In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Ausgangssituation für die Bildungspolitik in der
Bundesrepublik, aber auch in anderen Staaten in- und außerhalb Europas stark gewandelt. Die
westlichen, stark industrialisierten Nationen sind für viele Menschen aus Ländern der so genannten
Dritten Welt, aber auch den Staaten des ehemaligen Ostblocks, zu lockenden Zielen
geworden, die Wohlstand und Frieden, kurzum ein besseres Leben verheißen.
Die Migrationsbewegungen, die in den 50er Jahren einsetzten, haben sich im Laufe der Jahrzehnte
weiterhin verstärkt, zu wirtschaftlichen Motiven sind für einen Großteil der Migrantengruppen
Flucht vor Krieg, Bürgerkrieg, Terror und Hunger hinzugekommen. Dies bedeutet
innerhalb der Migrantengruppen eine größere Aufsplitterung in verschiedene Nationalitäten,
zu den ursprünglich vorwiegend europäischen Zuwanderern sind Gruppen aus Afrika, dem
Nahen Osten oder Asien hinzugekommen. Im Jahr 2001 lebten ca. 730000 Mitbürger nicht
deutscher Staatsangehörigkeit in Deutschland1, die sich auf die verschiedensten Nationalitäten
verteilten. Viele dieser Menschen haben inzwischen in Deutschland Familien, das heißt ihre
Kinder wachsen auf in einem kulturell ungesicherten Umfeld. Sie sind einerseits geprägt von
der Heimatkultur ihrer Eltern, andererseits jedoch auch zu großen Teilen von der sie umgebenden
Lebensweise in Mitteleuropa beziehungsweise Deutschland.
Aber auch innerhalb der „ursprünglichen“ deutschen Bevölkerung finden Differenzierungsbewegungen
und -prozesse statt. Ökonomische, ökologische, politische und soziale Entwicklungen
greifen tief ein in die Bevölkerungsstruktur und deren Selbstempfinden. Die großen
Veränderungen und Erschütterungen in den wirtschaftlichen Grundlagen des Landes, weg von
der Industriegesellschaft, hin zur postindustriellen Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft
führen zu großen sozialen Spannungen. Arbeit, so Donnerstag2, ist, jetzt wo sie nicht
mehr wie selbstverständlich für jeden zur Verfügung steht, nicht mehr der Leitbegriff der jüngeren
Generationen. Vielmehr ist das Erlebnis als Lebensziel für den Einzelnen ins Zentrum
des Interesses gerückt. Dies ist aber wiederum kein völlig einheitlich ablaufender Prozess. [...]
1 Quelle: Statistisches Bundesamt: http://www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoetab7.htm
2 Donnerstag 1999: 241f.
Inhalt
1. Interkulturelle Kompetenz und interkulturelles Lernen
1.1. Ausgangsituation
1.2. Die Situation der Schulen
1.3. Bedeutung für den Englischunterricht
1.4. Literatur im Fremdsprachenunterricht
2. Fallbeispiel – „Myop“ von Alice Walker
2.1. Mögliche Herangehensweise für den Unterricht
2.1.1. Vorüberlegungen
2.1.2. „The Flowers“ im Unterricht
2.2. Fazit
3. Literaturverzeichnis
4. Anhang
1. Interkulturelle Kompetenz und interkulturelles Lernen
1.1. Ausgangsituation
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Ausgangssituation für die Bildungspolitik in der Bundesrepublik, aber auch in anderen Staaten in- und außerhalb Europas stark gewandelt. Die westlichen, stark industrialisierten Nationen sind für viele Menschen aus Ländern der so genannten Dritten Welt, aber auch den Staaten des ehemaligen Ostblocks, zu lockenden Zielen geworden, die Wohlstand und Frieden, kurzum ein besseres Leben verheißen.
