Die geopolitische Lage hat das Herzogtum Kurland zeit seines Bestehens in diplomatische Verhandlungen wie kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Schweden, Polen, Russland und Brandenburg-Preußen verwickelt. Von elementarer Bedeutung erwies sich, vor allem im 17. Jahrhundert, die Verbindung mit Brandenburg-Preußen. Die folgende Studie richtet die Aufmerksamkeit auf eine Frau, Luise Charlotte von Branden¬burg, die als Herzogin von Kurland an der Seite ihres Gatten, Herzog Jakob, nachhaltigen Einfluss auf die Politik und die kulturelle Entwicklung des Herzogtums genommen hat. In ihrer Lebensgeschichte spiegeln sich epochale Ereignisse und Veränderungen.
Inhalt
Vorwort
1. Kurland und Preußen – ein programmatisches Gemälde
2. Biographischer Horizont
3. In Kurland
4. Diplomatie zwischen den Fronten
5. Schwedische Gefangenschaft
6. Zurück in Kurland
Exkurs: Prinz Alexander von Kurland (1658-1686)
7. Tod der Herzogin
Anhang I.: Briefe der Herzogin an ihren Bruder Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg und Herzog von Preußen (1656 und 1659)
Anhang II.: Memorial - „Von der Herzogin Louisa Charlotta ihren Kindern hinterlassen“ (1675)
Anhang III.: Herzog Jakobs Regierungszeit – Fazit
Anhang IV.: Abbildungen
Literatur
Vorwort
Aus Anlaß des 450jährigen Gründungsjubiläums des Herzogtums Kurland und Semgallen fand am 13./ 14. September 2011 in Jelgava/ Mitau und Rundāle/ Ruhenthal eine internationale Tagung mit Wissenschaftlern aus Deutschland, Estland, Lettland und Schweden statt. Die Vorträge suchten mit ausgewählten historischen, politischen kunst- und religionsgeschichtlichen Aspekten die Geschichte des Herzogtums zu würdigen. Veranstaltet wurde dieses „Homburger Gespräch 2011“ von der M.C.A.Böckler-Mare-Balticum-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Lettischen Kunstakademie Riga, dem Gedert-Eliass-Museum für Geschichte und Kunst in Jelgava/ Mitau und dem Museum Schloss Rundāle/ Ruhenthal.
Die folgende Studie ist der stark überarbeitete und um zahlreiche Abbildungen ergänzte Beitrag, der am 14. September in Rundāle vorgetragen wurde. Eine Kurzfassung des Vortrags erscheint auch in Riga und in „Kurland Hefte“ (Nr. 19/2011).
Marburg, im Dezember 2011 Ulrich Schoenborn
Die geopolitische Lage hat das Herzogtum Kurland zeit seines Bestehens in diplomatische Verhandlungen wie kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Schweden, Polen, Russland und Brandenburg-Preußen verwickelt. Von elementarer Bedeutung erwies sich, vor allem im 17. Jahrhundert, die Verbindung mit Brandenburg-Preußen. Die folgende Studie richtet die Aufmerksamkeit auf eine Frau, Luise Charlotte von Brandenburg, die als Herzogin von Kurland an der Seite ihres Gatten, Herzog Jakob, nachhaltigen Einfluss auf die Politik und die kulturelle Entwicklung des Herzogtums genommen hat. In ihrer Lebensgeschichte spiegeln sich epochale Ereignisse und Veränderungen.
1. Kurland und Preußen – ein programmatisches Gemälde
Der enge Verbund zwischen Brandenburg-Preußen und Kurland kommt u.a. in einem Gemälde zur Sprache, das der Hofmaler des Großen Kurfürsten, Matthias Czwiczeck (auch Schwetzge), gemalt hat: „Verherrlichung der Kurfürstin Elisabeth Charlotte von Brandenburg als Königin von Saba“ (1649)[1].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Gemälde gehört zum Genre der Bilder („synchrones Familienbild“), mit denen ein Fürstenhaus seine Bedeutung der Öffentlichkeit darstellen will. Lange Zeit ist angenommen worden, das Bild (33 x 44,5 cm; Öl auf Holz) sei eine Auftragsarbeit zur Taufe des ersten Sohnes des Großen Kurfürsten, Wilhelm Heinrich (1648-1649). Zur Begründung wurde auf die Jahresangabe „1648“ auf der Rückseite und auf die Darstellung des früh verstorbenen Prinzen in der Bildachse verwiesen. Dagegen sprechen nicht nur die Bibelstelle am oberen Rand des Bildes: „1 Regum cap. X, 2“ (1. Könige 10, 2ff), die den Titel des Bildes vorgab. Vor allem die Komposition und bedeutsame Details weisen in eine andere Richtung.
Zwei Schwerpunkte im Bild sprechen die Aufmerksamkeit des Betrachters an. In der Gruppe auf der rechten Seite ist es Kurfürstin Elisabeth Charlotte von Brandenburg (1597-1660) umgeben von ihren Kindern. Die Prinzessin aus der Pfalz hatte 1616 den brandenburgischen Kurfürsten Georg Wilhelm (1595-1640) geheiratet. Hier thront sie in Purpur und Hermelin gekleidet. Ihr Status als Witwe (Witwenschleier) und „Königin von Saba“ (Krone) ist deutlich sichtbar. Im Hintergrund rechts nahen sich Kamele mit den Schätzen ihres Landes, alles gemalt in grauen und grünen Tönen. Einen besonderen „Reichtum“ stellen ihre Kinder und deren dynastische Verbindungen dar. So wird ihr die Krone von ihrer Tochter Hedwig Sophie (1623-1683) gereicht, die den Landgrafen Wilhelm VI. von Hessen-Cassel (1629-1663) geheiratet hat. In der Reihe folgen ihr Sohn, Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620-1688), der zweite Schwerpunkt, und seine Gemahlin Louise Henriette von Oranien (1627-1667). Hinter ihnen stehen die älteste Tochter der Kurfürstin, Luise Charlotte (1617-1676), und ihr Gemahl, Herzog Jakob von Kurland (1610-1681). M.a.W., im Bild werden die guten Beziehungen zwischen verschiedenen protestantischen Fürstenhäusern präsentiert. Zugleich wird mit dem Gemälde eine Huldigung an die Kurfürstin ausgesprochen. Ein weiterer Aspekt ist zu berücksichtigen. Der Bruder der Fürstin, Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz (1596-1632), der sog. Winterkönig[2], war der Anführer der „Union“, eine Vereinigung der protestantischen/ calvinistischen Fürsten. Während des Dreißigjährigen Krieges hatte er Land und Besitz verloren und war im niederländischen Exil gestorben. Im Westfälischen Frieden wurde das Kurfürstentum der Pfalz zwar restituiert (s. Aktenpaket im Vordergrund mit Wappen und Jahreszahl 1648). Darauf verweisen die ausgebreiteten Schätze, bei denen Ludwig Philipp von Simmern (1602-1655) kniet, ein Bruder der brandenburgischen Kurfürstin und seit 1632 Verweser der Pfalz. Am rechten Bildrand noch dessen Gemahlin, Marie Eleonore von Brandenburg (1607-1675), die gemeinsam mit Katharina Sophie von der Pfalz die Schleppe der „Königin von Saba“ hält[3].
Den zweiten Schwerpunkt des Bildes, vom Betrachter aus gesehen links, hat der seit 1640 regierende Große Kurfürst übernommen. Aus dem biblischen Motivzusammenhang fällt ihm die Rolle des Königs Salomo zu. So ist auch er prächtig gekleidet und in dem typischen Dreiviertelprofil nach rechts dargestellt. Mit der politischen Entmachtung der Pfalz war die protestantische Union führerlos geworden. Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges übernimmt nun der brandenburgische Kurfürst diese Funktion, nicht zuletzt gestärkt durch die Anerkennung des calvinistischen Bekenntnisses im Westfälischen Frieden. Insofern impliziert das Bild unüberhörbare religionspolitische Ansprüche. Folgt man dem Wink der rechten Hand Friedrich Wilhelms, so gelangt man zur sog. „Gruppe der Ahnen“, die unter einem Baldachin mit brandenburgischem Wappenfries versammelt sind. Mehrere Stufen führen zu ihnen hinauf und legen den Gedanken der Ehrwürdigkeit nahe. In dieser Runde sitzen bereits verstorbene Mitglieder der anwesenden Fürstenhäuser zusammen: Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg, der Gemahl der Hauptfigur des Bildes; Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg (1572-1619), der 1613 zum Calvinismus konvertiert ist; Louise Juliane von Nassau-Oranien (1576-1644); Friedrich Heinrich von Nassau-Oranien, ihr jüngster Halbbruder; Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz, Ehemann von Louise Juliane und der „Winterkönig“, Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, Sohn des gerade Genannten[4]. Was die „Gruppe der Ahnen“ vereint, ist ihr Eintreten für die calvinistische Konfession. In diese Tradition reiht der Große Kurfürst sich ein. „Der Garten, die aufgehende Sonne und die Musikkapelle auf dem Altan sollen die hoffnungsvolle Ouvertüre einer neuen Epoche versinnbildlichen“[5].
Wie sehr der Maler[6] die Verbindung von Politik und Religion zur Sprache gebracht hat, verdeutlichen Komposition und Details. Das hat Alfred F. Wolfert[7] besonders herausgestellt. Die lebenden Personen stehen gleichsam auf einer Bühne im Vordergrund, der durch Stufen rechts und links mit anderen Räumen verbunden ist. Anders gesagt, die Gegenwart hat transitorischen, vorläufigen Charakter. Die Menschen müssen sich mit der Perspektive des Glaubens auf die Zeitphasen einstellen. Irdische Güter, Schätze u.ä. stehen als Zeichen der Gnade in hohem Ansehen, sind angesichts der Ewigkeit jedoch sekundär. Sie sind vergänglich, wie das Schicksal der Pfalz zeigt. Unterliegen andererseits dem Willen Gottes, der nimmt und gibt. Die „Königin von Saba“ erhält zurück, was die Pfalz vorher in dem Maße nicht besessen hat. Und sie gibt weiter: Weintrauben, das Produkt ihrer Heimat. „Der Weintraube in der Rechten der Kurfürstenmutter entspricht vor ihrer Linken der Kelch, der ihr hingereicht wird. Mit diesem Kelch offenbart sich der böhmische Protestant Czwiczek“[8], wenn er den größten der Schätze präsentiert. In Böhmen hatten lange vor Luther die Hussiten oder Utraquisten das Abendmahl „sub utraque specie“ (in beiderlei Gestalt) gefordert und durchgesetzt. Dieses Recht steht jedem Christen zu, gleich welcher Herkunft. „Czwiczek war diese utraquistische Grundforderung so wichtig, daß er zu ihrer (übertriebenen) Verdeutlichung gleich zwei Hostien aus dem Kelch hervorkommend zeigt, die noch dazu in Gold und mit Edelsteinen besetzt gemalt sind“[9]. Im Gang durch die Zeiten sind die Menschen von den Schrecken des Krieges nicht verschont geblieben. Nunmehr geht es unter der Führung Brandenburgs - politisch wie religiös - einer heilvolleren Zukunft entgegen. Allegorische Zutaten im Hintergrund (Wohlfahrt, Glaube, Weisheit und Wachsamkeit) stützen diese Perspektive ab.
