1. Rechtsruck in Europa:-Entwicklungen und Fragen
Seit den letzten Wahlerfolgen, speziell infolge der Schuldenkrise einzelner EU-Länder des Euroraums („PIGS“) sind in ganz Europa rechtsextreme und rechtspopu-listische Parteien wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. In Dänemark sind sie Mehrheitsbeschaffer der neuen Regierung, in Finnland sogar Koalitionspartner. In Frankreich wächst die Zustimmung für Marine Le Pen als Frontfrau der Front Nationale. In Italien hängt das politische Überleben Silvio Berlusconis bis zur regulären Neuwahl 2013 von der Lega Nord ab . Mittlerweile sind in zwölf der 27 EU-Mitglied¬staaten Parteien des „rechten“ politischen Spektrums parlamentarisch legitimiert.
Während zahlreiche rechtspopulistische Parteien erst in jüngster Vergangenheit zu parlamentarischer Größe gewachsen sind und zuvor ein Dasein als Splitterparteien geführt haben (oder vor dem Fall des Eisernen Vorhangs in Mittel- und Osteuropa noch gar nicht existent waren) gibt es eine solche Partei, die seit mehr als vier Jahr-zehnten im Parlament vertreten ist und sogar schon an der Regierung beteiligt war:
Die Freiheitliche Partei Österreichs(FPÖ).
Österreich hat somit Laborfunktion für Europa. Anhand dieses Fallbeispiels und der Parteiengeschichte der FPÖ kann untersucht werden, wie sich eine rechtsnationale und eine rechtspopulistische Partei voneinander unterscheiden, wie eine solche Partei langfristig Wähler an sich bindet und welche Wirkungen die Re-gierungsbeteiligung einer rechtspopulistischen Partei nach sich zieht.
Inhalt
1. Rechtsruck in Europa: Entwicklung und Fragen
2. Deutschnational, wirtschaftsliberal, rechtspopulistisch: Sechs Jahrzehnte FPÖ-Geschichte im Überblick
2.1. Gründung und erste Jahre
2.2. Aufstieg zur Regierungspartei unter Jörg Haider
2.3. Absturz, Abspaltung des BZÖ und Wiederaufstieg
unter Heinz-Christian Strache
3. Das Konzept des politischen (Rechts-)Populismus
3.1 Populismus als politisches Konzept – eine Annäherung
3.2 Wesentliche Erscheinungsformen
des Rechtspopulismus in der FPÖ
4. Das Parteiprogramm der Freiheitlichen
4.1 Wirtschafts-und Sozialpolitik
4.2 Innen-und Justizpolitik
4.3 Europafeindliche Grundeinstellung der FPÖ
4.4 Bildungs-und Familienpolitik
4.5 Heimat als politische Dimension der FPÖ
5. Das Wählerspektrum der FPÖ
5.1 Analyse des Wählerspektrums anhand der Nationalratswahl
5.2 Wahlmotive der FPÖ-Wähler
6. Fazit und Ausblick:
Parteivorsitzender Heinz-Christian Strache
als erster FPÖ-Bundeskanzler?
1. Rechtsruck in Europa:-Entwicklungen und Fragen
Seit den letzten Wahlerfolgen, speziell infolge der Schuldenkrise einzelner EU-Länder des Euroraums („PIGS“) sind in ganz Europa rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. In Dänemark sind sie Mehrheitsbeschaffer der neuen Regierung, in Finnland sogar Koalitionspartner. In Frankreich wächst die Zustimmung für Marine Le Pen als Frontfrau der Front Nationale. In Italien hängt das politische Überleben Silvio Berlusconis bis zur regulären Neuwahl 2013 von der Lega Nord ab[1]. Mittlerweile sind in zwölf der 27 EU-Mitgliedstaaten Parteien des „rechten“ politischen Spektrums parlamentarisch legitimiert.
