie einerseits die analoge Photographie[5] zelebrieren und diese andererseits in digitaler Form zur Selbstdarstellung nutzen. Zweitens sind die Lomographen eine Erscheinung der spätmodernen Medialität und Kulturalität. Damit stehen die Lomographen stellvertretend für andere gesellschaftliche Gruppen und ihre Mitglieder, die einem spezifischen kulturell engagierten Milieu angehören.
Außerdem beleuchtet die vorliegende Arbeit, wie die Lomographie in die individuelle Lebensführung der Befragten integriert wird und demnach die alltägliche Identitätsarbeit beeinflußt. Die große Bedeutung, die das Alltägliche für die Lomographie hat rührt daher, daß die Lomographen zum Einen „in allen Lebenslagen photographieren“ (Kröncke/ Nohr 2005: 7) und zum Anderen, daß sowohl der Alltag als auch das Alltägliche häufige Motive für Lomographien sind. Durch die Loslösung der Kamera vom Auge wird versucht, bewußtes Sehen zu vermeiden um neue Blickwinkel auf das eigene Leben zu erlangen und Alltägliches zum Besonderen zu erheben.
Aus den benannten Aspekten und dem soziologischen Problemfeld ergibt sich die leitende Frage: Gibt es den typischen Lomographen?
Es gilt die Identitätsarbeit der lomographierenden Interviewteilnehmer im Einzelnen und nicht die ,sozialen Identitäten" der Lomographen zu untersuchen. Lediglich der Einfluß ihres sozialen Umfeldes findet zusätzlich Beachtung. Das Konzept der „alltäglichen Identitätsarbeit“ von Heiner Keupp und seinen Mitarbeitern bietet eine erste Grundlage, um zunächst zu klären, ob die im Rahmen der hier durchgeführten Studie befragten Personen die gleichen Identitätskonstruktionen im Zusammenhang mit der Lomographie ausgebildet haben.
Zielführend werden die benannten Aspekte, sowie die Studie in der vorliegenden Arbeit behandelt: Den analytischen Rahmen bilden im zweiten Kapitel die Skizzierung der aktuellen Identitätsdebatte[6] und die ihr folgende Darstellung der strukturellen Aspekte des Konzepts der alltäglichen Identitätsarbeit von Keupp et al.[7].
Daraufhin wird im dritten Kapitel die Untersuchungsgruppe vorgestellt. Hierbei folgt auf eine Nachzeichnung der Entstehungsgeschichte der Lomographie samt ihrer Philosophie ein erster Charakterisierungsversuch der Lomographen.
Das vierte Kapitel stellt die empirische Studie, die anläßlich der vorliegenden Diplomarbeit durchgeführt wurde, vor. In diesem Zusammenhang werden die Forschungsfragen en detail dargelegt und das methodische Vorgehen geschildert. Im Gegensatz zu Keupp et al., deren vordergründiges Interesse den prozessualen Vorgängen der Identitätsarbeit gilt[8], stehen in dieser Arbeit die strukturellen Ergebnisse der alltäglichen Identitätsbildung im Zusammenhang mit der Lomographie im Mittelpunkt[9]. Das Ziel der hierzu geführten Studie ist es herauszufinden, ob das Lomographieren typische Muster auf der „Patchwork-Identität“ hinterläßt. Im Rahmen dieser Studie wurden zehn leitfadengestützte Interviews mit Lomographen aus verschiedenen deutschen Bundesländern via Internet als Videotelephonate durchgeführt. Mit dem Einsatz der VoIP-Software Skype und des Skype-Aufnahmeprogramms Power Gramo wurde eine bis dato in der soziologischen Forschung noch kaum genutzte Befragungsmethode angewendet. Dem vierten Kapitel ist eine kritische Diskussion bezüglich des methodischen Vorgehens dieser Studie angeschlossen.
Der ausführlichen Darstellung der Untersuchungsergebnisse ist das fünfte Kapitel gewidmet. Hierbei schließt sich einem Kommentar zu den Fallportraits eine vergleichende Fallanalyse an. Darin werden die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung entlang des Konzepts der alltäglichen Identitätsarbeit ausgewertet und die daraufhin konstruierten Typen von Lomographen vorgestellt.
Im sechsten Kapitel werden die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung diskutiert und entsprechende Schlußfolgerungen gezogen.
Abschließend folgen im siebten Kapitel ein Fazit über die Ergebnisse der Untersuchung und ein Ausblick auf weiterführende Forschungsmöglichkeiten.
2 Das Patchwork der Identitäten in der Moderne
Die vorliegende Diplomarbeit basiert auf dem Modell der „alltäglichen Identitätsarbeit“. Dieses Modell ist das Ergebnis jahrelanger theoretischer sowie empirischer Identitätsforschung des Forscherteams um den Sozialpsychologen Heiner Keupp. Es wurde im Zusammenhang mit den Ergebnissen einer Längsschnittstudie mit jungen Erwachsenen aus Ost- und Westdeutschland 2006 vorgestellt[10].
In diesem Kapitel werden die für diese Diplomarbeit wichtigsten Aspekte des Konzeptes der „alltäglichen Identitätsarbeit“ ausführlich dargestellt, da es die analytische Basis für die vorliegende qualitative Untersuchung bildet. Nachdem das Modell von Keupp et al. zunächst in der aktuellen Identitätsdebatte verortet wird (Kapitel 2.1), gilt es anschließend die beobachteten Auswirkungen der gesellschaftlichen Veränderungen auf die alltägliche Identitätsarbeit zu beleuchten (Kapitel 2.2). Die nachfolgende Darstellung der strukturellen Aspekte des Modells „alltäglicher Identitätsarbeit“ (Kapitel 2.3) geht auf die situativen Selbstthematisierungen und die einzelnen Identitätskonstruktionen (Teilidentitäten, Identitätsgefühl, biographische Kernnarrationen) ein. Zudem widmet sie dem Ziel der Handlungsfähigkeit Aufmerksamkeit. Zum besseren Verständnis des Konzepts von Keupp et al. werden auch die prozessualen Aspekte der alltäglichen Identitätsarbeit erläutert. Da diese jedoch nicht unmittelbar im Fokus der vorliegenden Untersuchung stehen, befinden sich die Ausführungen dazu im Anhang dieser Arbeit. Dort werden der relationale Grundmodus und die vier Phasen des Identitätsprozesses erklärt. Warum Keupp et al. Identitätsarbeit als Ressourcenarbeit sehen, sowie als einen Prozeß der Konfliktaushandlung und als Narrationsarbeit wird dort beleuchtet.
2.1 Einordnung des Konzeptes „alltäglicher Identitätsarbeit“ in die aktuelle Identitätsdebatte
Antonio Blasi, ein angesehener nordamerikanischer Sozialwissenschaftler, versteht Identität als „eine Antwort auf die Frage ,Wer bin ich? „“ (Keupp 1997a: 7). Sich mit der Grundfrage der Identitätsforschung ,Wer bist du? „ vor Augen ins Feld begebend scheint der Erfolg auf der Suche nach der Identität des Einzelnen zum Greifen nah. Doch weit gefehlt, denn vielen Menschen fällt es heute schwerer denn je, diese scheinbar einfache Frage zu beantworten. Mehr noch, läßt sich die zunehmende Thematisierung der Identität in alltagskulturellen Kontexten ebenso wie in den unterschiedlichsten Fachkontexten[11] wohl eher als Beleg dafür deuten, daß hier ein großer Klärungsbedarf entstanden ist (Keupp 1997a: 7). Das Identitätsthema hat seit den 80er Jahren sowohl im wissenschaftlichen als auch gesellschaftlichen Bereich eine Diskurskonjunktur erreicht. Das große gesellschaftliche Interesse an der Identitätsthematik ist Keupp et al. zufolge damit zu erklären, daß die Folgen aktueller Modernisierungsprozesse für die Subjekte darin gebündelt werden. „Es wird deshalb so viel von Identität gesprochen und geschrieben, weil innerhalb der gesellschaftlichen Durchschnittserfahrung nicht mehr selbstverständlich ist, was Identität ausmacht“(Keupp u.a. 2006: 8).