Das Bild bedient sich bei der Intention, politische und religiöse Ansprüche in die Öffentlichkeit zu tragen, einer subtilen Methode. Beachtet man die Kopfhaltung der dargestellten Personen, fällt eine Eigentümlichkeit sofort auf. Die Damen blicken alle nach links (vom Betrachter aus gesehen), während die Herren ihren Kopf alle nach rechts drehen, auch wenn dadurch eine unnatürliche Wirkung (s. die Tafelrunde der Ahnen) hervorgerufen wird. Diese Typisierung in der Kopfhaltung entspricht der Anordnung der Ahnenwappen auf mittelalterlichen Epitaphien[10]. Mit dem altertümlichen ästhetischen Strukturprinzip erhält die programmatische Botschaft des Bildes eine Würde und Qualität, die sie jenseits von ideologischer Propaganda stellen.
Im Kreis der Lebenden steht nun mit Jakob von Kurland – links hinter dem Großen Kurfürsten - ein Vertreter der lutherischen Konfession. Kann dieses Detail als Signal früher ökumenischer Toleranz gewertet werden? Eher ist zu vermuten, dass die Verbindung eines lutherischen Herzogs mit einer reformierten Prinzessin – rechts neben ihrem Bruder Friedrich Wilhelm - auf der politischen und religiösen Ebene eine Geschichte eigener Art evoziert hat. Der Große Krieg war vorbei. Brandenburg-Preußen befand sich auf dem Weg zur Macht in Mitteleuropa. Und Kurland hat in diesem Prozess einen Platz[11]. Durch den konfessionellen Faktor, d.h. die Verbindung eines calvinistischen Fürstenhauses mit einem lutherischen erhält der Vorgang eine besondere Note.
2. Biographischer Horizont
Die älteste Schwester des Großen Kurfürsten wurde am 3. September 1617 im Residenzschloß zu Cölln a. d. Spree als erstes Kind der Prinzessin Elisabeth Charlotte (1597-1660) und des Kurprinzen Georg Wilhelm (1595-1640) geboren. Bei der Taufe erhielt sie den Namen der Mutter, wurde später aber immer Luise Charlotte genannt. Ihre Schwester, Hedwig Sophie, die spätere Landgräfin von Hessen-Cassel, folgte 1623. Der Großvater, Johann Sigismund von Brandenburg, starb zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618) und hinterließ seinem Sohn und Nachfolger Georg Wilhelm ein schweres Erbe. Dessen Schwester, Marie Eleonore (gest. 1655), war mit dem schwedischen König Gustav Adolf verheiratet.
Über die Kindheit Luise Charlottes ist fast nichts überliefert. Man darf aber voraussetzen, dass sie wie ihre Geschwister das Bildungs- und Erziehungsprogramm für fürstliche Kinder durchlaufen hat. M.a.W., sie war mit der Bildung der Zeit ausgestattet. Aus ihrer späteren Korrespondenz kann auf ein selbstbewusstes, diskursives und empathisches Wesen geschlossen werden[12]. Es war selbstverständlich, dass sie im calvinistischen Glauben erzogen worden ist, der ihr im wechselhaften Verlauf der Lebensgeschichte Trost und Standfestigkeit gegeben hat. Das Haus Brandenburg hatte sich seit der Konversion ihres Großvaters Johann Sigismund (1613) zu einem maßgeblichen Förderer und Verteidiger des Calvinismus in Europa entwickelt. Ihre Mutter, eine Tochter des Winterkönigs, Friedrich IV. von der Pfalz, genoss den Ruf eine Fürstin mit streng calvinistischer Gesinnung.
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Luise Elisabeth von Brandenburg (1617-1676)
Herzogin von Kurland und Semgallen
Als während des Dreißigjährigen Krieges die Kämpfe Pommern und Brandenburg erreichten, wich die kurfürstliche Familie (zusammen mit den pfälzischen Verwandten) nach Königsberg aus. Denn Kurfürst Georg Wilhelm war auf die kaiserliche Seite gewechselt und hatte die Reaktionen der einstigen Verbündeten zu fürchten. Unterdessen führte in der Mark Hans Adam von Schwarzenberg, ein Katholik, die Regierungsgeschäfte. Er war auch die treibende Kraft hinter der neuen Allianz mit dem Kaiser. Entsprechend verhasst war er am protestantisch gestimmten Hof, besonders bei den fürstlichen Damen.
Aus der Königsberger Zeit ist vor allem Luise Charlottes Engagement für die calvinistische Sache überliefert. Bekanntlich dominierten die Lutheraner im Einvernehmen mit dem polnischen König in Preußen das religiöse Terrain. Die Minderheit der Reformierten erlitt daher Diskriminierung mannigfacher Art. Sie besaß weder Kirche noch Friedhof. Gegen das Verbot des polnischen Lehnsherren sorgten Luise Charlotte und ihre jüngere Schwester, Hedwig Sophie, für die Anlage eines Friedhofes und ließen denselben mit einer schützenden Mauer umgeben[13].
Auch ihre Aufgeschlossenheit gegenüber Dichtung und Musik stammt aus dieser Zeit in Königsberg. Luise Charlotte schätzte den Dichter Simon Dach und seinen Kreis. Bei Hof wurden Werke „aus der Kürbishütte“ sehr geschätzt. Von Simon Dach stammen viele Verse zu festlichen Anlässen des Fürstenhauses. Er hat auch poetische Glückwünsche zu Verlobung und Hochzeit, später dann zur Geburt des ersten Sohnes geschrieben. Zum Domorganisten und Komponisten Heinrich Albert entwickelte sich ebenfalls eine Beziehung. 1642 hat er Luise Charlotte und ihrer Schwester eine Sammlung von Arien gewidmet. Er kommentiert die Widmung mit der Bemerkung, dass die Fürstinnen die Arien
„zum Teil nicht allein gerne musiciren und singen hören, sondern auch ein gnädiges Belieben getragen, etliche aus ihnen zu dero Hochfürstlicher Lust und Ergetzung selbsten zu studiren und sich bekannt zu machen, welches denn durch die gute Anleitung der kunstreichen Hand des berühmten Musikanten Walter Rowe, EE.FF.DD. getrewen Dieners leichtlichen geschehen möge“[14].
Als ein Politikum ersten Ranges sollte sich die Verheiratung der Prinzessin erweisen. Noch zu Lebzeiten des Vaters standen zwei Bewerber mit ernsten Absichten zur Auswahl: Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg und Prinz Kasimir von Polen, ein Bruder des Königs Wladislaus IV. Gegen beide Kandidaten gab es ökonomische bzw. religionspolitische Vorbehalte. Dann starb 1640 Kurfürst Georg Wilhelm und sein Nachfolger, Kurfürst Friedrich Wilhelm, begann, die brandenburgische Politik neu zu profilieren. Er betrieb die Annäherung an Schweden, so dass eine Verbindung mit Polen auch aus diesem Grunde nicht in Frage kam. In der Zwischenzeit hatte sich Markgraf Ernst von Brandenburg als Kandidat präsentiert. Obwohl er nur über bescheidenes Vermögen verfügte und außerdem der lutherischen Konfession angehörte, war Luise Charlotte ihm zugetan und zur Verlobung bereit. Doch der Markgraf verstarb 1642 plötzlich. In einem dritten Anlauf musste der Geheime Rat sich mit folgenden Bewerbern beschäftigen: dem polnischen König Wladislaus IV., Graf Karl Ludwig von der Pfalz und Herzog Jakob von Kurland.
Jakob stand durch seine Mutter, Sophie von Brandenburg, Tochter des „blöden Herren“, Herzog Albrecht Friedrich von Preußen, in verwandtschaftlicher Beziehung zum Haus Hohenzollern[15]. Eine Zeit lang hatte er am Hof seines Oheims Johann Sigismund verbracht. Der Herzog von Kurland befand sich in staatsrechtlicher Hinsicht gegenüber dem polnischen König in derselben Stellung wie der Herzog von Preußen. Unter Jakobs Führung erlebte das Land einen Aufschwung. Er war reich[16], klug[17] und geachtet.
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Herzog Jakob von Kurland und Semgallen (1642-1682)
Im Sommer 1644 ließ Jakob in Königsberg durch seinen Rat Professor Christian Derschau die Heiratsabsichten anmelden. Gegenüber den Mitbewerbern (katholisch und machtlos der eine, reformiert und ohne Land der andere) erhielt Jakob den Vorzug, obwohl er lutherischer Konfession war. Im Juli 1645 fand in Königsberg die Verlobung statt, von Simon Dach poetisch gefeiert. In einem späteren Brief an Otto von Schwerin schreibt die Fürstin, dass sie nur auf des Kurfürsten Geheiß und Zusage, denn aus staatspolitischer Räson den Herzog geheiratet habe[18]. Jakob zählte zu der Zeit 34 Jahre, und Luise Charlotte war auch schon 27 Jahre alt.
Am 13. Juli 1645 wurde in Königsberg der Ehevertrag aufgesetzt, in dem an exponierter Stelle das calvinistische Bekenntnis Luises berücksichtigt wurde. Ausdrücklich erwähnt werden die freie Ausübung des Gottesdienstes nach reformierter Art und Bestimmungen über die Konfession der erwarteten Kinder. Die Söhne wie die Töchter sollten bis zum siebten Lebensjahr von der Mutter religiös erzogen werden. „Hernachmals werden Unsere beyderseits Söhne in unserer Evangelischen (d.h. lutherischen) Religion, Unserer Lande Verfassungen und Reversalen gemäß, wie billig auferzogen, die Töchter oder Fräulein aber bleiben auch nach der Zeit nicht minder der freyen Mütterlichen education einen weg wie den andern Unterhaben und Vorbehalten“[19]. Ferner wurde zugestanden, dass bei der Taufe auf den Exorzismus und Altar-Kerzen verzichtet würde. Personen calvinistischen Glaubens sollten im Herzogtum nicht diskriminiert werden[20]. Herzog Jakob verstand sich als Anhänger der Lehre Luthers, war aber kein religiöser Fanatiker, vielmehr tolerant und weitherzig. Aus Rücksicht auf die Mehrheit der orthodoxen Lutheraner im Herzogtum wurden diese religiösen Vereinbarungen allerdings in einem Nebenrezess festgehalten (13. Juli 1645). Jakob besaß ein feines Gespür für die Bedeutung der Konfession und wollte sie als Stütze der Territorialherrschaft nichts aufs Spiel setzen. Dass der lutherische Superintendent Daniel Hafftstein[21] heftig von seinen lutherischen Amtsbrüdern kritisiert wurde, weil er den Wünschen der reformierten Herzogin folgte, offenbart das angespannte konfessionelle Klima in Kurland.