Abb. 1:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: http://ais.badische-zeitung.de/piece/02/04/f6/aa/33879722-p-590_450.gif
Während zahlreiche rechtspopulistische Parteien erst in jüngster Vergangenheit zu parlamentarischer Größe gewachsen sind und zuvor ein Dasein als Splitterparteien geführt haben (oder vor dem Fall des Eisernen Vorhangs in Mittel- und Osteuropa noch gar nicht existent waren) gibt es eine solche Partei, die seit mehr als vier Jahrzehnten im Parlament vertreten ist und sogar schon an der Regierung beteiligt war:
Die Freiheitliche Partei Österreichs(FPÖ).
Österreich hat somit Laborfunktion für Europa. Anhand dieses Fallbeispiels und der Parteiengeschichte der FPÖ kann untersucht werden, wie sich eine rechtsnationale und eine rechtspopulistische Partei voneinander unterscheiden, wie eine solche Partei langfristig Wähler an sich bindet und welche Wirkungen die Regierungsbeteiligung einer rechtspopulistischen Partei nach sich zieht.
Bei aller Problematik länderübergreifender Vergleiche von Parteienspektren ist Österreich parteipolitisch ähnlich strukturiert wie Deutschland. Der wesentliche Unterschied liegt in der inhaltlichen Ausrichtung der österreichischen „Freiheitlichen“ im Vergleich zur deutschen FDP, die sich je nach politischer Interessenslage national-, sozial-oder marktliberal ausgerichtet hat – nicht aber rechtspopulistisch. Angesichts mancher Befürchtungen im Hinblick auf das Entstehen einer rechtspopulistischen Partei in Deutschland[2] kann die jüngere Parteiengeschichte der FPÖ Bedingungen und Konstellationen aufzeigen, die rechtspopulistischen Tendenzen Vorschub leisten bzw. solche verhindern.
Schließlich sind die politischen Entwicklungen in Österreich gerade für das Nachbarland Bayern wirtschaftlich von eminenter Bedeutung: Denn Österreich war mit einem Außenhandelsvolumen von 26,8 Mrd. EUR im Jahr 2010 noch vor China (23,0 Mrd. EUR) und den USA (22,4 Mrd. EUR) der wichtigste Handelspartner Bayerns[3].
2. Deutschnational, wirtschaftsliberal, rechtspopulistisch: Sechs Jahrzehnte FPÖ-Geschichte im Überblick
2.1 Gründung und erste Jahre
In Österreich hat das sog. „Dritte Lager“[4] als bürgerliche, aber antiklerikale Alternative[5] zu christlich-bürgerlicher Politik eine lange Tradition. Von der Staatsgründung in der Zweiten Republik war es aufgrund von Parteienverboten den Alliierten zunächst ausgeschlossen. Erst am 26. März 1949 erfolgte die Gründung des „Verbands der Unabhängigen“ (VdU), der das Ziel hatte, ehemalige österreichische Mitglieder der Nationalsozialisten in die neue demokratische Gesellschaftsordnung zu integrieren. Am 7. April 1956 kam es zur Gründung der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), die zunächst nahtlos an die deutschnationalen Traditionen der ersten Republik anknüpfte und wie der VdU als ein Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten fungierte.
Programmatisch wie personell stand die FPÖ in der nationalsozialistischen Tradition: Ihr erster Vorsitzender Anton Reinthaller war Unterstaatssekretär in Hitlers Reichsregierung und SS-Obergruppenführer[6]. Nach dessen Tod übernahm 1958 Friedrich Peter die Parteiführung. Obwohl Offizier der Waffen-SS und ehemaliges NSDAP-Mitglied, versuchte er Mitte der 60er Jahre die FPÖ zu öffnen und liberales Gedankengut in der Partei zu verankern[7]. Peter wollte damit das Nazi-Image der FPÖ ablegen und die Partei auch in der Mitte des politischen Spektrums wählbar machen.
Im Gegenzug zur Tolerierung einer SPÖ-Minderheitsregierung durch die FPÖ setzte der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky 1971 eine Wahlrechtsreform mit Stärkung des Verhältniswahlrechts durch[8]., die vor allem der FPÖ nutzte.
