Das Cambridge-Phänomen bezeichnet das Wachstum der Zahl von Hochtechnologie-Unternehmen in und um die Universitätsstadt Cambridge seit Ende der 1970er Jahre. Kennzeichen dieser Entwicklung war die enorme Dynamik, mit der sich die Hochtechnologie-Industrie innerhalb der Region ausbreitete.
Breite Aufmerksamkeit erhielt das Phänomen zuerst mit der 1985 durch das Beratungsunternehmen SEGAL QUINCE WICKSTEED (SQW) veröffentlichten Studie „The Cambridge Phenomenon. The Growth of High Technology Industry in a University Town“, welche die Bezeichnung ‚Cambridge-Phänomen‘ entscheidend geprägt hat. Schnell stellte sich in Wissenschaft und Wirtschaft die Frage, welche Faktoren die Entwicklung begünstigt hatten und wie die Entwicklung auf andere Regionen übertragen werden könnte.
Die Entwicklung in der Region Cambridge steht im Kontext radikaler Veränderungen in der räumlichen Dispersion der Hochtechnologie in Großbritannien. Hochtechnologie-Branchen sind (nach BUTCHART 1987) vor allem durch die hohe Bedeutung von Forschungs- und Entwicklungs-(F&E)Tätigkeiten gekennzeichnet und daher in besonderem Maße auf die Kompetenz hochqualifizierter (natur)wissenschaftlicher Forscher, Ingenieure, Techniker und Manager angewiesen. Typisch für die Hochtechnologie sind rasche Produktveränderungen die mit kurzen Produkt-Lebenszyklen einhergehen. Beobachten lässt sich zudem ein rasches Wachstum der Marktnachfrage, wie sie insbesondere im Zusammenhang mit der rasanten Integration von Computern in nahezu jeden Lebensbereich stattfand (vgl. KEEBLE 1991, S.22).
In dieser Arbeit werden erstens Entwicklung und Struktur der Hochtechnologie-Region Cambridge nachgezeichnet. Grundsätzlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach den Gründen für das plötzliche rasche Wachstum in den 1980er Jahren. Neben der Betrachtung endogener Entwicklungsfaktoren wird dabei auch der Fokus auf die Bedeutung nationaler und regionaler Technologie- und Planungspolitik gelenkt.
Im zweiten Teil der Arbeit werden die wesentlichen Entwicklungen seit den 1990er Jahren dargestellt. Hierzu gehören die regionale Verbreitung der Hochtechnologie-Industrie, die zunehmende Bedeutung von multinationaler Unternehmen und Venture Capital, die Veränderung der Rolle der Universität, die Institutionalisierung der Kooperationsnetzwerke sowie die Entstehung von Problemen infolge der regionalen wirtschaftlichen Veränderungen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Nationale Technologiepolitik in den 1980er und 1990er Jahren
3. Das Cambridge-Phänomen
4. Ursachen und Treiber der Entstehung des Cambridge-Phänomens
4.1. Holford- versus Mott-Report
4.2. Der Hochschulstandort Cambridge
4.2.1. Wissenschaft- und Technologieparks
4.2.2. Bedeutung von Beziehungen zwischen der Universität und den Unternehmen
4.3. F&E-B eratungen
4.4. Barclay’s Bank
4.5. Attraktivität des Wohnumfelds
5. The Cambridge Phenomenon Revisited
5.1. Räumliche Dispersion der Beschäftigten
5.2. Dominanz kleiner Hochtechnologie-Unternehmen
5.3. Verschiebung der Branchenkonzentration
5.4. Negative Entwicklungstendenzen
5.5. Veränderung der Bedeutung der Universität
5.6. Bedeutungsgewinn von Venture Capital
5.7. Bedeutungsgewinn internationaler Hochtechnologie-Unternehmen
5.8. Engagement seitens der politischen administrativen Ebene
5.9. Institutionalisierung der Kooperationsbeziehungen
6. Fazit
7. Literatur
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Das County Cambridgeshire
Abbildung 2 Hochtechnologie-Unternehmen in der Region Cambridge nach dem Jahr ihrer Gründung
Abbildung 3 Branchenspezifische Ausrichtung der Hochtechnologie-Unternehmen in der Region Cambridge 1984
Abbildung 4 Entwicklung der Beschäftigtenzahlen im Hochtechnologie Sektor
Abbildung 5 Entwicklung der Hochtechnologie-Unternehmen in der Region Cambridge nach Branchen
Abbildung 6 Unternehmen auf Basis von Venture Capital im Cambridge Cluster
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Entwicklung der Beschäftigten in der Hochtechnologieindustrie Großbritanniens
Tabelle 2 Entwicklung der Bevölkerungszahlen im County Cambridgeshire
Tabelle 3 Anzahl der Beschäftigten und der Unternehmen in der Cambridgeshire Hochtechnologie Community'. Eigene Darstellung
Tabelle 4 Gründung institutionalisierter Netzwerk- und Kooperationsinitiativen in Cambridge
1. Einleitung
Das Cambridge-Phänomen bezeichnet das Wachstum der Zahl von HochtechnologieUnternehmen in und um die Universitätsstadt Cambridge seit Ende der 1970er Jahre. Kennzeichen dieser Entwicklung war die enorme Dynamik, mit der sich die HochtechnologieIndustrie innerhalb der Region ausbreitete.
