Häufig ist die Schieflage eines Landes hinsichtlich der Währung oder politischer Umwälzungen Auslöser für Wirtschaftskrisen, die sich innerhalb kurzer Zeit auf Nachbarregionen ausdehen. Das Handelsvolumen des internationalen Kapitalmarkts nimmt fortlaufend zu, sodass die Weltkonjunktur, und im Besonderen die Heimatmärkte der Großinvestoren, im großen Maße reibungslose und gesicherte Transaktionen benötigen, um die erhofften Wechselwirkungen zwischen grenzüberschreitendem Kapitalverkehr, Renditenerzielung und Wohlstandsgewinne nicht zu gefährden. Mit der Internationalisierung von Produktion und Kapital steigt jedoch auch das Ausfallrisiko. Während ein Investor bei einer Investition auf seinem Heimatmarkt die Umweltbedingungen kennt und auch mit der Rechtslage i.w.S. vertraut ist, birgt die Unkenntnis, bei einer Überlegung in einen ausländischen Markt zu investieren, Risiken. Auch wenn das Investitionsobjekt einwandfreie Kennzahlen vorweisen kann und von Analysten als aussichtsreich und sicher beurteilt wird, kann der Eintritt eines Länderrisikos innerhalb kurzer Zeit zu einer grundlegend anderen Beurteilung des Investitionsobjektes führen, obwohl die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen unverändert sind. Neben dieser Problematik für die Investoren überlagert das Länderrisiko zudem die individuellen Risiken und wirkt sich auf alle dort beheimateten Markteilnehmer hinsichtlich ihrer Bonität aus. Für die Marktakteure als auch für die weltweite wirtschaftliche Stabilität ist daher die richtige Einschätzung des Länderrisikos von überragender Bedeutung.
Da es für die Marktteilnehmer aufgrund der Komplexität und des Zeitaufwands nicht möglich ist, das Länderrisiko selbst einzuschätzen, bedarf es Spezialisten, die diese Aufgabe unabhängig und mit großer Sorgfalt erfüllen. Im Wesentlichen übernehmen diese Aufgabe drei Ratingagenturen. Von ihrer Expertise hängt es maßgeblich ab, ob latente Gefahren aufgedeckt und infolgedessen eventuelle Wirtschaftskrisen verhindert und Investitionsentscheidungen anhand risikoadäquater Einschätzungen hinsichtlich des Länderrisikos getroffen werden können. Die richtige und rechtzeitige Beurteilung von Länderrisiken durch die Ratingagenturen drückt sich in der Prognosequalität aus. Häufig wird den Ratingagenturen vorgeworfen, dass sie eine Teilschuld an den Ausbrüchen vergangener Wirtschaftskrisen zu verantworten hätten und zu einer Verschärfung des Krisenverlaufs beitrugen, dies gilt auch für die aktuelle Eurokrise.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Gang der Untersuchung
2. Begriffsbestimmung
2.1. Länderrisiko
2.2. Direktinvestitionen
3. Direktinvestitionen in der globalisierten Welt
3.1. Historische und aktuelle Entwicklung
3.2. Bedeutung von Direktinvestitionen für die Empfängerländer
4. Klassifikation von Länderrisiken
4.1. Wirtschaftliches Risiko
4.1.1. Binnenwirtschaftliche Risikoindikatoren
4.1.2. Außenwirtschaftliche Risikoindikatoren
4.2. Politische Risiken
4.2.1. Innenpolitische Risikoindikatoren
4.2.2. Außenpolitische Risikoindikatoren
4.3. Ländergruppenrisiken
4.4. Sonstige Länderrisiken
4.5. Gesamtbetrachtung
5. Systematisierung der Analyseverfahren
5.1. Vorbemerkung zu den Analyseverfahren
5.2. Qualitative Verfahren
5.3. Quantitative Verfahren
5.4. Makroökonomische Verfahren
6. Ratingagenturen
6.1. Betrachtung von Markt und Wettbewerb
6.2. Ratingagenturen als Akteure auf dem Kapitalmarkt
6.2.1. Existenzbegründung angesichts friktionsfreier Märkte
6.2.2. Funktionen und Nutzen für Marktteilnehmer
6.3. Kommerzielle Anbieter
6.3.1. Internationale Ratingagenturen
6.2.2. Euromoney
6.2.3. BERI-Institute
6.2.4. Institutional Investor Magazin
6.2.5. Weitere Anbieter
6.4. Kritik an den Informationsintermediären
7. Prognosequalität von Länderratings
7.1. Am Beispiel der Asienkrise
7.1.1. Kurzdarstellung des Verlaufs
7.1.2. Ratings in der Asienkrise
7.2. Am Beispiel der Eurokrise
7.2.1. Kurzdarstellung des Verlaufs
7.2.2. Ratings in der Eurokrise
7.3. Historische Rating-Fehler
7.4. Ursachen für Fehleinschätzungen
7.4.1. Inkonstante Informationsbasis
7.4.2. Geschäftsmodellproblematik
7.4.3. Prognoseproblematik
7.4.4. Moral Hazard
7.4. Neue Verfahrensansätze
8. Schutzmaßnahmen gegen das Ausfallrisiko
8.1. Allgemeine Schutzmaßnahmen
8.2. Investitionsschutzabkommen
8.3. Credit Default Swaps
9. Fazit
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 : Euromoney Country Risk Scores März 2010
Tabelle 2: Institution Investor Credit Rating März 2011
Tabelle 3: Ratingveränderungen Februar 2006 - April 2010
Tabelle 4: Rating-Fehler von Fitch, Moody's und S&P 1997 - 2006
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Direktinvestitionen in Mio. USD 1980-2010 und Prognose ..