Nachdem Peter 1976 über die Enthüllung seiner SS-Vergangenheit durch den ‚Nazijäger‘ Simon Wiesenthal gestürzt war und sein Nachfolger, der Grazer Bürgermeister Alexander Götz, eine eher unglückliche Rolle spielte, übernahm 1980 der Jurist Norbert Steger die FPÖ. Er wollte die Partei analog dem damaligen Modell der deutschen FDP in eine politische Schlüsselrolle als Mehrheitsbeschaffer zwischen Sozialdemokratischer Partei (SPÖ) und der bürgerlich-konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) bringen. Schon bei den Nationalratswahlen 1983 ging diese Strategie durch den Verlust der absoluten Mehrheit der SPÖ auf. Steger wurde Vizekanzler, die FPÖ stellte drei Minister. Allerdings erreichte die FPÖ mit 5,0 % ihr schwächstes jemals erzieltes Ergebnis und konnte gerade noch in den Nationalrat einziehen.
2.2 Aufstieg zur Regierungspartei unter Jörg Haider
Für Steger erwies sich die Regierungsbeteiligung als Pyrrhussieg. Denn nach miserablen Umfragewerten, die die Partei tief verunsicherten[9], putschte schon 1986 der damalige Vorsitzende der Kärntner FPÖ, Jörg Haider, erfolgreich gegen ihn. Galt Steger als wirtschaftsliberal, wurde Haider, auch wegen seiner Herkunft[10], als nationalistisch bis rechtsradikal eingestuft. SPÖ-Bundeskanzler Vranitzky kündigte daraufhin entgegen den Erwartungen Haiders[11] die SPÖ-FPÖ-Koalition auf.
Damit war der Grundstein für eine Große Koalition aus SPÖ und ÖVP gelegt, die von 1987 bis 2000 regieren sollte und damit der FPÖ nach eigener Einschätzung „für die Opposition paradiesische Zustände“[12] bescherte. Innerhalb von nur 13 Jahren gelang es der Partei unter Haider, ihren Stimmenanteil bei Nationalratswahlen auf 26,9 % (1999) mehr als zu verfünffachen. Ursache dafür war ein radikaler politischer Kurswechsel von einer einstmals nationalliberalen und anschließend wirtschaftsliberalen Partei hin zu einer rechtspopulistischen Volkspartei.
Am 2. Februar 2000 kam es erstmals zu eine Schwarz-Blauen Koalition unter Führung von ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Die SPÖ musste zum ersten Mal nach 30 Jahren in die Opposition. Die FPÖ erhielt sechs Ministerien. Der Parteivorsitzende Jörg Haider war im Kabinett nicht vertreten, nach eigener Aussage wollte er lieber Kärntner Landeshauptmann bleiben[13].
Die Koalition stand jedoch von Anfang an unter keinem guten Stern, da die Europäische Union ihre Drohung wahr machte, im Falle einer FPÖ-Regierungsbeteiligung Sanktionen gegen Österreich zu verhängen. Es gab „keine offiziellen bilateralen Kontakte auf der politischen Ebene (mehr); diplomatische Beziehungen sollten auf eine rein technische Ebene herabgestuft werden“[14]. Dies war ein in der Geschichte der EU einmaliger Vorgang, denn noch nie war bis dahin ein EU-Mitgliedsland für seine Regierungskonstellation abgestraft worden.
Am 28. Februar 2000 trat Jörg Haider als Bundesparteiobmann der FPÖ zurück und übergab das Amt an Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer. Als Gründe führte er auf, dass er als Landeshauptmann ausgelastet sei und der Konflikt mit der EU ohne ihn leichter zu lösen sei[15]. Infolge schwerer Niederlagen für die FPÖ bei mehreren Landtagswahlen kam es auch zu Spannungen innerhalb der Schwarz-Blauen-Koalition, da die Freiheitlichen versuchten, sich auf Kosten der ÖVP zu profilieren. Auf dem am
8. September 2002 einberufenen Sonderparteitag kam es zum sogenannten „Crash von Knittelfeld“, bei dem alle FPÖ-Regierungsmitglieder aufgrund innerparteilicher Differenzen zurücktraten. Am selben Tag kündigte Wolfgang Schüssel die Koalition auf und rief Neuwahlen aus.