So sprachen bereits in den 80er Jahren fächerübergreifend verschiedene Autoren von einem „inflationären Gebrauch des Identitätsbegriffes“ (Mollenhauer 1983: 156) bzw. von Identität als „Inflationsbegriff Nr. 1“ (Brunner 1987: 63) und nahmen damit schon eine Beschreibung des nachfolgenden Booms der Identitätsdiskussion vorweg. Es entspricht weder dem Ziel noch dem Rahmen dieser Arbeit, die im Laufe der Zeit entwickelten Identitätstheorien lückenlos und im Einzelnen vorzustellen. Deshalb wird sich im Folgenden auf die Darstellung der für diese Arbeit relevantesten begrifflichen Differenzierungen sowie die entscheidendsten Entwicklungen in der Identitätsdebatte konzentriert.[12]
Grundsätzlich stellt Identität ein Konstrukt zum Verständnis von Selbstbildern dar, die in Form von Selbstbeschreibungen das Selbstverständnis von Menschen abbilden (vgl. Roth 2006: 46). Identität hat eine personale Seite („Ich-Identität“ oder „personale Identität“), welche das eigene Ich darstellt, sowie eine soziale Seite, die sich im Bezug auf andere und die Umwelt definiert („kollektive Identität“). Diese beiden Aspekte stehen miteinander in einem Wechselverhältnis und bedingen sich gegenseitig (vgl. Roth 2006: 46). Das meinen auch Berger und Luckmann, wenn sie von Identität als einem „Phänomen“ sprechen, „das durch die Dialektik von Individuum und Gesellschaft entsteht.“ (dies. 1996: 186). Bereits in Meads Konzept als „I“ und „me“ angedacht, ähnlich in Goffmans Theorie als „persönliche Identität“ und „soziale Identität“ (dies. 2006: 28) beschrieben, wird diese Mehrdimensionalität der Identität noch heute diskutiert und von Keupp u.a. unterstützt, indem sie Identität als „selbstreflexives Scharnier zwischen der inneren und der äußeren Welt“ (ebd.) skizzieren. Demnach gehe es bei der Herstellung einer sozialen Verortung des Einzelnen immer darum, „eine Passung zwischen dem subjektiven ,Innen„und dem gesellschaftlichen ,Außen„“ (ebd.) zu erzeugen. Mit anderen Worten werden Identitäten in einem Wechselspiel von bestehenden sozialen Strukturen und sich wandelnder Aneignung gebildet und sollen gleichzeitig das unverwechselbar Individuelle aber auch das sozial Akzeptable sichtbar machen (vgl. Keupp u.a. 2006: 28). „Sie transportieren sowohl Reaktionen auf Vorgegebenes als auch selbstgestaltete Definitionen“ (Liebsch 2002: 71) und beherrschen als Problem „der Gleichheit in der Verschiedenheit“ (vgl. Keupp u.a. 2006: 28) auch die aktuellen Identitätstheorien. Doch obwohl die beiden Seiten der Identität ähnlich denen einer Medaille untrennbar sind, folgen die jeweiligen Forschungsrichtungen verschiedenen Theorietraditionen (vgl. Liebsch 2002: 71).
Ein weiterer Unterschied wird in den Gestaltungsmöglichkeiten sichtbar, welche dem einzelnen Menschen im Prozeß der Identitätsentwicklung zugestanden werden. Dahingehend finden sich große Unterschiede zwischen den klassischen und aktuellen Identitätsperspektiven. Im Identitätsentwurf Eriksons beispielsweise wird Identität mit innerer Einheitlichkeit, Konsistenz und Kontinuität gleich gesetzt (vgl. Liebsch 2002: 70). Erikson stellt die Entstehung einer Ich-Identität, inspiriert von Meads Konzeption des „self“, als einen Prozeß des Ausbalancierens und Angleichens der unterschiedlichen Einflüsse und Erwartungen dar, der darauf abzielt, Identität als das „mit-sich-selbst- identisch-Sein“ hervorzubringen. Eine Veränderung in der Identitätsdebatte wurde dahingehend erkennbar, als Ende der neunziger Jahre Soziologen und Sozialpsychologen die Auswirkungen von Individualisierung, Pluralisierung und Enttraditionalisierung auf die Identität thematisierten. So stellt Helga Bilden fest, daß die gesellschaftliche Pluralität von Lebensformen, Werten und Kulturen auch auf individueller Ebene eine innere Vielfalt und Beweglichkeit erfordert (dies. 1997: 228). Demgemäß „wird Identität in postmodemen Konzepten nicht als etwas Stabiles, Unveränderliches gesehen, wie es etwa der Entwurf von Erikson zeigt, sondern als etwas Dynamisches, Flexibles, Veränderliches“ (Roth 2006: 47), wie Caroline Roth im Rahmen ihrer Recherchen zur Identitätsthematik feststellte. Das Bild von Identität als ,mit-sich-selbst-identisch-Sein„ sowie „der Entwurf einer widerspruchsfreien, vereinheitlichenden und kontrollierten Einzelperson wurde angesichts der veränderten sozialen Bedingungen als nicht mehr aufrechtzuerhalten verworfen“ (Liebsch 2002: 71). Fortan wurden die Gestaltungsmöglichkeiten im Prozeß der Identitätsentwicklung betont und die Variabilität von Identitäten in den Mittelpunkt gerückt (vgl. ebd.). In der Fachliteratur finden sich hierfür Metaphern wie die oftmals zitierte „Patchwork-Identität“ (Keupp 1989), „Bastelmentalität“ (Gross 1985), „Bastelexistenz“ (Hitzler/ Honer 1994), „multiple Selbste“ (Bilden 1997) oder der „flexible Mensch“ (Sennett 1998). Gemeinsam ist diesen Konzepten der Post- bzw. Spätmoderne[13], daß sie davon ausgehen, Identität werde in einem kontinuierlichen selbstreflexiven Prozeß konstruiert - Schmidt und NeumannBraun sprechen vom „doing identity“ (dies. 2003: 270) - und zwar in einem Wechselspiel zwischen Individuum und Gesellschaft. Hinter fast allen dieser Überlegungen steht in ähnlicher Form die Frage, wie Subjekte ihre Kohärenzerfahrung angesichts der Vielfalt lebensweltlicher Selbsterfahrungen und abnehmender gesellschaftlich vorgegebener Modelle organisieren. Des Weiteren stimmen sie in der Annahme überein, daß das Ergebnis nicht länger eine Identität ist, sondern ein aus den verschiedensten Lebenserfahrungen zusammengesetztes Selbstbild (vgl. Liebsch 2002: 71). Die Menschen sind in ihren Identitätskonstruktionen allerdings keineswegs frei, denn „die Auseinandersetzung mit dem Selbst findet innerhalb eines existierenden gesellschaftlichen, politischen, sozialen [...] Kontextes statt, der die Möglichkeiten zum Teil wieder beschränkt“ (Roth 2006: 47). An verschiedenen Stellen werden Ressourcen, unter anderem ökonomische und soziale, als bedeutende Bestandteile dieses Kontextes betont, ohne die ein offenes Identitätsprojekt nicht möglich ist (vgl. Keupp 1989: 69, Hitzler 2003: 50).
Heiner Keupp samt seiner Mitarbeiter heben sich mit ihrem Beitrag von der Masse der Identitätstheorien ab, indem sie sich als interdisziplinär orientierte Sozialpsychologen besonders von den Identitätsdiskursen der Soziologie und Philosophie haben inspirieren lassen[14] (vgl. dies.: 2006: 12). Keupp und sein Team sehen zahlreiche Schnittpunkte ihrer Überlegungen zu Ansätzen aus der Selbstkonzeptforschung, der interaktionistisch sowie der psychoanalytisch ausgerichteten Identitätsforschung und schlußfolgern, daß der Komplexität des Themas Identität ein einseitig orientierter Ansatz nicht mehr gerecht wird (vgl. ebd.). Indem Keupp et al. die Diskursarena Identität ordnen und die Anknüpfungspunkte herausarbeiten, verorten sie darin auch ihren eigenen Standpunkt neu. So wird zunächst die Konjunktur des Identitätsbegriffs mit gegenwartsdiagnostischem Blick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen erklärt (vgl. Keupp 1997b: 30)[15]. Hinsichtlich der unterschiedlichen Bezugseinheiten von Identität (Gruppen, Individuen, Institutionen, Kollektiven) wird der Fokus der eigenen Studien auf die Identitätsarbeit einzelner Heranwachsender betont anstatt auf die ,sozialen Identitäten,, von Jugendlichen oder Erwachsenen, unter Beachtung des Einflusses des sozialen Umfelds (vgl. ebd.: 31). Bei der Positionierungsfrage, ob bei Identität die formale oder die inhaltliche Dimension im Vordergrund steht, bevorzugen Keupp et al. indes die beiden nicht als Alternativen, sondern als sich ergänzende Seiten zu betrachten[16]. Ferner haben sich Keupp et al. im Gegensatz zu vielen anderen Identitätsforschern „nicht von einem normativen Modell gelungener oder mißlungener Identitätsbildung leiten lassen“ (dies.2006: 32). Statt dessen sehen sie die Arbeit an der eigenen Identität als einen offenen unabgeschlossenen Prozeß, der nicht mit dem Erwachsenenalter beendet ist. Nicht zu vernachlässigen sei dabei das Verhältnis zwischen der individuellen Identitätsarbeit und den kommunikativen Bedingungen des sozialen Umfelds, dem sich das Subjekt gegenüber sieht, wozu auch Fragen der Anerkennung und Autonomie zählen. Im Unterschied zu anderen postmodernen Identitätstheorien sehen Keupp u.a. nicht den „Tod des Subjekts“ (dies. 2006: 24)[17], denn dies würde das Ende der Kohärenz bedeuten und demzufolge die Unmöglichkeit, eine zusammenhängende Lebensgeschichte zu erzählen (vgl. ebd.: 58). Infolge seiner Forschungen zu Identität und Gesundheit vertritt Heiner Keupp zusammen mit seinem Team die These, daß Kohärenz für die alltägliche Identitätsarbeit von Menschen eine zentrale Rolle spielt und ihr Fehlen negative gesundheitliche Konsequenzen nach sich zieht (vgl. ebd.: 59). Ihrer Meinung nach wird Kohärenz über Geschichten hergestellt, heutzutage jedoch mehr in Form „individueller Narrationen“. Also entsteht Kohärenz nun über das Erzählen der eigenen Lebensgeschichte, anstatt durch gesellschaftlich vorgegebene traditioneller „Meta-Erzählungen“[18] (ebd.: 58f.).
