Die Bachelorarbeit konzentriert sich auf die Frage, welche Aspekte für eine gelingende Kooperation von Jugendhilfe und Schule,
deren Ergebnis sich in einer funktionierenden Schulsozialarbeit äußert, notwendig sind und welche Rolle bzw. Aufgaben Schulsozialarbeit in dieser gelingenden Kooperation
einnimmt bzw. ausübt. Daher betrachte und bewerte ich anhand der Fachliteratur verschiedene Umsetzungsformen von Schulsozialarbeit sowie deren jeweilige Rolle bei der praktischen Umsetzung, um so die Aspekte einer gelingenden Kooperation sowie die in ihr enthaltene Rolle und Aufgaben von Schulsozialarbeit, herauszufinden. In einem weiteren Schritt werde ich darüber hinaus auf Faktoren eingehen, die eine gelingende Zusammenarbeit zukünftig verbessern können, denn die verschiedenen Umsetzungsformen von Schulsozialarbeit deuten darauf hin, dass nicht überall die gleichen Bedingungen in der Kooperation von Jugendhilfe und Schule gegeben sind und so eine gelingende Zusammenarbeit nicht immer gewährleistet werden kann. Dies ist jedoch angesichts aktueller Herausforderungen wichtig, denn Kinder und Jugendliche brauchen Hilfe und Unterstützung in der erfolgreichen Bewältigung neuer Anforderungen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
2. Aufbau der Arbeit
3. Jugendhilfe und Schule - zwei ungleiche Partner
3.1 Überblick über die Jugendhilfe
3.1.1 Akteure in der Jugendhilfe
3.1.3 Aufbau der Jugendhilfe
3.2 Überblick über die Schule
3.2.1 Struktur und Formen des deutschen Schulsystems
3.2.2 Leistungsanforderungen im deutschen Schulsystem
3.3 Zwischenfazit
4. Notwendigkeit der Kooperation von Jugendhilfe und Schule
4.1 Veränderte Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen
4.2 Ganzheitliche Bildung von Kindern und Jugendlichen
4.3 Trend Ganztagesschule
4.4 Zwischenfazit
5. Kooperationsform Schulsozialarbeit
5.1 Historische Entwicklung der Schulsozialarbeit
5.2 Versuch einer Definition
5.3 Aktuelle Situation in Baden- Württemberg
5.4 Schulsozialarbeit in Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule
5.4.1 Rechtliche Aspekte der Kooperation
5.4.2 Rahmenbedingungen von Schulsozialarbeit
5.4.3 Aufgaben der Schulsozialarbeit
5.5 Zwischenfazit
6. Umsetzungsmöglichkeiten und Rollenzuweisung von Schulsozialarbeit in Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule
6.1 Konzeptionsmodelle in der Schulsozialarbeit
6.1.1 Freizeitpädagogische Projekte
6.1.2 Problembezogene fürsorgliche Projekte
6.1.3 Integrierte sozialpädagogische Projekte
6.1.4 Bewertung der Konzeptionsmodelle
6.2 Trägermodelle der Schulsozialarbeit
6.2.1 Öffentliche Jugendhilfeträger
6.2.2 Freie Träger
6.2.3 Schulische Träger
6.2.4 Bewertung der Trägermodelle
6.3 Modelle auf individueller Kooperationsebene
6.3.1 Additives Kooperationsmodell
6.3.2 Distanzmodell
6.3.3 Subordinationsmodell
6.3.4 Echtes Kooperationsmodell
6.3.5 Bewertung der individuellen Kooperationsmodelle
6.4 Zwischenfazit
7. Faktoren gelingender Kooperation
7.1 Strukturelle Faktoren
7.2 Inhaltliche Faktoren
7.3 Pädagogische Faktoren
7.4 Zwischenfazit
8. Zusammenfassung
9. Schlussfolgerungen
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Träger der Jugendhilfe
Abbildung 2: Kommunale Verfasstheit der Kinder- und Jugendhilfe
Abbildung 3: Das deutsche Schulsystem und andere Bildungsorte
Abbildung 4: Jugendhilfe- und Schulstruktur
Abbildung 5: Kooperation von Jugendhilfe und Schule
Abbildung 6: Mögliche Träger der Schulsozialarbeit
1. Einleitung
Meine Bachelorarbeit befasst sich mit der Schulsozialarbeit als eine mögliche Form der Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule und trägt den Titel Rolle und Aufgabe der Schulsozialarbeit in Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule -Wichtige Aspekte gelingender Kooperation- Die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule ist sicherlich ein in den letzten Jahren viel diskutiertes Thema, deren Debatten ab den 1970er Jahren stetig zugenommen ha- ben. Ab dieser Zeit sind eine Vielzahl an unterschiedlichen Modellen und Projekten ent- standen, die seit 1990 sogar einen quantitativen Anstieg aufweisen (vgl. Olk 2005, S. 11). Innerhalb der letzten Jahre gab es zahlreiche Stellungnahmen und Erfahrungsberichte über das Kooperationsfeld zwischen Jugendhilfe und Schule (vgl. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 2001, S. 1142) die auf diese Thematik aufmerksam machten und auf deren Erfordernis hinwiesen. Dies hat mit unter dazu geführt, dass die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule heute als unumstritten gilt.
Die Forderungen nach einer gemeinsamen Zusammenarbeit liegen in der Tatsache begründet, dass sowohl Jugendhilfe als auch Schule mit Kindern und Jugendlichen zu- sammenarbeiten um somit ihren jeweiligen Beitrag zur Entwicklung und Entfaltung von jungen Menschen leisten zu können. Angesichts aktueller Herausforderungen wird jedoch die Frage nach einer gelingenden Zusammenarbeit zusehends lauter. So haben sich zum Beispiel die Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen durch gesell- schaftliche, politische und soziale Veränderungen erheblich gewandelt. Junge Menschen sehen sich zusehends mit steigenden Anforderungen in ihrer Lebenswelt sowie bei ihrer Zukunftsgestaltung konfrontiert und benötigen hierbei sowohl von Jugendhilfe als auch von Schule Rückhalt und Unterstützung (vgl. Deufel, Löher 2004, S. 15). Und auch die Schule nimmt im Leben der jungen Menschen einen viel höheren Stellenwert ein als noch vor einigen Jahren. Dadurch wird der kindliche und jugendliche Alltag zu einem erhebli- chen Teil von der Schule diktiert und vorgegeben. Gerade der zunehmende Ausbau von Ganztagesschulen verstärkt diesen Effekt noch. Mittlerweile tragen Schülerinnen und Schüler immer mehr Probleme und Themen außerschulischer Lebenswelten in die Schule hinein. Diese wiederum ist kaum im Stande die Probleme alleine zu bewältigen und somit auf die Jugendhilfe angewiesen.
Trotz des Wissens über die Notwendigkeit einer Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule und zahlreichen Anknüpfungspunkten, ist die praktische Umsetzung häufig prob- lembelastet. Dies ist sicherlich mitunter der Tatsache geschuldet, dass hier zwei vollkom- men unterschiedliche Institutionen aufeinander treffen, die sich historisch gesehen getrennt voneinander entwickelt haben und jeweils unterschiedliche gesellschaftliche Funktionen erfüllen. Erschwerend kommt hinzu, dass in der praktischen Durchführung eine Vielfalt und Unübersichtlichkeit an Projekten und Modellen vorherrscht, denen es insgesamt an übergreifenden Zielsetzungen, fachlichen Konzepten und langfristig angelegten strategischen Umsetzungsperspektiven mangelt (vgl. Olk 2005, S. 11).