Die materiellen Verpflichtungen wurden im Ehevertrag wie folgt geregelt: Jakob verpflichtete sich zur Zahlung von 1000 Reichstalern als Morgengabe an seine Gemahlin und weiteren 8000 Reichstalern jährlich als Ehegeldern (aus den Einkünften der herzoglichen Ämter Grobin, Oberbartau, Rutzau, Heiligenaa). Von ihrem Bruder sollte Luise Charlotte als „Fräuleinsteuer“ 15.000 Reichstaler „Ehegelder“ und 7500 Reichstaler „Schmuckgelder“ erhalten. Um diese Gelder hat es in der Folgezeit manche Verstimmung und Kontroverse gegeben. Außer- dem wurde im Blick auf die Jülichschen Lande die weibliche Erbfolge mit in den Vertrag aufgenommen. D.h., falls Kurfürst Friedrich Wilhelm kinderlos sterben sollte, würden Luise Charlotte bzw. ihre Kinder das Erbe antreten.
Da Jakobs Pflegemutter, Elisabeth Magdalene von Pommern-Stettin, aus Altersgründen nicht nach Königsberg reisen konnte, sollte die Hochzeit in Kurland stattfinden. Doch gaben Luise Charlottes Mutter und ihre Tante, Eleonore von Schweden, den Zuschlag für Königsberg. Die Hochzeit, zu der auch der König von Polen eingeladen war, fand am 9. Oktober 1645 statt. Die Trauung vollzog Hofprediger Dr. Johann Bergius[22] ; Johann Stobäus[23] komponierte zu einem Text aus Psalm 20 ein Stück über den Fürstlichen Ruhm und Schutz „mit neun Stimmen gesetzt“; und Simon Dach steuerte feierliche Lieder bei, u.a. die folgende Ode:
„ An die Huld- und Liebreichste Princeßin, die Fürstliche Braut.
Außerwehltes FürstenKindt,
Das den Himmel selbst gewinnt
Durch den Außbund aller Tugend,
Dein Verhängnüs, Fall und Welt
Willig hin zun Füssen fält,
O Loyse, Preiß der Jugend.
Nun tritt schön und prächtig ein
In der Anmuth bestem Schein’,
Und im köstlichsten Geschmeide,
Thu dich an, dass aller Fleiß
Geben muß der Schönheit Preyß
Deinem Braut’- und Ehren-Kleide.
Wie der Wolcken blawe Tracht
Uns die Sonne schöner macht,
Wie ein Schwahn im klaren Bronnen,
In dem Gold’ ein Demant steht,
so wird dein Pracht auch erhöht,
Der noch mehr Glantz jetzt gewonnen.
Kompst Du? Ja! Wie man zuvor
Sieht den Mond, und dann ein Chor
Tausend Sternen, daß sich nimmer
Ihm im Glantze vorziehn kann:
Also gehest Du voran,
Und dir folgt dein Frauen-Zimmer.
Schaw, der Hertzog, deine Ruh,
sieht dir mehr als freundlich zu,
Stellt sich dir recht gegen über,
Hertzlich gegen dich entbrandt,
Lieb ist Ihm sein Volck und Land,
Du bist tausend mahl Ihm lieber.
O der über-trewen Pflicht!
Was entfärbt sich dein Gesicht?
Was schlägst du die augen nieder?
Es will nichts umbsonst hie seyn,
Er gönnt seinen Augen-Schein
Dir, gönn Du Ihm deinen wieder.
Du, der Sternen grosses Reich,
Gott vielmehr, der über Euch,
Ewigr König ist gesessen,
Laßt dieß Fürstlich-hohe Paar
Seyn im Wolstand immerdar,
Und nur deine Gnad’ ermessen.
Treibt von Ihren Hütten weit
Angst und Weh! Laßt iederzeit
Newe Liebe Sie erhitzen,
Also, daß je mehr und mehr
Ihres Sahmens Schaar die Thör’
Ihrer Feinde mag besitzen!
Und dieses wird geschehn, es saget Linemann
Auff heute lauter guts uns auß den Sternen an.“[24].
Reiterspiele begleiteten die mehrtägigen Festlichkeiten in Königsberg. Davon erzählt eine zeitgenössische Chronik:
„Es hatte nemlich derserselbe (sc. Herzog Jakob) aus dem polnischen Kriege 7 tatarische Pferde mit nach Königsberg gebracht, und auf den Schlossplatz führen lassen, welche so künstlich abgerichtet gewesen, daß sie bei einer geblasenen Arie à la Soldatesque durch die Regierung derer, die darauf saßen mit Trompeten, Pauken und Hautbois zu Corvetten, Passaden und Volten, nach der Musik und Tact recht ordentlich und geschicklich die Mensur und das Tempo nach ihrer Art gehalten, bald mit den Köpfen zusammen, bald wieder von einander, so artig umhergetanzt, daß es Niemand ohne besondere Bewunderung und Vergnügen anschauen können, die nach ihren unterschiedenen Stellungen zierlichen Wendungen und Kreisen der corvettierenden, passirenden, repellirenden, redoppirenden, gallopirenden und künstlichen Sprüngen der tatarischen Pferde, wie auch der tatarischen Reiter sämmtlichen wunderlichen Aufputz und Kleidung, auch bei ihrem Abzuge eines seltsamen Irrlaufs, bald wie eine Schnecke, bald in einer andern geschickten Figur reitende, allenthalben etwas merkwürdiges an sich schauen ließen. Nach diesem geendigten tatarischen Pferdetanzen, ließ der durchlauchtige Fürst die tatarische wunderliche Roßbereiter, in einem besonderm Zimmer wohl aufnehmen, beschenken und berauschen“[25].
Danach zogen die Brautleute nach Kurland, wo auf Schloß Goldingen sich ein Empfang durch die kurländische Ritterschaft und die Stadt Goldingen anschloss[26]. Luise Charlotte war nunmehr Herzogin von Kurland, und das Herzogtum war in noch engere Verbindung mit dem Haus Hohenzollern getreten[27]. Es bedarf keiner großen Diskussion, um zu erahnen, dass diese dynastische und politische Verbindung in Schweden nicht mit Sympathie aufgenommen wurde. Zumal die unternehmerischen Aktivitäten des Herzogs vom nahen Riga aus argwöhnisch beobachtet wurden.
3. In Kurland
Luise Charlotte hatte nach eigenem Zeugnis ohne Neigung geheiratet. Doch fühlte sie sich bald ihrem ‚lieben Kurland’ ebenso verbunden wie sie ihrem Gemahl in Liebe und Zuneigung zur Seite stand. Sie freute sich an dem aufstrebenden Herzogtum und genoss die Erfolge ihres Gemahls.
Herzog Jakob hatte in den zurückliegenden Jahren seiner Regierung dem Herzogtum Profil und Bedeutung gegeben. Im ökonomischen Sektor erreichte seine an merkantilistischen Prinzipien orientierte Politik eine beträchtliche Hebung des Wohlstands. Die Verwaltung gewann an Effizienz durch die Übernahme des preußischen Modells (Zentralverwaltung mit Oberratsstube, Hofgericht und Rentkammer). Der Herzog betrieb auch eine aktive Siedlungspolitik (Gründung von Jakobstadt und Friedrichstadt) und hoffte auf engagierte und risikobereite Mitstreiter. Im Landadel hatte er aber ein Gegenüber, das die herzoglichen Aktivitäten misstrauisch verfolgte und eine Präferenz für das Modell des polnischen Adels hatte. Im Übrigen gehörte Mitau zu den kleineren Fürstenhöfen in Europa, an dem die Zahl der Hofämter gering war und es „schlicht und behäbig“ zuging[28].
Die junge Herzogin entwickelte eine enge Beziehung zu der Pflegemutter ihres Gemahls, der Witwe Herzog Friedrichs, der pommerschen Prinzessin Elisabeth Magdalene. Die alte Dame hatte ihren Witwensitz auf Schloss Doblen.
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Schloss Doblen (Rekonstruktion)
Von dort schickte sie dem jungen Paar Erzeugnisse des Gartens (Erdbeeren, Brunnenkresse, Salat u.a.) und erhielt als Gegengabe Weine und Südfrüchte, die der Herzog von weither hatte importieren lassen. Ein Brief der Herzogin an die Fürstin aus dem Jahr 1648, die älteste Tochter (Luise Elisabeth) ist schon geboren, gibt Einblick in das gute Einvernehmen:
„Hochgeborene Fürstin, Hochgeehrte Hertzs Allerliebste Fraw mutter, ich habe Wohl Ursach demutig Umb Verzeihung zu bitten, das ich fur den schonen hopffen – und Alles gute so bishero Mein beste speise gewesen nicht ehr demutigst gedancket, Aber Gott weis, das ich So Ubel gewesen, das ich in Zwey posten Selber Ahn meine leuhtgen in den Marcken nicht geschrieben, denn trinken und essen mir so zu gegen, gemus thut das beste und Salath. Meines hern schiffen ist gestern Von lisbone (Lissabon) Widerkommen, Als Schicken Von den Zittronen und pomerantzen, So ehr mitgebracht, die im hereführen Alle Ahngestossen, 30 Zittronen und 20 pomerantzen, Wan die auß, habe ich Auch noch welche, So sollen E.G. haben so lang Sie nur Wehren. Das Kleine Spahngen und Zwey Neuwe tuchen drein, schicken ich auch Mit Nochmahligen Unterthanigen Dancke Wider, bitte das ich doch die paudel, So ich gelehnt, wider mag Krigen; Sonst ist Gott lob noch Alles gesundt, E.G. Klein Nergen ist lustig und Wohl gemuht, kußt der liebsten GrosfrawMutter Unterthanig die hende und ich befehl mich dero treeuwe Mutterliche Gnade und verbleibe bis im tode E.G. gehorsambste, getreuwe tochter und dienerin“[29].
Das Paar bekam in den ersten dreizehn Jahren neun Kinder, von denen zwei früh starben. Luise Charlotte war in dieser Zeit naturgemäß mit häuslichen und familiären Pflichten ausgelastet. Die vier Jungen und drei Mädchen wuchsen nach den Gepflogenheiten fürstlicher Erziehung und im Kontext der politischen Konstellationen auf. Bei der Erziehung der Söhne wurde auf Kriegskunst, Kenntnis der Wissenschaften und gute Allgemeinbildung, nebst den christlichen und fürstlichen Tugenden, Wert gelegt[30]. Die Töchter erhielten Basis-Unterwiesung in Fremdsprachen, ‚moribus und Sitten’, Musizieren und kunsthandwerklichen Fertigkeiten. Vor allem wurden sie in eine konfessionell geprägte Religiosität eingeführt.