Dieser Perspektivwechsel hat zur Folge, daß der Blick verstärkt auf die Prozesse alltäglicher Identitätsbildung gelenkt wird, also der Art und Weise wie Subjekte alltäglich ihre Identität aufrechterhalten oder verändern (vgl. Straus/ Höfer 1997: 271f.). Eine große Rolle spielt nach Erachten der Autorin dabei auch die Selbstdarstellung der Subjekte in den neuen Formen postmoderner Medialität, wie z.B. dem Internet. Im Besonderen ist hier das Web 2.0 gemeint, welches für jeden individuell gestaltbare Homepages bereithält, auf denen der Einzelne zeigen kann, wer er ist.
2.2 Auswirkungen gesellschaftlicher Veränderungen auf die alltägliche Identitätsarbeit
Das Problem der Herstellung von Identität liegt an der Nahtstelle zwischen Subjekt und Gesellschaft, so daß gesellschaftliche Veränderungen auch Veränderungen bei der individuellen Identitätskonstruktion nach sich ziehen. Keupp et al. zufolge ist es die sozialwissenschaftliche Perspektive, die aktuelle Befindlichkeiten auf der Subjektebene anhand deren Alltagserfahrungen erklären kann und somit nicht nur verschwindende Erfahrungen, wie die „der Eindeutigkeiten“, „Gewißheiten“ oder „Meta-Erzählungen“ beschreiben sondern auch das Potential neuer Formen der Lebensgestaltung aufzeigen kann (vgl. dies. 2006: 46). Dazu skizzieren Keupp et al. zunächst anhand von zehn ausschlaggebenden Erfahrungskomplexen, wie sich der Alltag der Menschen in den letzten Jahrzehnten verändert hat:
1. Die Subjekte fühlen sich ,entbettet,„ und können sich in ihrer individuellen Lebensführung nicht länger auf einen stabilen kulturellen Rahmen aus verläßlichen Traditionen stützen, was sie zwingt eigene Möglichkeiten und Lösungswege zu suchen. Diese Entwicklung kostet zwar Sicherheit und Klarheit, bringt aber auch neue
Freiheiten mit sich, da die individuelle Lebensführung nun nur noch in geringem Maße sozialer Kontrolle unterliegt. Die beschriebene Selbstbestimmung der Lebensführung wird von Keupp et al. als unentbehrliche Disposition in der gegenwärtigen Phase gesellschaftlicher Modernisierung angeführt (vgl. ebd.: 46f.).
2. Als „Entgrenzung individueller und kollektiver Lebensmuster“ bezeichnen Keupp und sein Team weiterhin die Entwicklung, daß „die Tugend des klugen Arrangements mit den vorgegebenen Normen“ in der heutigen ,multioptionalen Gesellschaft,, ihren Normalitätswert verloren hat. Noch vor einer Generation geteilte Vorstellungen von Erziehung, Sexualität, Gesundheit, Geschlechter- und Generationenbeziehungen haben ihre selbstverständliche Gültigkeit verloren und taugen heute kaum mehr als Schnittmuster für den Lebensentwurf des Einzelnen (vgl. dies. 2006: 47).
3. Die Erwerbsarbeit wird als Basis von Identität brüchig, da sie in immer geringerem Umfang vorhanden ist. Dies ist für die individuelle Entwicklung der Menschen besonders kritisch, da Ansehen, Zukunftssicherheit und persönliche Identität in der heutigen Gesellschaft vor allem über die Teilhabe an Erwerbsarbeit entschieden werden. Obwohl - oder gerade weil - die Erwerbsarbeit immer knapper wird, steigt die ihr beigemessene Bedeutung. Nichtsdestotrotz ist es für die individuelle Sinnstiftung unabwendbar, neue Wege abseits der Erwerbsarbeit zu finden, wofür bereits Beck mit seiner These für eine „mannigfache Tätigkeitsgesellschaft“ (ders. 1999) plädiert hat (vgl. Keupp u.a. 2006: 46f.).
4. Eine ,Multiphrene Situation,, welche durch eine Fragmentierung der Erfahrungen zustande kommt, wird zur Normalerfahrung, da gemäß der Erklärung von Keupp et al. die wachsende Komplexität von Lebenserfahrungen zu einer Fülle von Erlebnis- und Erfahrungsbezügen führt, die sich zu keinem Gesamtbild mehr zusammenfügen lassen.
5. So genannte ,Virtuelle Welten, entstehen als neue Realitäten und vermehren durch die weltweite Vernetzung und die dadurch neu eröffneten computergebundenen Kommunikationswege den Zweifel an der einen Realität. Während sich viele Jugendliche heute souverän in verschiedenen virtuellen Welten, wie den verschiedenen Web 2.0-Angeboten bewegen, können ihre Eltern dies kaum nachvollziehen. Doch dies ist nicht bloß ein Generationenproblem, sondern grenzt auch andere Menschen aus, denn nicht jedem steht die Tür zu den verschiedenen Wirklichkeiten offen[19].
6. Das Zeitgefühl, also die subjektiven Bezüge der Menschen zu ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, erfährt eine ,Gegenwartsschrumpfung„. Den Grund für diese Entwicklung sehen Keupp et al. in einer Innovationsverdichtung, welche die ,Halbwertzeiten„ des aktuell geltenden Wissens fortwährend verringert. Mit anderen Worten veraltet das aktuelle Wissen immer schneller, je mehr Neuerungen auf der Bildfläche erscheinen (vgl. Keupp u.a. 2006: 49f.).
7. Die Pluralisierung von Lebensformen und Milieus bringt eine unfaßbare Menge von Möglichkeiten sein Leben zu gestalten mit sich. Das Leben selbst anzupacken und eine Wahl zwischen den gegebenen Alternativen zu treffen ist unumgänglich, da der Mensch sein Leben nicht mehr dem Schicksal oder überlieferten Verhaltensund Denkmustern überlassen kann, wird ein nicht wählen unmöglich. So wird das Leben des Einzelnen, dem Eindruck von Keupp et al. zufolge, „zu einem Projekt - genauer, zu einer Serie von Projekten - wie seine Weltanschauung und seine Identität“ (dies. 2006: 50). Demzufolge kann und muß sich jeder beispielsweise die familiäre Lebensform und das Milieu suchen, die zu seinem Sein passen (vgl. ebd.: 51).
8. Die Frauenbewegung hat eine dramatische Veränderung der Geschlechterrollen gebracht und einen Bereich gesellschaftlicher Selbstverständlichkeiten zersprengt, der die alltägliche Ordnung der Dinge in besonderer Weise steuerte. Einst klassische Arrangements, wie die Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit, die (häusliche) Arbeitsteilung sowie die Rollenverteilung bei Kindererziehung und Sexualität, werden jetzt in Frage gestellt. Diese Veränderung erweitert zwar den Horizont für die Konstruktion neuartiger, weniger starrer Identitäten, erschwert die Identitätsfindung als Mann bzw. Fraujedoch zusätzlich.
9. Die Individualisierung verändert das Verhältnis vom Einzelnen zur Gesellschaft. Zunehmend beschäftigt vor allem die westlichen Gesellschaften die Frage, was die neu entstehenden gesellschaftlichen Systeme zusammenhält. Da bisherige Strukturen und Mechanismen, gewachsen aus Tradition, Zwang, Kontrolle, und religiösen Bindungen, zunehmend ihre Wirkungskraft verlieren, wird in der Politik bereits von einer Ablösung der Solidargemeinschaft von einer ,Ego-Gesellschaft„ gesprochen. Keupp et al. zufolge werden derartige Mutmaßungen zu „einäugig“ getroffen, denn „Individualisierung ist nicht per se mit der Entwicklung einer Ego-Kultur identisch. Im Gegenteil. Es gibt genug empirische Hinweise auf hohe Solidarpotentiale“ (ebd.: 51f.). Die Lösung des Widerspruchs von Egozentrierung und selbstbestimmten Gemeinschaftserfahrungen sehen Keupp et al. im „Ideal der Authentizität“, das bereits von Herder mit den Worten: „Jeder Mensch hat sein eigenes Maß, also seine eigene Weise des Menschseins“ auf den Punkt gebracht wurde und um so mehr zum Tragen kommt, je weniger der jeweilige kulturelle Rahmen den Menschen vorgibt, „was gut ist“ (ebd.: 52).