Somit zeichnet sich die Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule durch eine breite Angebotspalette aus, bei der Schulsozialarbeit als eine Möglichkeit der praktischen Umsetzung gesehen werden kann und in der sich ebenfalls die Kooperationsprobleme von Jugendhilfe und Schule wiederspiegeln. Keinesfalls darf sie jedoch mit der Zusam- menarbeit als Ganzes gleichgesetzt werden. Da ich mein praktisches Studiensemester allerdings als Schulsozialarbeiterin in einer Werkrealschule absolviert habe, konnte ich mir einen Einblick in das Arbeitsfeld der Schulsozialarbeit verschaffen. Dort wurde ich des Öfteren mit den Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule konfrontiert und musste feststellen, dass zwar die gelingende Kooperation beider Sozialisationsinstanzen in der Fachöffentlichkeit als wichtig und not- wendig erachtet wird, deren Umsetzung in der Praxis sich jedoch für beide Seiten oft schwierig gestaltet. Resultierend aus meinen Erfahrungen im praktischen Studiensemes- ter hat sich mein Interesse bezüglich der Schulsozialarbeit und den Gründen für deren Gelingen geweckt. Aus diesem Grund beschränke ich mich in meiner Bachelorarbeit auf die Schulsozialarbeit als eine Form der Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule.
Die Schulsozialarbeit ist seit etwa 1970 in Deutschland ein nicht mehr wegzudenken- des Thema, deren Bedarf aus fachpolitischer Sicht heutzutage als unumstritten gilt. Grundlegend kann sie als sozialpädagogisches Angebot der Jugendhilfe in der Schule betrachtet werden (Speck, 2007, S. 13, 16) der laut Drilling eine besondere Chance zu- kommt, da selten die „Fachpersonen der Sozialen Arbeit so einflussreich in den Prozess des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen einbezogen (…)“ (Drilling, 2004, S. 7) werden. So können der Schulsozialarbeit, sowohl auf politischer und gesellschaftlicher Ebene als auch auf Ebene des Schulalltags und des Kinder-und Jugendhilfesystems, wichtige Aufgaben zugesprochen werden (vgl. Baier, Deinet 2011b, S. 9-10). Dies sieht auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und konstatiert in ihrem 12. Kinder und Jugendbericht, dass der Schulsozialarbeit (dort bezeichnet als schulbezogene Jugendarbeit) „ eine zentrale Rolle bei der Vermittlung von Schlüsselquali- fikationen als Voraussetzung erfolgreicher individueller und gesellschaftlicher Integration “ (BMSFSJ 2005, S. 408) zufällt. Auch aktuelle Entwicklungen unterstreichen die Bedeu- tung von Schulsozialarbeit noch. So können beispielsweise Kommunen aufgrund des von der Bundesregierung initiierten Bildungspaketes ihr Kontingent an Schulsozialarbeiterin- nen und Schulsozialarbeitern aufstocken (vgl. Regierung online 2011). Heutzutage besteht kein Zweifel mehr an der Bedeutsamkeit des Handlungsfeldes der Schulsozialarbeit. Allerdings ist es bis heute jedoch noch nicht gelungen eine einheitliche und theoretisch fundierte Konzeption von Schulsozialarbeit zu schaffen, sodass dort ebenfalls eine Vielfalt an Modellen, Projekten und Ansätze]n existiert (vgl. Seithe 2008, S. 78). Dies konnte ich auch in meinem praktischen Studiensemester hinreichend feststellen. Darüber hinaus hat jedes einzelne der 16 Bundesländer unterschiedliche Vorstellungen in der praktischen Umsetzung von Schulsozialarbeit. Daher ist es aufgrund der unterschied- lichen Ausdifferenzierungen der Angebote und Inhalte nur schwer festzustellen, unter welchen kooperationsbedingten Aspekten eine gelingende Schulsozialarbeit möglich wird. Zwar ist laut Speck und Olk dieses Handlungsfeld als eines der am intensivsten beforsch- ten in der Jugendhilfe zu bewerten, doch muss der empirische Erkenntnisstand „ jedoch trotz der Forschungen als intransparent, bruchstückhaft und defizitär bezeichnet werden “ (Speck, Olk 2010, S. 7). Dies liegt u.a. daran, dass der Zugang zu Forschungsberichten für die (Fach-) Öffentlichkeit oft erschwert wird, das Repertoire an Metaanalysen begrenzt ist und vergleichende Darstellungen fehlen (vgl. Speck, Olk 2010, S. 7). Die Situation ist demnach als höchst unbefriedigend zu bezeichnen. Daher ist es grundlegend wichtig herauszufinden, welche Aspekte von Jugendhilfe und Schule für eine gelingende Schulsozialarbeit gegeben sein müssen und welche Rolle Schulsozialarbeit dabei einnimmt, denn die aktuellen Entwicklungen weisen deutlich auf einen Ausbau der Schulsozialarbeitsstellen in den kommenden Jahren hin. Damit dieser Ausbau für alle Beteiligten als Gewinn bezeichnet werden und die Kooperation von Jugendhilfe und Schu- le in Form von Schulsozialarbeit gelingen kann, sollten schon in der Planungsphase hin- reichende Erkenntnisse über die dafür notwendigen Aspekte vorliegen. Gleichzeitig be- steht durch die gesammelten Erkenntnisse auch für die schon bestehenden Projekte der Schulsozialarbeit die Möglichkeit, deren Umsetzung auf praktischer Ebene zu optimieren. Vor diesem Hintergrund werde ich mich in meiner Bachelorarbeit auf die Frage kon- zentrieren, welche Aspekte für eine gelingende Kooperation von Jugendhilfe und Schule, deren Ergebnis sich in einer funktionierenden Schulsozialarbeit äußert, notwendig sind und welche Rolle bzw. Aufgaben Schulsozialarbeit in dieser gelingenden Kooperation einnimmt bzw. ausübt. Daher betrachte und bewerte ich anhand der Fachliteratur ver- schiedene Umsetzungsformen von Schulsozialarbeit sowie deren jeweilige Rolle bei der praktischen Umsetzung, um so die Aspekte einer gelingenden Kooperation sowie die in ihr enthaltene Rolle und Aufgaben von Schulsozialarbeit, herauszufinden. In einem weite- ren Schritt werde ich darüber hinaus auf Faktoren eingehen, die eine gelingende Zusam- menarbeit zukünftig verbessern können, denn die verschiedenen Umsetzungsformen von Schulsozialarbeit deuten darauf hin, dass nicht überall die gleichen Bedingungen in der Kooperation von Jugendhilfe und Schule gegeben sind und so eine gelingende Zusammenarbeit nicht immer gewährleistet werden kann. Dies ist jedoch angesichts aktueller Herausforderungen wichtig, denn Kinder und Jugendliche brauchen Hilfe und Unterstützung in der erfolgreichen Bewältigung neuer Anforderungen.