2.3 Absturz, Abspaltung des BZÖ und Wiederaufstieg
Die vorgezogenen Nationalratswahlen am 24. November 2002 endeten in einem Desaster für die FPÖ. Sie verlor mehr als zwei Drittel ihrer Stimmen und kam nur noch auf 10%. Da die ÖVP im gleichen Maße profitieren konnte, kam es zu einer Fortsetzung der Koalition, die FPÖ musste jedoch auf mehrere Ministerposten verzichten.
Auch während dieser zweiten Regierungsbeteiligung der FPÖ nahmen die internen Spannungen im freiheitlichen Lager immer mehr zu. Im Frühjahr 2005 kam es zu einer Spaltung der FPÖ, wobei alle ihre Regierungsmitglieder und führende Vertreter wie Jörg Haider das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) gründeten. Die ÖVP setzte die Koalition mit der neuen Partei anstelle der FPÖ fort.
Bei der Nationalratswahl 2006 kam es zu einer Großen Koalition unter Führung der SPÖ. Das neugegründete BZÖ erlangte 4,1%[16], die FPÖ unter Führung des neuen Parteivorsitzenden Heinz-Christian Strache konnte mit 11% ihr Ergebnis leicht verbessern. Zwischen 2006 und 2008 erfolgte der zweite große Aufstieg der FPÖ. Bei der vorgezogenen Nationalratswahl 2008 erlangten die Freiheitlichen unter Führung von Heinz-Christian Strache 17,5% der Stimmen, das BZÖ unter Führung von Jörg Haider 10,7%. Die beiden Parteien des dritten Lagers erhielten somit fast 30% der Stimmen (vgl. im Einzelnen Kap. 5.1).
Der Unfalltod von Jörg Haider 2008 bedeutete für den Rechtspopulismus in Österreich insgesamt eine tiefe Zäsur. Ob es zu einer Wiedervereinigung von FPÖ und BZÖ kommen könnte, deren Spaltung 2005 maßgeblich auf Jörg Haiders Animositäten gegen die damalige FPÖ-Führung zurückzuführen war, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehbar.
3. Das Konzept des politischen (Rechts-)Populismus
Der in der europäischen Parteienlandschaft einmalige Erfolg der österreichischen Rechtspopulisten steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem von Haider initiierten und später von Strache fortgeführten Politikwechsel der FPÖ hin zu rechtspopulistischen Inhalten und Strategien. Zunächst sind im Folgenden der Begriff des Populismus und seine spezielle Ausprägung des Rechtspopulismus zu klären.
3.1 Populismus als politisches Konzept – eine Annäherung
Als Populismus bezeichnet man eine Politik, die sich volksnah gibt. Sie identifiziert Feindbilder, um Ängste und Unmut über politische Entscheidungen und soziale wie ökonomische Wandlungsprozesse zu kanalisieren[17] und baut dadurch auf gesellschaftlich vorhandenen Vorurteilen auf, welche für die eigenen Zwecke instrumentalisiert werden.
Klassische Feindbilder sind die Parteien des politischen Establishments. Der Politikwissenschaftler Florian Hartleb bezeichnet dies als „vertikalen Aspekt“[18] des Rechtspopulismus: „Wir gegen die da oben“[19]. Ergänzt wird dieser vertikale Aspekt durch die Angst vor der Überfremdung durch Migranten mit einhergehenden Problemen wie Ausländerkriminalität und Islamisierung, aber auch Ressentiments gegenüber kulturellen, religiösen oder sozialen Minderheiten. Zudem besitzen Themen wie Steuern, Benzinpreise, Patriotismus, Forderung nach einer Law-and-Order-Politik oder Arbeitslosigkeit einen hohen Emotionalisierungsgrad und werden gerne als plakative Aufmacher rechtspopulistischer Politik verwendet. Für diese politischen Probleme bieten Populisten vermeintlich einfache und klare Lösungen. Auffallend ist, dass komplexe politische Themen, wie etwa die Reformierung des Gesundheitssystems ungeachtet ihrer realen Bedeutung aus taktischen Gründen vermieden werden, weil es bei derartigen Themen unter verteilungspolitischen Gesichtspunkten innerhalb der potenziellen Wählerklientel Gewinner und Verlierer gleichzeitig geben kann. Eine solche Win-lose-Situation ist aber unvereinbar mit der plakativen Wahlstrategie rechtspopulistischer Parteien.