10. Der Verlust des Glaubens an traditionelle Instanzen der Sinnvermittlung, wie den Meta-Erzählungen, läßt vermehrt individualisierte Formen der Sinnsuche entstehen. Der Einzelne ist nun Konstrukteur seines eigenen Sinnsystems, meist eher ein „Sinn-Bastler“, der zwar immer noch Materialien der traditionellen Sinninstitutionen nutzt, diesejedoch auch mit anderen neuen „Meta-Erzählungen“ kombiniert.
Diese zehn Umbruchserfahrungen lassen sich zu einer verallgemeinerbaren Grunderfahrung der Subjekte in spätmodernen Gesellschaften bzw. fortgeschrittenen Industrieländern zusammenfassen: In einer „ontologischen Bodenlosigkeit“ (Keupp u.a. 2006: 53), einer radikalen Enttraditionalisierung, dem Verlust von allgemein anerkannten Lebenskonzepten, übernehmbaren Identitätsmustern und normativen Vorgaben erleben sich die Menschen „als Darsteller auf einer gesellschaftlichen Bühne, ohne daß ihnen fertige Drehbücher geliefert würden“ (ebd.). Anzunehmen sei, daß sich neue Formen der Subjektkonstruktion herausbilden und sich „die zunehmende Mobilität, Pluralität, Ambiguität, Offenheit[20] und Fragmentierung gesellschaftlicher Organisation“ (ebd.: 61f.) in den Identitäten widerspiegelt. Diese Grunderfahrung offenbart Keupp et al. zufolgejedoch auch die Ambivalenz der aktuellen Lebensverhältnisse“ (ebd.), da die Aufforderung, sich selbstbewußt zu inszenieren ohne den Zugang zu den erforderlichen materiellen, sozialen und kulturellen Ressourcen „etwas Zynisches“ (ebd.: 53) hat[21]. Aufbauend auf die beschriebenen Bedingungen einer individualisierten Gesellschaft verstehen die Forscher um Keupp Identität als:
„das individuelle Rahmenkonzept einer Person, innerhalb dessen sie ihre Erfahrungen interpretiert und das ihr als Basis für alltägliche Identitätsarbeit dient. In dieser Identitätsarbeit versucht das Subjekt, situativ stimmige Passungen zwischen inneren und äußeren Erfahrungen zu schaffen und unterschiedliche Teilidentitäten zu verknüpfen“ (ebd.: 60).
Im Rahmen des Projekts „Identitätskonstruktionen - Das Patchwork der Identitäten in der Moderne“ strebt Keupp zusammen mit seinem Forschungsteam an, die Funktionsprinzipien dieser Identitätsarbeit zu rekonstruieren (vgl. ebd. 9f.) Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist keine ausformulierte neue Identitätstheorie, sondern der erfahrungsbedingte Zweifel[22], ob Identitätsbildung heute noch treffend mit Theorien erklärbar ist, die in anderen Geschichtsepochen akzeptable Antworten auf die Frage „Wer bin ich?“ geben konnten. Aus diesem Grund nutzen Keupp et al. die Metapher der „PatchworkIdentität“ zur Veranschaulichung ihrer Gedanken (vgl. Keupp u.a. 2006: 9f.)[23]. In diesem Zusammenhang entwickeln sie als Basis ihrer empirischen und theoretischen Identitätsforschung ein Modell alltäglicher Identitätsarbeit, welches darauf abzielt den Identitätsentwicklungsprozeß in seinen zentralen Elementen samt wechselseitiger Bezüge abzubilden und zugleich den gesellschaftlichen Strukturveränderungen Rechnung zu tragen (vgl. ebd.: 60).
Im Anschluß wird das Modell alltäglicher Identitätsarbeit dargestellt, welches von Keupp samt Team in jahrelanger theoretischer sowie empirischer Forschungsarbeit entwickelt wurde. Dazu werden die strukturellen Aspekte des Konzepts der alltäglichen Identitätsarbeit nacheinander im Kapitel 2.3 en detail vorgestellt und erläutert sowie deren Bezug zueinander und zu den Ebenen der Identitätsarbeit aufgezeigt[24].
2.3 Strukturelle Aspekte des Modells alltäglicher Identitätsarbeit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Strukturelle Aspekte des Modells alltäglicher Identitätsarbeit (Keupp u.a. 2006: 218)
Auf allgemeiner Ebene läßt sich das Zusammenspiel der drei zentralen Strukturelemente des Prozesses der alltäglichen Identitätsarbeit derart zusammenfassen, daß situationale Selbstthematisierungen unter bestimmten Perspektiven zu Teilidentitäten integriert werden (vgl. Straus/ Höfer 1997: 284). Welche Rolle den einzelnen Strukturelementen bei diesem - in obiger Abbildung 1 veranschaulichten - Integrationsprozeß zufällt, soll im Anschluß näher erläutert werden. Für das Verständnis der nachfolgenden Ausführungen ist vorweg zunehmen, daß alle Konstruktionen der Identitätsarbeit laut Keupp et al. einem andauernden Veränderungsprozeß unterliegen, weshalb sie auch nur mehr oder weniger stabil sind (vgl. dies. 2006: 217f.). So können sich Teilidentitäten einerseits substantiell verändern[25], andererseits können neue Teilidentitäten hinzukommen[26] und andere sich auflösen (vgl.ebd.).
2.3.1 Situative Selbstthematisierungen
Die Identitätsforscher um Keupp gehen davon aus, daß Identität nichts ist, was nur hin und wieder gebildet wird - beispielsweise wenn das Subjekt von sich selbst oder anderen mit der Frage konfrontiert wird: „Wer bin ich?“ bzw. „Wer bist du?“. Vielmehr ist sie das, woran die Menschen permanent arbeiten, indem sie handeln. Jede empirische Untersuchung der Konstruktionsarbeit von Identität muß demgemäß, so schlußfolgern Keupp et al., die lebensweltliche Erfahrungsvielfalt jedes einzelnen Menschen berücksichtigen. Deshalb zielt das Modell der alltäglichen Identitätsarbeit unter anderem darauf ab, die Heterogenität der Selbsterfahrungen abzubilden (vgl. Keupp u.a. 2006: 107f.).
Die Basis der Identitätsarbeit bilden situative bzw. situationale Selbstthematisierungen, die das Denken und Handeln fortwährend begleiten (vgl. Straus/ Höfer 1997: 273). Damit sind die vielen kleinen ich-bezogenen Wahrnehmungen gemeint, die von jedem über den Tag hinweg erfahren werden, das heißt alltägliche, spontane sowie kurzfristige Selbstreflexionen, die kognitiv, emotional, sozial oder produktorientiert sein können (vgl. Keupp u.a. 2006: 100). Bei diesen Überlegungen stützen sich Keupp et al. auf ein von K. Ottomeyer 1987 entworfenes Modell, welches den Prozeß der situativen Selbstthematisierungen mit den dabei in einer Person zusammenwirkenden Faktoren erklärt (vgl. Straus/ Höfer 1997: 273). Jede situationale Selbstthematisierung besteht demzufolge aus einer komplexen Wahrnehmung bzw. Erinnerung von vier unterschiedlichen Erfahrungsmodi auf kognitiver, emotionaler, sozialer und produktorientierter Ebene. Zusätzlich haben Keupp et al. dieses Modell später noch um einen weiteren Erfahrungsmodus[27], den körperlichen Eindruck, ergänzt und gehen folglich davon aus, daß in jeder Erfahrungssituation fünf Modi der Selbstwahrnehmung zusammenwirken (vgl. Keupp u.a. 2006: 192). Am Beispiel einer Bewerbungssituation veranschaulicht, beschreiben sie eine situationale Selbstthematisierung geprägt durch:
- einen emotionalen Eindruck (wie der Bewerber sich gefühlt hat, beispielsweise ob er mehr oder weniger gestreßt war oder ob er sich mehr oder weniger freundlich empfangen gefühlt hat);
- einen körperlichen Eindruck (ob die Knie beim Bewerbungsgespräch gezittert haben oder das Herz „bis zum Hals“ geklopft hat);
- einen sozialen Eindruck (was verbal/ nonverbal als Rückmeldung zum eigenen Verhalten, zur eigenen Person wahrgenommen wurde, zum Beispiel skeptische Blicke oder wohlwollendes Nicken);
- einen kognitiven Eindruck (welches Bild der Bewerber von sich selbst in der Bewerbungssituation hatte, ob er beispielsweise die eigenen Leistungserwartungen erfüllen konnte) und
- einen produktorientierten Eindruck (was geleistet wurde, welche Aufgaben gelöst werden konnten und ob der Bewerber das Bild eines kreativen, leistungsfähigen Menschen abgeben konnte).