2. Aufbau der Arbeit
Punkt 3. Jugendhilfe und Schule- zwei ungleiche Partner beschäftigt sich mit den Instituti- onen von Jugendhilfe und Schule. Es handelt sich hierbei um zwei vollkommen unter- schiedliche Institutionen die miteinander kooperieren sollen. Dies gestaltet sich jedoch aufgrund der Unterschiedlichkeit oft schwierig. Dieses Kapitel verschafft daher einen all- gemeinen Überblick über Strukturen und Aufbau, sowie Gemeinsamkeiten und Unter- schiede von Jugendhilfe und Schule. Zwar ist die Zusammenarbeit beider Institutionen schon lange ein Thema, doch sorgen aktuelle gesellschaftliche Anforderungen dafür, dass die Kooperation von Jugendhilfe und Schule zusehends in den Fokus der Öffentlichkeit gerät. Kapitel 4. Notwendigkeit einer Kooperation greift daher verschiedene Entwicklun- gen auf und beschreibt, warum eine Zusammenarbeit zunehmend erforderlich wird.
Das darauffolgende Kapitel 5. Kooperationsform Schulsozialarbeit befasst sich mit der Schulsozialarbeit als Kooperationsform zwischen Jugendhilfe und Schule. Da Schulsozial- arbeit nicht genau definiert ist, versucht dieses Kapitel einen groben Überblick über Schulsozialarbeit im Allgemeinen zu geben, indem es auf deren Entwicklung eingeht, ei- nen Definitionsversuch unternimmt, die aktuelle Schulsozialarbeitssituation in Baden- Württemberg schildert, rechtliche Aspekte der Zusammenarbeit sowie erforderliche Rah- menbedingungen vorstellt und die Kernaufgaben von Schulsozialarbeit beschreibt. Dies dient der Vorbereitung auf die in Kapitel 6. Umsetzungsformen und Rollenzuweisung von Schulsozialarbeit in Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule vorgestellten und an- hand der Fachliteratur bewerteten Umsetzungsformen und Rollenzuweisungen von Schulsozialarbeit. Ziel dieses Kapitels ist es, die Aspekte einer gelingenden Zusammen- arbeit von Jugendhilfe und Schule herauszufinden, sowie die Rolle und Aufgaben von Schulsozialarbeit zu ermitteln, die diese in einer gelingenden Kooperation von Jugendhilfe und Schule einnimmt.
Das darauffolgende abschließende Kapitel 7. Faktoren gelingender Kooperation nennt über die Ergebnisse im vorherigen Kapitel hinaus zusätzlich notwendige strukturelle, in- haltliche und pädagogische Faktoren, die eine gelingende Zusammenarbeit zukünftig besser fördern. Daran anschließend folgen in Kapitel 8. Zusammenfassung eine Kurzfas- sung der gesamten Arbeit sowie meine abschließenden Bemerkungen in Kapitel 9. Schlussfolgerungen .
3. Jugendhilfe und Schule - zwei ungleiche Partner
Beide Sozialisationsinstanzen arbeiten mit Kindern und Jugendlichen zusammen und un- terstützen diese in vielerlei Hinsicht, trotzdem haben sich sowohl Jugendhilfe als auch Schule weitestgehend getrennt voneinander entwickelt. Durch das Reichsjugendwohl- fahrtsgesetz wurde eine organisatorische und inhaltliche Trennung von Jugendhilfe und Schule herbeigeführt (vgl. Henschel 2008, S. 267), die dafür sorgte, dass Jugendhilfe und Schule unterschiedliche Zielgruppen zugesprochen bekamen1 (vgl. Mühlum, Rothe 1991; Tillmann 1982 in Olk 2005, S. 15). Der 12. Kinder- und Jugendbericht bezeichnet das Verhältnis der beiden daher auch als eine Geschichte des Nicht- Verhältnisses auf Ebene der Gesamtsysteme (vgl. Stolz 2008, S. 114). Durch die unterschiedliche Entwicklung und verschiedene strukturelle und organisatorische Unterschiede entstehen zwei ungleiche Partner die zusammen kooperieren sollen. Dies ist angesichts der Gegensätzlichkeit nicht einfach und soll in diesem Kapitel anhand der Vorstellung beider Bereiche aufzeigt wer- den. Hierbei geht es um einen groben Überblick der jeweiligen Struktur von Jugendhilfe und Schule, daher werden beide Institutionen lediglich in ihren Grundzügen dargestellt.
3.1 Überblick über die Jugendhilfe
Die Jugendhilfe richtet ihre Angebote an Kinder, Jugendliche und deren Familien. Sie zielt darauf ab junge Menschen sowohl in ihrer individuellen als auch in ihrer sozialen Entwick- lung zu fördern, Benachteiligungen in jeglicher Form abzubauen beziehungsweise zu vermeiden und bei Problemen mit dem Erwachsen werden zu unterstützen. Desweiteren soll sie dazu beitragen positive Lebensbedingungen im kindlichen und jugendlichen Alltag zu schaffen und eine familienfreundliche Umwelt zu fördern. Der Erziehungsgedanke spielt hierbei eine wichtige Rolle (vgl. Jordan, Sengling 2000, S. 12). Eine zentrale Aufga- be ist es daher, „ das Recht junger Menschen auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gewährleisten “ (Krüger, Zimmermann 2008, S. 127). Somit nimmt Jugendhilfe die Erzie- hungsansprüche von Kindern und Jugendlichen auf, die weder durch Familie, Schule und berufliche Bildung abgedeckt werden können und/ oder gerade wegen deren Versagen entstehen. Münder bezeichnet Jugendhilfe daher auch als gesellschaftliche Sozialisati- onshilfe, die über eigenständige Organisationsformen, Zuständigkeiten und Arbeitsme- thoden verfügt (vgl. Münder 1996 in Krüger, Zimmermann 2008, S. 125). Die gesetzliche Grundlage für die Aufgabenwahrnehmung bildet das ehemalige Kinder- und Jugendhilfe- gesetz (KJHG). Heute wird es als VIII Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) bezeich- net. Somit finden auch die allgemeinen Vorschriften der Sozialgesetzbücher ihre Anwendung in der Jugendhilfe (vgl. Krüger, Zimmermann 2008, S. 125).
Der Leistungskatalog der Jugendhilfe umfasst grundsätzlich viele unterschiedliche An- gebote, die alle auf dem Grundsatz der Partnerschaftlichkeit und Freiwilligkeit beruhen. Dies bedeutet, dass die Kinder, Jugendlichen und Familien die Leistungen der Jugendhil- fe wahrnehmen können aber nicht müssen oder gar verpflichtet sind. Allerdings gilt dies nicht immer, denn in bestimmten Krisensituationen muss die Jugendhilfe in das Gesche- hen eingreifen. In der Regel sind das Situationen, in denen das Kindeswohl gefährdet ist und keine andere Möglichkeit besteht das Kind/ den Jugendlichen hinreichend zu schüt- zen. Somit muss hier zum Wohle der Kinder und Jugendlichen gehandelt werden, auch wenn die Eltern nicht immer damit einverstanden sind (vgl. Jordan, Sengling 2005, S. 16). Dies gilt im Übrigen auch, wenn die Kinder und Jugendlichen in Obhut genommen werden wollen. Diese Funktionen befinden sich allerdings nicht im Leistungskatalog, sondern fal- len in den Bereich der anderen Aufgaben der Jugendhilfe (BMFSFJ 2007, S. 15).