Luise Charlotte verstand sich auf den Umgang mit Geld. Die 8000 Reichstaler Ehegeld sollten über Einnahmen aus den Ämtern Grobin, Oberbartau, Rutzau realisiert werden. Da der Herzog aber zeitweise mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, musste die Herzogin Verzögerungen hinnehmen und auf andere Quellen zurückgreifen. Dank der klugen Bewirtschaftung ihrer Güter (durch Kammerjunker von Somnitz) war sie bald in der Lage, neuen Grundbesitz zu erwerben bzw. wenig ertragreiche Ländereien gegen bessere einzutauschen. So konnte sie ihrem Gemahl bei finanziellen Engpässen mit Krediten aushelfen. Im Finanzsektor kam es immer wieder zu Kontroversen mit der brandenburgisch-preußischen Seite, weil die Auszahlung der im Ehevertrag versprochenen Gelder nicht erfolgte. Weiter drängte Herzog Jakob seinen Schwager zu Kompensationen für lettische Bauern, die sich nach Preußen abgesetzt und die Wirtschaft in Kurland geschädigt hatten, doch ohne Erfolg[31].
Mit Entschiedenheit nahm sich Luise Charlotte der calvinistischen Sache an. Dabei konnte sie auf den kurbrandenburgischen Theologen Bartholomäus Stosch (1604-1686) zurückgreifen[32]. Er war in Kurland kein Unbekannter, seit er 1640 in Pilten durch Vermittlung seines fürstlichen Gönners Achatius III., Burggraf von Dohna, die Stelle eines Predigers übernommen hatte. 1644 wurde er zum Hofprediger und Seelsorger der kurfürstlichen Familie in Königsberg und Berlin ernannt[33]. Später berief der Kurfürst ihn auch in das Konsistorium. In dieser Funktion hatte er neben Kurfürstin Luise Henriette und Otto Graf von Schwerin maßgeblichen Einfluss auf die Religionspolitik des Großen Kurfürsten. Stosch war ein konsequenter Calvinist und scharfer Kritiker der lutherischen Orthodoxie. Die kurfürstlichen Edikte von 1662 und 1664, in denen die Diskriminierung der Calvinisten untersagt und Regeln der Toleranz aufgestellt wurden, stammen von seiner Hand. 1645 begleitete er Luise Charlotte nach Kurland und förderte den Gemeinde-Aufbau. Als der Kurfürst nach dem Tod seiner Frau Luise Henriette noch einmal heiratete, und zwar Dorothea von Holstein, die lutherischer Herkunft war, verlor Stosch an Einfluss.
Mit der Zeit sammelte sich in Mitau eine kleine reformierte Gemeinde, die sich aus Adligen (so die Familie Puttkamer, Recke auf Blieden, Frau Landhofmeister Mirbach geb. Plettenberg u.a.)[34], Hofbeamten und Bürgern zusammensetzte. Sie feierte ihren Gottesdienst im sog. „reformierten Saal“ des Schlosses. Nach Stosch war Rudolf Günther Kiesewetter (geb. 1616 in Anhalt-Zerbst; gest. 1673 in Danzig) Hofprediger (1646-1658)[35]. Ihm folgte Andreas Bünbose[36]. Luise Charlotte trug Sorge für das Gemeindeleben und stiftete u.a. die vasa sacra. Herzog Jakob hatte die Konfession seiner Gemahlin akzeptiert und vertraglich gesichert. Auch wusste er sich mit dem calvinistischen Standpunkt einig in der Ablehnung des Katholizismus. Zudem gehörten zwei entschiedene Calvinisten zu seinen engsten Ratgebern: Christoph Heinrich von Puttkamer und Wilhelm von der Recke. Als die Reformierten im benachbarten Polen-Litauen (nach 1655) von ihren katholischen Landsleuten bedrängt und verfolgt wurden, nahm sich Luise Charlotte der reformierten Glaubensflüchtlinge fürsorglich an.
Das Verhältnis zwischen den Konfessionen gestaltete sich in Kurland ähnlich spannungsvoll in Preußen. Denn die lutherische Mehrheit ließ keine Gelegenheit aus, die calvinistische Minderheit zu behindern. Schroffheit bestimmte das Verhalten beider Seiten. Die lutherische Mehrheit nahm Anstoß an der puren Existenz der Reformierten. Die Rede vom „calvinistischen Seelengift“ war an der Tagesordnung. Nachdem es anlässlich der Beerdigung des Obergrafen Puttkamer zu unschönen Auseinandersetzungen gekommen war, schrieb Pfarrer Kiesewetter aus Danzig an die Herzogin (1663): „Sehe unter anderem mit großem Leidwesen, die Bosheit undt den eiffer und unverstand, so die lutherischen Hr. prediger bey der Sepultur des Sehl. OBG. Puttkammer erwiesen, es ist ihre alte Gewohnheit. Ich wünsche, sie wehren an den Evangelischen Orten, alwo itzo der Türke grausam graßiret, gewiß, sie würden wol zahmer und geschmeider werden. Aber was thut Undt Verrichtet Ihr toben undt wüthen? Es machet Uns Reformirte desto eiffriger Undt standhafter in Unser Bekäntnüs, Sie aber werden sich einmahl zu tode beißen. Gott Lob, dass S. Hfl. Dhl, m. gn. Fürst und herr Ihren Unzeitigen eiffer nicht guth heißet Undt doch wohl im hertzen wissen, an wen sie glauben etc“[37]. Gottesdienste konnten nur unter dem Schutz der Herzogin stattfinden. Sogar 1692 waren noch gottesdienstliche Versammlungen in Privathäusern verboten. Weit entfernt von religiöser Konvergenz erließ Herzog Jakob 1650 folgende Instruktion an die Pröpste: „Nachdem etlicher Orten die Bätztischer und andere Hetrodoxen in der Nähe sind, sollen die praepositi auf die pastores Acht haben, wie sie sich in ihrem Leben und Wandel gegen dieselben erzeigen und ob sie sich also verhalten, dass sie ihnen kein Aergerniß oder Anstoß geben“[38]. Die Herzogin hingegen besuchte auch die lutherischen Gottesdienste und sorgte u.a. dafür, dass Daniel Hafftstein (s.o.) als lutherischer Superintendent nach Mitau berufen wurde, weil sie seine Predigten sehr schätzte.
Kurland lag an der Peripherie des deutschen Reiches bzw. an einer Schnittstelle zwischen Ost und West. Um Einsamkeit und kulturelle Reduktion zu kompensieren, verlegte Luise Charlotte sich auf die Kunst des Schreibens. Per Korrespondenz nahm sie Anteil an den laufenden politischen Ereignissen der Welt, besprach familiäre wie religiöse Fragen. Große Bedeutung kommt dem Briefwechsel mit ihrem Bruder in Berlin und ihrer jüngeren Schwester, Hedwig Sophie (1623-1683)[39], in Kassel zu. Themen die immer wiederkehren, sind finanzielle Angelegenheiten, Gesundheitsfragen oder die Bereiche der Hofhaltung. Die Schwestern tauschen Sorgen über ihre Kinder, Erziehungs- und
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Hedwig Sophie, Landgräfin von
Hessen-Cassel (1623-1683)
Bildungsprobleme aus. Die Jüngere berät die Ältere in Mode- oder Etikettenfragen und lässt ihr aus Paris Kleidung und Schmuck kommen. Fast in jedem Brief wird das Thema der Heiratsverbindungen angeschnitten. Deutlich ist in den Briefen, die aus der Zeit von 1660-1670 stammen, die ökonomische und kulturelle Randlage des Herzogtums zu spüren.
Ein Vertrauter, mit dem Luise Charlotte in enger Verbindung stand, war der brandenburgisch-preußische Politiker Otto Graf von Schwerin[40], ein überzeugter Calvinist. Mit ihm hat sie immer wieder die Angelegenheit der ausstehenden Ehegelder sowie die Ansprüche auf die Jülichsche Erbmasse behandelt. In den Jahren der Gefangenschaft war er oft die Adresse ihrer Klagen und Notrufe. Neben der persönlichen Korrespondenz pflegte sie Geschäftskontakte zu kaufmännischen Agenten in Königsberg, Danzig und Amsterdam, die sie mit Informationen zu Handel und Geschäftsleben versorgten. Als in den Jahren 1652-1655 das Ostindien-Projekt ihres Gemahls stagniert, schaltete sie sich ein und versuchte eine Expedition zu organisieren[41]. Aufgrund der wachsenden weltpolitischen Spannungen und misslungener Absprachen mit den Geschäftspartnern ist das Vorhaben gescheitert.
Das „fürstliche Stillleben (sc. erfuhr) eine jähe Unterbrechung“[42], als die Spannungen zwischen Schweden und Polen eskalierten und auf Krieg zuliefen. Doch brach der Krieg an einer anderen Front aus. Polen hatte Gebiete im Westen des Russischen Reiches besetzt. 1648 kam es in der Ukraine zum Aufstand der Kosaken gegen Polen, und der Zar nutzte die Gelegenheit und begann 1654 den Krieg gegen das Königreich Polen.
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Zar Alexej I. Michailowitsch (geb. 1629; 1645-1676)
4. Diplomatie zwischen den Fronten
Auch nach dem Dreißigjährigen Krieg hielt die angespannte Lage zwischen den Mächten Nordosteuropas an. Zwar herrschte zwischen Schweden und Polen-Litauen der Waffenstillstand von 1635 (Stuhmsdorfer Vertrag), doch blieben die Machtverhältnisse im Ostseeraum letztlich ungeklärt. Kurland wie Preußen hatten aufgrund ihrer Lehnsabhängigkeit von Polen ein gesteigertes Interesse an
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Schweden und der Ostseeraum im 16. und 17. Jahrhundert
Frieden. Der Friedenskongress von Lübeck (1651) verlief aber ergebnislos. Ein erneuter Krieg zwischen Schweden und Polen-Litauen um die Vorherrschaft im Baltikum schien unvermeidbar. Alle Anrainerstaaten, auch Russland, wurden in diesen Krieg, der weit reichende Folgen haben sollte, hineingezogen[43]. Und inmitten des Hegemonialkampfes Kurland, das zu imperialer Expansion verlockte. Mit gutem Gespür für die bedrohliche Lage hatte Herzog Jakob bereits 1647 die Anerkennung der Neutralität des Herzogtums von schwedischer Seite erwirkt.
Der Krieg begann 1654 jedoch an einer anderen Front: zwischen Polen und Russland. Zur Vorgeschichte dieses Konflikts gehört der Aufstand der Saporoger Kosaken, die seit 1648 unter ihrem Hetman Bohdan Chmelnyzkyj in der Ostukraine gegen die polnische Oberherrschaft kämpften. In diesem Konflikt spielten neben politischen Motiven auch der religiöse Gegensatz von orthodoxer und griechisch-katholischer Kirche eine wichtige Rolle. Anfänglich waren die Aufständischen sehr erfolgreich, da sie von den Krimtataren militärische Unterstützung bekamen. Als diese sich jedoch zurückzogen, suchten die Kosaken einen neuen Verbündeten, den sie in Russland fanden. Im Vertrag von Perejaslaw (18. Januar 1654)[44] unterstellten sich die Kosaken der russischen Krone und legten einen Treueeid auf den Zaren Alexeij I. ab.