Breite Aufmerksamkeit erhielt das Phänomen zuerst mit der 1985 durch das Beratungsunternehmen Segal Quince Wicksteed (SQW) veröffentlichten Studie „The Cambridge Phenomenon. The Growth of High Technology Industry in a University Town“, welche die Bezeichnung ,Cambridge-Phänomen‘ entscheidend geprägt hat. Schnell stellte sich in Wissenschaft und Wirtschaft die Frage, welche Faktoren die Entwicklung begünstigt hatten und wie die Entwicklung auf andere Regionen übertragen werden könnte.
Die Entwicklung in der Region Cambridge steht im Kontext radikaler Veränderungen in der räumlichen Dispersion der Hochtechnologie in Großbritannien. Hochtechnologie-Branchen sind (nach Butchart 1987) vor allem durch die hohe Bedeutung von Forschungs- und Ent- wicklungs-(F&E)Tätigkeiten gekennzeichnet und daher in besonderem Maße auf die Kompetenz hochqualifizierter (natur)wissenschaftlicher Forscher, ingenieure, Techniker und Manager angewiesen. Typisch für die Hochtechnologie sind rasche Produktveränderungen die mit kurzen Produkt-Lebenszyklen einhergehen. Beobachten lässt sich zudem ein rasches Wachstum der Marktnachfrage, wie sie insbesondere im Zusammenhang mit der rasanten integration von Computern in nahezu jeden Lebensbereich stattfand (vgl. Keeble 1991, S.22).
In dieser Arbeit werden erstens Entwicklung und Struktur der Hochtechnologie-Region Cambridge nachgezeichnet. Grundsätzlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach den Gründen für das plötzliche rasche Wachstum in den 1980er Jahren. Neben der Betrachtung endogener Entwicklungsfaktoren wird dabei auch der Fokus auf die Bedeutung nationaler und regionaler Technologie- und Planungspolitik gelenkt.
Im zweiten Teil der Arbeit werden die wesentlichen Entwicklungen seit den 1990er Jahren dargestellt. Hierzu gehören die regionale Verbreitung der Hochtechnologie-industrie, die zunehmende Bedeutung von multinationaler Unternehmen und Venture Capital, die Veränderung der Rolle der Universität, die institutionalisierung der Kooperationsnetzwerke sowie die Entstehung von Problemen infolge der regionalen wirtschaftlichen Veränderungen.
2. Nationale Technologiepolitik in den 1980er und 1990er Jahren
Die Entwicklung der Region Cambridge zu einem Hochtechnologie-Standort wurde maßgeblich durch das nationale britische Innovationssystem (vgl. Keeble 2001, S.5-7) gefördert. Dieses sieht die Universitäten Großbritanniens als Teil der nationalen technologischen Infrastruktur. Die Hochschulen besitzen eine vergleichsweise hohe Autonomie, die ihnen u.a. die Möglichkeit gibt, innerhalb der lokalen wirtschaftlichen Entwicklung aktiv zu werden (vgl. Lawton Smith 1998, S.133).