Die Jugendhilfe umfasst ein vielfältiges Gebiet, daher ist es nur sehr schwierig ihre Ar- beit methodisch darzustellen. Hierzu bedarf es weitaus mehr Platz, als in dieser Bache- lorarbeit zur Verfügung steht, denn alleine die einzelnen Handlungsfelder und damit auch die Methoden sind in ihrer Art sehr unterschiedlich und zahlreich. So umfasst das Leis- tungsspektrum der Jugendhilfe neben der Schulsozialarbeit unter anderem allgemeiner- zieherische Aufgaben, wie zum Beispiel diverse Betreuungsangebote oder Kindertages- betreuung und erfüllt in der Funktion der Hilfen zur Erziehung z.B. die Aufgabe der Fremdunterbringung und stellt eine umfangreiche Familienhilfe bereit (vgl. Jordan, Sengling 2005, S. 16). Die hier vorgenommene33 Aufzählung ist allerdings nicht als voll- ständig zu betrachten, sie dient lediglich der exemplarischen Aufzählung verschiedener Aufgaben der Jugendhilfe.
Nicht nur die Handlungsfelder sind in der Jugendhilfe sehr unterschiedlich, auch die Akteure der Jugendhilfe zeichnen sich durch ihre Vielfalt aus. Die folgenden Ausführun- gen befassen sich daher mit der Trägerstruktur der Jugendhilfe, sowie deren spezifischem Aufbau.
3.1.1 Akteure in der Jugendhilfe
Jugendhilfe ist ein Sammelbegriff für verschiedene Träger, die die Aufgaben wahrnehmen und ausführen (vgl. Gernert 2001, S. 23). Zum einen gibt es die öffentlichen Träger, wie zum Beispiel Landesjugendämter und Jugendämter. Sie werden aufgrund einer Rechts- vorschrift entweder selbst tätig oder geben verschiedene Projekte bei anderen Trägern in Auftrag und finanzieren sie. Beim Zugang für diese Angebote gibt es für die Gesellschaft keinerlei Beschränkungen. Die öffentlichen Träger sind zu unterscheiden von den freien Trägern, wie beispielsweise den Jugend- und Wohlfahrtsverbänden. Sie sind in ihrer Auf- gabenwahrnehmung frei, weswegen die Inanspruchnahme ihrer Leistungen nur gelingt, wenn die Menschen bereit dazu sind. Ausnahmen bestehen in der Regel dann, wenn die öffentlichen Träger ihre Aufträge an die freien Träger weitergeben. Dann hat die Allgemeinheit einen uneingeschränkten Zugang (vgl. Krüger, Zimmermann 2008, S. 129-130). Zur Verdeutlichung der Trägerstruktur ist im Anhang unter Abbildung 1 auf Seite 69 eine entsprechende Grafik aufgeführt.
Durch die Konstellation von öffentlichen und freien Trägern entsteht eine bewusst her- beigeführte Vielzahl an Institutionen und Organisationen, in denen unterschiedliche Wer- tevorstellungen vermittelt werden und differierende Inhalte und Methoden zur Anwendung kommen (vgl. BMFSFJ 2007, S. 42-43). Die Gesamtverantwortung für die Aufgabenerfül- lung liegt allerdings bei den öffentlichen Trägern. Trotzdem sind alle Träger der Jugendhil- fe zu einer „ partnerschaftlichen und planvollen Zusammenarbeit “ (Jordan, Sengling 2000, S. 16) verpflichtet. Aufgrund des Subsidiaritätsprinzips wird die öffentliche Jugendhilfe jedoch nur nachrangig tätig. Alles was die freien Träger erledigen können, soll auch von diesen erfüllt werden. Die Verpflichtung zur Gesamtverantwortung auf Seiten der öffentli- chen Träger einerseits und die eigenverantwortlichen Tätigkeiten der freien Träger ande- rerseits führen zu einer permanenten Wechselwirkung (vgl. Jordan, Sengling 2000, S. 16- 17).
3.1.3 Aufbau der Jugendhilfe
Die Aufgaben der Jugendhilfe liegen in kommunaler Verantwortung. Deshalb verpflichtet das SGB VIII die Landkreise und kreisfreie Städte zur Einrichtung eines Jugendamtes. Allerdings garantiert die Masse an verschiedenen Jugendämtern keine Chancengleichheit in Bezug auf die Erfüllung des Rechtes auf Erziehung für junge Menschen. Jordan und Sengling weisen darauf hin, dass die einzelnen Jugendämter deutliche Unterschiede bezüglich ihrer Größe, der Aufgabenwahrnehmung und dem organisatorischen Aufbau aufweisen (vgl. Jordan, Sengling 2000, S. 245-246).
Das kommunale Jugendamt ist eine sozialpädagogische Fachbehörde und setzt sich aus der Verwaltung und dem Jugendhilfeausschuss zusammen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung sind für die Umsetzung des SGB VIII und anderen Gesetzen verantwortlich und führen somit die konkreten Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe aus. Hierunter fallen beispielsweise die Adoptionsvermittlung oder die Zahlungen eines Unter- haltsvorschusses. Der Jugendhilfeausschuss, kurz JHA, hingegen beschäftigt sich mit grundsätzlichen Fragen der kommunalen Jugendhilfe (vgl. Gernert 2001, S. 26). Er ist ein vom kommunalen Parlament gewählter Ausschuss, der über ein eigenes Beschlussrecht verfügt und somit unter anderem Beschlüsse über die Finanzen oder die Schwerpunktset- zung der Jugendhilfe erlassen kann. Zwar ist die Verwaltung für die laufenden Geschäfte zuständig, trotzdem hat der JHA Beschlussrecht in allen Angelegenheiten. Daraus ergibt sich, dass die Beschlüsse des JHA die Verwaltungsarbeit steuern (vgl. Rätz- Hernisch, Schröer, Wolff 2009, S. 177-178). Der JHA setzt sich zusammen aus 3/5 Vertreterinnen und Vertreter des Kommunalparlamentes, darunter befinden sich unter anderem Mitglie- dern der Vertretungskörperschaft, sachverständigen Bürgerinnen und Bürger und Vertre- terinnen und Vertreter der Jugendhilfe. Die anderen 2/5 setzten sich aus Mitgliedern der freien Jugendhilfe zusammen. Dies beruht auf der Tatsache, dass die freien Träger in erheblichem Maße an der Leistungserbringung beteiligt sind (vgl. Gernert 2001, S. 26).
Wie im vorherigen Abschnitt erwähnt sind für den überwiegenden Teil der Aufgaben die kommunalen örtlichen Träger zuständig. Ergänzt werden diese durch die überörtlichen Jugendhilfeträger auf Landesebene. Deren Struktur ist analog zu den örtlichen Trägern mit dem Unterschied, dass es sich hier um einen Landesjugendhilfeausschuss handelt. In ihren Aufgabenbereich fallen zum Beispiel die Beratung und die Förderung der Zusam- menarbeit der Träger hinsichtlich Planung und Sicherstellung von Angeboten. Gleichzeitig haben die 16 Bundesländer mit ihren jeweiligen Landesgesetzen die Regelungen des SGB VIII erweitert und ergänzt (vgl. Rätz- Hernisch, Schröer, Wolff 2009, S. 177-178).