Jede Handlung wird demnach unentwegt unter kognitiven, emotionalen, körperbezogenen, produktorientierten und sozialen Aspekten reflektiert, wobei sich diese Erfahrungsmodi gegenseitig beeinflussen. Wie ich mich in einer Situation fühle ist beispielsweise auch davon abhängig, wie ich denke, daß die anderen mich in dieser Situation einschätzen und wertschätzen (vgl. Keupp u.a. 2006: 192.). Entsprechend der These von Keupp et al. vollzieht jeder permanent solche Identitätsakte, so daß in allen Handlungssituationen die Frage mitschwingt: „Wer bin ich? Wer war ich in dieser Situation?“, auch wenn dies nicht immer explizit werden muß. Jeder Mensch speichert im Laufe seines Lebens unzählige solcher Selbstwahrnehmungen entlang der beschriebenen Erfahrungsmodi (vgl. Straus/ Höfer 1997: 274). Obwohl normalerweise alle Erfahrungsmodi als Gesamteindruck eine Rolle spielen, werden bestimmte Erfahrungen durch die erhöhte Intensität einer Modalität in den Vordergrund gerückt und dementsprechend später zuerst erinnert. Dabei kommt, Keupp et al. zufolge, gerade dem emotionalen Eindruck meist eine herausragende Bedeutung zu (vgl. dies. 2006: 192f.).
Gemäß den Überlegungen der Identitätsforscher um Keupp, verbleiben die Menschen in ihrer Selbstreflexion nicht auf der situationalen Ebene, sondern bündeln diese vielfältige Flut erfahrener situativer Selbstthematisierungen für sich unter bestimmten Identitätsperspektiven[28] zu:
- Teilidentitäten (entstehen auf dem Weg der Reflexion und Integration situationaler Selbsterfahrungen),
- einem Identitätsgefühl (entsteht durch die Verdichtung biographischer Erfahrungen und Bewertungen der eigenen Person bei zunehmender Generalisierung der Selbstthematisierungen und Teilidentitäten),
- biographischen Kernnarrationen (entstehen als narrative Verdichtung der Selbstdarstellung auf Grundlage des dem Individuum bewußten Teils des Identitätsgefühls) und
- der Handlungsfähigkeit (die als Funktionalitätsaspekt der Identitätsarbeit den Zielpunkt der drei obigen Identitätskonstruktionen darstellt) (vgl. Keupp u.a. 2006: 217).
Nachfolgend werden diese Identitätskonstruktionen im Einzelnen erläutert.
2.3.2.1 Teilidentitäten
Aus einer Integration der selbstbezogenen situationalen Erfahrungen ergibt sich für das Individuum ein Bild von sich selbst, eine Teilidentität. Diese dient laut Keupp et al. als übersituativer Rahmen, in dem die vielen Facetten des individuellen Handelns einer Person zusammenfügt werden (vgl. ebd.: 218).
Nach Ansicht der Identitätsforscher um Keupp entwickelt der Mensch seine Teilidentitäten unter dem Einfluß verschiedener Identitätsperspektiven (vgl. Keupp u.a. 2006: 222). Dabei verhalten sich die Perspektiven und die Teilidentitäten zueinander wie Form und Inhalt (vgl. Straus/ Höfer 1997: 281). Bereits die situationalen Selbstthematisierungen lassen sich jeweils mehreren Perspektiven zuordnen: Eine bestimmte Erfahrung kann, um nur einige Beispiele zu nennen, sowohl aus der Perspektive „ich als Student“ als auch aus den Perspektiven „ich als Frau“, „ich als Europäer“ oder „ich als Autofahrer“ herangezogen werden (vgl. ebd.: 277f.). Die von der Gesellschaft und dem sozialen Netzwerk des Individuums geprägten Identitätsperspektiven bilden quasi das Suchraster bzw. den Konstruktionsrahmen für die Integration der situationalen Selbstthematisierungen zu Teilidentitäten (vgl. Keupp u.a. 2006: 222). Die
Perspektivenbildung ist demnach ein stark soziokulturell überformter Prozeß, wobei die Wahl und Schneidung der Perspektiven besonders abhängig ist
- vom historisch bedingten Differenzierungsgrad der Lebenswelt(en). Dazu läßt sich vereinfachend sagen, daß die Lebenswelt der meisten Menschen heute dreigeteilt ist, in die größtenteils eigenständigen Bereiche Arbeit, Freizeit und Familie. Daraus ergeben sich zumeist eigene Identitätsperspektiven.
- von derjeweiligen Lebensphase bzw. vom Verlauf der Biographie. So gibt es für bestimmte Lebensphasen jeweils typische Rollen und Institutionen, wie beispielsweise der Schüler, der Student, die Mutter oder der Rentner. Auch diese Rollen gestalten zumeist eigene Perspektiven.
- vom Anmutungscharakter der sozialen, gesellschaftlichen Umgebung, denn Freunde, die lokale Umgebung/ Region wie auch die Medien vermitteln dem Individuum fortwährend Aktivitäten und Optionsräume, die wiederum mit bestimmten Identitätsperspektiven assoziiert werden können.
Und schließlich
- hängt von der subjektiven Entscheidung ab, welche dieser von außen nahegelegten Perspektiven das Subjekt letztendlich zuläßt bzw. unter welchen Perspektiven sich das Subjekt bewerten will (vgl. ebd.: 222f.).
Keupp und sein Team thematisieren innerhalb eines Exkurses in die sozialhistorische Identitätsanalyse die Fragestellungen, welche Perspektiven es sind, die den Menschen von der Gesellschaft vordergründig in Form von Handlungsaufgaben[29] angeboten werden und welche Freiheitsgrade der Einzelne im Umgang mit diesen Perspektiven hat (vgl. Keupp u.a. 2006: 223). Sie kommen dabei zu dem Schluß, daß in einer geschichtlichen Phase wie der heutigen, in welcher den Traditionen und deren sozialen Trägern nur noch geringe Integrationsmacht zukommt, die Individuen über mehr Entscheidungsfreiheit verfügen (vgl. ebd.). Als Kehrseite dieses Individualisierungsprozesses werden von den Menschen unentwegt Entscheidungen darüber eingefordert, welche Perspektiven übernommen und wie sie ausgestaltet werden (vgl. Straus/ Höfer 1997: 279). Nicht zuletzt ist es auch eine Frage der Ressourcen[30], in welchem Ausmaß solche Optionsräume zur Verfügung stehen und mit welchen Chancen oder Risiken sie genutzt werden können (vgl. Straus/ Höfer 1997: 278). Die bisherigen Ausführungen könnten den Schluß nahelegen, daß solche Identitätsperspektiven stets explizit und neu formuliert werden, was jedoch nicht der Fall ist, da sie ganz im Gegenteil meist permanent und unbewußt entstehen (vgl. ebd.: 277).
Immer wenn sich der Mensch selbst zum Gegenstand zukunftsbezogener Reflexionen macht, entwirft er optionale Selbste bzw. Identitätsentwürfe, die er anschließend zu Identitätsprojekten konkretisiert und diese in seiner alltäglichen Lebensführung umsetzt[31] (vgl. Keupp u.a. 2006: 194). Identitätsentwürfe verbleiben zum Teil im Bereich des Imaginären und erscheinen oft relativ realitätsfern, utopisch oder überzogen. Nichtsdestotrotz sind es aber gerade diese Vorstellungen bzw. Träume, welche die Entwicklung von konkreten Identitätsprojekten in der unmittelbaren Zukunft antreiben. Von den Identitätsentwürfen, die Individuen in ihren jeweiligen Teilidentitäten mit sich führen, verfestigen sich einige zu konkreten Identitätsprojekten. Ein Identitätsprojekt ist weder Utopie noch bloßes Lusthaben, sondern unterscheidet sich von Identitätsentwürfen durch den „inneren Beschlußcharakter“ (ebd.). Es setzt allerdings voraus, daß ein Reflexionsprozeß hinsichtlich der vorhandenen Ressourcen stattgefünden hat.
Wie Keupp et al. schließlich die Entstehung von Teilidentitäten beschreiben, zeigt eine Veranschaulichung am Beispiel der beruflichen Teilidentität. So führt die Verdichtung der selbstbezogenen situativen Erfahrungen unter der Perspektive einer der zentralen
Handlungsaufgaben, beispielweise dem Erwerb einer beruflichen Identität, zu Typisierungen der eigenen Person, wie in dem Fall als „Berufstätiger“ (vgl. Keupp u.a. 2006: 219). Derartige Typisierungen und Teilidentitäten bestehen aus einem „Mosaik an Erfahrungsbausteinen“, die teils zukunftsorientiert sind (Identitätsentwürfe und -projekte) teils aber auch auf die Vergangenheit verweisen (realisierte oder gescheiterte Identitätsprojekte sowie aufgegebene Identitätsentwürfe).
Obendrein wird eine Teilidentität durch bestimmte Standards geprägt, die zumindest für eine bestimmte Lebensphase Gültigkeit beanspruchen. Keupp et al. greifen damit eine These von Peter J. Burke (1991) auf, der zufolge Identitätsstandards als ein Set angewandter Bedeutungen begriffen werden, die Personen als Definitionen dessen entwickeln, was sie glauben zu sein. Auch diese Standards, die einen Bezugsrahmen für das Individuum bilden, folgen den bereits angesprochenen fünf zentralen Erfahrungsmodi des Selbst. Demnach ist die berufliche Identität, um bei dem bekannten Beispiel zu bleiben, geprägt durch:
- kognitive Standards (wo die eigenen beruflichen Stärken und Schwächen liegenX
- soziale Standards (die wahrgenommenen Fremdeinschätzungen der eigenen beruflichen Fähigkeiten und Kompetenzen),
- emotionale Standards (wo der Einzelne sich auf Basis des entwickelten Selbstwertgefühls sicher fühlt und Vertrauen in das eigene berufliche Handeln hat),
- körperorientierte Standards (selbst erfahrene körperliche Fähigkeiten hinsichtlich des berufliches Handelns) und
- produktorientierte Standards (was der Einzelne durch seine berufliche Tätigkeit glaubt, bewirken oder herstellen zu können) (vgl. Keupp u.a. 2006: 219).
