Die 1973 erstmals erschienene Anthropologie des Alten Testaments galt als eine der ersten umfassenden Abhandlungen des Themas und bleibt bis heute ein Standardwerk in diesem Bereich. Hans Walter Wolff († 1993), bis 1978 Professor für Altes Testament an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, konzipierte sein Werk als ein Lehr- und Lesebuch, das nicht nur der akademischen Welt offen stehen sollte.
Buchrezension
Wolff, Hans W. & Janowski, Bernd 2010. Anthropologie des Alten Testaments. 1. Aufl. Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus. ISBN: 3579080962
Die 1973 erstmals erschienene Anthropologie des Alten Testaments galt als eine der ersten umfassenden Abhandlungen des Themas und bleibt bis heute ein Standardwerk in diesem Bereich. Hans Walter Wolff ( 1993), bis 1978 Professor für Altes Testament an der Ruprecht-Karls- Universität Heidelberg, konzipierte sein Werk als ein Lehr- und Lesebuch, das nicht nur der akademischen Welt offen stehen sollte (vgl. die hebr. Lautschrift). Im Bewusstsein um die Grenzen einer systematischen Anthropologie formuliert er in dem Nachwort zur dritten Auflage sein eigentliches Anliegen: „mir liegt daran, darzustellen, wie im Alten Testament der Mensch - auf vielfältige Weise - angeleitet wird, sich selbst zu verstehen, und wie sich dieses Verstehen seiner selbst bekundet“ (351).
Diese im Gütersloher Verlagshaus erschienene Neuausgabe, publiziert die Fassung der vierten Auflage von 1984 ohne Veränderung. Bernd Janowski präsentiert zudem im Appendix zwei wertvolle Anhänge. Der erste enthält sechs ausgewählte und repräsentative Rezensionen (1973-1977) auf die Wolff schon in seinem Nachwort zur dritten Auflage (1977) zum Teil Stellung genommen hatte. Darüber hinaus stellt Bernd Janowski im zweiten Anhang, eine forschungs- und problemgeschichtliche Skizze dar, die den Leser über die neueren Entwicklungen der Forschung informiert und auf aktuelle Literatur verweist.
Das Werk ist in drei große Abschnitte gegliedert. I. Des Menschen Sein: Die zugrundeliegende „anthropologische Sprachenlehre“ (§1-§9) erörtert sehr ausführlich die Begrifflichkeiten, die den Menschen ausmachen und beschreiben und klärt dessen alttestamentlichen Sprachgebrauch. Diese Begrifflichkeiten sind durch die aussagekräftigen Titel (z.B. §2. „næpæš - der bedürftige Mensch“) sehr gut auf den Punkt gebracht.
Im Zweiten Teil: „II. Des Menschen Zeit - Biographische Anthropologie“ (§10-§17) schlüsselt der Autor die alttestamentlichen Zeitbegriffe auf, um anschließend Aspekte des menschlichen Werdegangs im Wechsel der Zeiten darzustellen. Er begleitet den alttestamentlichen Menschen auf seiner Lebensreise durch verschiedene Phasen und Tätigkeiten, die ihn von seiner Geburt bis zu seinem Tod charakterisieren. Doch darüber hinaus schließt diesen Abschnitt §17, in der Darstellung der Hoffnung des Menschen.
Der letzte Teil des Werkes, „III. Des Menschen Welt - soziologische Anthropologie“ (§18- §25) sieht den alttestamentlichen Menschen in den Bezügen seiner Umwelt. Darin ist der Mensch nicht allein als Zentrum seines sozialen Gefüges dargestellt (Familie §19-§21), sondern als Wesen das bestimmten Weltanschauungen und Denkkategorien (vgl. §23) und Bestimmungen (§25) ausgesetzt ist. Diese liegen auch der Geschichte Israels zugrunde, dessen Anknüpfungen hin und wieder vorgestellt werden (besonders in §22.1 - Königtum).
Hervorzuheben sind die kurzen Einleitungen zu den jeweiligen Kapiteln, die das zu behandelnde Thema problematisieren. Die Struktur und die Gliederung sind sehr übersichtlich, das Inhaltsverzeichnis ist sehr detailliert. Das Buch präsentiert im Appendix drei Register (der hebräischen Wörter, der Sachen und Begriffe und der Bibelstellen). Wenn man berücksichtigt, dass das Buch aus seiner Zeit stammt und kein umfassendes Lexikon ist, kann es als ein gutes Werkzeug für Studium und Recherche eingesetzt werden.