Damit ist der Aufbau der Jugendhilfe allerdings nicht zu Ende, denn wie im Abschnitt 3.1 Überblick über die Jugendhilfe bereits beschrieben, bildet das SGB VIII auf Bundes- ebene die gesetzliche Grundlage für die Jugendhilfe. Das SGB VIII trägt dazu bei, dass sowohl Rahmensetzungen und Angebotsstrukturen als auch die Leistungen in der gesam- ten Bundesrepublik gleich sind. Somit bildet das SGB VIII die gesetzliche Grundlage für jegliche Aktivitäten von Bund, Ländern und Kommunen. Die Zuständigkeit auf Bundes- ebene liegt bei dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das die Jugendhilfe in bestimmten Schwerpunkten finanziell unterstützt und in regelmäßigen Abständen einen Kinder- und Jugendbericht erstellt (vgl. Rätz- Hernisch, Schröer, Wolff 2009, S. 170-171). Zum Verständnis ist im Anhang auf S. 69 unter Abbil- dung 2: Kommunale Verfasstheit der Kinder- und Jugendhilfe eine Grafik aufgeführt.
Nicht nur die Jugendhilfe zeichnet sich durch eine unübersichtliche Struktur aus, auch die Schule stellt eine schwer überblickbare Institution dar. Die folgenden Ausführungen befassen sich daher mit der Vorstellung des deutschen Schulsystems.
3.2 Überblick über die Schule
Wie in der Einleitung bereits erwähnt, nimmt die Schule -im Gegenzug zur Jugendhilfe- im Alltag von Kindern und Jugendlichen einen zentralen Stellenwert ein und bestimmt da- durch ihr Leben in erheblichem Maße. Drilling bezeichnet daher die Jugendphase in erster Linie als Schulphase (vgl. Drilling 2004, S. 26). Aktuell besuchen mehr als 12 Millionen Schülerinnen und Schüler über 42000 Schulen in 16 Bundesländern (vgl. van Ackern, Klemm 2009, S. 11). Da die Schule in Deutschland eine staatliche Einrichtung ist, trägt der Staat unter anderem die Verantwortung über Finanzierung, Organisation und Einrich- tung der Schulen. Neben den staatlichen Schulen existieren jedoch noch eine Menge Privatschulen, wie beispielsweise die Waldorfschulen und Schulen in kirchlicher Trägerschaft (vgl. Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen 1993 in Tillmann 2005, S. 1540).
Als pädagogische Institution fällt der Schule die Aufgabe zu Kinder und Jugendliche zur Mündigkeit zu befähigen. Dies passiert beispielsweise dadurch, dass die Schülerinnen und Schüler sowohl in ihrem Selbstbewusstsein als auch in ihrer Eigenverantwortlichkeit und Reflexivität gestärkt werden. In der Fachliteratur finden sich allerdings unterschiedli- che Meinungen bezüglich konkreter Aufgaben und Inhalte. Allgemein formuliert herrscht jedoch ein Konsens darüber, dass durch schulischen Alltag und Unterricht den Schülerin- nen und Schülern ein bestimmtes Maß an Bildung und Erziehung gewährt wird (vgl. Blömeke u.a. 2009, S. 67-68). Der aus gesellschaftlicher Sicht mit höchster Priorität be- wertete Zweck der Schule besteht jedoch eindeutig in der Bildung. Diese wird allerdings eher in einem eingeschränkten Sinn verwendet. So ist darunter hauptsächlich Leistung, Vermittlung kultureller Grundfertigkeiten und das Erlernen von Fähigkeiten und Kenntnis- sen die für die Berufsqualifikation erforderlich sind, zu verstehen, anstatt Bildung als um- fassende Persönlichkeitsentwicklung zu betrachten (vgl. Merchel 2005, S. 176). Das Thema Bildung wird an dieser Stelle jedoch nicht weiter vertieft, da sie an anderen Stellen in dieser Bachelorarbeit ausführlich behandelt wird.2
Die Schule muss bei ihrer Aufgabenwahrnehmung zwei Verpflichtungen beachten. Zum einen besteht die Verpflichtung gegenüber Schülerinnen und Schüler auf deren Persönlichkeitsförderung, und zum anderen die Verpflichtung gegenüber der Kultur, „ die es um der Identität der Gesellschaftsmitglieder willen zu tradieren und weiterzuentwickeln gilt “ (Blömeke u.a. 2009, S.67). Derzeit herrscht in der Fachliteratur jedoch Einstimmigkeit darüber, dass Schule die ihr zugesprochenen Aufgaben nicht hinreichend erfüllen kann und damit überfordert scheint (vgl. Pfeiffer 2008, S. 67).
Gleich wie in der Jugendhilfe ist auch die Darstellung des deutschen Schulsystems sehr vielfältig und komplex. Nicht zuletzt deswegen, weil es unter den geschichtlichen Bedingungen des Föderalismus entstanden ist, und sich daraus die Kulturhoheit der insgesamt 16 Bundesländer bezüglich des Themas Schule entwickelt hat (vgl. van Ackern, Klemm 2009, S. 47). Deswegen kann auch nicht generell von dem deutschen Schulsystem gesprochen werden (vgl. von Slandern 2008, S. 69). Nichtsdestotrotz gibt es in den Bundesländern grundsätzliche Gemeinsamkeiten bezüglich Struktur und Formen, die in den folgenden Ausführungen beschrieben werden.
3.2.1 Struktur und Formen des deutschen Schulsystems
Im Gegensatz zum Jugendhilfeaufbau ist die Schule anders strukturiert. Grundsätzlich wird im schulischen Bereich zwischen Schulunterrichtssystem (innere Schulangelegen- heit) und Trägersystem unterschieden. Das Schulunterrichtsystem ist institutionell nicht nur völlig vom Trägersystem getrennt, sondern kann auch in Bezug auf einzelne Schul- formen unterschiedlich organisiert sein. Wesentliche Aufgaben des Schulunterrichtssys- tems bestehen in der inhaltlichen und pädagogischen Gestaltung des Schullebens, sowie der Beantwortung von Unterrichtsfragen. Darüber hinaus kümmert sich das Schulunter- richtssystem um die Laufbahnen der Schulbeamtinnen und Schulbeamten (vgl. Deinet 2001b, S. 200). Da sich die Schulverwaltung im Allgemeinen aus einem zweistufigen Sys- tem, auf der oberen Ebene bestehend aus dem Kultusministerium und auf der unteren Ebene vertreten durch die staatlichen Schulämter, zusammensetzt, gibt es unterschiedli- che Trägerschaften (vgl. Luthe 2003, S. 128). Träger der öffentlichen Schulen sind in der Regel kommunale Körperschaften, wie Landkreise und Gemeinden. In geringem Umfang kann auch das Land in Form des Kultusministeriums als Träger von Schulen in Frage kommen (vgl. KMK o.J.b). Dies ist beispielsweise bei Berufsschulen der Fall. Träger der Grund- und Hauptschulen/ Werkrealschulen, Realschulen, Gymnasien und entsprechen- den Sonderschulen hingegen sind die Gemeinden und Landkreise (vgl. Schulgesetz Ba- den- Württemberg 1983, S. 10-11). Wie bereits erwähnt existieren auch Schulen in freier Trägerschaft, meistens vertreten durch Kirchen, nicht konfessionell gebundenen Trägern oder Privatpersonen. Die Schulträger sind verantwortlich für Einrichtung, Unterhaltung sowie der Verwaltung in der Schule. Auch ist dieser in der Regel für die Sachkosten ver- antwortlich. Bei Personalkosten für Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen hin- gegen zahlt das Land (vgl. KMK o.J.b).