Abbildung 2: Direktinvestitionen in Mrd. USD, Top 19 Destinationen
Abbildung 3: Binnenwirtschaftliche Risikoindikatoren
Abbildung 4: Außenwirtschaftliche Risikoindikatoren
Abbildung 5: Innenpolitische Risikoindikatoren
Abbildung 6: Außenpolitische Risikoindikatoren
Abbildung 7: Länderrisikoindikatoren und mögliche Konsequenzen
Abbildung 8: Marktanteile der Ratingagenturen
Abbildung 9: Ratingnoten nach S&P, Moody's
Abbildung 10: Bonitätsabstufungen des Forelend-Index
Abbildung 11 : Ratinghistorie der Länder der Asienkrise
Abbildung 12: Ratinghistorie Griechenland
Abbildung 13: Ratinghistorie Irland
Abbildung 14: Ratinghistorie Portugal
Abbildung 15: Ablauf eines Credit Default Swaps
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Regionale Wirtschaftskrisen haben in Zeiten der Globalisierung weltweite Auswirkungen, die je nach Ausprägung der wirtschaftlichen Verflechtungen unterschiedlich stark auf andere Volkswirtschaften durchschlagen. Häufig ist die Schieflage eines Landes hinsichtlich der Währung oder politischer Umwälzungen Auslöser für Wirtschaftskrisen, die sich innerhalb kurzer Zeit auf Nachbarregionen ausdehen. Das Handelsvolumen des internationalen Kapitalmarkts nimmt fortlaufend zu, sodass die Weltkonjunktur, und im Besonderen die Heimatmärkte der Großinvestoren, im großen Maße reibungslose und gesicherte Transaktionen benötigen, um die erhofften Wechselwirkungen zwischen grenzüberschreitendem Kapitalverkehr, Renditenerzielung und Wohlstandsgewinne nicht zu gefährden. Mit der Internationalisierung von Produktion und Kapital steigt jedoch auch das Ausfallrisiko. Während ein Investor bei einer Investition auf seinem Heimatmarkt die Umweltbedingungen kennt und auch mit der Rechtslage i.w.S. vertraut ist, birgt die Unkenntnis, bei einer Überlegung in einen ausländischen Markt zu investieren, Risiken. Auch wenn das Investitionsobjekt einwandfreie Kennzahlen vorweisen kann und von Analysten als aussichtsreich und sicher beurteilt wird, kann der Eintritt eines Länderrisikos innerhalb kurzer Zeit zu einer grundlegend anderen Beurteilung des Investitionsobjektes führen, obwohl die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen unverändert sind. Neben dieser Problematik für die Investoren überlagert das Länderrisiko zudem die individuellen Risiken und wirkt sich auf alle dort beheimateten Markteilnehmer hinsichtlich ihrer Bonität aus. Für die Marktakteure als auch für die weltweite wirtschaftliche Stabilität ist daher die richtige Einschätzung des Länderrisikos von überragender Bedeutung.
Da es für die Marktteilnehmer aufgrund der Komplexität und des Zeitaufwands nicht möglich ist, das Länderrisiko selbst einzuschätzen, bedarf es Spezialisten, die diese Aufgabe unabhängig und mit großer Sorgfalt erfüllen. Im Wesentlichen übernehmen diese Aufgabe drei Ratingagenturen. Von ihrer Expertise hängt es maßgeblich ab, ob latente Gefahren aufgedeckt und infolgedessen eventuelle Wirtschaftskrisen verhindert und Investitionsentscheidungen anhand risikoadäquater
Einschätzungen hinsichtlich des Länderrisikos getroffen werden können. Die richtige und rechtzeitige Beurteilung von Länderrisiken durch die Ratingagenturen drückt sich in der Prognosequalität aus. Häufig wird den Ratingagenturen vorgeworfen, dass sie eine Teilschuld an den Ausbrüchen vergangener Wirtschaftskrisen zu verantworten hätten und zu einer Verschärfung des Krisenverlaufs beitrugen. Auch in der aktuellen Debatte über die europäische Staatsschuldenkrise stehen diese Vorwürfe im Raum.
1.1. Problemstellung
In dieser Arbeit soll der Vorwurf untersucht werden, inwieweit eine Kritik an den Ratingagenturen hinsichtlich der Prognosequalität berechtigt ist und ob tatsächlich eine Teilschuld an den Wirtschaftskrisen vorliegt.
1.2. Gang der Untersuchung
Zunächst werden die Begriffe Länderrisiko und Direktinvestitionen definiert, um ein klares Bild über die begriffliche Abgrenzung zu erhalten. Die historische Entwicklung und aktuelle Betrachtung der Direktinvestitionsflüsse zeigt die starke Zunahme des internationalen Kapitalverkehrs. Die Bedeutung von Direktinvestitionen für die
Weltwirtschaft wird anschließend kurz skizziert, um dann der Frage nachzugehen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen Direktinvestitionen und Wirtschaftswachstum empirisch bewiesen ist. Diese Aspekte sind insofern von Bedeutung, als Direktinvestitionen dem Länderrisiko unterliegen und es dem aktuellen Zeitgeist entspricht, möglichst viel ausländisches Kapital ins Land zu holen.
In Kapitel 4 werden die Länderrisiken kategorisiert, ausführlich dargestellt und in einer Gesamtbetrachtung nochmals in Beziehung gesetzt. Die so gesammelten Erkenntnisse über die Risikofaktoren bilden den Übergang zu den theoretischen Grundlagen der Analyseverfahren und -techniken. Das anschließende Kapitel betrachtet den Markt der Ratingagenturen, ihre Existenzbegründung und setzt sich detailliert mit den einzelnen kommerziellen Informationsanbietern auseinander. Die Prognosequalität bildet den Schwerpunkt für Kapitel 7. Anhand der Asien- und der aktuellen Eurokrise werden Rating-Fehler aufgedeckt und durch Hinzunahme historischer Ratingverläufe vertieft. Im zweiten Teil des Kapitels stellt Vermutungen über die Ursachen der Rating-Fehler an und stellt neue Verfahrensansätze. Abschließend werden einige ausgewählte Schutzmaßnahmen gegen das Ausfallrisiko betrachtet und beurteilt. Das Fazit fasst die Erkenntnisse dieser Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf die zukünftigen Problemfelder und Lösungsansätze.
