Der steigende Wettbewerbsdruck stellt für Unternehmen jeder Größe in der Automobil-Industrie eine Herausforderung dar. Die immer komplexeren Anforderungen und Sättigungstendenzen in den wichtigsten Märkten erschweren das Wachstum erheblich. Um unter diesen schwierigen Gegebenheiten im Verdrängungswettbewerb bestehen zu können, suchen Unternehmen ständig nach Möglichkeiten, ihre Position halten oder sogar ausbauen zu können.
Eine Möglichkeit der Erschließung neuer Geschäftsfelder besteht in Form von Marktnischen. Im Erfolgsfall kann sich daraus ein erhebliches Umsatzpotential entwickeln, dass nicht nur die Möglichkeit der Diversifikation gibt, sondern auch zu zusätzlichem Wachstum führen kann.
Die praktische Relevanz des Themas wird anhand eines Fallbeispiels verdeutlicht, bei dem die Anwendung der Analysekriterien demonstriert wird. Dies dient zum Einen der Überprüfung, ob zu den theoretisch erläuterten Kriterien in der Praxis Daten verfügbar sind und deren Anwendung sinnvoll erscheint. Zum Anderen soll darüberhinaus auch deutlich werden, ob Marktnischen, wie die im Fallbeispiel untersuchte, den Automobilherstellern neue Wachstumschancen bieten können.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung
2 Theoretische Grundlagen zur Beschreibung von Nischen
2.1 Entstehung von Nischen
2.1.1 Ökologisches Nischenmodell
2.1.2 Marktpsychologischer Ansatz
2.1.3 Evolutionstheoretischer Ansatz
2.2 Nischenbegriff
2.3 Nischentypen
2.3.1 Regionale Nischen
2.3.2 Kundennischen
2.3.3 Pro duktnischen
2.3.3.1 Dimension der Nischen
2.3.3.2 Sichtbarkeit der Nischen
2.4 Abgrenzung von Nischen
2.4.1 Sachliche Abgrenzung
2.4.1.1 Ansatz der Substituierbarkeit
2.4.1.2 Ansatz der Preiselastizität
2.4.1.3 Ansatz der Äquivalenzen
2.4.2 Räumliche Abgrenzung
2.4.3 Zeitliche Abgrenzung
2.4.4 Ressourcenbasierte Abgrenzung
2.5 Evolutionspfade von Nischen
2.5.1 Klassische Nischen
2.5.2 Wachstumsnischen
2.5.3 Rückläufige Nischen
2.5.4 Kurzlebige Nischen
3 Entwicklung und Analyse von Nischenaktivitäten
3.1 Generische Wettbewerbsstrategien
3.2 Definition von Nischenstrategien
3.3 Arten von Nischenstrategien
3.4 Ablauf der Nischenaktivitäten
3.4.1 Suche von Nischen
3.4.2 Analyse und Bewertung
3.4.3 Auswahl von Bearbeitungsstrategien
3.4.4 Eintritt und Bearbeitung
3.4.5 Ausbau oderAustritt
3.5 Analyse von Marktnischen
3.5.1 Attraktivität von Nischen
3.5.1.1 Wettbewerb
3.5.1.2 Kunden
3.5.1.3 Interne Fähigkeiten
3.5.1.4 Markt
3.5.2 Mobilitätsbarrieren der Nische
3.5.2.1 Strukturelle Eintrittsbarrieren
3.5.2.2 Strategische Eintrittsbarrieren
3.5.2.3 Institutionelle Eintrittsbarrieren
3.5.2.4 Austrittsbarrieren
3.5.3 Erfolg der Nischenaktivitäten
4 Nischen in der Automobilindustrie
4.1 Ausgewählte Beispiele aktueller Nischen
4.2 Analyse des Fallbeispiels
4.2.1 Attraktivität der Nische
4.2.1.1 Wettbewerb
4.2.1.2 Kunden
4.2.1.3 Interne Fähigkeiten
4.2.1.4 Markt
4.2.2 Mobilitätsbarrieren der Nische
4.2.2.1 Strukturelle Eintrittsbarrieren
4.2.2.2 Strategische Eintrittsbarrieren
4.2.2.3 Institutionelle Eintrittsbarrieren
4.2.2.4 Austrittsbarrieren
4.2.3 Zusammenfassung der Ergebnisse des Fallbeispiels
4.2.4 Erfolg der Nischenaktivitäten
5 Schlussfolgerungen und Ausblick
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2.1: Entstehung von Ordnung im Sozialen Feld
Abb. 2.2: Nische im Sozialen Feld
Abb. 2.3: Evolutionäre Entstehung von Marktnischen
Abb. 2.4: Entwicklungspfade von Nischen
Abb. 3.1: Zyklus der Nischenaktivitäten
Abb. 3.2: Inhaltliche Teilbereiche der Analyse der strategischen Ausgangssituation
Abb. 3.3: Wertkette von Porter
Abb. 3.4: Unternehmungserfolg und Verteilung der Marktlebensphasen bei Nischenunternehmungen
Abb. 4.1: Entwicklung des Geländewagen-Anteils an Neuzulassungen in Deutschland
Abb. 4.2: Markteinführung von Hybridfahrzeugen in einzelnen Ländern
Abb. 4.3: Entwicklung der Anzahl der Unternehmen in der Automobilindustrie
Abb. 4.4: Entwicklung der Gesamt-Fahrzeugproduktion nach Herstellern
Abb. 4.5: Entwicklung von Kapazität und Auslastung der Automobilhersteller
Abb. 4.6: Entwicklung der Eigenleistung je Marke (Delta 2015 vs. 2002)
Abb. 4.7: Zunahme der Fremdleistungje Marke (Delta 2015 vs. 2002)
Abb. 4.8: Entwicklung des jährlichen Hybridfahrzeug-Absatzes in den USA
Abb. 4.9: Prognosen zur Entwicklung des Hybridfahrzeug-Absatzes in den USA
Abb. 4.10: Absatzentwicklung verschiedener Antriebsarten
Abb. 4.11: Entwicklung des Benzin- und Rohölpreises in den USA
Abb. 4.12: Entwicklung der Leistungscharakteristika des Toyota Prius
Abb. 4.13: (Relative) Marktanteile bei Hybridfahrzeugen weltweit im Jahr 2005
Abb. 4.14: Entwicklung des (relativen) Marktanteils von Toyota- Hybridfahrzeugen in den USA
Abb. 0.1: Funktionsweise des Toyota Prius
Abb. 0.2: Größenvergleich der Hybridfahrzeug-Hersteller (Geschäftsjahr 2007)
Abb. 0.3: Entwicklung der CO2 Emissionsgrenzen in den USA und Europa
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Szenarien für die Amortisationsrechnung des Toyota Prius
Tabelle 2: Entwicklung des jährlichen Hybridfahrzeug-Absatzes in den USA
Tabelle 3: Entwicklung des Welt-Energiekonsums nach Energieträgern
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Der steigende Wettbewerbsdruck stellt für Unternehmen jeder Größe in der Automobilindustrie eine Herausforderung dar. Die immer komplexeren Anforderungen und Sättigungstendenzen in den wichtigsten Märkten erschweren das Wachstum erheblich.[1] Um unter diesen schwierigen Gegebenheiten im Verdrängungswettbewerb bestehen zu können, suchen auch die Automobilhersteller ständig nach Möglichkeiten, ihre Position halten oder sogar ausbauen zu können.[2]
Eine Möglichkeit der Erschließung neuer Geschäftsfelder besteht in Form von Marktnischen. Im Erfolgsfall kann sich daraus ein erhebliches Umsatzpotential entwickeln, dass einem Automobilhersteller nicht nur die Möglichkeit der Diversifikation gibt, sondern auch zu zusätzlichem Wachstum fuhren kann.
Für die Bearbeitung von Marktnischen wenden sich die Automobilhersteller keineswegs von ihrem angestammten Geschäft mit der Breite des Marktes ab. Es findet vielmehr eine Ergänzung des Geschäftes um ausgewählte, attraktive Teile des Marktes statt.
Die Schwierigkeit besteht darin, aus der Vielzahl der möglichen Marktnischen diejenigen herauszufinden, die am attraktivsten sind und deren Bearbeitung den meisten Erfolg verspricht. Bisher gibt es jedoch kein standardisiertes Vorgehen, das es erlauben würde, Marktnischen detailliert zu analysieren. Deshalb sollen im Rahmen dieser Arbeit mehrere Dimensionen zur Analyse der Nischenattraktivität entwickelt und auf ihre Eignung zur Bewertung von Marktnischen untersucht werden. Um der Komplexität der Eintrittsentscheidung gerecht zu werden, soll des Weiteren die Analyse von Mobilitätsbarrieren in Marktnischen ermöglicht werden.