Hans Walter Wolff stellt u.a. in seinen methodischen Prämissen vorab klar: „Biblische Anthropologie als wissenschaftliche Aufgabe wird ihren Einsatz dort suchen, wo innerhalb der Texte selbst erkennbar nach dem Menschen gefragt wird. Die ganze Weite der Kontexte ist heranzuziehen, um die spezifischen Antworten zu erarbeiten“ (24). Dies ist ihm zweifelsohne in vielen diskutierten Bereichen gelungen. Er arbeitet stark exegetisch und plädiert für ein „theologisches Begreifen der anthropologischen Phänomene“ (9), was ihn sehr nah an von Rad rückt. Trotzdem scheinen einige exegetischen Vorentscheidungen, die seinen Darlegungen zugrunde liegen, nicht immer transparent dargestellt. Sie werden vielmehr stillschweigend vorausgesetzt. Der Leser kann daher nicht immer die Gründe und Hintergründe seiner persönlichen Stellung logisch nachvollziehen bzw. teilen. Dies ist durch folgende Punkte noch verstärkt.
Die Bemühung um eine eigene Übersetzung ist dem Autor hoch anzurechnen, da dies oft eine der Schwachstellen anderer anthropologischen Werke seiner Zeit war, die meist in der Dogmatik zu verorten waren. Dem Leser erscheint die Übersetzung dennoch an manchen Stellen erklärungsbedürftig. Denn, was zum einen eine besondere Stärke dieses Werkes und zum anderen seine Achillesverse ist, ist die große Menge an wörtlichen Zitaten, die der Autor zum Teil in sehr langen Ketten im Text einfügt. Die Stärke daran ist, dass der biblische Text selbst zu Worte kommt und vom Leser direkt geprüft werden kann (ohne ständiges Nachschlagen). Die vielen aufgeführten Bibelstellen enthalten die für die Anthropologie wichtigsten Verse, die sich dem Studierenden sicherlich als fruchtbar erweisen können, letztlich auch dadurch, dass die erörterten Prinzipien in der direkten Anwendung beobachtet werden können. Hinderlich erscheint mir jedoch, dass viele Bibelstellen außerhalb von ihrem Kontext präsentiert sind, der dem Leser nicht immer präsent ist. Die bereits angesprochenen Ketten von Versen (vgl. z.B. §23) sind zum Teil nur von kurzen Sätzen unterbrochen, die einer kurzen Beschreibung und meist der Überleitung dienen. Diese fast kryptische Darstellung hindert den Leser Hin und Wieder dem roten Faden der Argumentation zu folgen, da nicht immer eindeutig ist, wohin der Autor nun gehen will.
Dem Wesen der Anthropologie liegt der beschreibende Schreibstil zu Grunde, gleichwie dem breiten Spektrum der Aspekte dieses Werkes die Schwierigkeit der Synthese zu Grunde liegt. So ist das Vermissen einer zusammenfassenden Synthese jeweils am Ende eines Kapitels ein Wunsch der dem Charakter der Arbeit wohl nicht entspricht und womöglich einer ihren Stärken darstellt und trotzdem, zumindest als Versuch und als Beantwortung der vorangestellten Prämissen adäquat gewesen wäre.
In der umfassenden Beschäftigung mit den präsentierten Themen fällt auf, dass das Werk nicht ausschöpfend alle relevanten Aspekte anspricht. An dieser Stelle ist fraglich, ob der Autor diesen Anspruch überhaupt hegte. Für ein Werk diesen Anspruchs ist es jedoch unumgänglich die Aspekte der Gottesebenbildlichkeit, des Sündenfalls und generell des Sündhaftigkeit des Menschen umfassend darzustellen. Diese Aspekte sind absolute Voraussetzungen für das Verständnis des Menschen im Alten Testaments.
Die Methode der Quellenscheidung, die vom Autor unbegründet dem Werke zugrunde liegt, hindert meiner Empfindung nach eine Gesamtschau der Anthropologie im Alten Testament. Zudem schien diese Anstrengung öfters gezwungen und nicht besonders ergiebig (z.B. §10)
Die Vielfalt und Breite der angesprochenen Themen ist sicherlich eine der Stärken dieses Buches. Die leichte Lesbarkeit macht es zu einer angenehmen Lektüre. Ich würde das Werk auf jeden Fall an Studenten und Interessierte weiterempfehlen, je nach Situation komplett oder in Auszügen. Die besprochenen Themen, vor allem im Hinblick auf die anthropologischen Begrifflichkeiten, bieten eine Vielfalt an Anwendungsbereichen und eröffnen die Sicht auf neue Deutungen und Nuancierungen von vielen Bibelstellen, im Alten und Neuen Testament.
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- Anonymous,, 2011, Eine kritische Würdigung von "Anthropologie des Alten Testaments" von H. W. Wolff und B. Janowski, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187315
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