3.2. Wesentliche Erscheinungsformen des Rechtspopulismus in der FPÖ
Anhand der o.g. Definition wird im Folgenden genauer untersucht, ob und inwieweit die typischen Merkmale des Rechtspopulismus auf die FPÖ zutreffen. Die FPÖ und ihre Politiker geben sich volksnah. Das Wort Heimat etwa ist innerhalb des Parteiprogramms[20] omnipräsent und wird als einer der Grundpfeiler freiheitlicher Politik betrachtet. Alle klassischen Feindbilder einer rechtspopulistischen Partei werden bei der FPÖ bedient. Sie inszeniert sich gerne als „einzige saubere Partei“[21] innerhalb der in der Wählerwahrnehmung tatsächlich von Vetternwirtschaft[22] geprägten österreichischen Parteienlandschaft. Dadurch bedient sie den vertikalen Aspekt[23] des Rechtspopulismus.
Das Hauptfeindbild der Freiheitlichen sind jedoch Ausländer und in letzter Zeit vor allem der Islam[24] und die Muslime, denen die FPÖ antidemokratisches Gedankengut vorwirft[25]. Die negativen Konsequenzen von grenzüberschreitender Migration ziehen sich wie ein roter Faden durch das gesamte Parteiprogramm der FPÖ, es gibt keinen Teilbereich, in dem nicht darauf hingewiesen wird. Darüber hinaus wird auf Wahlplakaten viel mit gängigen (Vor-)Urteilen der Bevölkerung gegenüber Migranten, etwa der hohen Ausländerkriminalität[26], gearbeitet. Als neue Strategie wird primär versucht, als negativste Konsequenz der Migration die zunehmende Islamisierung Österreichs[27] hervorzuheben und sich als Verteidiger des christlichen Abendlands zu stilisieren[28], um so von der zunehmenden Anti-Islam-Stimmung in Österreich[29] zu profitieren. Daneben werden auch alle in der Definition genannten Themen mit hohem Emotionalisierungsgrad, wie etwa die hohen Spritpreise[30] oder die Forderung nach einer restriktiven Sicherheitspolitik[31] verwendet und der regierenden SPÖ-ÖVP-Koalition als Versagen ihrer Politik angeheftet.
Die Lösungswege der FPÖ sind auch bei inhaltlich schwierigen Themen wie etwa der Euro-Rettung relativ einfach gehalten. Mit einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone wären nach Meinung von Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache die Eurokrise gelöst[32]. Ob die aufgezeigten Lösungswege auch funktionieren, ist nicht von übergeordneter Bedeutung. Sie dienen der FPÖ vielmehr dazu, einen emotionalen Wahlkampf zu führen, da die Bevölkerung eher geneigt ist, die Partei mit den klarsten und vermeintlich einfachsten Lösungsstrategien zu unterstützen.
Schon aus diesem Überblick geht hervor, dass es sich bei der FPÖ heute um eine rechtspopulistische Partei handelt, deren Programmatik intensiv auf die spezifischen Bedürfnisse ihrer potenziellen Wählerklientel abgestimmt ist.
4. Das Parteiprogramm der Freiheitlichen
Das neue Parteiprogramm der Freiheitlichen Partei Österreichs, das auf dem Bundesparteitag am 18. Juli 2011 beschlossen wurde[33], gibt sich auf den ersten Blick gemäßigt und beinhaltet Positionen, die auch die etablierten demokratischen österreichischen Parteien vertreten. Die Forderung nach niedrigeren Steuern[34] etwa findet sich auch im ÖVP-Wahlprogramm wieder[35], oder die ablehnende Haltung gegenüber der Kernkraft[36] bei den Grünen[37]. Dies sind jedoch nur beim Wahlvolk allgemein populäre Forderungen, die sich die FPÖ zu eigen macht. Daneben beinhaltet das Programm jedoch auch eine erhebliche Zahl durchaus radikal zu nennender Forderungen, die im Folgenden genauer herausgearbeitet werden.