Die praktische Relevanz des Themas soll anhand eines Fallbeispiels verdeutlicht werden, bei dem die Anwendung der Analysekriterien demonstriert wird. Dies dient zum Einen der Überprüfung, ob zu den theoretisch erläuterten Kriterien in der Praxis Daten verfügbar sind und deren Anwendung sinnvoll erscheint. Zum Anderen soll darüber hinaus auch deutlich werden, ob Marktnischen, wie die im Fallbeispiel untersuchte, den Automobilherstellern neue Wachstumschancen bieten können.
1.2 Gang der Untersuchung
Das erste Kapitel der vorliegenden Arbeit beschreibt die Problemstellung und stellt den weiteren Verlauf dar.
Im zweiten Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der darauffolgenden Betrachtungen gelegt. Es wird aus bestehenden Modellen, die die Entstehung von Nischen beschreiben, eine Definition des Nischenbegriffs abgeleitet. Zudem werden die verschiedenen Typen von Nischen, die Möglichkeiten zur Abgrenzung dieser und die möglichen Entwicklungen der Umsatzpotentiale im Zeitverlauf vorgestellt.
Das dritte Kapitel der Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung und Analyse von Nischenaktivitäten. Es werden Arten von Nischenstrategien und der operative Prozess der Nischenaktivitäten vorgestellt. Schließlich wird ein Ansatz zur Analyse der Attraktivität von Marktnischen und der Bedeutung verschiedener Mobilitätsbarrieren für Marktnischen entwickelt.
Im vierten Kapitel wird, nach der Vorstellung beispielhafter Nischen in der Automobilindustrie, die Nische der Hybridfahrzeuge im Detail analysiert. An diesem Beispiel werden die theoretisch beschriebenen und auf Nischenrelevanz überprüften Kriterien innerhalb ihrer Dimensionen praktisch angewendet. Dabei soll versucht werden, dass Fallbeispiel zunächst weitestgehend herstellerunabhängig zu untersuchen. Im Anschluss erfolgt die Untersuchung des Erfolgs des Unternehmens Toyota in der Nische der Hybridfahrzeuge. Die entwickelten Konzepte werden somit an der Praxis gespiegelt, um die Eignung des Analyse-Ansatzes zu überprüfen und die Bedeutung von Marktnischen für die Automobilindustrie zu untersuchen.
Im letzten Kapitel werden die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zusammenfassend dargestellt und Anregungen für mögliche, weitere Untersuchungen gegeben.
2 Theoretische Grundlagen zur Beschreibung von Nischen
2.1 Entstehung von Nischen
In der Literatur werden verschiedene Definitionen des Nischenbegriffs verwendet, die in der Regel an ein bestimmtes Modell der Nischenentstehung geknüpft sind. Daher scheint es sinnvoll, zunächst die wichtigsten Modelle der Nischenentstehung hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit bzw. Aussagekraft zu analysieren und erst danach den Begriff der Nische konkret zu definieren.
2.1.1 Ökologisches Nischenmodell
In der klassischen Ökologie ist die Nische ein funktionales Konstrukt, das die Verteilung von Arten auf Lebensräume beschreibt.[3]
Als Ausgangspunkt hat dieses Modell einen Lebensraum, in dem verschiedene Arten existieren. Eine Nische entsteht in dem Moment, in dem die charakteristischen Merkmale einer Art sich mit den vorherrschenden Umweltbedingungen decken, eine Art also den zu ihr passenden Abschnitt des Lebensraums findet.[4] Es ist möglich, dass einige der Faktoren der Umweltbedingungen von der Art nicht benötigt und somit nicht besetzt werden. Andersherum müssen aber alle Faktoren, die die Art benötigt, in der Umwelt gegeben sein. Umso spezifischer nun die Anforderungen einer Art an die Umwelt sind, umso schwieriger ist es für sie, einen geeigneten Lebensraum zu finden. Ist der sehr spezifische Lebensraum jedoch einmal gefunden, wird die Konkurrenzsituation dort in der Regel nicht intensiv sein.[5]
Das ökologische Nischenmodell impliziert, dass die Art und die Attraktivität der Umweltbedingungen in Verbindung mit den Fähigkeiten von Lebewesen determinieren, wie stark der Konkurrenzdruck in einem Teil des Lebensraums ist. Stellt man die Analogie zum Markt her, führt dies dazu, dass die Attraktivität eines Marktsegmentes in
Kombination mit den Fähigkeiten der Unternehmen bestimmt, wie intensiv der Wettbewerb dort ist.[6]
Das Resultat in der Ökologie ist, dass die schwächsten Arten sich auf den unattraktivsten Teil des Lebensraumes zurückziehen. Die konkurrenzfähigsten Arten werden in der Regel einen geographisch kleineren, dafür aber deutlich attraktiveren Raum für sich bekommen.[7]
Problematisch für die Übertragung dieses Modells auf Marktnischen ist, dass ökologische Nischen nie freiwillig besetzt werden, sondern sich erst durch die Verdrängung eines Lebewesens aus einem anderen Teil des Lebensraumes herausbilden.[8] Die vollständige Übertragung des Modells auf die Unternehmenssituation würde bedeuten, dass ein Unternehmen nicht die Möglichkeit hätte, zu entscheiden, ob und welche Marktnischen es bearbeitet.
2.1.2 Marktpsychologischer Ansatz
Der marktpsychologische Ansatz nutzt als Erklärungsgrundlage das Soziale Feld. Darin sind alle Mitglieder eines sogenannten Themenfeldes, zum Beispiel alle Personen, die am Kauf eines Fahrzeuges interessiert sind, abgebildet.[9]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.1: Entstehung von Ordnung im Sozialen Feld.
(Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Spiegel (1961), S.23.)
Die Abbildung zeigt, dass die Mitglieder des Sozialen Feldes, dargestellt durch kleine Kreise, zunächst relativ willkürlich angeordnet sind, bis eine beliebige Anzahl von Dimensionen, im abgebildeten Beispiel ist es eine, zur Strukturierung eingeführt wird.
Diese Dimensionen sind im Fall des Kaufprozesses die Angebots- bzw. Nachfragedimensionen, anhand derer Verkäufer und Käufer über Transaktionen entscheiden. Nun ordnen sich die Individuen entsprechend ihrer Präferenzen der Ausprägungen der Dimension an.[10]
Zur Veranschaulichung ist als Beispiel vorstellbar, dass in einem Themenfeld für potentielle Autokäufer die zwei Dimensionen „Kaufpreis“ und „Fahrleistung“ angeboten werden, abgebildet durch die horizontale und die vertikale Achse:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.2: Nische im Sozialen Feld. (Quelle: Spiegel, B. (1961), S.102.)
Dabei bilden sich Gruppierungen an bestimmten Stellen, um die sog. Meinungsgegenstände herum.[11] Im Beispiel wären das drei Fahrzeuge mit unterschiedlichen Ausprägungen in beiden Dimensionen, die Interessenten sind ihren Präferenzen entsprechend angeordnet. Von Relevanz sind nun die Räume zwischen den Angebotsbereichen, in denen sich die Interessenten offenbar von keinem der Meinungsgegenstände so angezogen fühlen, dass sie sich dafür entscheiden. An dieser Stelle hat sich eine, in diesem Fall manifeste, Marktnische herausgebildet.[12]
Aus diesem Ansatz lassen sich einige interessante Aussagen ableiten: Hier kann ein Unternehmen aktiv eingreifen und ist durch die Platzierung der Meinungsgegenstände, bzw. Produkte, daran beteiligt, ob Interessenten sich entscheiden oder nicht - entsprechend der Nähe der Produkte zu den Präferenzen der Interessenten. Es ist jedoch auch ersichtlich, dass die Fähigkeit zur Darstellung einer großen Menge von Dimensionen, wie sie in die meisten Kaufentscheidungen einfließen, nur sehr begrenzt gegeben ist.
Die Entstehung von Marktnischen wird nach dem marktpsychologischen Ansatz also dadurch begründet, dass Interessenten sich an den Angebotsdimensionen von Unternehmen ausrichten und sich für eine Kombination der Ausprägungen der Dimensionen entscheiden. Für den Fall, dass sie diese Entscheidung nicht treffen können, entsteht eine Nische.