2. Begriffsbestimmung
2.1. Länderrisiko
Der Begriff des Risikos kommt in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur vielfach zur Anwendung. Im Allgemeinen wird er als Eventualität beschrieben, die mit einer unsicheren Wahrscheinlichkeit eintreten und so zu einem Ergebnis führen kann, das vom erwarteten Resultat abweicht. Folglich drückt sich in dem Risiko die Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden entstehen oder ein Vorteil ausbleiben kann.[1] Das Risiko kann ferner durch die Gefahr der negativen Zielabweichung beschrieben werden.[2]
Darauf aufbauend leitet sich der Begriff Länderrisiko aus der Tatsache ab, dass die Entwicklung entscheidungsrelevanter Größen in der Zukunft unsicher ist.[3] Unter dem Begriff Länderrisiko werden die beiden Termini Transferrisiko (transfer risk) und hoheitliches Risiko (sovereign risk) zusammengefasst.[4] Letzteres wird in der Literatur auch als Staatsrisiko bezeichnet. Das transfer risk kann auch als Währungsrisiko definiert werden, das einen Schuldner durch behördliche oder gesetzgeberische Maßnahmen in die Situation versetzt, seinen Zahlungsverpflichtungen nicht ordentlich nachkommen zu können.[5] Das transfer risk betrifft Wirtschaftssubjekte des privaten Sektors, die eine einwandfreie Bonität vorzuweisen haben und unverschuldet ihrer Zahlungsverpflichtung nicht nachkommen können. Es liegt beispielsweise dann vor, wenn eine Regierung Beschränkungen hinsichtlich der Konvertibilität der eigenen Währung einführt. Der Schuldner verfügt also über ein ausreichendes
Vermögen, ist jedoch nicht in der Lage die notwendigen Devisen zu beschaffen, um gegenüber dem Gläubiger in der vereinbarten Landeswährung die Zahlungsverpflichtung begleichen zu können. Das sovereign risk betrifft im Gegensatz zum transfer risk nicht private Wirtschaftssubjekte, sondern den Staat. Unter dem Begriff sovereign risk wird die Zahlungsverweigerung eines Staates verstanden, der seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Ausland nicht fristgerecht nachkommen kann oder will.[6] Das Länderrisiko umfasst also sowohl das transfer risk als auch das sovereign risk. Eine synonymische Verwendung der Begriffe Länderrisiko und sovereign risk ist nur in dem Fall zutreffend, wenn eine Regierung oder eine öffentliche Instanz als Kreditnehmer in Erscheinung tritt.[7]
Das Länderrisiko setzt sich aus verschiedenen risikorelevanten Bereichen zusammen. Dazu gehören im Allgemeinen die ökonomischen, politischen, rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Staates.[8] Ferner können kulturelle Eigenheiten hinsichtlich der Sitten und Bräuche ein Risiko darstellen.
2.2. Direktinvestitionen
In der Literatur wird der Begriff Direktinvestition analog zum englischen Sprachgebrauch Foreign Direct Investment benutzt, wenngleich sich der englische Begriff auch immer stärker in der deutschen Literatur durchsetzt. Direktinvestitionen zählen zu den Auslandsinvestitionen und werden durch den grenzüberschreitenden Kapitalexport definiert.[9] Graham und Krugman definieren Direktinvestitionen als eine im Ausland platzierte Vermögensanlage durch natürliche oder juristische Personen, dessen Ziel es ist, die Kontrolle oder zumindest erheblichen Einfluss auf die erworbene Aktiva zu erlangen.[10] Der Internationale Währungsfonds (IWF) definiert Direktinvestitionen als internationales Investment, „(...) that reflects the objective of a resident entity in one economy obtaining a lasting interest in an enterprise resident in another economy. (The resident entity is the direct investor and the enterprise is the direct investment enterprise).“[11] Der United Nations World Investment Report 1999 schließt sich der Definition des IWF inhaltlich an und führt weiter aus, dass „(...) the investor exerts a significant degree of influence on the management of the enterprise resident in the other economy[12] Darüber hinaus spricht der World Investment Report 1999 bei der Definition von Direktinvestitionen von einer langfristigen Beziehung des Investors zum ausländischen Unternehmen.[13] Als Investitionsinstrument für multinationale Unternehmen treten Direktinvestitionen also in Form von Erwerb oder Gründung von Tochtergesellschaften im Ausland in Erscheinung. Im Gegensatz zur Portfolioinvestition, die vordergründig die Partizipation am Gewinn eines ausländischen Unternehmens zum Gegenstand hat, zielen Direktinvestitionen auf die Kontrolle des Unternehmens und damit auf die Steuerung der Unternehmensstrategie ab.[14] Direktinvestitionen bezwecken also den Einfluss auf die Geschäftstätigkeit, die schlussendlich zur Gewinnerzielung führt.
Eine Unterteilung von Direktinvestitionen kann aus zwei Perspektiven erfolgen. Betrachtet man Direktinvestitionen aus dem Unternehmensprozess heraus, kann man nach Caves drei Kategorien definieren.
- horizontale Direktinvestitionen - vertikale Direktinvestitionen
- conglomerate Direktinvestitionen
Caves definiert horizontale Direktinvestitionen als die Ausweitung der Produktionsstätten ins Ausland zum Zwecke der Produktion von bereits im Sortiment vorhandenen Gütern. Vertikale Direktinvestitionen werden vorgenommen, um ein vor- oder nachgelagerten Produktionsprozess zu errichten, während conglomerate Direktinvestitionen eine Kombination beider vorgenannter Kategorien umfassen.[15] Betrachtet man dagegen Direktinvestitionen aus der Perspektive, die sich auf die Unternehmenstätigkeit im Empfängerland beschränken, kann nach Plum nochmals zwischen substitutiven und additiven Direktinvestitionen unterschieden werden. Der Begriff der Substitution bezieht sich hier auf die Verdrängung von Investoren oder Unternehmen im Empfängerland, die explizit aus den getätigten Direktinvestitionen resultieren. Additive Direktinvestitionen haben dagegen keine substitutive Wirkung, sondern fließen als zusätzliche Mittel in das Empfängerland und verursachen dadurch keinerlei Verdrängung anderer Marktteilnehmer.[16] [17]
3. Direktinvestitionen in der globalisierten Welt
3.1. Historische und aktuelle Entwicklung
Seit Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts rückte der Begriff Globalisierung immer stärker in den Vordergrund. Obwohl verwandte Ausdrücke, wie Weltwirtschaft und Weltökonomie weitläufig bekannt waren, stilisierte sich der Begriff der Globalisierung zum Schlagwort für die Zunahme der zwischenstaatlichen ökonomischen Beziehungen empor. Aus Abbildung 1 geht der bedeutende Zuwachs an Direktinvestitionen der letzten drei Jahrzehnte hervor.