4.1 Wirtschafts-und Sozialpolitik
Die Grundpfeiler der Wirtschaftspolitik der Freiheitlichen lauten patriotisch, liberal und sozial[38], sind jedoch nicht genauer definiert. Die Programmatik beinhaltet unter anderem die Forderungen nach niedrigeren Steuern für Unternehmen[39] und einem ausgeglichenen Haushalt[40]. Insgesamt ist der gesamte Bereich Wirtschaftspolitik relativ vage formuliert und gehört nicht unbedingt zur Kernkompetenz der FPÖ.
Im Gegensatz dazu ist die Sozialpolitik eines der wichtigsten Elemente freiheitlicher Politik, allein schon aus dem Grund, weil ein Großteil ihrer Wählerschicht[41] davon unmittelbar betroffen ist. Deshalb findet sich der Begriff „sozial“ seit dem letzten Parteitag auch im Parteinamen wieder, die FPÖ trägt fortan den Namenszusatz „Die soziale Heimatpartei“[42]. Die FPÖ verlangt daher einen Mindestlohn von 1100 EUR netto[43] und eine Wiederaufnahme des sozialen Wohnungsbaus[44].
Darüber hinaus eignet sich aus Sicht der FPÖ die Sozialpolitik ideal zur Stimmungsmache gegenüber Ausländern. Der österreichische Arbeitsmarktservice AMS soll sich nach FPÖ-Auffassung „ausschließlich mit der Vermittlung österreichischer Arbeitskräfte beschäftigen dürfen“[45].Zur Entlastung des Sozialsystems gibt es eine Reihe von Maßnahmen im Parteiprogramm, vor allem auf Kosten ausländischer Mitbürger:
Nicht-Österreicher sollen keinen Anspruch auf Arbeitslosenversicherung mehr besitzen[46] - Dadurch soll sichergestellt werden, dass sie sich nicht in die von der FPÖ identifizierte „soziale Hängematte“[47] legen können. Bei der Kranken-und-Rentenversicherung setzt die FPÖ auf einen Lösungsansatz aus der Apartheid-Politik: Für ausländische Arbeitnehmer soll es ein eigenes Versicherungssystem geben, welches sie selbst finanzieren müssen, das jedoch nur eine Grundversorgung bereitstellt[48]. Um die Pflegemisere zu lindern, sollen, anstatt Pflegekräfte aus dem Ausland zu legalisieren, Arbeitslose zu Betreuungskräften umgeschult werden[49]. Der FPÖ-Sozialpolitiker Norbert Hofer sieht im Vorwort zum neuen Parteiprogramm die Gefahr, dass Österreich in Zukunft „ein islamisches Österreich unter dem Halbmond ohne Sozialstaat, dafür aber mit Ellenbogengesellschaft“ werden könnte[50].
[...]
[1] Obwohl in Ungarn Ministerpräsident Viktor Orban mit autokratischer Politik die Renationalisierung des Landes vorantreibt, wird er hier nicht genannt, weil nicht seine Partei, Fidesz, als populistisch eingestuft wird, sondern die Jobbik (vgl. Schaubild 1).
[2] Vgl. die Debatte um die Thesen von Thilo Sarrazin und sein Buch „Deutschland schafft sich ab“, z.B. Kemnitzer, Sebastian: Nicht ohne einen Haider, in: http://www.stern.de/politik/deutschland/sarrazin-debatte-neue-rechte-partei-nicht-ohne-einen-haider-1601167.html (Stand 12.09.2011) und die Leserdebatte auf Focus.de: „Braucht Deutschland eine neue Rechtspartei“ http://www.focus.de/magazin/debatte/focus-leserdebatte-braucht-deutschland-eine-neue-rechtspartei_aid_553208.html (Stand 12.09.2011)
[3] Vgl. Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie(Hrsg. 2010): „Der Außenhandel Bayerns 2010“ http://www.stmwivt.bayern.de/fileadmin/Web-Dateien/Dokumente/aussenwirtschaft/aussenhandel/Laender_2010.pdf?PHPSESSID=73ee456499d9475155dd32f17cfddbc5 (Stand 17.10.2011)
[4] Zum Begriff vgl. Narodoslawsky, Benedikt: „Blausprech“ – Wie die FPÖ ihre Wähler fängt, Leykam Buchverlagsgesellschaft, Graz, 2010, S. 9
[5] Vgl.ebd.