Die deutsche Schule beginnt mit einer (meist) vierjährigen Grundschule, an die sich die allgemeinbildenden Schulen (Sekundarbereich I) mit den Klassenstufen 5 bis 10 an- schließen. In der Regel sind dies Hauptschule, Realschule und Gymnasium (vgl. KMK o.J.a). In einigen Bundesländern, wie zum Beispiel in Baden Württemberg, gibt es die Werkrealschule. Früher konnte sie im Anschluss an die normale Hauptschule besucht werden, heute soll sie die Hauptschulen ersetzen. Sie reicht dann von Klassenstufe 5 bis Klassenstufe 9 bzw. 10, abhängig von Noten und Entscheidung der Schülerinnen und Schüler (vgl. Trenkamp 2008). Die Realschulen besitzen ebenfalls eine Schulzeit von der 5. bis zur 10. Klasse. Im Gymnasium kann die Schulzeit entweder 8 oder, früher üblich, 9 Jahre betragen. In jüngster Zeit haben die meisten Länder die Gymnasialzeit allerdings auf 8 Schuljahre verkürzt (vgl. van Ackern, Klemm 2009, S. 50). Diese Schulformen sind im Schulbereich klar getrennt und haben oft nur sehr wenig miteinander zu tun. Deinet kritisiert diese Tatsache und stellt fest, dass lediglich die Schulleiterkonferenz ein über- greifendes Gremium auf kommunaler Ebene im Schulbereich darstellt (vgl. Deinet 2001b, S. 200).
Nicht alle Schülerinnen und Schüler beginnen ihre Schulzeit in der Grundschule. Wenn bei ihnen ein sonderpädagogischer Förderungsbedarf festgestellt wird, besteht für sie die Möglichkeit in Förderschulen beschult zu werden. Auch können Kinder und Jugendliche von einer allgemeinbildenden Schule während der Schullaufbahn an eine Förderschule versetzt werden (vgl. van Ackern, Klemm 2009, S. 53). Ab Klassenstufe 11 beginnt der Sekundarbereich II, die gymnasiale Oberstufe. Hierunter fallen u.a. auch Fachgymnasien, das duale System der Berufsausbildung, Übergangsysteme wie das Berufsvorbereitende Jahr usw. (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2010, S. X-XI). Eine entspre- chende Grafik befindet sich im Anhang unter Abbildung 3: Das deutsche Schulsystem und andere Bildungsorte auf Seite 70.
Das deutsche Schulsystem und dessen dreigliedrige Teilung in niederes, mittleres und höheres Schulwesen sind historisch bedingt (vgl. van Ackern, Klemm 2007, S. 34). Da- mals war mit dieser Teilung eine strikte soziale Trennung verbunden, wobei das Gymna- sium nach eigenem Selbstverständnis eine Schule für die privilegierten Schichten darstell- te (vgl. Herlitz, Hopf, Titze 2001 in Blömeke, Herzig, Tulodziecki 2007, S. 38). Zwar exis- tiert die damalige soziale Teilung in dieser Form nicht mehr, doch nach Meinung einiger Autorinnen und Autoren besteht heute immer noch ein Unterschied zwischen niederem und höherem Schulwesen. So sehen es auch van Ackern und Klemm. Für sie begrenzt die niedere Schulbildung die Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen und orientiert sich dabei „ auf kognitiv weniger anspruchsvolle Bildungs- und Berufsab- schlüsse (van Ackern, Klemm 2009, S. 61). In der Tat hat sich das deutsche Bildungssys- tem einigen Herausforderungen zu stellen die auch in Bezug auf die Kooperation zwi- schen Jugendhilfe und Schule bedeutsam sind. Aufgrund dessen befasst sich der folgen- de Abschnitt mit den aktuellen Herausforderungen bzw. den Leistungsanforderungen des deutschen Schulsystems.
3.2.2 Leistungsanforderungen im deutschen Schulsystem
In den letzten Jahren haben sich die Diskussionen um erforderliche Leistungen, die das deutsche Schulsystem jedoch nicht erbringt, kontinuierlich ausgebreitet. Ausgelöst wur- den sie mitunter durch die internationalen Vergleichsstudien TIMSS und PISA 2000 (vgl. Deutsches Pisa- Konsortium 2001 in Hamf, Kortas, Schöpa 2010, S. 125). Aber auch schon vor dem Bekanntwerden dieser Studien wusste man über die Probleme des deut- schen Schulsystems Bescheid. Allerdings wurde darüber mit weitaus weniger Vehemenz diskutiert, als dass es nach der Durchführung der Studien der Fall war. Dies kann mit dem schlechten Abschneiden der deutschen Schule im internationalen Vergleich erklärt wer- den (vgl. Otto, Rauschenbach 2008b, S. 9).
Der Vergleich mit anderen Industrieländern hat gravierende Mängel im deutschen Schul- system öffentlich aufgedeckt. So ist in keinem anderen Land der Zusammenhang zwi- schen sozialer Herkunft und den Schulleistungen von Schülerinnen und Schüler so groß wie in Deutschland (vgl. Eberwein 2003; S. 338). Somit verstärkt das deutsche Schulsys- tem die Leistungsunterschiede von Kindern und Jugendlichen, anstatt diese zu reduzie- ren. Eberwein sieht daher die deutschen Schulen nicht in der Lage „ Kinder aus Familien mit geringem sozialem und kulturellem Kapital angemessen zu fördern (Eberwein 2003, S. 338). Schülerinnen und Schüler die zu Anfang ihrer Schulzeit mit nahezu gleicher Leis- tungskompetenz gestartet sind, weisen nach einer gewissen Zeit ein höheres Leistungs- niveau auf, wenn sie eine höhere Schulart besuchen. Infolgedessen bestimmt die gewähl- te Schulform mit über den Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen, der wiederum eng mit der sozialen Herkunft verbunden ist (vgl. Pfeiffer 2008, S. 75). Vor allem ausländische Schülerinnen und Schüler haben es besonders schwer in der deutschen Schule. Sie er- reichen im Vergleich zu deutschen Schülerinnen und Schülern geringere Sekundarab- schlüsse (vgl. Esser 1990, Nauck u.a. 1998 in Becker, Lauterbach 2008, S. 229).
Rauschenbach und Otto stellen fest, dass das deutsche Bildungssystem und damit letztendlich auch die gesamte öffentliche Erziehung nicht in der Lage zu sein scheinen, herkunftsbedingte Unterschiede von Kindern und Jugendlichen auszugleichen. Aufgrund dessen sehen sie im deutschen Bildungssystem keine moderne Demokratie, sondern fühlen sich eher an den damalig vorherrschenden Ständestaat und einer traditionellen Klassengesellschaft erinnert (vgl. Rauschenbach, Otto 2008b, S. 13).
In Bezug auf die Kooperation von Jugendhilfe und Schule ist in diesem Zusammenhang bedeutend, dass die Ergebnisse der PISA Studie keineswegs die Schule alleine betreffen. Auch die Benachteiligungsförderung im Rahmen der Jugendhilfe ist betroffen. Die durch PISA entstehenden Herausforderungen müssen daher von Jugendhilfe und Schule möglichst gemeinsam angegangen werden (vgl. Stolz 2008, S. 119).