Nach einem stetigen Anstieg zwischen den Jahren 1984 und 1990 folgte auf den Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1990 ein leichter Rückgang, der innerhalb von zwei Jahren jedoch wieder aufgeholt wurde. Seit 1992 stiegen die Direktinvestitionen rasant an und fanden ihren vorläufigen Höhepunkt im Jahr 2000. Der erneute Zusammenbruch war eine Folge des Platzens der Dotcom-Blase. Dieser Effekt wurde durch die Anschläge vom 11.September 2001 auf das World Trade Center in New York nochmals verstärkt. Ab 2003 stiegen die Direktinvestitionssummen in bis dahin unbekanntem Tempo und erreichten 2006 wieder das Niveau vor der Dotcom-Blase, um anschließend auf ein Allzeithoch von 2,1 Billionen US-Dollar (USD) im Jahr 2007 zu steigen. Anschließend holte die Finanzmarktkrise die Weltwirtschaft ein und drückte das Investitionsvolumen im Jahr 2008 zunächst auf 1,744 Billionen USD, um dann im Jahr 2009 weiter abzuschmelzen und sich bei 1,185 Billionen USD zu stabilisieren.[18] Anschließend folgte mit 1,243 Billionen USD eine leichte Erholung im Jahr 2010.[19] Die Direktinvestitionen liegen damit 15 Prozent unter dem durchschnittlichen Vorkrisenniveau und 37 Prozent unter dem Allzeithoch aus dem Jahr 2007.[20]
Der Trend, der jährlich vom World Investment Report ermittelt wird, wird für das Jahr 2011 auf 1,4 bis 1,6 Billionen USD, in 2012 auf 1,7 Billionen USD und in 2013 auf 1,9 Billionen USD taxiert.[21] Damit könnte die Weltwirtschaft in Kürze wieder an das Allzeithoch aus dem Jahr 2007 anknüpfen und weiter an Fahrt aufnehmen. Der World Investment Report 2011 gibt auch Aufschluss über die Verteilung der Direktinvestitionen. So können Schwellen- und Entwicklungsländern erstmals mehr als die Hälfte aller Direktinvestitionen für sich gewinnen, während diese Ländergruppe selbst 29 Prozent an den weltweiten Direktinvestitionen stellt. Der Großteil der Investitionsvolumina aus dieser Ländergruppe verbleibt innerhalb ihrer Gruppierung. Unter den 20 größten Investoren befinden sich zehn
Schwellen- und Entwicklungsländer. Damit bleibt diese Ländergruppe ein entscheidender Wachstumsfaktor für die Weltwirtschaft.[22]
Eine detaillierte Betrachtung ergibt sich aus Abbildung 2.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Direktinvestitionen in Mrd. USD, Top 19 Destinationen Quelle: Eigene Darstellung, Daten aus UNCTAD (2011), S. 4.
Obwohl das Volumen der Direktinvestitionen seit der Finanzmarktkrise wieder anzieht, können nicht alle Länder von der neuen Dynamik profitieren. Insbesondere gering entwickelte Staaten auf dem afrikanischen Kontinent, kleine Inselstaaten mit geringer wirtschaftlicher Aktivität und solche Entwicklungsländer, die über keinen Meerzugang verfügen, verlieren weiter an Boden. Auch Südasiens
Direktinvestitionsvolumina sind rückläufig, wogegen die Regionen Lateinamerika, Ost- und Südostasien starke Zuwächse zu verzeichnen haben.[23]
3.2. Bedeutung von Direktinvestitionen für die Empfängerländer
Die wissenschaftliche Beurteilung, ob eine positive Korrelation zwischen Direktinvestitionen und Wirtschaftswachstum auf dem Empfängermarkt besteht, divergiert mitunter erheblich. Zahlreiche Studien, die sich auf einzelne Länder oder Ländergruppen konzentrieren, gelangen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Evidenzen reichen dabei von einer negativen bis hin zu einer stark positiven Korrlation. Die Mehrheit der Studien gelangt insgesamt jedoch zu einem positiven Ergebnis.
De Gregorio untersuchte in seiner Studie die Determinanten für das Wirtschaftswachstum zwölf lateinamerikanischer Länder zwischen den Jahren 1950 und 1985. Dabei kam er zu dem Schluss, dass Investitionen ein Hauptfaktor für wirtschaftliches Wachstum darstellen. De Gregorio weist in diesen Zusammenhang explizit auf die höhere Effizienz von Direktinvestitionen gegenüber domestic Investments hin.[24] Auch Borensztein et al. sehen einen positiven Zusammenhang zwischen Direktinvestitionen und Wirtschaftswachstum, wobei die Autoren jedoch ein Minimum an human capital in der Ökonomie als Grundvoraussetzung sehen.[25] Eine weitere Studie, die eine positive Korrelation zwischen Direktinvestitionen und Wirtschaftswachstum als bewiesen ansieht, unterstreicht dabei den besonderen Zusammenhang zwischen Direktinvestitionen und der Zunahme des Handelsvolumens. Karabasi et. al. stellten einen positiven Zusammenhang zwischen Direktinvestitionen und der wirtschaftlichen Entwicklung von Entwicklungsländern fest, die insbesondere dann zum tragen kommen, wenn das Empfängerland über ausreichende Kapazitäten von Humankapital verfügt. Gleichzeitig betonen Karabasi et. al. die Bedeutung von Direktinvestitionen für den Technologietransfer,[26] der für eine weiterführende wirtschaftliche Entwicklung von entscheidender Bedeutung sein kann. Auch De Mello attestiert in seiner Studie eine positive Korrelation zwischen Direktinvestitionen und der wirtschaftlichen Entwicklung einer Ökonomie. Besondere Erwähnung finden dabei die positiven Begleiteffekte, die sich aus dem Technologietransfer ergeben.
Im Zuge dessen bilden die Unternehmen ihre Angestellten besser aus, da die neue Technologie neue Fähigkeiten abverlangt. Gleichzeitig werden auch die besonderen Anforderungen an das Management durch Schulungsmaßnahmen auf ein neues Level gehoben.[27] Durch die Multiplikation dieses Vorgangs wirken sich die Bildungsmaßnahmen, die mit dem Technologietransfer einhergehen, insgesamt positiv auf das Humankapital aus, welches wiederum ein Kriterium für eine positive Investitionsentscheidung eines ausländischen Investors sein kann.