Die Migrationsbewegungen, die in den 50er Jahren einsetzten, haben sich im Laufe der Jahrzehnte weiterhin verstärkt, zu wirtschaftlichen Motiven sind für einen Großteil der Migrantengruppen Flucht vor Krieg, Bürgerkrieg, Terror und Hunger hinzugekommen. Dies bedeutet innerhalb der Migrantengruppen eine größere Aufsplitterung in verschiedene Nationalitäten, zu den ursprünglich vorwiegend europäischen Zuwanderern sind Gruppen aus Afrika, dem Nahen Osten oder Asien hinzugekommen. Im Jahr 2001 lebten ca. 730000 Mitbürger nicht deutscher Staatsangehörigkeit in Deutschland[1], die sich auf die verschiedensten Nationalitäten verteilten. Viele dieser Menschen haben inzwischen in Deutschland Familien, das heißt ihre Kinder wachsen auf in einem kulturell ungesicherten Umfeld. Sie sind einerseits geprägt von der Heimatkultur ihrer Eltern, andererseits jedoch auch zu großen Teilen von der sie umgebenden Lebensweise in Mitteleuropa beziehungsweise Deutschland.
Aber auch innerhalb der „ursprünglichen“ deutschen Bevölkerung finden Differenzierungsbewegungen und -prozesse statt. Ökonomische, ökologische, politische und soziale Entwicklungen greifen tief ein in die Bevölkerungsstruktur und deren Selbstempfinden. Die großen Veränderungen und Erschütterungen in den wirtschaftlichen Grundlagen des Landes, weg von der Industriegesellschaft, hin zur postindustriellen Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft führen zu großen sozialen Spannungen. Arbeit, so Donnerstag[2], ist, jetzt wo sie nicht mehr wie selbstverständlich für jeden zur Verfügung steht, nicht mehr der Leitbegriff der jüngeren Generationen. Vielmehr ist das Erlebnis als Lebensziel für den Einzelnen ins Zentrum des Interesses gerückt. Dies ist aber wiederum kein völlig einheitlich ablaufender Prozess. Es gibt Strömungen, die sich an althergebrachten Werten orientieren, Gruppen, die in ihren Einstellungen weit über das hinauszielen, was immer noch von weiten Teilen der Gesellschaft als Norm angesehen wird, und dazwischen unzählige weitere Gruppen oder Individuen. Durch zahlreiche Einflüsse, wie zum Beispiel eine beinahe schon übergroße Medienvielfalt, durch Sozialisation etc., sind inzwischen kulturelle Formen, Subkulturen entstanden, die so weit ausdifferenziert sind, dass auch zwischen ihnen eine Vermittlung notwendig wird, um ein Miteinander zu ermöglichen. Die Vielfalt lässt dem Einzelnen eine so große Wahl, das hinsichtlich der eigenen Identitätsbestimmung Verunsicherungen eintreten können. Diesen Umständen nun muss Schule Rechnung tragen und versucht es, zumindest Teilweise, auch.
1.2. Die Situation der Schulen
Die zunehmende kulturelle Vielfalt in der Bundesrepublik schlägt sich selbstverständlich auch in der Schule nieder. Im Schuljahr 2000/01 lag der Anteil ausländischer SchülerInnen an deutschen Schulen bei 9,7%[3] und damit noch einmal höher als in den Vorjahren. Ein bewusster, verantwortungsvoller und zielgerichteter Umgang mit diesem Umstand ist deshalb unausweichlich. Bereits seit Mitte der 60er Jahre hatte die Kultusministerkonferenz versucht, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass in den Klassenräumen nicht mehr ausschließlich deutsche SchülerInnen anzutreffen sind, nachdem 1961 die Schulpflicht auf in Deutschland lebende Kinder von Ausländern ausgedehnt wurde. Der 1964 veröffentliche Beschluss zum „Unterricht für Kinder von Ausländern“ zielte aber vor allem auf einen zügigen Erwerb der deutschen Sprache ab, drüber hinaus auch auf Pflege und den Erhalt der Muttersprache, ohne aber nähere Angaben zur Methode zu machen (Mahler/Steindl 1983: 200). Wenig oder gar nicht befasste er sich mit den Begleitumständen für die Kinder und ihre Mitschüler.