2.1.3 Evolutionstheoretischer Ansatz
Die Grundlage des evolutionstheoretischen Ansatzes zur Erklärung von Nischen ist die Tatsache, dass Konsumentenverhalten, unternehmerisches Handeln und Märkte evolutionäre Prozesse durchlaufen. Es wird ferner davon ausgegangen, dass die Entwicklung von Märkten dem Evolutionsverlauf biologischer Arten ähnelt.[13]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.3: Evolutionäre Entstehung von Marktnischen.
(Quelle: Rosenbaum, M. (2007), online.)
Die Abbildung stellt analog zur evolutionären Entwicklung biologischer Arten dar, wie sich Märkte im Zeitverlauf entwickeln und sich immer weiter differenzierte Angebote herausbilden. Das kann daran liegen, dass sich die Bedürfnisse der Nachfrager ändern und die Anbieter reagieren, oder daran, dass die Veränderungen durch die Angebotsseite induziert werden. Zentral ist zu bemerken, dass die einzelnen Pfade AngebotsNachfrage-Kombinationen darstellen, was bedeutet, dass eine, wenn auch marginale Nachfrage an jedem der dargestellten Punkte bestanden hat oder besteht. Umso schmaler der jeweilige Pfad im Querschnitt ist, umso eher ist das Produkt als Nischenprodukt zu bezeichnen.[14]
Diese Darstellung soll beispielhaft verdeutlichen, wie eine Marktentwicklung aussehen kann und dass sich aus einem zunächst undifferenzierten Markt wie dem der Zahnpasta Nischen herausbilden können. Ergänzend ist zu beachten, dass die Evolution von Märkten auch „anorganisch“ vonstatten gehen kann, d.h., dass komplett neue Pfade entstehen, die sich nicht zwingend aus bereits bestehenden heraus entwickeln. Die Gründe der Entstehung neuer, aber auch der Weiterentwicklung alter Pfade können in diesem Ansatz sowohl aufSeiten des Nachfragers als auch des Unternehmens liegen.[15]
Der evolutionstheoretische Ansatz, der von Rosenbaum (1999) entwickelt wurde, hat den größten potentiellen Nutzen zur Analyse von Marktnischen. Die Tatsache, dass die Interaktion der Marktteilnehmer dazu führt, dass sowohl Impulse von der Nachfrage- als auch von der Angebotsseite zu einer Weiterentwicklung des Marktes führen können, macht den evolutionstheoretischen Ansatz zum am geeignetsten erscheinenden Modell zur Erklärung der Entstehung von Marktnischen.
2.2 Nischenbegriff
Eine Definition des Nischenbegriffs stammt von Kotler/Bliemel (1995). Entsprechend dieser sind Nischen die kleinste Stufe der Unterteilung eines Marktes, im Sinne einer kleinen Gruppe von Leuten.[16]
Im Rahmen des evolutionstheoretischen Ansatzes, der die beste Erklärung für die Entstehung von Marktnischen liefert, wurde die Interaktion zwischen Angebot und Nachfrage als das zentrale Nischenmerkmal beschrieben. Da die Veränderung der Nachfragesituation Nischen entstehen lassen kann, sollte den Bedürfnissen der Kunden in der Nischendefinition stärker Rechnung getragen werden und die Definition der Nische nicht auf der Größe allein beruhen. Aus diesem Grund wird die Nischendefinition von Danner (2002) fur den Fortgang dieser Arbeit übernommen:
„Die Nische ist ein rentabler Teilmarkt, der entsteht, wenn sich ein Anbieter in einem segmentierten Markt auf bestimmte Kunden, Produkte oder Regionen konzentriert und dort Bedürfnisse erstmalig erfüllt oder genauer befriedigt.“[17]
2.3 Nischentypen
Eine Nische existiert entsprechend der gewählten Definition immer dann, wenn nicht der gesamte Markt in allen seinen Dimensionen bedient wird, sondern eine Konzentration auf mindestens eine Dimension stattfindet.[18] Je nachdem, welche Dimensionen bedient werden, entstehen unterschiedliche Nischentypen. Die Charakterisierung der Nischentypen wird von Verfahren zur Segmentierung von Märkten abgeleitet.[19] Diese wurden so angepasst, dass sie dem besseren Verständnis der Nischentypen dienlich sind.
Grundsätzlich ist bei der Segmentierung immer zu beachten, dass die verwendeten Segmentierungskriterien bestimmte Anforderungen erfüllen. Die wichtigsten Anforderungen sind, dass sie kaufverhaltensrelevant, messbar, mit vertretbarem Aufwand erfassbar und zeitlich weitestgehend stabil sind.[20]
In den folgenden Kapiteln werden nun die drei Grundtypen von Nischen, also regionale Nischen, Kundennischen sowie Produktnischen beschrieben und Ansätze vorgestellt, wie Detaillierungen dieser Typen aussehen können.
2.3.1 Regionale Nischen
„Ein regionaler Teilmarkt kann als Nische bezeichnet werden, wenn die Analyse der Wettbewerbskräfte ergibt, dass Unterschiede zum Gesamtmarkt vorhanden sind.“[21]
Um eine geographische Region auf Unterschiede in den Wettbewerbskräften zu untersuchen, ist eine Segmentierung des Gesamtmarktes nach geographischen Indikatoren notwendig. Der erste Schritt einer geographischen Segmentierung kann eine MakroSegmentierung sein. Mit vergleichsweise geringem Aufwand kann eine erste Klassifizierung anhand von Kriterien wie Kontinent, Region, Land, Bundesland, Stadt, Landkreis und Gemeinde vorgenommen werden.[22]
Falls nötig, kann im zweiten Schritt eine Mikrosegmentierung vorgenommen werden. Dabei wird angenommen, dass Menschen, die in enger Nachbarschaft leben auch ein vergleichbares Kaufverhalten aufweisen, so kann eine Segmentierung bis auf Straßenzüge oder Wohnblöcke erfolgen.[23] Dieser Schritt verursacht jedoch einen relativ großen Aufwand in der Datenbeschaffung und -pflege, die notwendig ist, da es auf diesem Mikroniveau schnell zu Veränderungen kommen kann.[24]
Für das Auffinden, Beschreiben und Bearbeiten von Nischen kann die Mikrosegmentierung hilfreich sein. Viele Analysen werden vermutlich jedoch an den Aggregationsebenen „Bundesland“ oder „Stadt“ der Makrosegmentierung beendet, da der Anspruch der Wirtschaftlichkeit nur noch in Ausnahmefällen gegeben sein dürfte.
2.3.2 Kundennischen
Eine weitere Möglichkeit, Nischen zu typologisieren, ist die Beschränkung auf einen bestimmten Kundenkreis. Dabei wird sich auf eine oder mehrere Abnehmergruppen konzentriert, andere im Gegenzug vernachlässigt. Die Kunden können grundsätzlich unterteilt werden in solche, die das Produkt weiterverarbeiten oder verkaufen und in Endkunden.[25]
Kunden, die das Produkt weiterverarbeiten oder verkaufen, sog. Business-to-Business (B2B) Kunden könnten in weitere Segmente unterteilt werden. Z.B. segmentiert entsprechend der Abnehmerbranche (z.B. Landwirtschaft vs. Automobilindustrie), der Strategie des Abnehmers (z.B. Kostenführerschaft vs. Differenzierung) oder nach der zuständigen entscheidungsfällenden Einheit (z.B. Kauf durch speziell geschultes Buying-Center vs. Kauf durch nutzenden Ingenieur).[26]
Auch beim Geschäft mit den Endkunden, dem Business-to-Consumer (B2C) Geschäft, kann eine feinere Segmentierung vorgenommen werden. Es lassen sich dabei grob zwei Arten von Verfahren Unterscheiden.
Auf der einen Seite stehen Verfahren wie der Value And Lifestyle (VALS)- Ansatz, bei dem u.a. Interessen und Werthaltungen erforscht und Kunden in Gruppen, z.B. Experiences (Erleber) oder Struggles (Überlebensbemühte), eingeteilt werden.[27] Auf der anderen Seite gibt es weniger komplexe Verfahren, wie die soziodemographische Marktsegmentierung. Diese haben den großen Vorteil in der Einfachheit der Datenerfassung.[28] Dabei werden Segmente anhand demographischer Kriterien wie Geschlecht, Alter oder Familienstand, sowie sozioökonomischen Kriterien wie Ausbildung oder Einkommen, gebildet.[29]
Es ist ersichtlich, dass sich die Art der Segmentierung der Kunden nach den Ansprüchen des Unternehmens richten muss. Im Bedarfsfall, d.h. wenn eine Nische nicht hinreichend genau beschrieben zu sein scheint, können im ersten Schritt verwendete Verfahren, wie die soziodemographische Segmentierung, durch komplexere ergänzt werden, um die Aussagekraft zu erhöhen, und die Nischenaktivitäten effizienter zu gestalten.