Die Studie von Sata untersuchte 44 Entwicklungsländer hinsichtlich der Effekte von privaten Kapitalflüssen auf das Wirtschaftswachstum. Insbesondere der Entwicklungs- und Kapitalisierungsgrad des Finanzsystems ist nach Sata ein entscheidender Faktor, der die Wirkung von Direktinvestitionen auf das Wirtschaftswachstum positiv beeinflusst. Der Autor misst der Kapitalbasis von Finanzinstituten eine entscheidende Bedeutung bei und führt als Begründung die Allokationsfunktion der Banken an, die sich auch in einer Investitionszurückhaltung ausdrücken kann, wenn der Finanzsektor eines Landes als unterkapitalisiert gilt. Ferner verweist Sata auf das Erfordernis Transparenz herzustellen, da ausländische Investoren Informationen über die wirtschaftliche Lage zur Entscheidungshilfe benötigen.[28]
Basu et. al. untersuchten den Zusammenhang zwischen Direktinvestitionen und dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) hinsichtlich der wechselseitigen Beeinflussung. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass ein wachsendes BIP in relativ abgeschotteten Volkswirtschaften langfristige Direktinvestitionen anziehen, während eine relativ offene Wirtschaftsordnung sowohl lang- als auch kurzfristige Direktinvestitionen zur Folge haben. Darüber hinaus sprechen die Autoren von einer wechselseitigen Ursache, die in den letztgenannten Volkswirtschaften zwischen Direktinvestitionen und dem BIP besteht. Zusätzlich weisen Basu et. al. auf Handels- und Finanzrestriktionen hin, die den Direktinvestitionszufluss verhindern.[29]
Im Gegensatz dazu bezieht Nunnenkamp durch mehrere Studien und Beiträge eine kritische Haltung zu den vielen Forschungsergebnissen, die eine positive Korrelation von Direktinvestitionen und Wirtschaftswachstum nachgewiesen haben wollen. Der Autor zweifelt teilweise an der Methodik, die den verschiedenen Modellen zugrunde liegen, und stellt die Eindeutigkeit, die die Mehrheit der Wirtschaftswissenschaftler den Direktinvestitionen im Zusammenhang mit Wirtschaftswachstum bescheinigen, infrage.[30] Ein weiterer Mangel erkennt Nunnenkamp in der Annahme, dass Direktinvestitionen als homogene Kapitalflüsse betrachtet werden. Nach seiner Meinung muss jedoch zwischen Direktinvestitionen im Rohstoffsektor, binnenmarktorientierten Direktinvestitionen im Industrie- und Dienstleistungssektor sowie markt- und effizienzorientieren Direktinvestitionen unterschieden werden.[31] Nunnenkamp formuliert, dass Direktinvestitionen „(...) für sich genommen weder notwendige Voraussetzung noch hinreichende Bedingung für Wachstumserfolge sind.“[32] Um eine positive Wirkung von Direktinvestitionen auf das Wirtschaftswachstum zu erzielen, bedarf es bestimmter Voraussetzungen. Nunnenkamp identifiziert die frühzeitige Liberalisierung von Direktinvestitionen und deren Einbindung in den Welthandel als mögliche Voraussetzungen, die zu einem positiven Zusammenhang zwischen Direktinvestitionen und Einkommenswachstum führen. Ferner sieht Nunnenkamp den globalen Trend zu Produktions- und Absatzmustern als Katalysator, sofern diese von Direktinvestitionen in offenen Entwicklungsund Schwellenländern effizienzorientiert zum Einsatz kommen.[33]
Nunnenkamp analysiert in einer weiteren Studie den Zusammenhang von Direktinvestitionen und Wirtschaftswachstum auf dem lateinamerikanischen Kontinent. Hierbei kommt der Autor zu dem Schluss, dass Direktinvestitionen nicht grundsätzlich eine positive Wirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung eine Landes haben. Dazu stellt er einen Vergleich zwischen 20 lateinamerikanischen Staaten hinsichtlich der Direktinvestitionszuflüsse und dem Pro-Kopf-Einkommen auf. Nunnenkamp betont, dass andere Studien ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Entwicklung als Grundvoraussetzung für positive gesamtwirtschaftliche Wachstumseffekte durch Direktinvestitionen unterschlagen und quasi Direktinvestitionen mit Wirtschaftswachstum automatisch gleichsetzen würden. Dass diese Annahme falsch ist, stützt er auf die Tatsache, dass dem Boom von Direktinvestitionen nach Lateinamerika zwischen 1990 und 2000 nur ein marginaler Anstieg des realen Pro-Kopf-Einkommens gefolgt ist.[34] Gleichwohl stellt Nunnenkamp in einzelnen Ländern eine signifikante positive Korrelation fest, wobei diese Länder „(...) eher kleine und vergleichsweise weltmarktorientierte Gastländer‘[35] sind.
Eine Zusammenfassung der neueren wissenschaftlichen Studien, die Direktinvestitionen und Wirtschaftswachstum zum Gegenstand haben, hat Ozturk zusammengestellt. Explizite Erwähnung finden dabei die literaturübergreifend genannten Determinanten, die ein gutes Umfeld für Direktinvestitionen schaffen:[36]
- Freihandelszonen
- Humankapital
- Bankensystem
- Besteuerung
- wirtschaftliche und politische Stabilität - Regionalabkommen
Weiter fasst Ozturk zusammen, dass in der Literatur ein Konsens über direktinvestitionsursächliche positive Effekte im Zusammenhang mit dem Wirtschaftswachstum zu erkennen sind. Der Autor erwähnt insbesondere den Technologietransfer und die damit einhergehenden Begleiteffekte des Humankapitals, der Verbesserung von Wissen und Fertigkeiten sowie der Kapital- und Vermögensbildung.[37]
Wie eingangs erwähnt, kommen diverse Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen. Gleichwohl kann bei der Gesamtbetrachtung der Studienergebnisse eine Tendenz zur positiven Korrelation zwischen Direktinvestitionen und Wirtschaftswachstum festgestellt werden. Insbesondere die Wirkung von Direktinvestitionen in Entwicklungsländern konnte durch Forschungsergebnisse häufig nachgewiesen werden. Lässt man die wissenschaftliche Beurteilung hinsichtlich der Auswirkungen von Direktinvestitionen auf das Wirtschaftswachstum außer Acht, entspricht es noch immer dem aktuellen politischen Zeitgeist auf Direktinvestitionen zu setzen, um so den verbundenen Hoffnungen auf eine Zunahme des Wohlstands ein Stück näher zu kommen. Unter Hinzunahme der empirischen Argumentation erscheint die wirtschaftliche und politische Stabilität als unerlässliche Grundvoraussetzung, um überhaupt in den inneren Kreis eines möglichen Empfängerlandes aus Investorensicht aufgenommen zu werden.
4. Klassifikation von Länderrisiken
Im nachfolgenden Abschnitt werden die einzelnen Länderrisiken sachlogisch gruppiert, um eine bessere Differenzierung und Identifizierung einzelner Risikoindikatoren zu ermöglichen. Dazu wird hier auf die bereits in der Literatur vorherrschende Unterteilung der wichtigsten Länderrisiken zugegriffen.[38] Sowohl die wirtschaftlichen als auch die politischen Länderrisiken umfassen ein breites Spektrum, das je nach Detailbetrachtung auf eine erhebliche Anzahl anwachsen kann. Dieses Kapitel beschränkt sich auf die wichtigsten Indikatoren, die als empirisch bewiesen gelten.