Im Gegenzug verpflichtete sich der Zar, zum Schutz der neuen Bündnispartner, Polen-Litauen den Krieg zu erklären. Die russischen Truppen agierten zunächst erfolgreich, konnten Smolensk zurückgewinnen und bis Lublin vorstoßen. Weil aber gleichzeitig die Schweden in Polen eingefallen waren, stellten Russland und Polen die Feindseligkeiten im Vertrag von Niemiez vorübergehend ein, um das Anwachsen der schwedischen Macht zu begrenzen.
Am 16. Juni 1654 war die Königin Christina von Schweden abgedankt, worauf der polnische König Johann II. Kasimir (1609/1648-1672)[45] als Urenkel Gustav I. Wasas Anspruch auf den schwedischen Thron erhob. Diese Auseinandersetzung nahm die schwedische Seite als Anlass zum Krieg. 1655 fiel König Karl X. Gustav in Polen ein und rückte siegreich bis Warschau und Krakau vor. Polen war durch den vorangegangenen Krieg mit Russland geschwächt und musste kapitulieren. Johann II. Kasimir flüchtete nach Schlesien.
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Johann II. Kasimir als König von Polen und Großfürst
von Litauen. Gemälde von Jerzy D.Szulc (17. Jhd.)
Herzog Jakob bzw. der Große Kurfürst standen ohne Schutzherren da. Zwar war von schwedischer Seite Kurland Integrität zugesichert worden. Jetzt forderte Karl X. Gustav den Herzog auf, die schwedische Lehnshoheit anzunehmen. In dieser Situation setzte Jakob auf Hinhaltetaktik und zögerte die Entscheidung hinaus[46]. Seinem Schwager Friedrich Wilhelm von Brandenburg hatte Schweden analoge Avancen gemacht.
Kurfürst Friedrich Wilhelm wählte zunächst den Weg der Selbstverteidigung, weil die schwedischen Forderungen zu hoch waren. Da er jedoch militärisch unterlegen war, musste der Grosse Kurfürst im Vertrag von Königsberg 1656 Preußen (und das Fürstbistum Ermland) als schwedisches Lehen annehmen und sich zu militärischen Auflagen verpflichten[47]. Mit diesem Schritt verschlechterte sich auch die Handlungsbasis der kurländischen Politik.
In dieser Konstellation ergriff Herzogin Luise Charlotte die Initiative und startete eine Reihe von diplomatischen Aktivitäten. Sie nahm Kontakt zum schwedischen Generalgouverneur Magnus de la Gardie in Riga auf und erreichte zeitlichen Aufschub für die Entscheidung ihres Gatten. Auch beschwerte sie sich über das impertinente Drängen des schwedischen Gesandten am kurländischen Hof, Benedict Skythe, der u.a. die Überlassung von Schloß Bauske verlangte. Als dann in Polen-Litauen der Widerstand gegen die schwedische Besatzung sich in einem Aufstand des Adels entlud (Juli 1656) und Schweden in Bedrängnis brachte, war der schwedische König bereit, Kurlands Neutralität bis auf
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Karl X. Gustav von Schweden (1622-1660)
Gemälde (1652/53) von Sébastien Bourdon
Nationalmuseum Stockholm
weiteres anzuerkennen. Außerdem wurde das Stift Pilten wieder in das Herzogtum integriert. Dennoch blieb Kurland der Durchmarsch fremder Truppen mit allen Folgen nicht erspart. Brandenburg-Preußen konnte in dieser Kriegsphase seine Neutralität zunächst noch wahren, musste dann aber auf schwedischer Seite in den Krieg eingreifen. Im Juli 1656 errangen schwedische Truppen einen Sieg über Polen (Schlacht bei Warschau)[48]. Logistische Probleme und die Tatsache, dass Russland und Polen einen Waffenstillstand geschlossen hatten, zwangen sie jedoch zum Rückzug. M.a.W., die Konkurrenzfähigkeit Polens im Kampf um den Ostseeraum hatte große Rückschläge erfahren, Schweden war zwar erstarkt, hatte aber in Russland einen neuen Gegner bekommen. Denn die schwedischen Erfolge hatten den Zaren aufgeschreckt und die russischen Expansionspläne gestört. Russland erklärte im Mai 1656 Schweden den Krieg und rückte ins Baltikum ein. Im August 1656 standen russische Truppen vor Riga[49], einer der größten Städte im Ostseeraum (zu der Zeit dreimal größer als Stockholm).
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Belagerung von Riga 1656
Den kurländischen und preußischen Gesandten gelang es, im russischen Feldlager Neutralitätsverträge auszuhandeln. Kurfürst Friedrich Wilhelm nutzte die Situation noch in anderer Weise und konnte sich im Vertrag von Labiau (20. November 1656) die Souveränität Preußens von Schweden bestätigen lassen, das ihn als „obersten, absoluten und souveränen Fürsten von Preußen“ anerkannte. Herzog Jakob hingegen geriet immer mehr zwischen die Fronten[50]. Weil er mit dem Zaren verhandelt hatte, wurde seinen Neutralitätsbeteuerungen misstraut. Ihm wurde doppeltes Spiel unterstellt. Auch Luise Charlotte begleitete den sich eskalierenden Konflikt zwischen Russland und Schweden mit Sorge. In einem Brief an Otto von Schwerin geht sie auf die aktuelle Lage ein:
„Ich hof der löbliche König werde nicht so Ungnedig Von mein Herrn iudiciren, Als uns wol solche entlauffen Leuth gönnen Mechten, ich hof Ihr müstet … es viel Anders erfahren. Ich will Nichts Rühmen; Aber doch mus ich sagen, das ich alle Woch 2 Mahl früher Aufgestanden, um
eigen Bethstunden in Meiner reformirten Gemein zu haltten, Weil Riga belagert; den ich in mein Kintheit gelernt, Wen des Nächsten Haus brent so sol man leschen; Weil ich aber kein Ander Mittel als das gebeht, habe ich dadurch gerne Wollen Von Ihnen Und Uns, alles Unheil abwenden, Und noch sol mein Arm Unschuldig Man Ihn angeruffen haben. Ich Verlang So Wider ein brief von Ihm Zu haben, Zu hoeren, ob ich Wider mich erfreuen Kann, das solche entloffnen Schelm Kein gehör noch glaube gegeben; Unterdes betrüb ich mich al ein bisgen innerlich, Weis aber gewis, Gott Wirt den losen Menschen finden“[51].
Sie bat den befreundeten Politiker, auf den schwedischen König zugunsten Kurlands einzuwirken. Als Zar Alexej I. unerwartet die Belagerung Rigas aufhob[52] und seine Truppen abzogen, schickte sie dem schwedischen Generalgouverneur de la Gardie (1649-1652; 1655-1658) Glückwünsche und beteuerte erneut Kurlands Zuverlässigkeit.
Indes verschärfte sich die Situation, als Polen sich anschickte, den Großen Kurfürsten als Bundesgenossen zurück zu gewinnen und Luise Charlotte um Vermittlung gebeten wurde. Die Herzogin ging auf das polnische Ansinnen ein, weil sie die Interessen Kurlands wahren wollte[53]. Dabei hat sie jedoch zwei Aspekte übersehen. Ihr diplomatisches Eingreifen musste von schwedischer Seite als Affront aufgefasst werden. Kaum waren die russischen Truppen abgezogen, konnte Schwedens König gegen Kurland vorgehen. Zweitens hatte sie ihren Bruder falsch eingeschätzt. Denn der Große Kurfürst dachte nicht daran, das Bündnis mit Schweden aufzugeben, wo er doch gerade als souveräner Herzog von Preußen anerkannt worden war (Friede von Labiau, 20. November 1656). Luise Charlottes Friedenswunsch übersah die Realitäten[54].
1657 traten Dänemark und die Niederlande in den Krieg ein, um Schwedens Machtzuwachs zu verhindern. Für die Herzogin ein nicht nachvollziehbarer Gedanke, dass evangelische Mächte gegeneinander zu Felde zogen. Unterdessen wurde die politische Stellung Kurlands immer bedrohter. „Die Pohlen Sagen, Wir sein zu Schwedisch, jene, Wir sein gantz polnisch und wir seint nur für Uns selbst. Aber Undanck ist bey der Neutralité das endt“[55], schrieb die Herzogin.
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Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg
Gemälde von Govaert Flinck, um 1652
Erkrankungen in der Familie brachten zusätzliche Sorgen. Jakob versuchte sogar, seine Gemahlin zeitweise außer Landes zu bringen, „weil man sie vielfach für die Seele seiner Politik hielt“[56]. Wahrscheinlich bestand die Vermutung zu Recht, und Herzog Jakob hat manche politischen bzw. diplomatischen Aktivitäten von seiner Gemahlin ausführen lassen, um die eigene Handlungsfreiheit nicht zu belasten. Im Sommer 1657 hält sich Luise Charlotte in Königsberg auf, um ihrer Schwägerin zu helfen, die gerade niedergekommen war. Auch wollte sie ihren Bruder bei der Gelegenheit an die noch ausstehenden Ehegelder erinnern[57]. Vor ihrer Abreise informierte sie noch den schwedischen Generalgouverneur de la Gardie[58] in Riga über ihre Reisepläne.
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Graf Magnus Gabriel de la Gardie (1622-1686)
1656-1658 Schwedischer Generalgouverneur in Livland
Verteidigte Riga gegen die Armee des Zaren Alexej
In Königsberg hatte in der Zwischenzeit ein diplomatisches Ränkespiel begonnen. Polnische und österreichische Emissäre bemühten sich, den Herzog ins Boot der österreichischen Kaiserkandidatur zu holen. Dagegen taten Vertreter des französischen Hofes und der brandenburgische Minister Graf Waldeck[59] alles, um die schwedische Verbindung zu stärken. In dieses Kräftespiel griff Luise Charlotte ein und insistierte bei ihrem Bruder auf einen Seitenwechsel. Als der Kurfürst später dann merkte, dass die Macht Schwedens im Schwinden war, hat er nicht gezögert, seinen Vorteil, d.h. die Souveränität Preußens, zu suchen. Kaum war die Herzogin zurück in Kurland, erhielt sie davon Kenntnis, dass der polnische König Johann II. Kasimir und der Große Kurfürst sich im Vertrag von Wehlau (19. September 1657) geeinigt hatten. Der polnische König verzichtete auf die Lehnshoheit über das Herzogtum Preußen. Im Gegenzug trat der Kurfürst aus dem Bündnis mit Schweden aus[60]. Die Herzogin deutete diese Entwicklung als Schritt zum Frieden, doch zogen dunkle Wolken über Kurland auf.