2.3.3 Produktnischen
Für die folgenden Betrachtungen der verschiedenen Arten von Produktnischen ist zu beachten, dass unter dem Begriff „Produkte“ Dienstleistungen und physische Produkte zusammengefasst in die Betrachtung eingeschlossen werden.
2.3.3.1 Dimension der Nischen
Die Unterteilung in horizontale und vertikale Nischen stammt von Rosenbaum/Monßen (2004) und unterscheidet, ob das Angebot in einem Markt verdichtet oder erweitert wird.
Von einer horizontalen Nische ist immer dann die Rede, wenn es ein bestimmtes Produkt zwar auf dem Markt bereits gibt, dieses aber besser auf eine Zielgruppe abgestimmt werden kann. Umso besser ein Unternehmen also weiß, welche Merkmale weiterentwickelt werden sollten, umso erfolgreicher kann es horizontale Nischen bearbeiten.[30]
„Horizontale Nischen liegen zwischen den Angeboten des Massenmarktes oder in deren Randbereichen und fuhren zu einer Verdichtung des Marktes.“[31]
Von vertikalen Nischen ist die Rede, wenn einem Markt eine neue Dimension hinzugefugt wird, das heißt, dass der Markt weiterentwickelt wird. Dabei werden keine vorhandenen Eigenschaften verfeinert, sondern Produkten neue Eigenschaften hinzugefügt[32]
„Vertikale Nischen bedeuten eine Weiterentwicklung des Marktes durch eine zusätzliche Angebots-Nachfrage-Dimension, die es bisher noch nicht gab.“[33]
2.3.3.2 Sichtbarkeit der Nischen
Die Unterscheidung von Nischen in manifeste und latente Nischen, das heißt die Unterscheidung danach, ob Nischen direkt sichtbar oder nicht sichtbar sind, geht auf den in Kapitel 2.1.2 vorgestellten marktpsychologischen Ansatz von Spiegel (1961) zurück.[34]
Manifeste Nischen existieren, wenn sich potentielle Konsumenten für keines der angebotenen Produkte entscheiden wollen oder können. Die jeweiligen Angebote sind im Fall der Existenz manifester Nischen zu weit von den Vorstellungen der Nachfrager entfernt.[35] Wie in Abb. 2.2 sichtbar können oder wollen sich einige potentielle Konsumenten für keinen der Meinungsgegenstände entscheiden und bleiben ohne Zuordnung.[36]
Spiegel (1961) bemerkte, „dass kaum manifeste Nischen anzutreffen sein werden, wenn das Feld auch nur einigermaßen mit Konkurrenten in halbwegs gleichmäßiger Verteilung besetzt ist und auch nur einiger Bedürfnisdruck besteht.“[37]
In einer Situation, in der ein potentieller Konsument vor einer Entscheidung steht und Handlungsdruck, z.B. auf Grund innerer Bedürfnisse verspürt, wird er es demnach fast immer vorziehen, sich für Irgendetwas zu entscheiden, als sich gar nicht zu entscheiden und folglich zu verzichten.[38] Manifeste Nischen sind demnach ein sehr seltenes Phänomen.
Für den Fall, dass sich Interessenten unter entsprechendem Druck, ob von Seiten des Verkäufers oder auf Grund innerer Bedürfnisse, zum Kauf entscheiden, heißt dasjedoch nicht, dass die Nische damit vollständig verschwunden ist, sie ist „nur verborgen, ist das geworden, was wir latente Nische nannten.“[39] In latenten Nischen haben sich auf Grund des Handlungsdrucks alle Konsumenten für eine Alternative entschieden. Dadurch ist die Nische nicht verschwunden, sonder nur verborgen.
Es scheint attraktiver für ein Unternehmen zu sein, einen Markt mit bestehenden Positionierungen von Konkurrenten und bestehenden Nischen zu bearbeiten, als auf ein konkurrentenfreies Feld zu treffen. Ein Grund dafür ist, dass man sich bei Eintritt in den Markt, bei Einnahme einer neuen Position, oft bereits die Kunden sichert, die bisher eine ablehnende Haltung zum bestehenden Angebot hatten. Man erreicht also die Kunden, die latent auf der Suche nach etwas Neuem sind. Es ist aber auch deshalb interessant, weil der bereits bestehende Wettbewerb die Kunden interessiert, aktualisiert und sensibilisiert hat und sie somit empfänglicher für neue Angebote sind.[40]
Es ist zu beachten, dass im weiteren Verlauf der Arbeit der Fokus auf Produktnischen gelegt wird. Deshalb erfolgt eine synonyme Verwendung der Begriffe „Produktnische“, „Marktnische“ und „Nische“, falls nicht explizit anders an gegebener Stelle erwähnt.
Nachdem verschiedene Typen von Nischen dargestellt wurden, sollen nun Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie Nischen abgegrenzt werden können.
2.4 Abgrenzung von Nischen
Die Bestimmung der Grenzen, an denen eine Nische beginnt und aufhört ist in der Regel sehr schwierig, aber für eine effiziente Bearbeitung unerlässlich. Im Folgenden sollen nun vier Methoden zur Abgrenzung von Nischen dargestellt werden.
2.4.1 Sachliche Abgrenzung
Zur sachlichen Abgrenzung von Märkten, und demzufolge auch von Nischen, sollen in Anlehnung an Danner (2002) nun drei verschiedene Ansätze beschrieben werden.
2.4.1.1 Ansatz der Substituierbarkeit
Eine Möglichkeit, Marktnischen zu charakterisieren, besteht darin, sie als Ergebnis mangelnder Substitute zu sehen. Nicht alle verfügbaren Produkte sind identisch und perfekt substituierbar mit allen anderen; sie sind über mehr als nur den Preis unterscheidbar.[41]
Da sich Produkte in der Regel durch eine Vielzahl von Eigenschaften unterschieden, ist ihre Substituierbarkeit oft stark begrenzt. Nun „kann die These aufgestellt werden, dass der Reiz von Nischen häufig gerade darin liegt, dass sie durch Substitutionslücken[42] von anderen Marktbereichen abgeschirmt sind.“[43] Das heißt, dass sich Produkte in einer Nische so sehr von Produkten in anderen Teilen des Marktes unterscheiden, dass sie in der Wahrnehmung der Konsumenten etwas Besonderes und kaum substituierbar sind.
Eine Möglichkeit zur Abgrenzung von Nischen besteht also darin, die Substituierbarkeit verschiedener Produkte zu betrachten und deren Substitutionslücken aufzuspüren.
2.4.1.2 Ansatz der Preiselastizität
Eine weitere Art, Teile eines Marktes voneinander abzugrenzen, besteht im Vergleich von Kreuzpreiselastizitäten von Produktpaaren. Diese geben die relative Veränderung des Absatzes eines Produktes bei relativer Veränderung des Preises des anderen an:[44] relative Mengenänderung beiGutX Δχ py relative Preisänderung bei Gut Y Дру x
Umso höher die Kreuzpreiselastizität ist, desto eher sind die beiden Produkte substituierbar und gehören dem gleichen Teil eines Marktes an.[45]
Eine Klassifizierung von Nischen anhand von Preisen kann in der Regel nur ein grober Anhaltspunkt sein, da der Preis eines Produktes immer auch Wettbewerbsstrategien des verkaufenden Unternehmens widerspiegelt und es so zu Verzerrungen kommen kann.[46]
2.4.1.3 Ansatz der Äquivalenzen
Zur Abgrenzung anhand der Äquivalenz gibt es drei Ansätze. Der erste ist die Abgrenzung durch Ähnlichkeiten bei für die Produktion verwendeten Rohstoffen oder Verfahren, anhand derer sich Gruppen bilden lassen.[47] Alternativ kann die Abgrenzung auf Basis der funktionalen Äquivalenz erfolgen, bei der Produkte anhand ihrer Grundfunktionen klassifiziert werden. Dieser Ansatz wirkt stark vereinfachend, da z.B. alle Autos auf den gemeinsamen Nenner der Fortbewegung festgelegt werden und somit nur eine sehr grobe Klassifizierung möglich ist.[48] Der dritte Ansatz gilt als am besten geeignet: der Ansatz der reaktiven Äquivalenz. Es werden dabei die aus Kundensicht wahrgenommenen Funktionen von Produkten einbezogen. Anhand dieser Funktionen, die sehr subjektiv sind und mit Hilfe verschiedener Verfahren verifiziert werden sollten, können Produkte sehr klar bestimmten Gruppen zugeordnet und von anderen abgegrenzt werden.[49]
2.4.2 Räumliche Abgrenzung
Grundlage der räumlichen Abgrenzung sind in der Regel Segmentierungsverfahren, wie sie im Rahmen der regionalen Nischen (siehe Kapitel 2.3.1) beschrieben wurden. Ergänzend können auch die folgenden Umstände eine Grenze von Marktnischen darstellen.