[6] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Reinthaller (Stand 17.10.2011)
[7] Vgl. Neurieser, Joachim: Zwischen Liberalismus und Nationalismus. Programmatische Transformationsprozesse in der Geschichte des dritten Lagers in Österreich nach 1945, Wien, 2008 (Diplomarbeit)
[8] Vgl. Pelinka, Anton, Rosenberger, Sieglinde: Österreichische Politik. Grundlagen, Strukturen, Trends, Wien, 2003, S. 169
[9] Vgl. Narodoslawsky (2010), S. 12
[10] Haiders Eltern waren aktive Nationalsozialisten, sein Vater Robert als Angehöriger der Paramilitärischen Österreichischen Legion der SA aktiv am nationalsozialistischen Juliputsch 1934 gegen die Regierung Dollfuß beteiligt. Seine Mutter Dorethea war Führerin im Bund Deutscher Mädel.
[11] Haider glaubte, der Personalwechsel bei der FPÖ hätte keinen Einfluss auf den Fortbestand der Koalition, vgl. Narodoslawsky (2010), S. 13
[12] Scheibner, Heribert: Wie es zur zweiten schwarz-blauen Regierung kam. In: Khol, Andreas u.a. (Hrsg.): Österreichisches Jahrbuch für Politik 2003, Wien und München, 2004, S. 92. Scheibner war zur Zeit dieses Zitats für die FPÖ Verteidigungsminister im Kabinett Schüssel I.
[13] Vgl. Narodoslawsky (2010), S. 36
[14] Die Zeit, „Sanktionen gegen Haider“; http://www.zeit.de/2010/05/EU-Sanktionen-Haider (Stand 17.09.2011)
[15] Vgl. Nardolawsky (2010), S.37
[16] In Österreich gibt es eine 4%-Hürde, das BZÖ konnte daher knapp in den Nationalrat einziehen.
[17] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Kapitel 6: „Daham statt Islam“ http://www.bpb.de/themen/85B6F3,1,0,Populismus.html (Stand 18.10.2011)
[18] Hartleb, Florian: Rechts-und Linkspopulismus: Eine Fallstudie anhand von Schill-Partei und PDS; VS-Verlag Wiesbaden 2004, S. 22
[19] Ebd., S. 22
[20] Vgl. FPÖ-Parteiprogramm http://www.fpoe.at/dafuer-stehen-wir/partei-programm/ (Stand 18.10.2011)
[21] Vilimsky, Harald: „SPÖ und Grüne stecken bis zum Hals im Telekom-Sumpf“. http://www.fpoe.at/news/detail/news/vilimsky-spoe-und-gruene-stec/?cHash=d20f8f3f303bb460534cc2419aa8afa8 (Stand 22.10.2011)
[22] Österreich ist seit der Jahrtausendwende geplagt von einer Vielzahl von Korruptionsaffären etwa Eurofighter-Skandal oder BAWAG-Affäre, um nur einige Beispiele zu nennen.
[23] Vgl. Hartleb(2004) a.a.O.