4.1. Wirtschaftliches Risiko
Das wirtschaftliche Länderrisiko setzt sich aus Ursache-Wirkungs-Beziehungen zusammen, die sich auf Grundlage der Wirtschaftsordnung, dem Wirtschaftssystem und der Wirtschaftsstruktur bilden.[39] Ein wirtschaftliches Risiko besteht im Allgemeinen, wenn ein Staat nicht mehr über die notwendigen Zahlungsmittel verfügt, um seine außenwirtschaftlichen Zahlungsverpflichtungen begleichen zu können.[40] Um das wirtschaftliche Risiko zu erfassen, wird eine Vielzahl von
Bestimmungsfaktoren untersucht. Dieser Abschnitt beschränkt sich dabei auf die Determinanten, die sich literaturübergreifend durchgesetzt haben.
4.1.1. Binnenwirtschaftliche Risikoindikatoren
Inwieweit eine binnenwirtschaftliche Stabilität in einem Staat vorliegt, wird anhand verschiedener Determinanten festgestellt. Sie beziehen sich dabei auf „(...) den Entwicklungsstand der Volkswirtschaft, die Effizienz der Wirtschaftspolitik, die Kapitalbildung und den natürlichen und technischen Ressourcen.“[41]
Als erste Losgröße soll hier das Bruttosozialprodukt (BSP) genannt werden, das sich aufgrund der weltweiten Verfügbarkeit, Transparenz und Vergleichbarkeit gut für eine Bestimmung der binnenwirtschaftlichen Verhältnisse nutzen lässt. Das BSP gibt Auskunft über den Wert aller produzierten Waren und Dienstleistungen in einer Periode und ist dadurch die geeignete Losgröße um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes abzubilden. Dabei gilt die Formel, dass ein höheres BSP auf eine höhere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schließen lässt. Ferner wird das BSP zur Prognose von Wachstumsraten herangezogen. Insbesondere die Prognose der Wachstumsrate pro Kopf wird vom BSP abgeleitet. Hinsichtlich der Bedeutung des BSPs pro Kopf in Bezug auf das Länderrisiko, gilt, dass das Länderrisiko abnimmt, umso höher das BSP pro Kopf in einem Land ist. Dabei kann die Kennzahl jedoch nur dann eine Aussagekraft über das Länderrisiko beanspruchen, sofern die Einkommensverteilung nicht zu stark divergiert.[42] In Entwicklungsländern ist die Mittelschicht häufig nur schwach ausgeprägt, sodass sich ein Großteil des Volkseinkommens auf eine reiche Minderheit verteilt und somit ein höheres Pro-Kopf-Einkommen nicht zwangsläufig auf ein niedrigeres Länderrisiko hinweist.[43]
Die Spar- und Investitionsquote gibt weiteren Einblick in das binnenwirtschaftliche Risiko. Im Allgemeinen gilt, dass Länder mit einer hohen Sparquote über ein solideres Wirtschaftswachstum verfügen.[44] Eine Investitionsquote, die in etwa der Sparquote entspricht, kann als Indikator für nachhaltiges Wachstum interpretiert werden. Andererseits kann eine kreditfinanzierte Investitionsquote ebenfalls zu solidem Wachstum führen, sofern die Grenzproduktivität des Kapitals über den Grenzkosten liegt.[45] Insbesondere Entwicklungsländer verfügen jedoch i.d.R. über eine niedrige Sparquote und nehmen infolgedessen am Kapitalmarkt Finanzmittel auf, um diese in Investitionsprojekte fließen zu lassen. Deshalb ist es ratsam, die Herkunft der Finanzmittel genauer zu betrachten, um den Indikator Spar- und Investitionsquote hinsichtlich des Länderrisikos präziser einschätzen zu können.
Der Reichtum eines Landes drückt sich häufig durch Rohstoffvorkommen aus. Sind diese explorierbar, können sie einen erheblichen Einfluss auf die Bewertung des Länderrisikos haben.[46] Verfügt ein Land etwa über Rohölvorkommen, fließen die geschätzten Mengen bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit mit ein. Sie gelten dann, ähnlich wie bei einer Unternehmung, als Vermögenswert, der liquidiert werden kann. Grundvoraussetzung für eine positive Einflussnahme von Rohstoffvorkommen auf die Kreditwürdigkeit eines Landes ist die Wirtschaftlichkeit und die technische Durchführbarkeit der Förderung. Bei der Schätzung von Rohstoffvorkommen ist zudem Vorsicht geboten. Öffentliche Behörden oder dem Staat nahestehende Institutionen könnten von der Staatsführung missbraucht werden, um die Bonität dahingehend zu beeinflussen, verfälschte Angaben oder zu optimistische Schätzungen zu nutzen, um zu einer höheren Bewertung des Staatsvermögens und somit eine höhere Schuldendienstfähigkeit vorzutäuschen.[47] Ein weiteres Argument für eine konservative Bewertung der Rohstoffvorkommen ist die Volatilität am Devisenmarkt, die je nach Handelszeitpunkt stark variieren kann.[48]
Neben den Rohstoffvorkommen spielt die Inflationsrate hinsichtlich des binnenwirtschaftlichen Risikos eine entscheidende Rolle. Stockner betont, dass Signifikanztests den Zusammenhang zwischen einer hohen Inflationsrate und einer höheren Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls erkennen ließen.[49] Diffizil erscheint der Indikator Inflationsrate bezüglich der Prognosefähigkeit. Denn die Schuldendienstfähigkeit wird von den zukünftigen, nicht von den historischen Inflationsraten beeinflusst. Zusätzlich variieren die der Inflationsrate zugrundeliegenden Messgrößen in einzelnen Staaten hinsichtlich der Lebenshaltungskosten und der Warenkörbe.[50]
Ferner beeinflussen eine Reihe von wirtschaftspolitischen Faktoren die binnenwirtschaftliche Stabilität. Hierzu zählen die Staatsverschuldung, die Arbeitslosenquote und die Wachstumsrate der Geldmenge. Darüber hinaus kann die Verteilung der militärischen, konsumtiven, sozialen und investiven Ausgaben innerhalb des Haushaltsplans von Bedeutung für die binnenwirtschaftliche Risikobewertung sein.[51] Einen Überblick über die binnenwirtschaftlichen Risikoindikatoren zeigt Abbildung 3.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Binnenwirtschaftliche Risikoindikatoren Quelle: Eigene Darstellung[52]
4.1.2. Außenwirtschaftliche Risikoindikatoren
Das außenwirtschaftliche Länderrisiko setzt sich vor allem aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit, der Auslandsverschuldung und der vorhandenen und zukünftigen Liquidität zusammen.[53]
Um einen ersten Eindruck von den außenwirtschaftlichen Risiken eines Landes zu erhalten, eignet sich die Zahlungsbilanz[54] als Untersuchungsgegenstand. Aus der Zahlungsbilanz ergeben sich Informationen hinsichtlich Umfang und Entwicklung der internationalen Verfechtung. Erste Hinweise auf Risiken ergeben sich bei einer genaueren Betrachtung der Leistungsbilanz[55]. Ein positiver Saldo deutet tendenziell auf ein geringeres wirtschaftliches Risiko hin, als ein negativer Saldo.[56] Um einen Vergleich zwischen zwei oder mehreren Ländern herstellen zu können, werden Kennzahlen zurate gezogen, die etwa den Leistungsbilanzsaldo ins Verhältnis zum BSP oder den Ex- und Importen setzen. Die Analyse der Leistungsbilanz bietet jedoch nur einen groben Einblick in das außenwirtschaftliche Risiko. Genauere Informationen erhält man bei einer Analyse der Export- und Importstrukturen.