Politisch-rechtliche Grenzen sind gegeben durch Ländergrenzen, an denen u.U. Zölle oder Steuern erhoben werden, die ein Handelshemmnis darstellen können. Natürlichtechnische Grenzen sind gegeben, wenn ein Nischenprodukt verderblich ist und nur über einen bestimmten Zeitraum oder eine bestimmte Entfernung transportiert werden kann. Das Gleiche gilt für die Abgrenzung durch Transportkosten, die den Vertrieb des Nischenproduktes ab einer bestimmten Entfernung oder wegen eines bestimmten, zwingend zu verwendenden Transportmittels unrentabel machen würden. Die letzte Möglichkeit einer räumlichen Abgrenzung sind regionale Gegebenheiten, die dazu führen, dass, auf Grund von Kaufgewohnheiten, Interessen etc. die in verschiedenen Regionen unterschiedlich ausgeprägt sind, auch die Nachfrage nach bestimmten Produkten sehr unterschiedlich sein kann.50
2.4.3 Zeitliche Abgrenzung
Die dritte Möglichkeit zur Abgrenzung von Marktnischen besteht im Einbezug der Dimension Zeit. Die Abgrenzung kann auf zwei Ebenen erfolgen.
Zum Einen kann es sein, dass ein sich wiederholendes Zeitfenster zur Verfügung steht, in dem ein bestimmtes Produkt ein Nischenprodukt ist.51 Ein 24-Stunden-Restaurant bearbeitet, ob bewusst oder unbewusst, in den späten Nachtstunden eine Nische, da es zu diesem Zeitpunkt Kundenbedürfnisse befriedigt, die sonst niemand bedienen würde.
Die zweite Ebene der zeitlichen Abgrenzung beschreibt den Zeitraum zwischen dem eigenen Markteintritt und dem von Wettbewerbern. Es ist möglich, dass, sobald ein wei-[49][50][51] terer Wettbewerber in die Nische eintritt, diese gänzlich unattraktiv wird. Im Rahmen der kurzlebigen Nischen (siehe Kapitel 2.5.4) und vor allem während der Analysen zur Attraktivität von Marktnischen (siehe Kapitel 3.5.1) wird noch näher darauf eingegangen, welche Vorteile es haben kann, als Erster in der Nische aktiv zu sein.
2.4.4 Ressourcenbasierte Abgrenzung
Der vierte und letzte Ansatz zur Abgrenzung von Marktnischen basiert auf den Fähigkeiten und dem Wissen eines Unternehmens. Die Grenzen eines Marktes oder einer Nische werden dadurch gesetzt, zu welchen Leistungen Unternehmen im Stande sind.[52]
Das folgende Beispiel soll diesen Ansatz verdeutlichen. Die Fähigkeiten, insbesondere in Bezug auf EDV und finanzielle Ressourcen, die ein Automobilhersteller besitzt, können es ihm durchaus auch ermöglichen, Kredite oder Versicherungen anzubieten, was klassischerweise Banken oder Versicherungsgesellschaften vorbehalten war.[53] Die Grenzen werden nicht mehr anhand der Produkte gezogen, sondern es erfolgt eine Abgrenzung eines Marktes anhand der Fähigkeiten der potentiellen Marktteilnehmer.
Die vier beschriebenen Ansätze zur Abgrenzung von Nischen sind in Summe vor allem als ergänzende Charakterisierung von Marktnischen zu verstehen, durch die die Nischentypen genauer beschrieben und gezielter bearbeitet werden können.
2.5 Evolutionspfade von Nischen
Die Betrachtung der Evolutionspfade von Nischen setzt drei Gegebenheiten voraus: Nischen können das Potential besitzen, sich zum Massenmarkt zu entwickeln, die Nachfrage in Nischen ist nicht zwingend stabil und der Wettbewerbsdruck kann so hoch sein wie auf dem Gesamtmarkt.[54] Um mögliche Entwicklungen voneinander abzugrenzen werden nun vier, nach denkbaren Evolutionspfaden unterteilte Arten von Nischen vorgestellt: Die klassische Nische, die Wachstumsnische, die rückläufige Nische sowie die kurzlebige Nische.[55]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.4: Entwicklungspfade von Nischen. (Quelle: Rosenbaum, M. (2006), online.)
Die Abbildung zeigt vier mögliche Entwicklungspfade des Umsatzpotentials im Zeitverlauf, auf die in den folgenden Abschnitten genauer eingegangen wird.
2.5.1 Klassische Nischen
Der Zeitraum, in dem ein Produkt am Markt verfügbar ist, wird normalerweise mit Hilfe von Produktlebenszyklus-Modellen in drei bis sechs Phasen unterteilt. Dabei ist die Grundaussage stets, dass das Marktvolumen eines Produktes zunächst ansteigt, um dann nach einer gewissen Zeit wieder abzuflachen oder sogar Null zu werden.[56]
Patton (1959) stellte ein mögliches Schema für einen Produktlebenszyklus in vier Phasen vor: Markteinführung, Wachstum, Reife und Rückgang.[57] Klassische Nischen können sich ähnlich diesem Modell entwickeln, bei einem im Vergleich zum Gesamtmarkt entsprechend geringeren Volumen.[58] Das Umsatzpotential steigt bis zum Höhepunkt gleichmäßig an, um dann im Zeitverlauf wieder langsam abzusinken (siehe Abb. 2.4).[59]
2.5.2 Wachstumsnischen
Für den Fall, dass sich eine Nische im Laufe der Zeit so weit entwickelt, dass sie zum Massenmarkt wird, spricht man von einer Wachstumsnische. Das heißt, dass eine
Marktnische, für die ursprünglich nur eine sehr geringe Zahl von Konsumenten vorhanden war, eine immer größere Menge anzieht und sie aus dem Nischendasein herauswächst. Das Umsatzpotential von Wachstumsnischen steigt im Zeitverlauf immer weiter an und findet zunächst kein Maximum (siehe Abb. 2.4).[60]
2.5.3 Rückläufige Nischen
Das Gegenstück zu Wachstumsnischen sind rückläufige Nischen. Während Wachstumsnischen sich zu Massenmärkten entwickeln, sind rückläufige Nischen das, was von einem Massenmarkt übrig geblieben ist. Da diese Art von Nischen im Bezug auf ihr Umsatzpotential immer kleiner werden (siehe Abb. 2.4), drängt sich die Frage auf, wie lange das Volumen groß genug ist, um Anbieter zu halten oder neue anzuziehen.[61]
Es scheint jedoch keinesfalls sicher, dass rückläufige Nischen immer komplett verschwinden. Denkbar ist, dass einige sich auf einem geringen Niveau noch über einen großen Zeitraum halten, da es eine kleine, aber loyale Gruppe von Nachfragern gibt, die im Idealfall das Geschäft durch eine hohe Zahlungsbereitschaft attraktiv macht.
2.5.4 Kurzlebige Nischen
Kurzlebige Nischen entstehen oft durch Trends, die nach kurzer Zeit aber wieder an Relevanz für die Konsumenten verlieren, wodurch dieser Markt auch wieder relativ unattraktiv werden oder sogar verschwinden kann. Wie in Abb. 2.4 ersichtlich, erreichen kurzlebige Nischen bereits sehr schnell das Maximum an Umsatzpotential, welches dann aber auch entsprechend schnell wieder sinkt. Gründe für das schnelle Ende von Nischen können die Unreife des Produktes oder die Verdrängung vom Markt durch andere Anbieter sein.[62]
Zwischen den Evolutionspfaden kann es Überschneidungen geben, die in der Regel durch unterschiedliche Auffassungen darüber entstehen dürften, was in zeitlicher Hinsicht „kurz“ oder „lang“ ist. Die verschiedenen Entwicklungspfade zeigen jedoch, dass Marktnischen dynamische Entwicklungen durchlaufen können, die sowohl Chancen als auch Risiken bergen.