Das Ausmaß der staatlichen Ausgaben für F&E war in Großbritannien bis in die 1990er eher gering. Obwohl die konservativen Regierungen der 1980er und 1990er Jahre unter Margaret Thatcher und John Major für sich beanspruchten eine neue Unternehmenskultur mit einem positives Entwicklungsumfeld für Hochtechnologie-Unternehmen und Start-ups zu fördern, wurden die öffentlichen Ausgaben für universitäre F&E in dieser Zeit zurückgefahren. Gleichzeitig übten die Regierungen allerdings Druck auf die Universitäten aus, ihre Beziehungen zur Industrie zu verbessern. Sie sollten u.a. verstärkt Forschungsgelder einwerben, Beratungsangebote bereitstellen und die Umsetzung universitärer Technologie in Spin-Offs und Wissenschaftsparks fördern (vgl. Keeble 2001, S.6).
3. Das Cambridge-Phänomen
Bereits Anfang der 1980er Jahre erschienen in der Lokalpresse von Cambridge einige Artikel, die sich mit der außergewöhnlichen wirtschaftlichen Entwicklung der Region beschäftigten. Nationale wie internationale Aufmerksamkeit erlangte das Cambridge-Phänomen aber erst durch die Studie des lokalen Beratungsunternehmen SQW. Im Zentrum der Studie standen die zu diesem Zeitpunkt identifizierten 322 Hochtechnologie-Unternehmen in und um Cambridge. Auftraggeber der Studie waren mehrere Colleges der Universität Cambridge, lokale Unternehmen, die Barclay„s Bank und die Verwaltung des Counties Cambridgeshire (vgl. Garnsey 1993, S.181; SQW 1985).
Die Stadt Cambridge ist das Zentrum des Counties Cambridgeshire, befindet sich aber in geographischer Hinsicht im südlichen Bereich des Verwaltungsbezirks. Das Cambridgeshire liegt im Südosten Großbritanniens am südwestlichen Rand der Region East Anglia. Das County setzt sich aus den vier ,Local Authority Areas„ Fenland, East Cambridgeshire (East Cambs), South Cambridgeshire (South Cambs), Huntingdonshire und der Stadt Cambridge zusammen (vgl. Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Das County Cambridgeshire. Eigene Darstellung. Datengrundlage: Office for National Statistics 2001
In den 1980er Jahre wurden in der Region um Cambridge mehr HochtechnologieArbeitsplätze als in jeder anderen Region des Landes geschaffen. 1960 gab es innerhalb eine 19 km Radius um die Stadt 30 Hochtechnologie-Unternehmen mit ca. 500 Arbeitnehmern. Bis 1986 wuchs die Zahl der Unternehmen auf etwa 300 mit 13.000 Beschäftigten an (vgl. CCC 2008; Keeble 2001, S.218; Keeble et al. 1999, S.321).
Die Entwicklung der Hochtechnologie-Industrie in der Region Cambridge ist dabei erstens auch Ausdruck einer ausgeprägten Stadt-Land-Verschiebung der Beschäftigten im britischen Hochtechnologiesektor. Während die Zahl der Unternehmen und Beschäftigten der Hochtechnologie in den 1980er Jahren in den Städten Großbritanniens rapide zurückging, wuchs die Hochtechnologie in vielen kleineren Städten und ländlichen Gebieten rapide an. Zweitens hat in den 1980er Jahren eine weitreichende Verschiebung der britischen HochtechnologieIndustrie stattgefunden, die zwei Typen von Wachstumsräumen betraf. Auf der einen Seite wurden in den altindustriellen Wirtschaftsförderungsregionen Schottland und Wales Produktionsstätten als Zweigwerke großer Unternehmen gegründet. Auf der anderen Seite zeigte sich im äußeren südlichen England, einschließlich der Region East Anglia eine deutliche Expansion der Unternehmensleitungs-, Verwaltungs- und Forschungsfunktionen großer Firmen sowie von kleinen und mittelgroßen einheimischen Unternehmen. Die Region East Anglia war in den 1980er Jahren die am schnellsten wachsende Hochtechnologie Region des Landes (vgl. Tabelle 1) (vgl. Keeble 1991, S.23/24).