Die Exportquote[57] ist für die meisten Länder die wichtigste Deviseneinnahmequelle. Eine hohe Exportquote reduziert das außenwirtschaftliche Risiko, da sie im großen Umfang für eine stabile Liquiditätsposition eines Landes sorgt und somit zur Steigerung der Schuldendienstfähigkeit beiträgt.[58] Die Exportstruktur gibt Aufschluss über den Diversifikationsgrad der Exportgüter. Dabei gilt, um so höher die Exportkonzentration auf einige wenige Güter ist, desto größer ist das Risiko auf externe Schocks. Im Umkehrschluss resultiert daraus, dass ein hoher Diversifikationsgrad eine relative Sicherheit vor externen Nachfrageeinbrüchen bietet.[59] Aus der Ex- und Importstruktur lässt sich ferner ableiten, in welchem Umfang ein Land lebensnotwendige Konsumgüter importiert. Dieser Aspekt ist insofern von Bedeutung, als auf diese Güter prinzipiell nicht verzichtet werden kann. Der Importzwang von lebensnotwendigen Konsumgütern schränkt den Handlungsspielraum, die Exportquote, respektive die Deviseneinnahmen und Schluss folglich die Liquidität, kurzfristig und temporär zu erhöhen, ein. Damit fehlt einem in Liquiditätsproblemen geratenen Land ein wirksames Instrument, um durch den Importverzicht seine Deviseneinnahmeseite zu erhöhen und folglich wieder über Devisen zu verfügen. In der Literatur wird dieser Indikator als compressibility ratio bezeichnet.[60]
Ein weiterer Indikator hinsichtlich des außenwirtschaftlichen Risikos bildet die Debt-Service-Ratio (DSR). Dieser Indikator betrachtet die Auslandsverschuldung eines Staates und die daraus resultierenden Zins- und Tilgungsleistungen. Dabei werden die fälligen Zahlungsverpflichtungen innerhalb einer Periode ins Verhältnis zu den Exporteinnahmen aus Gütern und Dienstleistungen gesetzt.[61]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mittels dieser Formel lässt sich ein Prozentsatz errechnen, der sich als Orientierungshilfe für eine Verschuldungsgrenze nutzen lässt. Dabei gilt der Grundsatz, dass eine Steigerung des DSR auf ein tendenziell erhöhtes Zahlungsbilanzrisiko hinweist. Diese Annahme basiert auf dem Rückgang der Deviseneinnahmen, die, sofern sie nicht durch Währungsreserven kompensiert werden, einzig durch eine Reduktion der Importe wieder auf das Vorjahresniveau angehoben werden können.[62]
Kritisch ist die DSR hinsichtlich ihrer Aussagekraft zu beurteilen. Zum einen greift die DSR auf Daten zurück, die zwei Jahre zurückliegen, zum anderen gestaltet sich die Festsetzung eines kritischen Wertes schwierig. Denn während z.B. ein Wert von 25 Prozent in einem Land als erhöhtes Risiko eingestuft werden muss, kann dieser Wert bei einem anderen Land zu einer positiven Bewertung führen.[63] Ein weiterer kritischer Aspekt liegt bei den Entwicklungsländern vor. Diese Länder weisen meist einen niedrigen DSR-Wert auf, der jedoch der Tatsache geschuldet ist, dass diese Länder nur in geringem Umfang kreditfähig sind. Bei einem Perspektivwechsel wird deutlich, dass dies auch in jenen Fällen gelten kann, in denen ein Land einen hohen DSR-Wert aufweist. Anstelle ein erhöhtes außenwirtschaftliches Risiko zu attestieren, könnte ein hoher Wert auch auf die gute Bonität des Landes hinweisen, das sich durch eine relativ freizügige Kreditvergabe und damit einhergehend in einem hohen DSR-Wert ausdrückt.[64]
Ein weiterer Risikoindikator der Außenwirtschaft eines Landes sind die internationalen Liquiditätsreserven. Sie bilden sich aus den Währungsreserven, dem noch abrufbaren Kapital von bereits erteilten Kreditlinien ausländischer Banken und den IWF-Fazilitäten, die den Entwicklungsländern als Liquiditätspuffer bei Missernten oder Preisverfall dienen. Zusätzlich können Auslandsforderungen und ein zu erwartender Leistungsbilanzüberschuss hinzuaddiert werden.[65] Von ihrem Bestand hängt maßgeblich die Fähigkeit ab, die ausländischen Zahlungsverpflichtungen fristgerecht und zu jeder Zeit bedienen zu können.[66]
Um eine Vergleichbarkeit der Liquiditätsreserven verschiedener Länder herszustellen, werden die Währungsreserven mit den Importausgaben ins Verhältnis gesetzt. Der Vergleich gibt Aufschluss über die Importdeckung. Kochalumottil merkt dazu kritisch an, dass bei dieser Kennzahl Bestands- zu Stromgrößen ins Verhältnis gesetzt werden, und empfiehlt anstelle der Importangaben, den Leistungsbilanzsaldo zu verwenden, um eine aussagekräftigere Kennzahl zu erhalten.[67]
In Abbildung 4 werden die außenwirtschaftlichen Risikoindikatoren zusammengefasst.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Außenwirtschaftliche Risikoindikatoren
Quelle: Eigene Darstellung
4.2. Politische Risiken
Zunächst soll an dieser Stelle der Begriff des politischen Risikos eingegrenzt werden. Denk definiert das politische Risiko als „(...) politisch induzierte ungewisse Ereignisse, die Auswirkungen auf die Pläne von Individuen und Organisationen haben.“[68] [69] Diese weitfassende Definition drückt die ganze Tragweite politischen Handelns aus. Eine weniger allgemein formulierte Definition liefert Cramer. „Das politische Länderrisiko beschreibt die Möglichkeit, dass ein Land bzw. eine Regierung aus politisch-ideologischen Überlegungen - auch trotz gegebener Zahlungsfähigkeit - die Bedienung und Tilgung von Auslandsschulden einstellt.“[70] Während die wirtschaftlichen Risiken also ursächlich für einen Devisenmangel sind, der folglich zu einer Zahlungsunfähigkeit führt, bilden politische Risiken den Hintergrund für eine bewusste Entscheidung, die ausländischen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr zu bedienen.