3 Entwicklung und Analyse von Nischenaktivitäten
3.1 Generische Wettbewerbsstrategien
Eine entscheidende Fragestellung im Rahmen der Wettbewerbsstrategien ist nach Porter (1999) die nach der relativen Position eines Unternehmens innerhalb seiner Branche. Eine günstige relative Ausgangsposition kann demnach auch zu hohen Erträgen führen, obwohl die Branchenstruktur ungünstig und die durchschnittliche Rentabilität nur mäßig ist.[63]
Die erste generische Wettbewerbsstrategie ist die der Kostenführerschaft. Durch eine Vielzahl von Aktivitäten, u.U. in verschiedenen Geschäftsfeldern, erreicht das Unternehmen eine hohe Stückzahl, kann Skaleneffekte oder günstigere Konditionen bei Zulieferern nutzen und wird vor allem einen Wettbewerbsvorteil durch niedrige Kosten erlangen.[64]
Nimmt ein Unternehmen hingegen die Differenzierung als Grundausrichtung an, wird es versuchen, möglichst viele der in der Branche wichtigen Bedürfnisse besser als die Wettbewerber zu befriedigen. Es geht jedoch neben der Breite der Differenzierung auch darum, sich an einem bestimmten Punkt sehr deutlich vom Wettbewerb abzusetzen, um im Ergebnis höhere Preise rechtfertigen und höhere Gewinne erzielen zu können.[65]
Der dritte Strategietyp ist die Anwendung einer der beiden vorstehenden Wettbewerbsstrategien auf einen bestimmten Ausschnitt des Marktes. Um mit der Konzentration auf Schwerpunkte einen Wettbewerbsvorteil zu erreichen, müssen die internen Gegebenheiten besser zum ausgewählten Ausschnitt passen, als zum Rest der Branche, oder die darin befindlichen Kunden müssen über Bedürfnisse verfügen, die nur von einem bestimmten Unternehmen außergewöhnlich gut bedient werden können.[66]
Die drei Strategietypen können nützlich sein, um einen Überblick der grundsätzlich möglichen Ausrichtungen eines Unternehmens zu erhalten. Aus Sicht des Verfassers dieser Arbeit ist der größte Kritikpunkt an den Generischen Wettbewerbsstrategien, dass ein Unternehmen eine der beiden Grundrichtungen konsequent annehmen soll, um nicht unterdurchschnittliche Renditen dadurch zu erwirtschaften, dass es „zwischen den Stühlen“[67] ist, also weder Kostenführerschaft noch Differenzierung anstrebt. Insbesondere im Zeitverlauf scheint es aber möglich, dass die Grundrichtung variiert. Dies wird am Modell der „Outpacing Strategies“ von Gilbert/Strebel (1987) deutlich. Demnach kann ein Unternehmen, das bspw. zunächst kostenorientiert vorgegangen ist, versuchen, den wahrgenommenen Wert der Produkte zu steigern, den Preis zu erhöhen und im Erfolgsfall von den günstigen Kosten und zusätzlich von der veränderten QualitätsWahrnehmung der Kunden zu profitieren.[68]
Für die Betrachtungen von Marktnischen ist die Strategie der Konzentration auf Schwerpunkte gemäß Porter (1999) am relevantesten. Die Unterscheidung der Strategie der Konzentration in Kostenführerschaft und Differenzierung ist jedoch etwas zu undifferenziert. Deshalb werden in den folgenden Kapiteln Ansätze zur genaueren Beschreibung von Nischenstrategien vorgestellt.
3.2 Definition von Nischenstrategien
Im Rahmen der generischen Strategien von Porter (1999) wurde beschrieben, dass ein Unternehmen im Falle einer Nischenorientierung, bzw. Konzentration vor der Wahl zwischen der Qualitäts- und der Preisorientierung in einem kleinen Teil des Marktes steht.[69]
Trachsel (2007) folgerte aus seinen Untersuchungen, dass es sich im Fall der preisorientierten Nischenstrategie um eine Strategie rein theoretischer Natur handeln könnte.[70] Bei den von ihm untersuchten Strategien fand sich keine, die nur den Wettbewerbsvorteil niedriger Preise nutzte.[71] Auch das Vorgehen der Hidden Champions, die fast ausschließlich Marktnischen bearbeiten, stützt diese Aussage. Denn einer der Pfeiler ihres Erfolges ist die konsequente Ausrichtung auf Qualität.[72] Laut Simon (2007) stellt der
Preis zwar ihre größte Schwäche gegenüber Konkurrenten dar, wird aber als nicht sehr wichtig eingestuft.[73]
Rein theoretischer Natur ist die Preisorientierung in Marktnischen jedoch nicht, wie das Beispiel der Nische der Billig-Fahrzeuge zeigt, die als zentrales Merkmal einen niedrigen Preis haben (siehe Kapitel 4.1). Die unterschiedlichen Wahrnehmungen könnten u.U. daher kommen, dass nur etwa ein Viertel der von Trachsel (2007) untersuchten Unternehmen „große Unternehmen“[74] waren und nur ein Viertel der untersuchten Gesamtmärkte ein Volumen von mehr als einer halben Milliarde Euro besaßen - Werte die insbesondere in der Automobilindustrie bei Weitem übertroffen werden.[75] Da der Umsatz der untersuchten Unternehmen fast immer unter dem qualifizierenden MaximalUmsatz der Hidden Champions von drei Mrd. EUR lag, erklärt das Ähnlichkeiten der Analysen von Simon (2007) und Trachsel (2007).[76]
Um im folgenden Kapitel differenziertere Darstellungen von Nischenstrategien vorstellen zu können, soll als Ausgangsbasis weiterer Betrachtungen jedoch zunächst die allgemeine Definition von Nischenstrategien von Trachsel (2007) übernommen werden:
„Nischenstrategien stellen Wettbewerbsstrategien dar, welche die Bearbeitung von Marktnischen zum Gegenstand haben.“[77]
3.3 Arten von Nischenstrategien
Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur keine durchgängige Klassifizierung von Nischenstrategien. Es sollen jedoch drei bisher erfolgte Versuche von Klassifizierungen vorgestellt werden.
Eine Beschreibung von Nischenstrategien stammt von Cavalloni (1991). Er unterscheidet nach dem Kriterium der „originären Zielsetzung, die mit der Strategie verfolgt wird.“[78] So ist eine Form der Nischenstrategie die der Geschäftsstrategie, bei der das gesamte Unternehmen auf eine Nische ausgerichtet wird. Daneben wird auch die Nischenstrategie als Marktbehauptungsstrategie beschrieben; da sie jedoch eher einer Sortimentsabrundung denn einer tragfähigen Nischenstrategie entspricht, wird sie nicht als Nischenstrategie im eigentlichen Sinne beschrieben. Bei der dritten Form, der Nischenstrategie als Markteintrittsstrategie, soll sich die Nische zu einem großen Markt entwickeln. Diese Form wird als selten auftretende Variante bezeichnet.[79]
Rosenbaum/Monßen (2004) detaillieren diese Klassifizierung weiter, indem sie fünf Nischenstrategietypen beschreiben. Mit ähnlichen Inhalten aber anderer Nomenklatur beschreiben sie eine Massenmarktaufbaustrategie, die der Markteintrittsstrategie von Cavalloni (1991) entspricht, sowie eine Marktbehauptungsstrategie, die Cavalloni (1991) unter gleichem Namen beschrieben hatte. Ergänzt wird die Betrachtung durch die Nischenerschließungsstrategie, welche als Ziel die intensive Durchdringung einer Nische, aber nicht zwingend deren Ausbau hat. Der vierte Typ ist die Ausweichstrategie, bei der eine Nische bearbeitet wird, um den Wettbewerb auf dem Gesamtmarkt durch Spezialisierung zu umgehen. Die Abwehrstrategie hingegen wird von auf dem Gesamtmarkt erfolgreichen Unternehmen angenommen, welche eine Nische bearbeiten, und dabei u.U. Verluste erwirtschaften, nur damit ein potentieller Konkurrent sie nicht oder nur schwer besetzen kann.[80]
Diese fünf Nischenstrategietypen beschreiben zwar nicht die Bearbeitung selbst, aber geben Motive der Bearbeitung an.