Diese eigenständige Hervorhebung der fünf Erfahrungsmodi als Identitätsstandards halten Keupp et al. für bedeutsam, weil an der Stelle ein eher klassisches Identitätsverständnis mißverständlicher Weise suggerieren könnte, daß es sich bei der Konstruktion von Teilidentitäten um einen Vorgang handelt, bei dem alle Erfahrungen zu einem kohärenten und konsistenten Ganzen zusammengefügt werden. So hingegen „ist offensichtlich, daß innerhalb einer Teilidentität durchaus Ambivalenzen möglich sind“ (ebd.). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die wahrgenommene Außenein22
Schätzung (sozialer Standard) deutlich besser auslällt als die Wahrnehmung des eigenen Selbstwertgefühls (emotionaler Standard). Aus den bisherigen Überlegungen schlußfolgern die Identitätsforscher um Keupp, daß es keine logische Festlegung oder Begrenzung der Teilidentitäten einer Person gibt (vgl. ebd.: 224). Demnach können einige Menschen fur sich eigene Teilidentitäten wie beispielsweise „Sportler“ oder „Musiker“ entwickeln, während andere zwar sport- oder musikbezogene Aspekte in ihren Teilidentitäten aufweisen, aber diese nicht zu ausdifferenzierten eigenständigen Teilidentitäten ausgebaut haben. Folglich kann ein Mensch viele inhaltlich unterschiedliche Teilidentitäten haben. In diesem Sinne sei, Keupp et al. zufolge, auch die Aussage zu verstehen, „daß Individuen über multiple Identitäten verfugen, die aber nicht zujeder Zeit und injeder Situation aktiviert werden“ (Keupp u.a. 2006: 224).
Diese Teilidentitäten stehen, so die Identitätsforscher, nicht einfach nebeneinander, sondern verhalten sich in Über- und Unterordnungen zueinander. Wenn sich dabei einige Teilidentitäten für wenigstens eine bestimmte Phase hinsichtlich ihres Status im Vergleich zu den anderen hervorheben, sprechen Keupp und seine Mitarbeiter von dominierenden Teilidentitäten (vgl. ebd.). Eine Teilidentität erlangt diese Dominanz aus zweierlei Gründen: zum einen sind sie gegenwärtig besser organisiert, weswegen sie den Menschen als dominierende Teilidentität ein Mehr an Sicherheit im Hinblick auf Anerkennung, Selbstachtung, Autonomie und Originalität vermitteln. Zum Zweiten beanspruchen sie in der jeweiligen Lebensphase einfach eine herausragende Bedeutsamkeit, welche Teilidentität momentan eine höhere Relevanz hat, kann sich folglich im Laufe eines Lebens mehrmals ändern.
Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, ordnen Keupp und sein Forscherteam die dominierenden Teilidentitäten bereits der Ebene der Metaidentität zu. So wie sie Teilidentitäten bestimmten lebensweltlichen Erfahrungsbereichen, dementsprechenden sozialen Rollen aber auch Selbsterfahrungsbereichen zuordnen, sprechen sie bei einer lebensweltübergreifenden Identität von einer „Metaidentität“ (vgl. Keupp u.a. 2006: 100).
Auf der Ebene der Metaidentität[32] unterscheiden Keupp et al. in ihrem Modell die dominierenden Teilidentitäten, biographischen Kernnarrationen sowie das Identitätsgefühl (siehe Abb. 1). Nachdem die dominierenden Teilidentitäten bereits erläutert wurden, wird im Anschluß näher auf das Identitätsgefühl und die biographischen Kernnarrationen eingegangen.
2.3.2.2 Identitätsgefühl
Während die Teilidentitätenjeweils einen gewissen Ausschnitt einer Person offenbaren, wird das Identitätsgefühl durch die Verdichtung sämtlicher biographischer Erfahrungen und Bewertungen der eigenen Person bei gleichzeitig zunehmender Generalisierung der Selbstthematisierung und der Teilidentitäten gebildet (vgl. ebd.: 217). Die Annahme eines derartig „generalisierten Selbsterfahrungsrahmens“ (ebd.) beruht auf der These, daß Individuen bestimmte Gesichtspunkte situationaler Selbsterfahrungen nicht allein im Rahmen einer Teilidentität verarbeiten, sondern sie in ihrem Kerngehalt obendrein als Identitätsgefühl abspeichern. Entsprechend der Auffassung von Keupp et al. „enthält das Identitätsgefühl sowohl Bewertungen über die Qualität und Art der Beziehung zu sich selbst (Selbstgefühl) als auch Bewertungen darüber, wie eine Person die Anforderungen des Alltags bewältigen kann (Kohärenzgefühl)“ (ebd.: 226).
Die Selbstgefühle sind ein Ausdruck für die Art bzw. Nähe oder Distanz der Selbstbeurteilung der Individuen entlang der von ihnen gesetzten Referenzpunkte (Standards), welches auch wünschenswerte Erfahrungen (Identitätsziele) sein können. Je nachdem inwieweit es dem Einzelnen gelungen ist, diese Standards zu erfüllen, wird dies als positive oder negative Selbsteinschätzung auf der emotionalen Ebene abgespeichert. Demzufolge entstehen positive oder negative Selbstgefühle durch die Beurteilung, inwieweit sich die Person von den gewünschten Zuständen bzw. Identitätszielen entfernt sieht und inwieweit „das subjektive Bedürfnis beispielsweise nach Anerkennung und Autonomie durch die jeweilige Identitätsarbeit erfüllt worden ist“ (Keupp u.a. 2006: 226f.). Je stärker es gelingt, den individuellen Identitätsbedürfnissen nachzukommen, desto eher entwickelt der Einzelne einen positiven Bezug zu sich selbst.
Der Mensch gewinnt des Weiteren ein Gefühl dafür, das Alltagsleben zu bewältigen, indem er Einschätzungen über die Sinnhaftigkeit seiner Projekte erlangt oder darüber, inwieweit es ihm gelingt, Entwürfe für Projekte zu konkretisieren und diese zu realisieren. Obendrein entwickelt dabei jeder aus dem Verständnis heraus, was mit ihm passiert, also inwieweit er seine Identität selbst gestaltet und welchen Einfluß äußere Prozesse haben das, was Keupp et al. als Kohärenzgefühl bezeichnen (vgl. ebd.: 227). Die Identitätsforscher um Keupp greifen hierbei auf ein Konzept des Soziologen Anton Antonovsky zurück, welches dieser im Rahmen seiner Überlegungen zur Salutogenese[33] in den 70er Jahren formuliert hat. In diesem Zusammenhang sieht Antonovsky den „sense of coherence“ (Kohärenzsinn) als Kern der Frage, wie Gesundheit entsteht und weist den Gefühlen der Sinnhaftigkeit, Machbarkeit und Verstehbarkeit eine Schlüsselstellung bei der Bewältigung schwieriger Lebenssituationen zu (Straus/ Höfer 1997: 301). Von Keupp et al. in die Identitätstheorie übersetzt, verdichtet und bewertet das Individuum seine Selbsterfahrungen zu
- einem Gefühl von Sinnhaftigkeit, insbesondere, wenn es gelingt, Identitätsziele in Entwürfe und Projekte zu transformieren, die geeignet sind, Erfahrungen von positiver bzw. authentischer Selbstwertschätzung zu vermitteln;
- einem Gefühl von Machbarkeit, vor allem wenn es ermöglicht wird, Entwürfe zu Projekten und weiter zu deren Realisierung zu bringen; und
- einem Gefühl von Verstehbarkeit, besonders wenn der „Prozeß der Zielübersetzung in Entwürfe, Projekte und realisierte Prozesse“ (Keupp u.a. 2006: 227) als ein Prozeß reflektiert wird, der zwar Außeneinflüssen unterliegt aber dennoch selbstbestimmt ist.