Tabelle 1 Entwicklung der Beschäftigten in der Hochtechnologieindustrie Großbritanniens, 1981-1987. Eigene Darstellung. Datenbasis: Keeble 1991, S.23
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Struktur und Art der Hochtechnologien-Unternehmen lassen sich, zumindest für die Anfangsphase der Entwicklung, durch fünf Merkmale charakterisieren (vgl. Keeble 1991, S.25):
(1) Hoher Anteil unabhängiger und neugegründeter Unternehmen, darunter auffällig viele Spin-Offs
(2) Geringe Unternehmensgröße
(3) F&E-Orientierung bei gleichzeitiger Diversität der branchenspezifischen Ausrichtung der Unternehmen
(4) Besondere Bedeutung von Beziehungen mit der Universität Cambridge
(5) Lokale Multiplikatoreffekte
Insbesondere in der Anfangsphase des „Booms“ war die überwiegende Zahl der Hochtechnologie-Unternehmen in der Region unabhängig. Die neuangesiedelten Unternehmen entstanden vor allem als Start-ups oder durch Ausgründungen der Universität bzw. lokaler Unternehmen. Neuansiedlungen von Zweigstellen größerer nationaler und internationaler Unternehmen spielten nur eine untergeordnete Rolle. SQW schätze 1986 den Anteil unabhängiger Unternehmen auf 75% (vgl. SQW 1985, S.27).
Abbildung 2 zeigt das Gründungsjahr der 1984 in der Region Cambridge aktiven und durch SQW befragten Hochtechnologie-Unternehmen. Die Abbildung verdeutlicht die massive Zunahme der Unternehmensgründungen zum Ende der 1970er Jahre. Ein Großteil der Unternehmen war zu diesem Zeitpunkt jünger als sieben Jahren und wurde zwischen 1987 und 1983 gegründet (vgl. SQW 1985, S.24).
High-Tech Unternehmen in der Region 1984 Cambridge nach dem
Jahr ihrer Gründung Zeitraum 1960 - 1983
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 Hochtechnologie-Unternehmen in der Region Cambridge nach dem Jahr ihrer Gründung. Anzahl der befragten Unternehmen: 261. Eigene Darstellung. Datenbasis: SQW 1985, S.24
Der Großteil der Unternehmen, die das Cambridge-Phänomen prägten, hatte eine geringe Zahl von Beschäftigten. 1986 lag der Medianwert bei 14 Arbeitskräften je Unternehmen (vgl. Keeble 1991, S.24).
Die Tätigkeitsbereiche der Unternehmen reichen von Mikroelektronik, Computer-Hardware und -Software über Biotechnologie, Chemie, Herstellung wissenschaftlicher Geräte bis hin zu Consulting (vgl. Keeble 1991, S.25). Der Tätigkeitsschwerpunkt der Unternehmen liegt dabei auf dem Bereich F&E. Produktionstätigkeiten haben nur eine untergeordnete Bedeutung.
Abbildung 3 fächert die Struktur der Hochtechnologie-Branchen nach der Zahl der Unternehmen und der Zahl der Beschäftigten für das Jahr 1984 auf. Außer im Bereich Elektrogeräte vereinen alle genannten Branchen hinsichtlich beider Faktoren nennenswerte Anteile auf sich. Stark vertreten, gemessen an der Zahl der Unternehmen, sind die Bereiche Computersoftware, Messtechnik sowie Elektro- und Elektroniktechnik. Die bedeutendsten Sektoren, gemessen am Beschäftigungsanteil, sind die F&E-Beratung sowie ebenfalls Messtechnik, Elektro- und Elektroniktechnik. Die beiden letztgenannten Branchen können damit für die 1980er als wichtigste Hochtechnologie-Branchen in der Region bewertet werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 Branchenspezifische Ausrichtung der Hochtechnologie-Unternehmen in der Region Cambridge 1984. Eigene Darstellung. Datenbasis: SQW 1985, S.29
Mitte der 1980er Jahre berichteten die Unternehmen über ein hohes Niveau von Beziehungen mit der Universität Cambridge. 46 % der Betriebe arbeiteten zu diesem Zeitpunkt im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben mit universitären Einrichtungen zusammen. 17 % der Firmen rekrutierten Absolventen der Universität oder gingen auf die Gründung ehemaliger Cambridge-Absolventen zurück. Am meisten Beziehungen gab es zu den Fachbereichen für Ingenieurswissenschaften, Physik und Informatik (vgl. KEEBLE 1991, S.25; SQW 1985, S.37).
Lokale Multiplikatoreffekte wurden durch das hohe Einkommen der Beschäftigten und die Entwicklung lokaler Einkaufbeziehung erzeugt. Jeder neue Beschäftigte in der High-Tech- Industrie führte zur Entstehung eines zusätzlichen neuen Arbeitsplatzes in der Region - hauptsächlich im Dienstleistungssektor (vgl. Keeble 1991, S.25).
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