Trachsel (2007) setzte sich in seiner explorativen Studie u.a. das Ziel, praxisrelevante Arten von Nischenstrategien herauszufinden.[81] Er fand sechs Nischenstrategien, denen jeweils drei Gestaltungsdimensionen zu Grunde liegen. Die erste Dimension ist die „Art der Marktbeschränkung“ auf Produktgruppen, Kundengruppen, geographische Märkte oder Mischformen der drei Beschränkungen. Als zweite Gestaltungsdimension wurde die „Position in der Marktnische“ in Form des Marktanteils in der Nische und der Attraktivität der Nische identifiziert. Die dritte Dimension sind die „Wettbewerbsvorteile in der Marktnische“, sowohl im Bezug auf das Angebot als auch auf die internen Ressourcen.[82]
Als Beispiel eines der sechs gefundenen Strategietypen sei der am meisten Erfolg versprechende Typ genannt: „Produkt-/Kundengruppen-Nischenstrategie mit wesentlichen Wettbewerbsvorteilen in zahlreichen Bereichen, verfugt über eine ansprechende Marktposition in einer attraktiven Marktnische.“[83]
Wie das genannte Beispiel vermuten lässt, war es kaum möglich, Nischenstrategietypen überschneidungsfrei darzustellen, denn die Ausprägungen der Gestaltungsdimensionen sind bei einigen der Typen sehr ähnlich.[84] Auch scheint fraglich, ob die Ausprägungen wirklich als beeinflussbare Variablen betrachtet werden sollten. So kann die Attraktivität nicht vom Unternehmen völlig frei beeinflusst werden. Nach Ansicht des Verfassers dieser Arbeit ist die Attraktivität einer Nische ein mögliches Ergebnis der Bewertung gegebener Faktoren. Die einzige aufgezeigte Dimension, in der ein Unternehmen wirklich eine Entscheidung vornehmen kann, scheint die der „Art der Marktbeschränkung“ zu sein.[85]
Aus den Darstellungen der verschiedenen Autoren sollen nun die drei herausstechenden Gestaltungsdimensionen zusammengefasst werden. Im ersten Schritt sollte das Unternehmen festlegen, ob es sich als Ganzes oder nur mit einem Geschäftsbereich der Verfolgung einer Marktnische widmet. Die zweite Gestaltungsdimension sollte das Motiv der Nischenbearbeitung sein, d.h. ob es sich beispielsweise um eine Massenmarktaufbaustrategie oder eine Ausweichstrategie handelt. Abschließend wird die Art der Marktbeschränkung festgelegt, d.h. ob eine Beschränkung auf bestimmte Produkte, Kundengruppen oder geographisch erfolgt, oder ob eine noch engere Abgrenzung in Form gemischter Beschränkungen (z.B. bestimmte Produktgruppe für bestimmte Kundengruppe) vorgenommen wird.
Wie eingangs angedeutet gibt es bislang keine durchgängige, sowohl theoretisch fundierte als auch für praktikabel befundene Unterscheidung von Nischenstrategien. Da das Finden von Nischenstrategietypen jedoch außerhalb des Fokus der vorliegenden Arbeit liegt, wurde die vereinfachte Darstellung anhand dreier Dimensionen gewählt. Diese kann als Überblick der grundsätzlich möglichen Gestaltung von Nischenstrategien dienen.
In den folgenden Kapiteln werden Nischenaktivitäten immer unter Berücksichtigung der folgenden Nischenstrategie analysiert: Die Bearbeitung der Nische erfolgt durch einen Geschäftsbereich, das Motiv der Aktivitäten ist die Markteintrittsstrategie und es erfolgt eine Beschränkung auf eine bestimmte Art von Produkten.
3.4 Ablauf der Nischenaktivitäten
Nachdem die strategischen Möglichkeiten in Form der Generischen Wettbewerbsstrategien und der Gestaltung der Nischenstrategien dargestellt wurden, soll in diesem Kapitel ein Überblick des operativen Ablaufs der Nischenaktivitäten gegeben werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3.1: Zyklus der Nischenaktivitäten.
(Quelle: Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.76.)
Die Abbildung zeigt die Aufteilung der Nischenaktivitäten in fünf Phasen, von der Potentialbestimmung bis zu den Optionen zur Beendigung der Aktivitäten. Der im Folgenden in Anlehnung an Rosenbaum/Monßen (2004) dargestellte Prozess beginnt jedoch erst mit der Suche von Nischen. Es scheint sinnvoll, dass eine grundsätzliche Potentialbestimmung bereits vor Beginn der Nischenaktivitäten abgeschlossen wird, weshalb sie im Rahmen der folgenden Darstellungen nicht mehr berücksichtigt wird.
Nach Meinung des Verfassers ist eine der wichtigsten Entscheidungen im Zuge der Nischenaktivitäten die über den Eintritt in die Marktnische; sie basiert auf der Analyse von Marktnischen. Um eine fundierte Eintrittsentscheidung treffen zu können, wird deshalb in Kapitel 3.5 ein Ansatz entwickelt, der die Analyse der Attraktivität und der Mobilitätsbarrieren von Marktnischen ermöglicht. Es wird vorbereitend aber zunächst ein Überblick aller Phasen der Nischenaktivitäten gegeben. Der Schwerpunkt der Arbeit wird daran anschließend in der Erweiterung der Phase der „Analyse und Bewertung“ liegen.
3.4.1 Suche von Nischen
Unternehmen bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, eine geeignete Marktnische zu finden. Eine Möglichkeit besteht darin, Produkte, die bereits von anderen Unternehmen erfolgreich produziert und vertrieben werden, exakt zu kopieren. Diese Strategie bedingt keinen großen kreativen Aufwand, sondern als große Herausforderung vor allem die Vermeidung patentrechtlicher Schwierigkeiten. Das Kopieren bestehender Produkte kann für Unternehmen, genau wie die Variante, Marktnischen durch Zufall zu entdecken, durchaus eine attraktive Strategie darstellen.[86]
Eine Möglichkeit, durch kreatives, aber strukturiertes Vorgehen Marktnischen in bestehenden Märkten aufzuspüren, ist der Consumer, Other Markets, Environment and Trends (COMET) Prozess. Dafür werden zunächst Informationen zu den vier genannten Teilbereichen von COMET separat voneinander gesammelt.[87]
Im Bereich „Consumer“ werden befriedigte und unbefriedigte Bedürfnisse der Nachfragenden gesammelt und aufgelistet. Für den Bereich „Other Markets“ werden bekannte und vor allem erfolgreiche Geschäftsmodelle aus anderen Branchen und Märkten analysiert und auf Übertragbarkeit geprüft. Für die Dimension „Environment“ sollte ein breites Spektrum an Rahmenbedingungen untersucht werden; dieses kann von Ladenöffnungszeiten bis zum Klima im Zielmarkt eine große Spanne umfassen. Um zukünftige Entwicklungen in das Modell einzubeziehen, werden innerhalb der Dimension „Trends“ mögliche grundlegende Veränderungen dargestellt, wie z.B. demographische Entwicklungen.[88]
Aus der Vielzahl der gesammelten Informationen werden dann Kombinationen mit jeweils einer Information aus jeder der vier Dimensionen erstellt und im sog. COMET- Board dargestellt. Die Ergebnisse dieses Prozesses werden im nächsten Schritt auf Attraktivität und Durchführbarkeit überprüft, da sie möglicherweise attraktive Marktnischen darstellen.[89]
Alternativen zu kreativen Prozessen wie dem COMET-Prozess stellen alle Verfahren dar, die im Rahmen klassischer Marktforschungsaktivitäten dazu verwendet werden, Bedürfnisse der Kunden herauszufinden und zu untersuchen.[90] Am Anfang steht dabei die „Aufteilung eines heterogenen Gesamtmarktes in homogene Teilmärkte anhand von Marktsegmentierungskriterien.“[91] In den einzelnen Segmenten können dann Marktforschungsstudien durchgeführt werden, z.B. in Form von Befragungen oder auch Experimenten.[92] Auch auf diese, eher „klassische“ Weise, können potentielle Marktnischen entdeckt werden.
Bevor eine Entscheidung über einen Eintritt in die Marktnische jedoch final gefällt werden kann, sollten die zur Auswahl stehenden Marktnischen genauer untersucht werden.
3.4.2 Analyse und Bewertung
Nachdem mögliche Marktnischen identifiziert wurden, ist es notwendig, diese detailliert zu analysieren und zu bewerten. Diese Phase sollte mit der Entscheidung enden, „ob eine Nische besetzt und bearbeitet werden soll oder nicht.“[93]
Damit ein Unternehmen beurteilen kann, ob es in der Lage ist, eine Marktnische erfolgreich zu bearbeiten, muss die strategische Ausgangssituation betrachtet werden. Eine mögliche Struktur für diese Analyse geben Homburg/Krohmer (2003) wieder:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3.2: Inhaltliche Teilbereiche der Analyse der strategischen Ausgangssituation.