Dem schwedischen Gesandten in Königsberg, Schlippenbach, waren die diplomatischen Operationen der Herzogin nicht verborgen geblieben. Es bedarf keiner Erklärung, dass der schwedische Hof entsprechende Informationen erhielt. Unterdessen verzeichneten die schwedischen Truppen Erfolge gegen die Dänen, die im März 1658 besiegt wurden. Vor allem aber kam die Nachricht, dass eine politische Annäherung zwischen Russland und Schweden im Gange sei. Es kam zu dem dreijährigen Waffenstillstand von Valiesar auf der Grundlage des Status Quo[61].
Luise Charlotte vertraute auf die guten Beziehungen zum schwedischen Generalgouverneur de la Gardie in Riga und trat für die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit ihres Gemahls ein. Doch kamen weder aus Stockholm noch aus Riga freundliche Reaktionen auf die kurländischen Ehrlichkeitsbeteuerungen. Aufgeschreckt durch die Annäherung zwischen den Großmächten Schweden und Russland und die drohende Allianz der beiden, nahm Luise Charlotte Kontakt zum Zaren auf, was aber keine Verbesserung der Lage Kurlands zwischen den Fronten brachte. Ein Brief des Großen Kurfürsten an seinen Schwager sprach sogar davon, dass König Karl X. Gustav Frieden zu eigenen Bedingungen machen wolle, wobei Kurland an Schweden fallen bzw. schwedisches Lehnsherzogtum werden könne. Es wurde immer klarer, dass Herzog Jakob aus eigener Kraft seine Neutralität[62] nicht mehr wahren konnte, zumal die Ritterschaft sich eigentümlich indifferent zeigte. Ein Schreiben der Herzogin vom 16. August 1658 fasst die Befürchtungen in Mitau zusammen:
„Die Schweden geben für, Sie Wollen Fride machen, die Conditiones sein aber sehr schwer, nehmlich die renuntiation auf Schweden, ausleschung des Wappen, gantz Lieflandt, Wie auch Churlandt und Semgallen, Welches der hertzog zu lehen von Schweden, wie er es bey Pollen gehabt, oder das die Chron Pollen Samoitten anstadt Churlandt dem hertzogen geben solle Hiemitt werden E. Lbd. Besserer werden, als zuvor. Was nun die neutralitet helffen wirdt, solches gibt die Zeitt, doch Were noch Zeitt sich in Verfassung zu setzen und gesambter handt dem Feinde zu begegnen …“[63]
5. Schwedische Gefangenschaft
König Karl X. Gustav von Schweden waren die Unabhängigkeit Kurlands und Jakobs lavierende Politik schon lange hinderlich bei der Verwirklichung seiner militärischen Pläne. Er war entschlossen allen Eventualitäten zuvorzukommen und Kurland in seine Gewalt zu bringen. So erhielt der neue Oberkommandierende in Livland, Feldmarschall Graf Robert Douglas, Order, die Festungen Mitau und Bauske zu besetzen und den Herzog samt Familie gefangen zu nehmen[64].
Mit Hilfe einer List wurde der Herzog in Sicherheit gewogen. Douglas versprach, die kurländische Souveränität im Tausch gegen Lebensmittel für die schwedischen Truppen zu respektieren.
„Ihr Königl. Mtt. Zu Schweden geheimer Rath, General-Feldtmarschall und Kriegs-Rath Robert Douglas, Graff zu Schöningen, Freyherr zu Schelby, Erb-Baron auf Ziritingheimb, Herr zu Zewen, Hochsätter und Sandgarten.
Demnach zur subsistence Ihrer Königl. Mtt. Unsers allergnädigsten Königs und Herrns armee von S. Fürstl. Hoheit dem Herzog von Churland, dessen Ober Räthen und Hauptleuthen wegen dero Herzogthumbs Stiffts Pilten und gantzen Landes abermal ein ansehnliches an
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Feldmarschall Robert Douglas (1611-1662)
1658-1661 Militärgouverneur in Livland
Graf von Skänninge
Geld und Korn, besage ausgegebenen Revers bewilliget, versprochen und zugesaget, so assecurire und versichere Ich dagegen in allerhöchst-gedachter Ihrer Königl. Mtt. Nahmen, dass S. Fürstl. Hoheit sambt dero Land und Leuthen, auch Stifft Pilten, Niemand, ausser diejenigen, welche sich selbsten solcher beneficien unwürdig gemacht, ausgeschlossen, bey der von Ihrer König. Mtt. Ihr allergnädigsten bisshero gegönnten Neutralität biss auf dero fernere ratification für aller Feindseeligen attentaten als eigenthätlicher Einquartirung, Raub und Plünderungen, contributionen, und allen andern Exactionen versichert bleiben, und deroselben befreyt sein sollen. Dahingegen versprochene hochgedacht Ihro Fürstl. Hoheit, dass nicht allein auf der Mitawschen Bäch eine Brücke, jedoch nicht näher, als eine Meile weniger oder mehr von der Mitaw, nach inhalt ihres Reverses, zu bauen gegönnet, auch die armee , bey dem Durch Züge mit notdürfftigem Unterhalt, sondern auch diejenigen, so bey der Brügken baw sich befinden, und die ordinarie Wache dabey haben, versehen werden soll, welches Letzteres aber an der letztbewilligten lieferung soll decurtiret werden, auch so oft die Nohturfft und Kriegsraison solches erfordert, die Brücke an einen andern Orthe zu legen, gegönnet werden soll. Urkundlich haben S. Exell. solches eigenhändig unterschrieben, und mit dero Insigell bekräfftigen lassen.
Datum im Haubtquartier zu Bergfriedshoff den 19. Sept. ao 1658
Ro: Duglas
Concortat cum suo originali
Adam Fuchs scrs.“[65]
Es wurden auch 30 Boote, angeblich für den Transport von Verwundeten, gestellt. In Wahrheit fuhr schwedisches Militär in der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober 1658 auf diesen Booten die Aa hinab, landete unbemerkt bei Mitau und nahm das Schloss im Handstreich. Stadt und Schloss wurden geplündert, das herzogliche Archiv wurde beschlagnahmt und nach Stockholm transportiert. Die kurländischen Soldaten kamen unter schwedisches Kommando, und die herzogliche Familie wurde unter Hausarrest gestellt. In die Festungen Bauske und Doblen zog schwedisches Militär ein. Und Herzog Jakob musste sich Feldmarschall Douglas fügen, der jetzt die Macht im Land ausübte. Gleichwohl weigerte er sich, den schwedischen König als Lehnsherrn anzuerkennen und ihm mit dem Eid zu huldigen. Seine Räte und auch der Adel verhielten sich ebenso[66]. In der kurländischen Bevölkerung steigerte sich die Ablehnung der Schweden, so dass es zu einem Kleinkrieg[67] gegen die Besatzer kam. Luise Charlotte trafen die Ereignisse umso schwerer, als sie in jenen Tagen niederkam. Es war Prinz Alexander, der ohne den rechten Arm geboren wurde. Der Überfall und die Handlungsweise der Schweden lösten in ganz Europa Empörung aus. Die Herzogin richtete an befreundete Fürstenhöfe Klage- und Bittbriefe[68], in denen sie das Schicksal ihrer Familie darstellte. Besonders beklagte sie das schwedische Täuschungsmanöver, das dazu noch evangelische Glaubensgenossen getroffen hatte.
Es sollte noch schlimmer kommen. Kaum hatte sich Luise Charlotte von ihrer Niederkunft erholt, wurde die herzogliche Familie am 9. November 1658 außer Landes nach Riga gebracht. Dort herrschten verschärfte Haftbedingungen. Die Außenkontakte waren eingeschränkt, und die Post wurde zensiert. Vor allem litt die Familie unter Geldmangel und wusste nicht, wie der Alltag bewältigt werden konnte. Zum Glück hatte Luise Charlotte bei der Verhaftung einen größeren Geldbetrag mitnehmen können, mit dem sie die notwendigsten Ausgaben bestreiten konnte.
Während dessen nahm der Krieg zwischen Schweden und Polen seinen Fortgang. Zwischen Schweden und Russland hatte sich ein Friedensvertrag angebahnt. Die Gefangenen schmiedeten Pläne zu ihrer Befreiung, dachten an eine Geiselnahme schwedischer Persönlichkeiten und drangen beim Großen Kurfürsten auf einen separaten Waffenstillstand zwischen Preußen und Schweden. Frankreich, England und die Niederlande beließen es bei verbalen Protesten. Sie unternahmen nichts, zeigten nur „ein gewisses platonisches Interesse für den brutal behandelten Fürst“[69]. Die Niederlande nutzten die Situation sogar aus und eigneten sich die überseeischen Besitzungen Herzog Jakobs an. Von schwedischer Seite wurden schwerste Anschuldigungen gegen die Herzogin erhoben. Sie habe die Allianz hinterrücks gebrochen und sei die Hauptverantwortliche für den kriegerischen Zustand im Ostseeraum. Aus ihren Briefen, die sie an Fürst Boguslaus Radzivil, Statthalter des Großen Kurfürsten in Königsberg, und an den polnischen König[70] schrieb, spricht die pure Verzweiflung. Sie wendet sich sogar in aller Demut an König Karl Gustav und möchte ihn zum Eingreifen bewegen.
„Euer Königlichen Majestät küsset Ihre Elende unglückliche Dienerin hiermit demütig die Hende und bittet unterthänig Euer Königl. Majestät wollen nun dero Königlich gnädig Hertzs zu denen wenden, die umb derselben willen in diese unschuldige gefängnus gerathen, und durch den Friden uns wider in Wolstand setzen, sonst dürften wir unser leben wol in Jammer und leidt endigen. Meine augen sein nun 3 wochen wenig trucken gewesen, wen ich bedenck, wie unschuldig wir leiden und umb der wolfart kommen. Es ist wol wunder, wie ich under al den schreck lebe; der überbringer wirt E.K.M. alles erzehlen, wie man mit uns umbgangen und uns sicher gemacht, und alle unsere leuht sein verrahten gewesen, welche man al in Dinst genohmen. Ich kann kein Brief ahn mein Brudern krigen, bitte E.K.M. unterthänig, Sie lassen ihn doch meins Haus betrübten Zustandt wissen. Weil ich für Eure Königliche Majestät, Sein Liebden und umb der austerichschen alians willen, So man mir al beymisset, leide, sohof ich, die werden auch für uns Reden und uns nicht stechen lassen, Dan wo Euer Königliche Majestät und sein Liebden nur sich unser annehmen, hof ich, Gott Sol mich noch wider so erfreuwen, als ehr mich jetzo betrübt. Der starcke Gott stercke mein lieben Herren in sein Gros Kreutzs und erhalt ihn mir und die 7 kleine Kinder zu trost; aber ein ehrlichen Hertzen sein dis entfindtliche Sachen. Gott aber wirt uns gnädig Sein unnd auch Euer Königl. Maj. Hertzs ferners zu bestendigen Gnade gegen uns lencken, deren ich mich in mein betrübten Zustandt ferners ergebe und bis in todt verbleibe … E.K.M. … getreuwe gefangene schwester und Dienerin
Lovyse Charlotte“[71]
Der Verfall ihres Landes lässt sie nicht ruhen. Die prekären Lebensbedingungen vor allem für die Kinder treiben sie um. Sie hebt die Einsamkeit hervor und befürchtete, nach Schweden gebracht zu werden. Schließlich überführten die Schweden Herzog Jakob und seine Familie am 13. August 1658 auf die Festung Iwangorod bei Narva, im äußersten Nordosten Livlands.