3.3 Zwischenfazit
Das Kapitel hat gezeigt, dass sowohl Jugendhilfe als auch Schule sehr unterschiedliche Institutionen mit verschiedenen Strukturen repräsentieren. Die Jugendhilfe ist eine schwer überblickbare Institution, deren Angebote sich grundsätzlich an Kinder, Jugendliche und deren Eltern richten und freiwilliger Natur sind. Nur in einigen Ausnahmen ist das Jugend- amt verpflichtet zu handeln. Jugendhilfe wird als gesellschaftliche Sozialisationshilfe ge- sehen, deren gesetzliche Grundlage das SGB VIII bildet und die über eigenständige Or- ganisationsformen und Zuständigkeiten verfügt. Es gibt sowohl öffentliche als auch freie Träger, die verpflichtet sind partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. Die Gesamtverant- wortung liegt allerdings bei den öffentlichen Trägern. Da die Jugendhilfe in kommunaler Verantwortung liegt, gibt es in den Landkreisen und kreisfreien Städten Jugendämter.
Diese sind zweigliedrig organisiert und setzen sich zusammen aus der Verwaltung und dem Jugendhilfeausschuss. Landesjugendämter unterstützen die örtlichen Träger der Jugendhilfe und fördern unter anderem deren Entwicklung. Die Zuständigkeiten auf Bundesebene fallen dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu, das die Jugendhilfe sowohl finanziell unterstützt als auch in regelmäßigen Abständen einen Kinder- und Jugendbericht veröffentlicht.
Die Schule ist im Vergleich zur Jugendhilfe anders aufgebaut. Grundsätzlich wird zwi- schen dem Schulunterrichtssystem und dem Trägersystem unterschieden. Die Schulver- waltung ist zweigliedrig organisiert, sodass für die Träger unterschiedliche Möglichkeiten in Betracht kommen. Entweder sind es Landkreise und Gemeinden oder das Land selbst. Die Schulträger sind verantwortlich für Einrichtung, Unterhaltung sowie Verwaltung der Schule. Das Land hingegen ist für die Bezahlung von Lehrerinnen und Lehrern verant- wortlich. Schule als pädagogische Institution hat heute die Aufgabe Kinder und Jugendli- che zur Mündigkeit zu erziehen. Sie ist jedoch kein Angebot, das freiwillig gewählt werden kann, da die Kinder und Jugendlichen in Deutschland schulpflichtig sind. Nach einer ge- meinsamen Grundschulzeit können die Schülerinnen und Schüler entweder die Haupt- schule, die Realschule oder das Gymnasium besuchen. Desweiteren existieren diverse Sonder- bzw. Förderschulen. Da die Kulturhoheit bei den 16 Bundesländern liegt, kann jedoch nicht von dem deutschen Schulsystem gesprochen werden. In jedem Bundesland gibt es Besonderheiten, wie zum Beispiel die Werkrealschule in Baden Württemberg und Bayern oder die Gesamtschulen in Hessen oder Nordrhein- Westfalen.
Das deutsche Schulsystem ist jedoch nicht in der Lage, herkunftsbedingte Unterschiede von Kindern und Jugendlichen abzubauen und sieht sich daher kritischen Stimmen und neuen Leistungsanforderungen konfrontiert.
Es ist festzuhalten, dass hier zwei verschiedene Institutionen mit unterschiedlichen Rechtsgrundlagen aufeinandertreffen. Während die Jugendhilfe als Teilsystem der Sozia- len Arbeit zugeordnet ist, wird Schule dem Bildungssystem untergeordnet (vgl. Olk, Speck 2002, S. 15). Aufgrund dessen werden beiden Institutionen andere gesellschaftliche Funk- tionen zugesprochen. Jugendhilfe als Subsystem der Sozialen Arbeit erfüllt stark zusam- mengefasst die Funktion der Integration, wohingegen Schule allgemein formuliert für die gesellschaftliche Reproduktion zuständig ist (vgl. Olk, Bathke, Hartnuß 2000, S. 14-15). Es verwundert angesichts der Unterschiedlichkeit beider Institutionen daher nicht, dass sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede existieren. Gemeinsamkeiten bestehen in der gleichen Zielgruppe, wachsenden pädagogischen Anforderungen und einem päda- gogischen Auftrag (vgl. Speck 2007, S. 30). Die Zielsetzung, die Persönlichkeit junger Menschen zu stärken und eigenverantwortliches Handeln voranzutreiben, stimmt bei bei- den Institutionen grundsätzlich überein (vgl. KMK, AGJ 2004, S. 1134). Unterschiede gibt es hingegen im Grad der Freiwilligkeit, in inhaltlichen Schwerpunkten und den methodi- schen Zugängen (vgl. Speck 2007, S. 30). Laut Deinet erscheinen jedoch beide Systeme sehr stark geschlossen und selbstreferenziell. Die Strukturen des jeweils Anderen bleiben dadurch oft unverstanden. So ist aus schulischer Sicht die Segmentierung der Jugendhilfe schwer zu durchblicken. Es gibt nicht nur viele Handlungsfelder der Jugendhilfe sondern auch unterschiedliche Trägerformen. Im Gegenzug dazu ist die kommunal organisierte Jugendhilfe ihrerseits nur schwer in der Lage, Trägersystem und Schulunterrichtssystem zu durchschauen (vgl. Deinet 2001b, S. 200). Im Anhang ist zum allgemeinen Verständnis unter Abbildung 4 Jugendhilfe- und Schulstruktur auf S. 71 abschließend eine Übersichts- grafik aufgeführt.
Die Kooperation von Jugendhilfe und Schule gestaltet sich aufgrund der unterschiedlichen Entwicklung, strukturellen Unterschieden sowie der Undurchsichtigkeit der jeweiligen Institution daher oft schwierig und ist nicht selten problembelastet. Nichtsdestotrotz ist in den letzten Jahren in der Fachöffentlichkeit verstärkt die Forderung nach einer gelingenden Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule zu verzeichnen. Die Gründe hierfür sind vielfältig und werden im nachfolgenden Kapitel ausführlich behandelt.
4. Notwendigkeit der Kooperation von Jugendhilfe und Schule
Es ist bereits deutlich geworden, dass sich beide Institutionen durch ihre gemeinsame Zielgruppe auszeichnen. Schon allein diese Tatsache begründet eine gemeinsame Zu- sammenarbeit. Dessen ungeachtet sorgen gesellschaftliche Anforderungen dafür, dass die Debatten und Fachdiskussionen in den letzten Jahren stetig zugenommen haben und zu einem Bruch des traditionellen Selbstverständnisses von Jugendhilfe und Schule führ- ten (vgl. Seithe 2008, S. 78). Der 12. Kinder- und Jugendbericht sieht deswegen in gesell- schaftlichen Veränderungen die Notwendigkeit in einer „ Um- und Neugestaltung des der- zeitigen Systems von Bildung, Betreuung und Erziehung (…)“ (BMFSFJ 2005, S. 20). Daraus ergibt sich auch die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule. Im diesem Kapitel werden verschiedene Entwicklungen und Aspekte genannt, die die Notwendigkeit einer Kooperation beider Sozialisationsinstanzen in den letzten Jahren verstärkt erforderlich machen.