(Quelle: Homburg, C./Krohmer, H. (2003), S.375.)
Die Abbildung zeigt, dass eine Analyse der strategischen Ausgangssituation das Unternehmen selbst, dessen Mikro-Umwelt, also Wettbewerber, Nachfrager und Charakteristika des Marktes, sowie die Makro-Umwelt, also globale Umweltfaktoren umschließt.[94]
Da ein Unternehmen vor dem Eintritt in eine Marktnische eventuell mehrere Marktnischen vergleicht, um dann die für einen Eintritt auszuwählen, die am attraktivsten erscheint, ist es hilfreich, Kriterien einzuführen, die die Nischen vergleichbar machen. Sinnvoll erscheint es dabei, „die Anzahl der Bewertungskriterien möglichst gering zu halten, weil es die Angabe einer eindeutigen Präferenzordnung erleichtert und der Bewertungsaufwand ökonomisch vertretbar ist.“[95] Sind die Kriterien determiniert und Details für die einzelnen Punkte ausgearbeitet, können Marktnischen bewertet werden.
Auf Grund des individuellen Charakters von Marktnischen und des Fehlens eines speziell auf Marktnischen abgestimmten Bewertungsverfahrens, wird im Kapitel 3.5 ein Ansatz entwickelt, um Marktnischen analysieren und bewerten zu können.
Nachdem eine Marktnische analysiert, bewertet und gegebenenfalls mit Alternativen verglichen wurde, kann die Eintrittsentscheidung getroffen werden. Im Fall eines positiven Entscheids muss dann eine Strategie für die Bearbeitung der Nische ausgewählt werden.
[...]
[1] Vgl. A.T. Kearney (2008), online.
[2] Vgl. Becker, H. (2007), S.28.
[3] Vgl. Rosenbaum, M. (1999), S.28.
[4] Vgl. Rosenbaum, M. (1999), S.30ff.
[5] Vgl. Rosenbaum, M. (1999), S.31-35.
[6] Vgl. Danner, M. (2002), S.18f.
[7] Vgl. Rosenbaum, M. (1999), S.38f.
[8] Vgl. Danner, M. (2002), S.18.
[9] Vgl. Spiegel, B. (1961), S.18f.
[10] Vgl. Spiegel, B. (1961), S.17-26.
[11] Vgl. Spiegel, B. (1961), S.17ff.
[12] Zur Unterscheidung von manifesten und latenten Marktnischen, siehe Kapitel 2.3.3.2.
[13] Vgl. Rosenbaum, M. (1999), S.119f.
[14] Vgl. Rosenbaum, M. (1999), S.120f.
[15] Vgl. Rosenbaum, M. (1999), S.121.
[16] Vgl. Kotler, P./Blieml, F. (1995), S.425.
[17] Danner, M. (2002), S.55.
[18] Vgl. Danner, M. (2002), S.55.
[19] Vgl. Meffert, H./Burmann, C./Kirchgeorg, M. (2008), S.182ff; Homburg, C./Krohmer, H. (2003), S.313-317; Bruns, J. (2000), S.49-61.
[20] Vgl. Meffert, H./Burmann, C./Kirchgeorg, M. (2008), S.190f.; Vossebein, U. (2000), S.41f.
[21] Danner, M. (2002), S.58.
[22] Vgl. Meffert, H./Burmann, C./Kirchgeorg, M. (2008), S.192.
[23] Vgl. Meffert, H./Burmann, C./Kirchgeorg, M. (2008), S.193.
[24] Vgl. Vossebein, U. (2000), S.24f.
[25] Vgl. Homburg, C./Krohmer, H. (2003), S.3.
[26] Vgl. Porter, M. (1986), S.315f.
[27] Vgl. Pepels, W. (2000), S.85f.
[28] Vgl. Meffert, H./Burmann, C./Kirchgeorg, M. (2008), S.196.
[29] Vgl. Meffert, H./Burmann, C./Kirchgeorg, M. (2008), S.194ff.
[30] Vgl. Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.34f.
[31] Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.34.
[32] Vgl. Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.34.
[33] Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.34.
[34] Vgl. Spiegel, B. (1961), S.102-107.
[35] Vgl. Spiegel, B. (1961), S.102.
[36] Vgl. Spiegel, B. (1961), S.102.
[37] Spiegel, B. (1961), S.103.
[38] Vgl. Spiegel, B. (1961), S.103f.
[39] Spiegel, B. (1961), S.104.
[40] Vgl. Spiegel, B. (1961), S.108f.
[41] Vgl. Danner, M. (2002), S.40.
[42] Unter Substitutionslücken versteht Danner (2002) den kritischen Punkt, ab dem die Unterschiede zwi schen zwei Produkten so groß werden, dass eine Substituierbarkeit nicht mehr gegeben ist. Vgl. Danner, M. (2002), S.40f.
[43] Danner, M. (2002), S.40f.
[44] Vgl. Danner, M. (2002), S.41.
[45] Vgl. Danner, M. (2002), S.41.
[46] Vgl. Homburg, C./Krohmer, H. (2003), S.592f.
[47] Vgl. Danner, M. (2002), S.41f.
[48] Vgl. Danner, M. (2002), S.42.
[49] Vgl. Danner, M. (2002), S.42.
[50] Vgl. Danner, M. (2002), S.43f.
[51] Vgl. Danner, M. (2002), S.44f.
[52] Vgl. Danner, M. (2002), S.45ff.
[53] Beispiele: Vgl. Volkswagen Bank (2008), online; BMW Financial Services (2008), online.
[54] Vgl. Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004b), S.32.
[55] Vgl. Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.42f.
[56] Vgl. Höft, U. (1992), S.17.
[57] Vgl. Patton, A. (1959), S.9.
[58] Vgl. Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.44.
[59] Vgl. Rosenbaum, M. (2006), online.
[60] Vgl. Rosenbaum, M. (2006), online.
[61] Vgl. Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.44.
[62] Vgl. Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.45.
[63] Vgl. Porter, M. (1999): S.37.
[64] Vgl. Porter, M. (1999), S.38ff.
[65] Vgl. Porter, M. (1999), S.40f.
[66] Vgl. Porter, M. (1999), S.41f.
[67] Porter, M. (1999), S.44.
[68] Vgl. Gilbert, X./Strebel, P. (1987), S.31f.
[69] Vgl. Porter, M. (1999), S.41f.
[70] Im Rahmen der Untersuchungen von Trachsel (2007) wurden im Jahr 2005 2.000 Unternehmen aus der Schweiz zu Nischenstrategien befragt. Vgl. Trachsel, M. (2007), S. 147 -155.
[71] Vgl. Trachsel, M. (2007), S.246.
[72] Vgl. Simon, H. (1996), S.92.
[73] Vgl. Simon, H. (2007), S.47.
[74] Trachsel, M. (2007), S.210. „Große Unternehmen“ sind die 25% größten Unternehmen der Untersu chung. Unternehmensgröße wird von Trachsel (2007) gemessen durch die Anzahl der Mitarbeiter und den jährlichen Umsatz. Vgl. Trachsel, M. (2007), S.168.
[75] Umsatz (netto) der deutschen Automobilindustrie mit der Herstellung von Kraftwagen im Jahr 2007: 202 Mrd. EUR. Vgl. VDA (2008), online.
[76] Vgl. Simon, H. (2007), online.
[77] Trachsel, M. (2007), S.70.
[78] Cavalloni, C. (1991), S.83.
[79] Vgl. Cavalloni, C. (1991), S.83-93.
[80] Vgl. Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.66-72.
[81] Vgl. Trachsel, M. (2007), S.19ff.
[82] Vgl. Trachsel, M. (2007), S.199f.
[83] Trachsel, M. (2007), S.237.
[84] Vgl. Trachsel, M. (2007), S.233-240, S.246f.;
[85] Vgl. Trachsel, M. (2007), S.246f.
[86] Vgl. Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.118.
[87] Vgl. Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.118ff.
[88] Vgl. Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.119f.
[89] Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.119.
[90] Vgl. Homburg, C./Krohmer, H. (2003), S.187.
[91] Freter, H. (1983), S.7.
[92] Vgl. Homburg, C./Krohmer, H. (2003), S.194f.
[93] Rosenbaum, M./Monßen, M. (2004a), S.76.
[94] Vgl. Homburg, C./Krohmer, H. (2003), S.375f.
[95] Cavalloni, C. (1991), S.192.
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