Nach der ersten (1973/74) und der zweiten (1980/81) Ölkrise verabschiedete sich die BRD, wie andere Staaten auch, von der Vollbeschäftigung.
Nach der Wiedervereinigung verschärfte sich das Problem der Arbeitslosigkeit weiter. So wurde im Jahr 1996 erstmals die Grenze von 4 Millionen Arbeitslosen überschritten. Im Zuge der Hartz-Reformen und der damit vollständigen Erfassung von Arbeitslosen in die Statistik wurde im Winter 2004/05 kurzfristig die 5 Mio. Grenze überschritten 1 .
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie es zu solchen hohen Arbeitslosenzahlen in Deutschland kommen konnte. Dabei hat ein ganzes Bündel von Faktoren, das nach Überzeugung von Arbeitsmarktökonomen in seiner Gesamtheit und im Zusammenwirken das deutsche Arbeitslosigkeitsproblem maßgeblich verursacht 2.
Die Bundesregierung versucht, den durch die gute konjunkturelle Lage bedingten Abbau der Arbeitslosigkeit durch eine Vielzahl von Maßnahmen zu beschleunigen. Zu nennen wären die Schaffung von Arbeitsanreizen durch die „Hartz-Gesetze“ (Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II), Maßnahmen zur Integration von gering Qualifizierten (Umschulungen etc.) oder die Überlegungen zur Einführung von „Kombilohnmodellen“ 3 . Im weiteren Verlauf der Arbeit werden einige Ansatzpunkte für eine Reform des deutschen Arbeitsmarktes näher beleuchtet.
1 Vgl. Information zur politischen Bildung Nr. 294, S. 4
2 Vgl. Information zur politischen Bildung Nr. 294, S. 13
3 Vgl. Information zur politischen Bildung Nr. 294, S.12-16
Inhaltsverzeichnis
1. Ursachen für Arbeitslosigkeit in Deutschland
1.1 Historische Entwicklung
1.2 Gründe für Arbeitslosigkeit in Deutschland
1.3 Arten von Arbeitslosigkeit
2. Ansatzpunkte für eine Reform des Arbeitsmarktes
2.1 Stärkung der Arbeitsproduktivität
2.1.1 Flexibilität der Arbeitszeit
2.1.2 Investition in Humanarbeit
2.2 Schwächung der Nachfrage nach Arbeitskräften durch die Sozialversicherung zurückführen
2.3 Stärkung des Gleichgewichtsmechanismus
2.3.1 Lohnpolitik
2.3.2 Hemmnisse durch Flächentarifverträge
2.3.3 Umgestaltung des institutionellen Regelwerks des Arbeitsmarktes
2.4 Senkung der Ansprüche an staatliches Einkommen
2.4.1 Kürzung der staatlichen Mindesteinkommen
2.4.2 Lohnsubventionen
3. Arbeitsmarkt-Reform: Das Hartz-Konzept
4. Fazit
1. Ursachen für Arbeitslosigkeit in Deutschland
1. 1. Historische Entwicklung
Der Aufbau der Arbeitslosigkeit in der BRD vollzog sich in drei Schritten[1], zunächst bedingt durch die beiden Ölpreisschocks in den Jahren 1973 und 1981 und zuletzt durch die 1992/93 einsetzende Rezession[2]. Zwischen diesen Zeitpunkten ging die Arbeitslosigkeit nur schleppend zurück. Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Deutschland ist durch eine beträchtliche Persistenz gekennzeichnet, obwohl die Beschäftigung in den achtziger Jahren spürbar gestiegen war. Kurz vor der Wiedervereinigung erreichte die Erwerbsquote[3] wieder das Niveau wie zu Beginn der siebziger Jahre, als in Deutschland Vollbeschäftigung herrschte. Gleichzeitig war jedoch im Zeitraum 1970 - 1990 ein starker Anstieg des Arbeitskräfteangebots zu verzeichnen, so dass sich die Arbeitslosenquote vom Höchststand der achtziger Jahre ( 9,1% ) nur auf 7,2 % verringerte.
Im Laufe der neunziger Jahre ging durch die Wiedervereinigung und den damit verbundenen Systemwechsel rund ein Drittel aller Arbeitsplätze in Ostdeutschland verloren. Zeitgleich setzte in Westdeutschland eine Rezession ein. Als Folge daraus stieg die gesamtdeutsche Arbeitslosenquote rapide, während die Erwerbstätigenquote sank. In Westdeutschland wurde der Arbeitsmarkt durch den kurzen Wirtschaftsaufschwung in den Jahren 1998 – 2001 entlastet, wohingegen der Arbeitsmarkt in Ostdeutschland davon nicht profitieren konnte.[4]
1.2 Gründe für die Arbeitslosigkeit in Deutschland
Die Gründe für die Arbeitslosigkeit in Deutschland sind sehr vielschichtig. Auslöser war aber ohne Zweifel der starke Anstieg des Erwerbspersonen-potentials[5]. Hervorgerufen wurde dieser u.a. durch
- Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit in das Erwerbsleben
- die seit den siebziger Jahren zunehmende Erwerbsbeteiligung, insbesonders verheirateter Frauen
- die Ausweitung des Erwerbspersonenpotentials durch hohe Zuwander-ungszahlen von Übersiedlern, Aussiedlern und Ausländern in die BRD
Schwankende Konjunkturlagen und die Wiedervereinigung verschärfen die Probleme am Arbeitsmarkt seit den neunziger Jahren zusätzlich, zudem wirken sie sich auf den Westen Deutschlands wesentlich stärker als auf den Osten der Republik aus. Grund dafür ist der noch immer große Entwicklungsrückstand Ostdeutschlands bei den exportorientierten Bereichen des verarbeitenden Gewerbes.