Die verheerenden Ereignisse in Deutschland zu Beginn der 90er Jahre, in deren Zuge zahlreiche ausländische Mitbürger schwer verletzt oder sogar getötet wurden, die beinahe schon alltäglichen Übergriffe auf Menschen und Einrichtungen, legten und ein absolut mangelndes Verständnis beziehungsweise mangelnden Willen oder Fähigkeit zum Verständnis „Andersartiger“ in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung offen.
Zwar sahen die Rahmenrichtlinien für das Fach Englisch im Land Niedersachsen bereits 1989 eine der Aufgaben des Englischunterrichtes darin, dem sich internationalisierenden Umfeld der Schüler Rechnung zu tragen:
„Die zunehmende Überwindung der nationalstaatlichen Grenzen, das Zusammenrücken der Menschheit infolge des technischen und technologischen Fortschritts, die fortlaufende Weiterentwicklung der Kommunikationsmittel, die Internationalisierung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes und nicht zuletzt der weltweite Massentourismus bringen Kinder und Jugendliche schon früh in Berührung mit Menschen anderer Kulturkreise. So entsteht auf natürliche Weise ein selbstverständliches Interesse an der Kultur, den Lebensformen und der Geschichte anderer Völker. […] Der Fremdsprachenunterricht bietet Gelegenheit, dieses Interesse zu einer sinnvollen Auseinandersetzung mit andersartigen Sichtweisen und Denkformen zu nutzen. Zusammen mit einer sicheren Beherrschung der Muttersprache […] vergrößert die Beherrschung […] des Englischen […] berufliche und private Möglichkeiten.“[4]
Aus den Vorgaben der Rahmenrichtlinienkonferenz wird jedoch deutlich, dass die Fremdsprachenkompetenz der Schüler vor allem im wirtschaftlich-beruflichen und im privaten Bereich, also vor allem in den Außenbeziehungen von Nutzen sein würde. Das heißt, die Beherrschung der fremden Sprache sollte vor allem ein Interesse und eine Kommunikation fördern, aber nur in zweiter Linie eine Akzeptanz, ein sich einfühlen, ein Verstehen fördern.
Dieser nach außen hin, auf ein zusammenwachsendes Europa mit immer engeren Wirtschaftsbanden gerichtete Blick wurde durch die Gewaltakte von Mölln und Rostock nachhaltig erschüttert und in Frage gestellt. Es wurde deutlich, dass ein sinnvoller Fremdsprachenunterricht nicht nur eine Kommunikationsfähigkeit und ein gewisses Interesse an den im Unterricht behandelten Ländern herstellen musste, sondern die Zielsetzungen der Schule und insbesondere des Fremdsprachenunterrichtes darüber hinausgehen müssen.
Die Rahmenrichtlinien für das Fach Englisch, die in Niedersachsen in dieser Form seit 1989 bestehen, sind noch immer in Kraft, eine überarbeitete Fassung gibt es nicht. Die Kultusministerkonferenz hat allerdings 1996 mit der Empfehlung “Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule“[5] auf die neuen Anforderungen reagiert. In ihr wird darauf aufmerksam gemacht, dass die kulturelle Vielfalt in Deutschland gewachsen sei, es seien Gesellschaften Entstanden, die weder in sprachlicher noch nationaler oder ethnischer Hinsicht homogen sind, sondern komplex und pluralistisch. Dies seien Umstände, auf die die SchülerInnen aufmerksam gemacht und vorbereitet werden müssen, ein Umstand, der bisher nicht ausreichend beachtet worden sei:
„Auf den Zuzug von Menschen unterschiedlicher Herkunft nach Deutschland waren viele Bereiche der Gesellschaft nicht vorbereitet, auch die Pädagogik […].“[6]
[...]
[1] Quelle: Statistisches Bundesamt: http://www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoetab7.htm
[2] Donnerstag 1999: 241f.
[3] Quelle: Statistisches Bundesamt: http://www.destatis.de/basis/d/biwiku/schultab9.htm
[4] Niedersächsisches Kultusministerium 1989: 5
[5] Niedersächsischer Bildungsserver: http://nibis.ni.schule.de/nibis.phtml?menid=646
[6] ebd.
- Citation du texte
- Niels Meyer (Auteur), 2003, Interkulturelle Kompetenz und interkulturelles Lernen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18742
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.