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Festung Iwangorod. Anthonis Goeteris 1616.
Aus: Arvi Korhonen Hakkapeliittain historia I 1617-1625, Porvoo 1939
Mehr tot als lebendig kamen sie dort an und mussten ihr Schicksal akzeptieren. Alle Fürsprache war erfolglos geblieben. In der Festung herrschten Mangel an allen Dingen, Krankheiten und schlimme hygienischen Verhältnisse, obwohl Kommandant Helmfeld sich bemühte den Status seiner Gefangenen zu respektieren. Der Herzog bekam depressive Zustände. Bei Luise Charlotte steigerten sich Verbitterung und Trauer. Sie hatte nur einen Wunsch: Frieden. Seit dem Sommer 1659 begann sich die Lage auf dem Kriegsschauplatz zu Ungunsten Schwedens zu verändern, so dass Friedensverhandlungen eingeleitet wurden.
Die herzogliche Familie musste aber noch ein Jahr in Iwangorod ausharren. Zuvor waren die Schweden von preußischen und polnischen Truppen aus Kurland vertrieben worden. Im Februar 1660 starb König Karl X. Gustav. Am 6. April wurden dann die Freilassung der herzoglichen Familie und die Restitution des kurländischen Territoriums beschlossen. Im Friedensvertrag von Oliva (3. Mai 1660) verzichtete der polnische König auf jegliche Ansprüche auf den schwedischen Thron. Schweden behielt die Oberhoheit über die livländischen Territorien und Riga. Und Preußen erlangte internationale Anerkennung seiner Souveränität. Der durch französische Vermittlung zustande gekommene Friede von Oliva hatte den Status Quo im Ostseeraum wieder hergestellt.
Am 3. Juni 1660 konnte Herzog Jakob mit seiner Familie die Festung verlassen und auf dem Landweg nach Riga reisen. Als sie am 8. Juni 1660 kurländischen Boden betraten, fanden sie ihr Land in einem desolaten Zustand vor[72]. Die Schlösser waren ausgeraubt worden und heruntergekommen. Viele Bauern hatten sich außer Landes begeben. In der Landwirtschaft blieben die Erträge bescheiden. Werkstätten und Fabriken konnten nur begrenzt ihre Arbeit verrichten. Diese Misere schlug sich in der Staatsführung nieder, die sich mehr und mehr durch kleinliche Beschränktheit auszeichnete. Denn es mangelte an allem. Luise Charlotte klagt: „Die Schweden und Polen haben mich von einer glücklichen, wohlstehenden Fürstin zu einer unglückseligen gemacht“[73].
[...]
[1] Vgl. Alfred F. Wolfert, Ein Familienbild des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, in: Mitteilungen des Wappen-Herold. Der Trappert, 1970, 1-20; Helmut Börsch-Supan, Zeitgenössische Bildnisse des Großen Kurfürsten, in: Zeitschrift für historische Forschung (ZHF), Beiheft 8, 1990, 151-166; 153f. Zu Elisabeth Charlotte von der Pfalz s. Ernst Daniel Martin Kirchner, Die Kurfürstinnen und Königinnen auf dem Throne der Hohenzollern, Bd. 2, Berlin 1867, 182-220.
[2] Vgl. Peter Bilhöfer, Nicht gegen Ehre und Gewissen. Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz – der „Winterkönig“ von Böhmen (1596-1632), Diss. Mannheim 1999; Haus der Bayrischen Geschichte (Hg.), Der Winterkönig Friedrich von der Pfalz und Europa im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges, Stuttgart 2003.
[3] Zur Identifikation der dargestellten Personen vgl. den Artikel von Wolfert (wie Anm. 1), 6ff. Die Dame zwischen Kurfürstin Louise Henriette und Landgraf Wilhelm VI. ist die Mutter des Letztgenannten, Amalie Elisabeth Gräfin von Hanau-Münzenberg (1602-1651).
[4] Nach Wolfert (wie Anm. 1), 10f.
[5] Börsch-Supan (wie Anm. 1), 154.
[6] Matthias Czwiczek stammte aus Böhmen und sympathisierte mit den Hussiten. Als junger Mann hatte er 1620 an der Schlacht am Weißen Berge gegen die katholisch-habsburgische Macht teilgenommen. Seit April 1628 war er Hofmaler in Königsberg, also im Herrschaftsbereich eines protestantisch-reformierten Fürsten.
[7] Wolfert (wie Anm. 1), 16ff.
[8] Wolfert (wie Anm. 1), 18.
[9] Wolfert (wie Anm. 1), 19.
[10] Darauf hat Wolfert (wie Anm. 1), 7 aufmerksam gemacht. Der Hund zu Füßen des Großen Kurfürsten erinnert an mittelalterliche Grabplatten.
[11] Zur Bedeutung der dynastischen Verbindungen vgl. Almut Bues, Kurland-Brandenburg-Hessen, in: Kurzemes un Zemgales hercogiste-petnieciba sasniegtais un perspektivas, ed. A.Vijups, Ventspils muzeja raksti 1, Riga 2001, 63-73; 65: Verwandtschaftsbeziehungen der Herrscherhäuser von Kurland, Brandenburg und Hessen; dies., Der kurländische Herzogshof in Mitau im 16. und 17. Jahrhundert. Geschichte der Residenz-Hofhaltung-Hofkultur, in: Kurzemes un Zemgales hercogiste-petnieciba sasniegtais un perspektivas, ed. A.Vijups, Ventspils muzeja raksti 1, Riga 2001, 301-319. - Im Übrigen Karl Wilhelm Cruse, Curland unter den Herzögen, Mitau 1833, 136ff; Otto von Mirbach, Briefe aus und nach Kurland während der Regierungsjahre des Herzogs Jakob, Zwei Theile, Mitau 1844; Alexander von Richter, Geschichte der dem russischen Kaiserthum einverleibten deutschen Ostseeprovinzen, III. Bd.: Kurland unter den Herzögen 1562-1795, Riga 1858; bes. 64ff (Herzog Jakob).
[12] Sie galt als „eine Frau von scharfem Geist und seltenen Herzensgaben“ (Ernst Seraphim, Kolonialpolitische Streifzüge ins siebzehnte Jahrhundert, in: Baltische Monatsschrift 37, 1890, 50-74; 69). Georg Fölkersam hebt in seinen Briefen (vgl. Mirbach I. und II. [wie Anm. 11]) immer wieder Mut, Standfestigkeit und Geistesgegenwart der Herzogin hervor. Ferner Leopold von Orlich, Geschichte des Preußischen Staates im 17. Jahrhundert mit besonderer Beziehung auf das Leben Friedrich Wilhelms des Großen Kurfürsten, I. Band, Berlin 1838, 517ff.
[13] Vgl. Altpreußische Monatsschrift 1894, 199; Franz Muther, Geschichte der evangelisch-deutsch-reformierten Burgkirchengemeinde in Königsberg i.Pr, Königsberg i.Pr. 1901, 11f.
[14] Zit. nach August Seraphim, Eine Schwester des Großen Kurfürsten. Luise Charlotte, Markgräfin von Brandenburg, Herzogin von Kurland (1617-1676), Berlin 1901, 4. Erhalten ist auch ein Liederbuch der Fürstin aus dem Jahr 1632. – Der Komponist und Liederdichter Heinrich Albert - s. Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), Band 1 (1875), 210ff - gehörte zum Königsberger Dichterkreis um Simon Dach u.a., der sich in der berühmten „Kürbishütte“ traf, einer Laube in Alberts Garten. Vgl. Alfred Kelletat (Hg.), Simon Dach und der Königsberger Dichterkreis, Stuttgart 1986; bes. 215ff und 353ff und Wladimir Gilgamov, Die Kürbishütte der Welt im Werk von Simon Dach, Vortrag Königswinter 2009.
[15] Jakob war also ein Vetter Georg Wilhelms von Brandenburg und ein Oheim seiner zukünftigen Gemahlin.
[16] Es hieß, er habe „in Amsterdam mehr bares Geld liegen …als irgend ein anderer deutscher Fürst“ (August Seraphim, Die Geschichte des Herzogtums Kurland (1561-1795), Reval 21904, 102).
[17] Darauf lassen Informationen über die Bibliothek in Schloss Mitau schließen (vgl. Seraphim [wie Anm. 16], ibd.).
[18] Vgl. Seraphim (wie Anm. 14), 21.
[19] Seraphim (wie Anm. 14), ibd.
[20] Im Ehevertrag heißt es, „dass nicht allein allen und jeden zu Ihro Liebden hoffstatt gehörigen persohnen, sondern auch andere, so sich zu dero reformirten religion bekennen, undt finden möchten, sich des Ihrer Liebden bewilligten freyen religionsexercity unhinderlich zu gebrauchen jederzeit gegönnet und verstattet“ (Zit. bei Almut Bues, Das Herzogtum Kurland und der Norden der polnisch-litauischen Adelsrepublik im 16. und 17. Jahrhundert. Möglichkeiten von Integration und Autonomie, Giessen 2001, 264f). Viele Akten zur Vermählung befinden sich im Staatsarchiv Marburg. Vgl. auch J.Juškeviča, Herzoga Jēkaba laikmets Kurzemē, Rigā 1931, 43ff; 433.
[21] Zu Daniel Hafftstein (1601-1660) vgl. Otto Kallmeyer, Die evangelischen Kirchen und Prediger Kurlands, Riga 21910, 394f.
[22] Zu Bergius vgl. Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (RE) II (1897), 613f; Peter Meinhold, Art. Bergius, Johann, in: Neue Deutsche Biographie (NDB), Bd. 2 (1952), 84f.; Walther Hubatsch, Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens, Band I., Göttingen 1968, 134ff.
[23] Vgl. ADB Bd. 36 (1893), 261f. Johann Stobäus (1580-1646) wirkte als Komponist und Kapellmeister in Königsberg. Von ihm stammt die Melodie zu dem bekannten Kirchenlied „Such, wer da will, ein ander Ziel“ (EG 346).