Der Anstieg des Erwerbspersonenpotentials konnte auch nicht durch ein höheres und beschäftigungswirksames Wirtschaftswachstum aufgefangen werden. Zum einen wurde in der Vergangenheit nicht genügend in zukunftsträchtige Produkte investiert ( es konnten nicht genügend neue Märkte erschlossen werden ), zum anderen flossen ( und fließen ) weiterhin hohe Subventionen[6] in den Erhalt veralterter Produktionsstrukturen ( Kohlebergbau, Werften, Landwirtschaft etc. ). Die volle Ausschöpfung der ohne Zweifel vorhandenen Potentiale im High-Tech-Bereich wurde so verhindert. Damit wurde aber letztendlich der notwendige Strukturwandel, die Transformation einer sekundären in eine tertiäre Ökonomie unnötig behindert. Die gegenwärtig strukturelle Arbeitslosigkeit kann somit als Begleiterscheinung des nicht wirklich bewältigten Übergangs gesehen werden.[7]
Eine weitere Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit sind die kontinuierlich gestiegenen Beitragssätze zu den Sozialversicherungssystemen. Die Beiträge dazu fließen in die Personalzusatzkosten und verteuern so die Arbeit. Als Folge daraus verringert sich die Zahl der rentablen Arbeitsplätze, wenn nicht andere Personalzusatzkosten verringert werden oder die Löhne langsamer steigen als die Produktivität. Nach Auskunft des Instituts der Wirtschaft liegen die Arbeitskosten in Westdeutschland mit 26,36 € ( 2002 ) weltweit an zweiter Stelle, Ostdeutschland liegt mit 16,43 € an 18. Stelle[8].
Neben den Beiträgen zu den Sozialversicherungen ( gesetzliche Personalzusatzkosten ) fallen i.d.R. weitere Personalzusatzkosten durch tarifliche bzw. betriebliche Vereinbarungen an ( z.B. durch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, betriebliche Altersversorgung, Verpflegungszuschüsse etc. ), so dass die Gesamtheit der Personalzusatzkosten 1996 bereits 81 Prozent betrug, Tendenz steigend[9].
Im Durchschnitt muss ein Arbeitnehmer mehr als 3 Stunden arbeiten, um eine in Anspruch genommene Arbeitsstunde bezahlen zu können. Diese Kluft hat einen großen Einfluss auf die Entscheidung zwischen offizieller Arbeit und Schwarzarbeit[10].
Schwarzarbeit ist ein gesellschaftlich weit verbreitetes Problem, bei dem auf Kosten der Allgemeinheit ( legale ) Arbeitsplätze verloren gehen und das Finanzamt und die Sozialversicherungen Milliarden an Abgaben verlieren[11].
Neben den genannten Gründen für die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland spielen noch eine Vielzahl von weiteren Faktoren eine wichtige Rolle. So wurde z.B. durch die Dämpfung der Weltkonjunktur, die „ Gründerkrise “ in vielen e-basierten Dienstleistungsbranchen und den Schock der Terroranschläge vom 11. September 2001 alle Hoffnung auf eine rasche Belebung am Arbeitsmarkt zunichte gemacht[12]. Diese und auch weitere Faktoren sowie die besondere Situation in Ostdeutschland konnten im Rahmen dieser Hausarbeit nicht berücksichtigt werden.
[...]
[1] Erläuterung s. Glossar
[2] Erläuterung s. Glossar
[3] Erläuterung s. Glossar
[4] Vgl. IAB Werkstattbericht Nr. 11/202
[5] Erläuterung s. Glossar
[6] Erläuterung s. Glossar
[7] vgl. IAB Werkstattbericht Nr.11/2002 v. 22.8.2002, IAB Kurzbericht Nr. 16 v.1.8.2002 u. J.Eekhoff, Beschäftigung und soziale Sicherheit ( 1998 ) S. 5-17
[8] Dülmener Zeitung ( WAZ ), Rubrik Wirtschaft, Mittwoch 20. August 2003
[9] J. Eekhoff, Beschäftigung und soziale Sicherheit ( 1998 ) S. 84 - 92
[10] s. Glossar
[11] Das Lexikon der Wirtschaft, Dudenverlag 2001, S. 338
[12] IAB Kurzbericht Nr. 16 v. 01.08.2002
- Arbeit zitieren
- Guido Nosthoff (Autor:in), 2003, Ursachen für Arbeitslosigkeit in Deutschland - Ansatzpunkte für eine Reform des Arbeitsmarktes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18707
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