Mit dem positiven Selbstgefühl und einem hochentwickelten „sense of coherence“ stehen dem Individuum zwei zentrale Konstruktionen zur Verfügung, die es ermöglichen unter den aktuell bestehenden „gesellschaftlichen Bedingungen mit zum Teil stark divergierenden Teilidentitäten (gut) leben zu können, das heißt mit den gesellschaftlichen wie individuellen Ambivalenzen und Unübersichtlichkeiten souverän umgehen zu können“ (Straus/ Höfer 1997: 301). Keupp et al. gehen in ihrem Modellverständnis davon aus, „daß beide Verdichtungsprozesse zum Selbst- und zum Kohärenzgefühl nicht als einfacher Generalisierungsvorgang vonstatten gehen, sondern entlang zentraler Identitätsziele erfolgen“ (Keupp u.a. 2006: 227). Dieses Konzept gestattet, über das Identitätsgefühl bedeutende Aspekte der identitätsbezogenen Handlungsmotivation, wie Identitätsanpassungen und -Veränderungen, erklären zu können. Dieses theoretisch schlüssige Konzept wird allerdings in der empirischen Praxis auf das Problem stoßen, daß das Identitätsgefühl den Leuten weit weniger in Form expliziter Inhalte als vielmehr als Grundgefühl präsent ist, vermuten Keupp et al. (vgl. dies. 2006: 228).
2.3.2.3 Biographische Kernnarrationen
Mit den Teilidentitäten und insbesondere dem Identitätsgefühl wurden bereits Identitätskonstruktionen beschrieben, die sehr komplex und den Individuen nur teilweise bewußt sind, demzufolge können sie anderen auch immer nur ausschnittweise erzählt werden. Im Unterschied dazu ermöglichen die biographischen Kernnarrationen dem Einzelnen sowohl, seine Geschichte(n) für sich selbst zu bündeln als auch diese anderen mitzuteilen (vgl. Keupp u.a. 2006: 234). Dies kann in Form „kürzelhafter“, prägnanter Selbstdeutungen, also in wenigen Worten geschehen genauso wie in umfassenden, wortreichen Selbsterzählungen (vgl. Keupp u.a. 2006: 232). So entstehen unterschiedlichste narrative Verdichtungen der Selbstdarstellung aus den Teilen des Identitätsgefühls, die dem Individuum bewußt geworden sind (vgl. ebd.: 217). Während im Identitätsgefühl das Vertrauen zu sich selbst Ausdruck findet, verkörpern die biographischen Kernnarrationen die Ideologie von sich selbst, „den Versuch, sich und seinem Leben einen - anderen mittteilbaren - Sinn zu geben“ (ebd.: 229). Mit den biographischen Kernnarrationen „erklärt sich das Subjekt selbst, welche Lesart seiner Identitätsentwicklung[34] die derzeit dominierende ist“(ebd.: 232). Dementsprechend spiegeln sie in der Regel auch die derzeit dominierenden Teilidentitäten wieder. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Bereichen, können sich diese auch völlig „asynchron“ entwickeln (vgl. ebd.: 234). Hier wird deutlich, daß auch Kernnarrationen keine unveränderlichen Ergebnisse von Identitätsarbeit sind, sondern vom Einzelnen immer wieder hinsichtlich ihrer Gültigkeit überprüft werden müssen. Die biographischen Kernnarrationen stehen bisweilen in einem Spannungsverhältnis zueinander, beispielsweise aus Gründen der „Ambivalenz und Uneindeutigkeit“ (ebd.: 233), was ferner den Entwurf neuer Identitätsprojekte nach sich ziehen und neue Räume für die persönliche Entwicklung öffnen kann (vgl. ebd.: 234).
2.3.3 Handlungsfähigkeit
Bei der Beschäftigung mit den Fragen „Wer bin ich?“, „Wer will ich sein?“ und „Wer will ich werden?“ produziert das Individuum neben Werten, Zielen und Vorstellungen von sich selbst auch „Vorstellungen (Selbst-Theorien) über das eigene Funktionieren und über die Anpassung, Gestaltbarkeit bzw. die Bewältigung des eigenen Alltagslebens“ (Keupp u.a. 2006: 235). Das dabei entstehende Gefühl und Wissen bezeichnen Keupp et al. als subjektive Handlungsfähigkeit.
Alle drei bisher erläuterten Identitätskonstruktionen zeichnen sich durch eine phasenweise Stabilität aus und beeinflussen sich gegenseitig. Die Teilidentitäten, das Identitätsgefühl und die biographischen Kernnarrationen schaffen zusammen die Basis für das Gefühl der Handlungsfähigkeit. Umgekehrt stellt die Handlungsfähigkeit als Funktionalitätsaspekt der Identitätsarbeit zudem das Endziel der drei obigen Identitätskonstruktionen dar (vgl. Keupp u.a. 2006: 217, 242). Die Handlungsfähigkeit ist also ein Ausdruck der Selbsteinschätzung eines Menschen, wie souverän er sich fühlt, seine Lebensbedingungen selbst zu gestalten. Im Vordergrund steht hierbei zum einen die individuelle Fähigkeit, gesellschaftlich fundierte Verhaltensanforderungen zu erkennen und zu gebrauchen, zum anderen die eigenen Ziele im gegenwärtigen wie auch zukünftigen Handeln zu repräsentieren und nicht zuletzt die Fähigkeit, diese Ziele zu realisieren (vgl. ebd.: 234).
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist herauszufinden, wie das Praktizieren einer speziellen Art der Photographie, der Lomographie, für die eigene alltägliche Identitätsarbeit genutzt wird. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Ergebnissen, den Konstruktionen der alltäglichen Identitätsarbeit. Es sollen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der lomographisch gefärbten Identitätskonstruktionen, welche die Befragten entwickelt haben, herausgearbeitet werden.
Zum Verständnis des Konzepts der alltäglichen Identitätsarbeit von Keupp et al. ist es wichtig, beide Seiten der Identitätsarbeit, die strukturelle wie auch die prozessuale, zu beachten. Der Prozeß der alltäglichen Identitätsarbeit wird bei der Untersuchungsauswertung jedoch nur angerissen, da dieser Gesichtspunkt für sich genommen schon Raum für eine eigene Untersuchung beansprucht und dies den Rahmen der vorliegenden Diplomarbeit weit überschreiten würde[35].
Heiner Keupp und sein Team unterscheiden außerdem zwischen einer Außen- und einer Innenseite bei dieser „Arbeit des Alltags“ (ders. 1998: 8). Die Außenseite bilde das Management alltäglicher Lebensarrangements, die eher ein Thema der Soziologie ist (vgl. ebd.). Die Sozialpsychologie konzentriert sich dagegen eher auf die individuelle Passungsarbeit, die durch die spezifischen Formen der Lebensführung in der postmodernen Gesellschaft bedingt ist und eine dauerhafte Arbeit am eigenen Identitätsprojekt nach sich zieht. Eine seiner Schüler, Luise Behringer, hat in einem soziologischen Projekt zur alltäglichen Lebensführung mitgewirkt und mit ihrem daraus hervorgegangenen Buch „einen faszinierenden Brückenschlag zwischen Psychologie und Soziologie“ (Keupp 1998: 8) vorgelegt. Keupp et al. zufolge verweisen das Konzept der alltäglichen Lebensführung und das der alltäglichen Identitätsarbeit aufeinander und „sind wissenschaftlich nur künstlich zu entkoppeln“ (ders. 1998: ebd.). Er schlußfolgert, daß die alltägliche Lebensführung für Luise Behringer gleichermaßen eine Basis und ein Medium für die Bildung von Identität darstellt. Für die sinnstiftende Innenregulierung der Identitätsarbeit liefert die Lebensführung anhand alltagspraktischer Herstellungsprozesse lebbare Muster. Zugleich kann die Lebensführung als Vergegenständlichung von Identität begriffen werden, so Keupp (vgl. ebd.: 9). Behringers zentrale These besagt dazu, daß alltägliche Lebensführung und Identität unter Bedingungen von Offenheit von den Personen in besonderem Maße individuell hergestellt werden müssen. Mit Offenheit werden von Behringer Arbeits- und Lebensbedingungen etikettiert, bei denen eine Vielzahl von Optionen und Möglichkeiten an die Stelle fester und verbindlicher externer Vorgaben und Rahmenbedingungen getreten sind, zusammen mit einer biographischen Perspektive, die keinen geradlinigen Weg vorzeichnet (dies. 1998: 15).
2.4 Zusammenfassung des Modells alltäglicher Identitätsarbeit
Aus den bisherigen Darstellungen des Konzepts der alltäglichen Identitätsarbeit läßt sich zusammenfassend festhalten, daß Identität als Passungsprozeß verstanden wird, bei dem vergangene, gegenwärtige und zukunftsbezogene Selbsterfahrungen unter verschiedenen Identitätsperspektiven reflektiert und zu Teilidentitäten zusammengefaßt werden (vgl. Keupp u.a. 2006: 207). Identität ist Keupp et al. zufolge nichts, was der Mensch von Geburt an besitzt, was die Gene oder der soziale Status vorschreiben, sondern Identität wird von jedem Einzelnen in einem lebenslangen Prozeß entwickelt. Die Identitätsforscher sehen Identität als fortschreitenden Prozeß der eigenen Lebensgestaltung, der sich in jeder alltäglichen Handlung neu konstruiert, weshalb von alltäglicher Identitätsarbeit gesprochen werden kann (vgl. ebd.: 215, Behringer 1998: 49). Außerdem funktioniert der Prozeß der alltäglichen Identitätsarbeit nur unter Einbeziehung unterschiedlicher Sorten von Ressourcen, die identitätsbezogen verarbeitet werden. Nicht zu vergessen ist, daß der gesamte Identitätsprozeß durch Ambivalenzen, Spannungen und Widersprüche gekennzeichnet ist. Bei der Identitätsarbeit im Sinne der Identitätsforscher um Keupp geht es jedoch nicht darum, diese Differenzen zu harmonisieren, sondern sie vielmehr in ein für das Individuum lebbares Verhältnis zu bringen (vgl. Keupp u.a. 2006: 207). Ferner wird Identitätsarbeit von Keupp et al. als Narrationsarbeit begriffen, da die verschiedenen Schritte der Identitätsentwicklung vom Subjekt aus mittels Selbstnarrationen verarbeitet werden. Für die Selbstnarrationen im Einzelnen, genauso wie für die gesamte Selbstdarstellung der Subjekte sind heute die neuen Formen der technischen Medialität von herausragender Bedeutung. Die Selbstdarstellung im Internet, beispielsweise auf Web 2.0-Seiten wie MySpace, stellt eine wichtige Sphäre moderner Identitätsarbeit dar.