4.1 Veränderte Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen
Das Aufwachsen ist in unserer heutigen Zeit für Kinder und Jugendliche nicht gerade ein- fach denn gesellschaftliche, familiäre und persönliche Kontexte sind konfliktbeladener und spannungsreicher als noch vor einigen Jahren. Drilling weist daraufhin, dass die heutige Zeit durch eine Gesellschaft mit pluralen Lebenswelten und vielfältigen Ansprüchen an die Einzelnen geprägt ist (vgl. Drilling 2004, S. 10). Auch der 12. Kinder- und Jugendbe- richt macht auf diese Gegebenheit aufmerksam. Aufgrund der Tatsache, dass die Welt durch Internationalisierungsprozesse geprägt ist, entwickeln sich die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen unter dem Aspekt des demographischen Wandels zu interkul- turellen Wissens- uns Beziehungswelten. Gleichzeitig erweitern sich die Bewegungs- und Informationsräume von jungen Menschen (vgl. BMFSFJ 2005, S. 20-21). In Bezug auf die kindlichen und jugendlichen Lebenswelten ist weiterhin festzustellen, dass diese sich in letzter Zeit vermehrt durch eine sogenannte Verinselung auszeichnen. Durch Sozialisati- onserfahrungen, die stark durch moderne Medien beeinflusst werden, können laut Löw Kinder und Jugendliche keine homogene Raumvorstellung mehr entwickeln. Sie gehen eher von der Vorstellung aus, dass ihre Lebenswelten aus einzelnen Rauminseln beste- hen, anstatt wie früher üblich aus einem immer größer werdenden Raum (vgl. Löw 2001 in Deinet, Sturzenhecker 2005, S. 223). Diese Verinselung von Lebenswelten führt dazu, dass Teilinseln wie Kindergarten, Spielgruppe, Bekannte und Verwandte entstehen und gleichzeitig erreicht werden müssen (vgl. Bucher, Perrez 2000 in Drilling 2004, S. 23).
Verantwortlich für die gerade genannten Veränderungen ist der Wandel von einer In- dustriegesellschaft hin zu einer Marktgesellschaft, die in globaler Konkurrenz mit anderen steht. Auf diesen Wandel machte allerdings schon Ulrich Beck (1986) mit seiner Gesell- schaftsanalyse aufmerksam. Er thematisierte in der „Risikogesellschaft“ die durch den Modernisierungsprozess entstehenden Folgen. So führt die Individualisierung unter ande- rem zu der „ Auflösung von vorgegebenen sozialen Lebensformen (…)“ (Pauli 2006, S. 10) sowie auch von Familienstrukturen, Geschlechterrollen und Erwerbsbiographien. Auf- grund der verschiedenen Möglichkeiten, die sich durch die Auflösung der Normalbiogra- phie ergeben, entsteht eine Vielzahl an Lebensführungen für die sich die Menschen ent- scheiden können und müssen (vgl. Pauli 2006, S. 10-11). Diese Pluralisierung der Le- benslagen führt zu grundlegenden Veränderungen im Verhältnis zwischen Staat und Indi- viduum, deren Folgen sich unter anderem in einer geringeren Identifikation mit der Ge- sellschaft durch den Einzelnen zeigen, als auch durch vermehrten privaten Rückzug und einem risikoreicheren Umgang mit der Umwelt (vgl. Drilling 2004, S. 19). Heitmeyer und Olk weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Individualisierung die Jugend- phase in erheblichem Maße geändert hat. So verlieren zum Beispiel Standardereignisse der Jugendphase, wie die Beendigung der Schulzeit, erfolgreiche Vermittlung in ein Aus- bildungsverhältnis, Eigenständigkeit etc. ihre Vorrangigkeit (vgl. Heitmeyer, Olk 1990 in Pauli 2006, S. 12-13).
Analysen wie die von Beck oder Heitmeyer/ Olk machen deutlich aufmerksam auf die Herausforderungen, die sich aus gesellschaftlichen Veränderungen für Kinder und Ju- gendliche ergeben. Von frühester Kindheit an werden sie an das Leistungsparadigma gewöhnt und müssen sich mit Gefühlen wie Ohnmacht, Angst und Hilflosigkeit auseinan- dersetzen. Somit wird laut Drilling die Sozialisation von Kinder und Jugendlichen zu einer der wichtigsten Herausforderungen, in der sowohl Familie, Freizeit und Schule als auch die Berufswelt erheblichen Einfluss nehmen (vgl. Drilling 2004, S. 20). Gerade aber fami- liäre Strukturen haben sich in den letzten Jahren ebenfalls gewandelt. Viele Kinder und Jugendliche erfahren Unterbrechungen in ihrer Familienzusammensetzung. Oft gibt es gar keine Geschwister und wenn, dann in geringerer Zahl als früher. Häufig kommt es zur Erwerbsarbeit beider Elterneile mit oftmals familienunfreundlichen Arbeitszeiten verbun- den mit steigender Forderung nach Flexibilität und Mobilität. Ebenfalls gewachsen ist der Anteil der Alleinerziehenden (vgl. BMFSFJ 2005, S. 20), obwohl nach wie vor die Ehe die überwiegendste Lebensform darstellt, auch wenn die Zahlen seit 1996 rückläufig sind (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2010, S. 24). Die Wandlung im familiären Zu- sammenleben ist für Kinder und Jugendliche mit einer hohen Anpassungsfähigkeit ver- bunden (vgl. Drilling 2004, S. 22).
Zusätzlich zu den oben genannten Veränderungen im Bereich der Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen kommt noch hinzu, dass auch der Freizeitbereich Veränderungen aufzuweisen hat. So sind junge Menschen in der heutigen Zeit eine viel umworbene Konsumgruppe, die ihr selbst verdientes Geld schnell wieder ausgibt. Da wundert es kaum, dass Verschuldungen junger Menschen zunehmen. Gleichzeitig herrscht in städtischen Wohngebieten nur wenig Entwicklungsspielraum für Kinder und Jugendliche, da dort die Spielmöglichkeiten nur begrenzt, oftmals nur auf behördlichen Flächen, wahrgenommen werden können. Dadurch wird der Kontakt zu Nachbarskindern erschwert, woraus sich im weiteren Entwicklungsverlauf Kommunikations- und Erfahrungsdefizite ergeben können (vgl. BMFSFJ 2002 in Pauli 2006, S. 17).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen erheblich ändern. Sowohl Jugendhilfe als auch Schule sind deshalb auf der Suche nach Konzepten, durch die sie in der Lage sind zum Wohle der Kinder und Jugendlichen zu agieren, anstatt nur zu reagieren. Vor diesem Hintergrund sollte das Ziel gemeinsamer Anstrengungen darin bestehen, die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen gestaltend zu unterstützen. Dies kann nur gelingen, wenn beide partnerschaftlich zusammenarbeiten (vgl. Drilling 2004, S. 11).
Nicht nur die veränderten Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen sind Gründe für eine Kooperation von Jugendhilfe und Schule. Auch die ganzheitliche Bildung derselben macht eine Zusammenarbeit erforderlich. Die folgenden Ausführungen befassen sich daher eingehender mit dieser Thematik.
[...]
1 Die Jugendhilfe kümmerte sich hauptsächlich um Kinder und Jugendliche mit gefährdeten Sozia- lisationsverläufen, die Schule hingegen war für Kinder und Jugendliche ohne Probleme zuständig.
2 In Punkt 3.2.2 Leistungsanforderungen im deutschen Bildungssystem und in 4.2 Ganzheitliche Bildung von Kindern und Jugendlichen.
- Quote paper
- Ramona Schwartz (Author), 2011, Rolle und Aufgabe der SSA in Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/188330
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