[24] Vgl. Reuters: „FPÖ triumphiert mit Anti-Islam-Wahlkampf“ http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,722333,00.html (Stand 22.10.2011)
[25] Vgl. Die Presse, „Islam ist böse-Muslime hassen uns“ http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/524140/FPOeSeminar_Islam-ist-boese-Muslime-hassen-uns (Stand 18.10.2011)
[26] Vgl. FPÖ-Wahlplakat http://www.fpoe.at/kampagne/bund-2011/?picid=12&directory=&totalCount=14&tx_thgenericlist%5B7667%5D%5Boffset%5D=2&cHash=5f064ce482d68e9932ff32d36ebd078b (Stand 18.10.2011)
[27] Vgl. Winter, Susanne: „Islamisierung Österreichs setzt sich fort“ http://www.fpoe.at/news/detail/news/winter-islamisierung-oesterre/?cHash=a712e27feb1ea134ad5b26d1a5edf8cc (Stand 18.10.2011)
[28] Vgl. Horaczek Nina: HC-Strache, Sein Aufstieg-Seine Hintermänner-Seine Feinde, Ueberreuter Verlag, Wien, 2009, S.215
[29] Vgl. Der Standard, Islam für jeden zweiten Österreicher eine Bedrohung
http://derstandard.at/1267131982424/Studie-zu-Religion-und-Freiheit-Islam-fuer-jeden-zweiten-Oesterreicher-eine-Bedrohung (Stand 22.10.2011)
[30] Vgl. FPÖ-Wahlplakat http://www.fpoe.at/kampagne/bund-2011/?picid=6&directory=&totalCount=14&tx_thgenericlist%5B7667%5D%5Boffset%5D=1&cHash=2a14beacc6b6d185a5e497ed9e446ed5 (Stand 22.10.2011)
[31] Vgl. Die Presse, „Sicherheit für unsere Leute“ http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/404685/FPOe_Sicherheit-fuer-unsere-Leute (Stand 22.10.2011)
[32] Vgl. Strache, Heinz-Christian: „Griechenland raus aus der Währungsunion“. http://www.fpoe.at/news/detail/news/strache-griechenland-muss-rau/?cHash=2dcfa661b53d735d5330f88bf7c967b2 (Stand 22.10.2011)
[33] Vgl. FPÖ-Parteiprogramm http://www.fpoe.at/dafuer-stehen-wir/partei-programm/ S.10 (Stand 22.10.2011)
[34] Vgl. ebd.
[35] Vgl. Die Presse, „Wirtschaftsprogramm der ÖVP-Steuern runter“ http://diepresse.com/home/politik/neuwahlen/409365/Wirtschaftsprogramm-der-OeVP_Steuern-runter-(Stand 22.10.2011)
[36] Vgl. FPÖ-Parteiprogramm S.6 http://www.fpoe.at/dafuer-stehen-wir/partei-programm/ (Stand 27.10.2011)
[37] Vgl. http://www.gruene.at/atomausstieg/ (Stand 27.10.2011)
[38] Vgl. Horaczek Nina: HC-Strache, Sein Aufstieg-Seine Hintermänner-Seine Feinde, Ueberreuter Verlag, Wien, 2009, S.144
[39] Vgl. FPÖ-Parteiprogramm S.10 http://www.fpoe.at/dafuer-stehen-wir/partei-programm/ (Stand 22.10.2011)
[40] Ebd.
[41] Siehe hierzu Kapitel 4. Wählerschicht der FPÖ
[42] Vgl. Tiroler Tageszeitung, „Heinz-Christian Strache und seine 10 Gebote“ http://www.tt.com/csp/cms/sites/tt/Nachrichten/2906437-2/heinz-christian-strache--und-seine-zehn-gebote.csp (Stand 27.10. 2011)
[43] Vgl. Themen: „Wir schützen sozial schwache“ http://www.hcstrache.at/2011/?id=54 (Stand 28.10.2011)
[44] Ebd.
[45] Horaczek (2009), S.137. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass diese Regelung gegenüber EU-Bürgern als Ausländerdiskriminierung gegen EU-Recht verstoßen würde.
[46] Vgl. FPÖ-Parteiprogramm S.4. Im Hinblick auf EU-Recht wäre auch diese Regelung vertragswidrig.
[47] Horaczek (2009), S.137
[48] Vgl. ebd. S.142
[49] Vgl. ebd.
[50] Ebd.
- Citation du texte
- Peter Bugl (Auteur), 2011, „Pummerin statt Muezzin" - Der Rechtspopulismus der FPÖ, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187313
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