[...]
[1] Zugunsten des Datenschutzes werden die anderen Teilnehmer dieser Studie nicht bei ihrem Namen genannt und im Folgenden anonymisiert.
[2] 1986 [1580], S.58
[3] Zugunsten einer besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit auf eine doppelte Ausweisung männlicher und weiblicher Formulierungen im Bezug auf allgemeine Aussagen weitgehend verzichtet und statt dessen das generische Maskulinum verwendet. Männliche Bezeichnungen des Lomographen, des Interviewpartners etc. beziehen sich demzufolge ausdrücklich auch auf Lomographinnen, Interviewpartnerinnen etc.
[4] Dies ist ein Ausdruck von Siegfried Giedion (1987 [1948]).
[5] Als analoge Photographie wird eine bildgebende Methode bezeichnet, bei der mit Hilfe von optischen Verfahren ein Lichtbild auf ein lichtempfindliches Medium projiziert und dort direkt und dauerhaft gespeichert wird (vgl. Wikipedia, Photographie, 02.07.10 (WWW)).
[6] wie Keupp et al. sie darstellen
[7] Der Prozeß der alltäglichen Identitätsarbeit und seine Bedingungen werden in einem gesonderten Kapitel der Arbeit angehängt, da sie zwar für das Verständnis des Konzepts von Keupp et al. wichtig sind aber nicht im Fokus der Untersuchung stehen.
[8] vgl. Keupp u.a. 2006
[9] Hierzu ist anzumerken, daß diese Diplomarbeit lediglich einen punktuellen Eindruck von den Produkten der Identitätskonstruktion der Untersuchungsgruppe geben kann.
[10] vgl. Keupp u.a. 2006
[11] Vor allem die Psychologie, Philosophie, Soziologie, Erziehungswissenschaft und die Ethnologie haben sich ausführlich mit der Identitätsthematik beschäftigt, wobei sie sich jedoch aus forschungsmethodischen Gründen meist auf ihre fachspezifische Perspektive konzentrieren und kaum über den Tellerrand blicken. Durch die so entstandenen unterschiedlichen Identitätsauffassungen und Terminologien konnte eine fächerübergreifende, interdisziplinäre Identitätsdiskussion bis heute kaum zustande kommen (Jörissen 2000: 10).
[12] Einen guten Überblick über klassische und aktuelle Identitätsperspektiven geben für die Soziologie in ausführlicher Form Abels 2006, in Kürze Liebsch 2002 und in Form eines interdisziplinär orientierten Ordnungsversuches der Identitätsdebatte Keupp 1997b.
[13] Einen interessanten Beitrag zum Thema Identitäten in der Moderne und Postmoderne leistet Hettlage 2000.
[14] Ein Grund war wohl auch, daß er dazu kaum aus den Quellen seines Faches, der Psychologie, schöpfen konnte.
[15] Die angesprochenen Ausführungen dazu finden sich in diesem Kapitel im Abschnitt 2.2.
[16] Keupp et al. wenden sich damit gegen vorschnelle strukturtheoretische Annahmen, wie sie beispielsweise hinsichtlich Kategorien wie Konsistenz, Kontinuität und Kohärenz anfallen (vgl. dies.2006: 32).
[17] Exemplarisch wurde dies unter anderem durch Sennett am „flexiblen Menschen“ skizziert, der ein nur noch aus Fragmenten immer neuer Erfahrungen bestehendes nachgiebiges Ich darstellt, welches sich in einem Zustand endlosen Werdens und derNichtvollendung befindet (Keupp u.a. 2006: 58).
[18] Den Begriff der „Meta-Erzählungen“ verwenden Keupp et al. für die in einer Gesellschaft geltenden „dominierenden Werte und Normen“ (Keupp u.a. 2006: 275).
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[19] Selbst wenn heute jedem der Zugang zum World Wide Web offen steht, wie z.B. in Bibliotheken oder Schulen, hängt es noch von weiteren Faktoren, wie dem Bildungsstand ab, inwieweit dies genutzt werden kann.
[20] Den Begriff der Offenheit benutzt auch Luise Behringer, eine Schülerin Keupps, um einerseits den Gewinn an Möglichkeitsräumen und Optionen und andererseits den Verlust von Vorgaben, Grenzen und Sicherheiten in der individualisierten Gesellschaft zu charakterisieren. Der Begriff der Offenheit spielt eine zentrale Rolle in Behringers Forschung zu Lebensführung als Identitätsarbeit, worin es ebenso um die Verarbeitung von Modernisierungsprozessen im alltäglichen Leben geht (vgl. Dies. 1998: 16).
[21] Keupps Ausführungen zu Identität als Ressourcenarbeit ist Kapitel 4.3.2 in dieser Arbeit gewidmet.
[22] Basierend auf vorausgegangener fast zehnjähriger Identitätsforschung (Keupp u.a. 2006: 7).
[23] Zur näheren Erläuterung der Metaphorik und entwaffnende Worte zu mißverständlichen Reaktionen gegenüberdieser, siehe Keupp 1997b: 17f sowie Keupp 1989: 64f.
[24] Für das Verständnis des Konzepts der alltäglichen Identitätsarbeit sind die Ausführungen von Keupp et al. zu den entsprechenden prozessualen Vorgängen unerläßlich. Da diese aber außerhalb des Fokus der vorliegenden Arbeit liegen, wird an dieser Stelle auf einen Exkurs dazu im Anhang verwiesen.
[25] Z.B. ändert sich die arbeitsbezogene Teilidentität bei einer beruflichen Neuorientierung.
[26] Beispielsweise kann dies eintreten, wenn durch die Geburt eines Kindes die arbeitsbezogene Teilidentität einer Frau in den Hintergrund gerät oder für einige Jahre ganz verschwindet und dafür die familienbezogene Identität deren Platz einnimmt.
[27] Diese Erweiterung findet sich erst bei Keupp u.a. 2006, wohingegen in Keupps „Identitätsarbeit heute“ (1997) noch von vier Erfahrungsmodi ausgegangen wurde.
[28] Nähere Erläuterungen zum Begriff der „Identitätsperspektive“ folgen im Abschnitt 3.3.2.1.
[29] Keupp et al. ziehen zur Analyse identitätsrelevanter Perspektiven das Konzept der Handlungsaufgaben heran, worauf einzugehen an dieser Stelle zu weit führt, siehe dazu Straus/ Höfer 1997: 279f.
[30] Siehe dazu das Kapitel über die prozessualen Aspekte des Konzepts der alltäglichen Identitätsarbeit im Anhang dieser Arbeit.
[31] Weiterführend sei hier auf die Arbeit „Lebensführung als Identitätsarbeit“ von Luise Behringer (1998) verwiesen.
[32] In der Literatur aus den Jahren 1997 und früher finden sich zu der Frage, ob es sich um eine Metaidentität oder um Identitätskerne handelt noch verschiedene Meinungen (vgl. Straus/ Höfer 1997: 296f.) im Team um Heiner Keupp. In der Forschungsarbeit von 2006 dagegen ist keine Rede mehr von Identitätskernen und die Formulierung „Metaidentität“ hat sich durchgesetzt (vgl. Keupp u.a. 2006: 100, 218).
[33] Als Gegenbegriff zur Pathogenese entwickelt, vertritt Antonovsky die aus einer Untersuchung der Gesundheit von KZ-Überlebenden hervorgegangene These, daß Gesundheit kein Zustand, sondern ein Prozeß ist (Spiegel Wissen, Salutogenese 22.04.08 (WWW)).
[34] Keupp et al. nennen als „Lesarten des eigenen Selbst“ z.B.: „So will ich gesehen werden“ oder „Ich bin so, weil...“ (Keupp u.a. 2006: 232).
[35] Für die prozessualen Aspekte der alltäglichen Arbeit an der Identität wird an dieser Stelle erneut auf den entsprechenden Abschnitt im Anhang dieser Arbeit verwiesen.
- Citation du texte
- Christin Lange (Auteur), 2010, Lomographie und Identität, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/188523
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