[24] Simon Dach, Gedichte. Zweiter Band. Weltliche Lieder-Gedichte an das kurfürstliche Haus-Dramatisches, Halle 1937, 198f; vgl. 184-218. Zu Simon Dach vgl. Jürgen Manthey, Königsberg. Geschichte einer Weltbürgerrepublik, München 2006, 48ff.
[25] Zit. bei Cruse I (wie Anm. 11), 148f.
[26] Vgl. Mirbach II (wie Anm. 11), 288ff.
[27] Über die regen Wechselbeziehungen zwischen Kurland und Brandenburg-Preußen z.B. in Fragen der Kolonialpolitik vgl. Seraphim (wie Anm. 12), 50-74.
[28] Die herzogliche Residenz „glich eher einer großen Gutswirtschaft“ (Bues [wie Anm. 11], 312). Vgl. auch Leonid Arbusow, Grundriß der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands, vierte verb. und erg. Auflage, Riga 1918, 240f über die Residenzstadt Mitau. Erinnert sei an Christian Bornmann, Mitau. Ein historisches Gedicht aus dem siebzehnten Jahrhundert (1686), Mitau 1802. Ferner Juškeviča (wie Anm. 20), 96ff.
[29] Zit. bei August u. Ernst Seraphim, Aus Kurlands herzoglicher Zeit. Zwei Fürstengestalten des XVII. Jahrhunderts, Mitau 1892, 136f.
[30] Für die Erziehung seines Sohnes Alexander verfasste Herzog Jakob eine spezielle Instruktion; zit. bei Seraphim (wie Anm. 29), 170ff. Auf Kenntnis des Lateinischen und Polnischen hat der Herzog besonderen Wert gelegt.
[31] Vgl. dazu August Seraphim, Über Auswanderungen lettischer Bauern aus Kurland nach Ostpreussen im 17. Jahrhundert, in: Altpreußische Monatsschrift 29, 1892, 317-331.
[32] Zu Stosch vgl. Hugo Landwehr, Bartholomäus Stosch, kurbrandenburgischer Hofprediger (1604-1686), in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte (FBPG) VI (1893), 91-140; Allgemeine Deutsche Biographie (ADB) 36 (1893), 460-462; Kallmeyer (wie Anm. 21), 681f.
[33] Landwehr weist auf die singuläre Verpflichtung hin, mit der Stosch in sein Amt berufen wurde: Er sei „in Lehren und Gottesdienst allein an das Wort Gottes, welches in den Schriften der Propheten und Apostel verfaßt“, gebunden. Jeglicher Hinweis auf Bekenntnisschriften o.ä. fehle (wie Anm. 32, 101f).
[34] Vgl. August Seraphim u.a., Denkschrift zur Erinnerung an die Gedächtnisfeier des hundertfünzigjährigen Bestehens des Evangelisch-Reformirten Gotteshauses zu Mitau, Mitau 1892.
[35] Vgl. Kallmeyer (wie Anm. 21), 468f. Aus dieser Zeit existieren kaum kirchliche Nachrichten.
[36] Vgl. Kallmeyer (wie Anm. 21), 289.
[37] Seraphim (wie Anm. 34), 9.
[38] Zit. bei Hermann Dalton, Geschichte der Reformirten Kirche in Russland, Gotha 1865, 147. Unter den „Bätztischer“ sind wohl die Reformierten zu verstehen. – Trotz der Ergebnisse des Westfälischen Friedens fehlte den Reformierten in Kurland die juristische Anerkennung. Erst 1701 erhielten sie das Privilegium zum Gottesdienst. 1704 wurde mit dem Bau einer Kirche begonnen, die aber erst 1740 eingeweiht werden konnte. Vgl. Seraphim u.a. (wie Anm. 34).
[39] Zu Hedwig Sophie vgl. Orlich (wie Anm. 12), 519f; Almut Bues, Der Briefwechsel der Landgräfin Hedig Sophie von Hessen-Kassel mit ihrer Schwester Luise Charlotte, Herzogin von Kurland, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 43, 1993, 77-108 und Ulrich Schoenborn, Mit Herz und Verstand: Biographie und Lebenswelt der Töchter Herzog Jakobs von Kurland in Hessen-Homburg, Herford und Hessen-Kassel, Hamburg 2010, 115ff.
[40] Über Otto Graf von Schwerin schreibt Orlich (wie Anm. 12), 247: „Gerechtigkeit, Treue und Liebe zu seinem Herrn (sc. dem Großen Kurfürsten), dem er Ratgeber und Freund war, ging ihm über alles“. In Band III. seines Werkes überliefert Orlich Gebete und geistliche Lieder, die der Graf für Kurfürstin Luise Henriette und ihre Kinder geschrieben hat (397ff).
[41] „Vielleicht war ihr Schmuck- und Koketteriebedürfnis ein bedeutender Faktor in den indischen Plänen ihres Gemahls“ (Otto Heinz Mattiesen, Die Kolonial- und Überseepolitik der kurländischen Herzöge im 17. und 18. Jahrhundert, Stuttgart 1940, 337; vgl. 338ff; 363ff (Briefe der Kaufleute Henry Momber und Andreas Cogan an die Herzogin). Mattiesen nennt Herzogin Luise Charlotte „diamantensüchtig“ (350).
[42] Seraphim (wie Anm. 14), 48.
[43] Zur Bedeutung der Nordischen Kriege vgl. Klaus Zernack, Das Zeitalter der Nordischen Kriege von 1558 bis 1809 als frühneuzeitliche Geschichtsepoche, in: Zeitschrift für historische Forschung (ZHF) 1, 1974, 55-79; Robert I. Frost, The Northern Wars. War, State and Society in Northeastern Europe 1558-1721, London 2000; ders., After the Deluge. Poland-Lithuania and the Second Northern War, 1655-1660, Cambridge 2004.
[44] Mit diesem Schritt hatte die Ukraine formal den polnisch-litauischen Staat verlassen und sich dem russischen Reich angeschlossen. Die Bedeutung des Vertrags wird bis in die Gegenwart in der Geschichtsschreibung höchst kontrovers diskutiert.
[45] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_II._Kasimir; (Zugriff 24.06.2011). Die Regierungszeit Johann II. Kasimirs war von Kriegen geprägt und „gilt als der Anfang vom Ende des polnisch-litauischen Staates“.
[46] Auch der kurländische Adel lehnte eine Unterwerfung unter die schwedische Lehnshoheit ab.
[47] Vgl. Orlich (wie Anm. 12), 121.
[48] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Warschau_(1656); (Zugriff 23.06.2011); Orlich (wie Anm. 12), 127.
[49] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Belagerung_von_Riga_(1656); (Zugriff 24.06.2011).
[50] Die Neutralität des Herzogtums hatte sich zu einem unlösbaren Dilemma entwickelt. Dies äußerte sich darin, „dass er (sc. Jakob) jeder der feindlichen Mächte zu Willen war“ (Seraphim [wie Anm. 16], 126).
[51] Zit. bei Seraphim (wie Anm. 14), 55f bzw. Orlich (wie Anm. 12), 519.
[52] Trotz großer Anstrengung war es den russischen Truppen nicht gelungen, die Festungsanlagen zu stürmen. Ein anderer Grund für die Aufhebung der Belagerung wird die veränderte Einschätzung der außenpolitischen Konstellation durch den Zaren gewesen sein.
[53] S. Anlage I. Am 3. November 1656 schreibt sie an Otto von Schwerin: „Ich hoffe, der Kurfürst wird, wenn er Frieden schließt, für die Reformirten reden, denn ihre Kirchen sind fast alle zerstört“ (Orlich [wie Anm. 12], 519).
[54] Arbusow schreibt (wie Anm. 28), 242: „Die Herzogin … hatte sich dem politischen Dilletantismus ergeben“.
[55] Zit. bei Seraphim (wie Anm. 16), 61.
[56] Seraphim (wie Anm. 16), ibd.
[57] Eine Lösung für die finanziellen Angelegenheiten hat sie nicht erreicht, was die Beziehung belastete und die Verstimmungen verschärfte.
[58] Magnus Gabriel de la Gardie (1622-1686) war ein schwedischer Politiker und Feldherr. Unter König Karl X. Gustav hatte er den Oberbefehl über das schwedische Heer in Livland inne. Vgl. >http://de.wikipedia.org/w/Magnus_Gabriel_de_la_Gardie< ; (Zugriff 11.11.2011).
[59] Vgl. Gerhard Menk, Georg Friedrich von Waldeck (1620-1692). Eine biographische Skizze, Arolsen 1992.
[60] In den Vertrag eingeschlossen war die Angliederung von Stadt und Kreis Elbing an das Herzogtum Preußen. Vgl. Orlich (wie Anm. 12), 189.
[61] Der wechselhafte Verlauf des Krieges mit Polen nötigte Russland, 1661 mit Schweden den Frieden von Kardis zu schließen, ein Rückschlag für Russland, weil der Vorkriegszustand wiederhergestellt wurde. M.a.W., alle russischen Eroberungen mussten aufgegeben werden.
[62] Vgl. Arbusow (wie Anm. 28), 242: „Es ist ein wunder Punkt in seiner Politik, dieses Festhalten Herzog Jakobs an der aussichtslosen Neutralität“.
[63] Zit. bei Juškeviča (wie Anm. 20), 548.
[64] Unterlagen über diese militärischen Operationen befinden sich im Staatsarchiv Marburg; vgl. Mirbach II (wie Anm. 11), 104ff; Seraphim (wie Anm. 16), 130ff. Über den schottischen General in schwedischen Diensten Robert Douglas informiert >http://en.wikipedia. org/wiki/R_Douglas<; (Zugriff 15.11.2011).
[65] Juškeviča (wie Anm. 20), 550f.
[66] Allein Superintendent Hafftstein ließ, vielleicht war er unter Druck gesetzt worden, bekannt machen, „daß nunmehr Kurland eine wahrhaft christliche Obrigkeit erhalten habe“ (Mirbach II [wie Anm. 11], 115f).
[67] Anführer des Widerstandes war ein Johann Lybecker; vgl. Mirbach II (wie Anm. 11), 73; Juškeviča (wie Anm. 20), 566f.
[68] Vgl. Seraphim (wie Anm. 14), 81ff.
[69] Seraphim (wie Anm. 16), 134. Bei Mirbach II (wie Anm. 11), 119f ist ein Brief des polnischen Königs Johann Kasimir abgedruckt, der Mitgefühl ausdrückt und Einsatz verspricht, für die Integrität des Herzogtums Sorge zu tragen.
[70] Vgl. Seraphim (wie Anm. 14), 86 und 87f. S.u. Anhang II.
[71] Zit. bei Juškeviča (wie Anm. 20), 557. Der Brief ist auf den 12. Oktober 1659 datiert.
[72] Vgl. Mirbach II (wie Anm. 11), 146ff; 287
[73] Orlich (wie Anm. 12), 519.
- Citation du texte
- Prof. Dr. Ulrich Schoenborn (Auteur), 2011, Die Frau an Jakobs Seite, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187438
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