Politische und wirtschaftliche Risiken werden i.d.R. durch wechselseitige Interdependenzen beeinflusst, obwohl sie theoretisch auch isoliert auftreten können.[71]
[...]
[1] Vgl. Gabler Verlag Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (14.05.2001), S. 1.
[2] Vgl. Przybylski (1993), S. 43.
[3] Vgl. Baxmann (1985), S. 12.
[4] Vgl. Lichten (1997), S. 34.
[5] Vgl. Gabler Verlag Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (14.05.2011), S. 1.
[6] Vgl. o.V., Gabler Wirtschaftslexikon (1993), S. 2046.
[7] Vgl. Kochalumottil (2002), S. 4.
[8] Vgl. Walldorf, (1993), S. 2043.
[9] Vgl. Gabler Verlag Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (15.05.2011), S. 1.
[10] Vgl. Graham und Krugman (1989), S. 8.
[11] International Monetary Fund (1996), S. 107.
[12] UNCTAD (1999), S. 465.
[13] Vgl. UNCTAD (1999), S. 465.
[14] Vgl. Stehn (1992), S. 4.
[15] Vgl. Caves (1971), S. 3.
[16] Vgl. Plum (1995), S. 9.
[17] Vgl. Datensatz aus UnctadStad, 11.05.2011, S. 1.
[18] Vgl. UnctadStad, 11.05.2011, S. 1.
[19] Vgl. UNCTAD (2011), S. xii.
[20] Vgl. ebn.
[21] Vgl. ebn.
[22] Vgl. UNCTAD (2011), S. xii.
[23] Vgl. ebn., S. x.
[24] Vgl. De Gregorio (1992), S. 61. u. S. 73.
[25] Vgl. Borensztein et al. (1998), S. 123.
[26] Vgl. Karabasi et. al. (2002), S. 12.
[27] Vgl. De Mello (1999), S. 134.
[28] Vgl. Soto (2000), S. 24.
[29] Vgl. Basu et. al. (2003), S. 516.
[30] Vgl. Nunnenkamp (2000), S. 204.
[31] Vgl. ebn., S. 188.
[32] Ebn., S. 204.
[33] Vgl. ebn.
[34] Vgl. Nunnenkamp (2003), S. 24.
[35] Nunnenkamp (2003), S. 26.
[36] Vgl. Ozturk (2007), S. 1.
[37] Vgl. ebn.
[38] Vgl. Büschgen (1997), S. 288.
[39] Vgl. Becker/Everling (2010), S. 93.
[40] Vgl. Cataquet (1988), S. 27.
[41] Becker/Everling (2010), S. 93.
[42] Vgl. Rhein (1980), S. 183.
[43] Vgl. ebn.
[44] Vgl. Evertz (1992), S. 81 f.
[45] Vgl. Burda (1994), S. 21.
[46] Vgl. Stockner (1984), S. 75.
[47] Vgl. Rhein (1980), S. 183 f., vgl. auch Evertz (1992), S. 68.
[48] Vgl. Kochalumottil (2002), S. 7.
[49] Vgl. Stockner (1984), S. 75.
[50] Vgl. Kochalumottil (2002), S. 7.
[51] Vgl. ebn. S. 8.
[52] Vgl. Baxmann (1985) S. 58.; Caldwell/Villamil (1981), S. 19 ff.; Calverley (1985) S. 132 ff.; Evertz (1992), S. 204 ff.; Ramsour (1979) S. 9 ff.; Stockner (1984) S. 70 ff.
[53] Vgl. Becker/Everling (2010), S. 93.
[54] Eine Zahlungsbilanz bildet sich inhaltlich aus der systematischen Erfassung aller zwischen Inländern und Ausländern getätigten Transaktionen innerhalb einer definierten Periode., Vgl. o.V., Gabler Wirtschaftslexikon in 8 Bd., Band 5 1993, S. 3866.
[55] Die Leistungsbilanz ist Bestandteil der Zahlungsbilanz und setzt sich durch die Gegenüberstellung der Export und Importe aller Waren-, Dienst- und Faktorleistungen innerhalb einer Periode zusammen., Vgl. o.V., Gabler Wirtschaftslexikon (1993), S. 2083.
[56] Vgl. Klose (1996), S. 40.
[57] Die Exportquote ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen Exporten und dem Bruttosozialprodukt.
[58] Vgl. Westphalen (1982), S. 61.
[59] Vgl. Büschgen (1985), S. 338.
[60] Vgl. Rhein (1979), S. 69, vgl.auch Stockner (1984), S. 79.
[61] Vgl. ebn., S. 77.
[62] Vgl. Heffernan (1986), S. 35.
[63] Vgl. Evertz (1992), S. 72.
[64] Vgl. Rhein (1979), S. 78 f.
[65] Vgl. Büschgen, (1997), S. 289.
[66] Vgl. Walter (1988), S. 8.
[67] Vgl. Kochalumottil (2002), S. 8.
[68] Vgl. Baxmann (1985) S. 58.; Caldwell/Villamil (1981), S. 19 ff.; Calverley (1985) S. 132 ff.; Evertz (1992), S. 204 ff.; Ramsour (1979) S. 9 ff.; Stockner (1984) S. 70 ff.
[69] Denk (2003), S. 12.
[70] Cramer (1981), S. 77.
[71] Vgl. Cramer (1981), S. 77.
- Citar trabajo
- Stefano Biondi (Autor), 2012, Länderrisikomodelle - Eine kritische Analyse der Prognosequalität, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186860
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