Jungs Neugier auf Grenzphänomene führte ihn am Ende zur Formulierung eines umfassenden ganzheitlichen Systems, das Materie und Psyche vereint: der Synchronizitäshypothese.
Die Jungsche Psychologie ist von einem Menschenbild geprägt, das
den Menschen unter stetiger schöpferischer Wandlung in einem umfassenden Sinnzusammenhang sieht, was sich mit dem Konzept der Synchronizität in die Kosmologie hinein erweitert und damit auf eine tief verborgene Ordnung und Einheit aller Dinge weist.
Synchronizitäten sind definiert als ein sinnvolles Zusammenfallen zweier Ereignisse, eines innerpsychischen und eines in der äußeren physischen Welt. Sinn wird eigentlich vom Menschen, von seinem Bewußtsein erschaffen und es ist unmöglich objektiven Sinn festzustellen. Doch innerhalb eines Weltbildes, welches das Unbewußte mit einbezieht, muß der Gegensatz mit einbezogen werden, die Hypothese eines vom Menschen unabhängigen, an sich bestehenden Sinnes. In den synchronistischen Phänomenen scheint sich ein apriori bestehender Sinn zu manifestieren, denn das innere psychische Bild ist mit dem äußeren Ereignis nicht kausal, wohl aber durch die Gleichartigkeit ihres Inhalts, durch Sinn verbunden. Von Synchronizität und nicht einfach von Synchronismus spricht Jung deshalb, weil die Situationen sich sowohl gleichzeitig ereignen als auch durch einen gleichen Sinngehalt ausgezeichnet sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2.1. Biographisches
2.2. Die Archetypen
2.2.1. Das Unbewußte und die Komplexe
2.2.2. Energie bei Komplexen und Archetypen
2.2.3. Mythen und die Entstehung der Archetypen
2.3. Symbole
2.4. Alchemie
2.5. Östliche Philosophie
2.6. Der Svnchronizitätsbegriff bei C. G. lung
3.1. Psvche. Materie und Svnchronizitäten bei Marie-Louise von Franz
3.1.1. Psyche und Materie in Alchemie und moderner Wissenschaft.
3.1.2. Zeit. Zahl und Svnchronizität in derAnalytischen Psychologie
3.1.3. Psychologische Erfahrungen derzeit.
3.1.4. Die Zahl als gemeinsamerAnordner von Psyche und Materie
3.2. Physik
3.2.1. Von der klassischen zur modernen Physik.
3.2.2. Atomphvsik/ Quantentheorie
3.2.3. WolfgangPauli.
3.3 Parapsychologie
3.3.1. Schopenhauer.
3.3.2. Parapsychologie - von ihren Anfängen bis zur wissenschaftlichen Forschung
3.3.3. Jung und die Parapsychologie
3.3.4. Parapsychologie und Synchronizitäten
3.4. Svnchronizität und Psychosomatik
3.5. Svnchronizitäten im Alltag und die Bedeutung
3.6. Die Bedeutung der Synchronizität für die Wissenschaft
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Das Zeichen ist eine Sprache. Es ist ein Alphabet, das du perfektionierst, um mit der Weltenseele zu sprechen, oder mit der Seele des Universums oder mit Gott oder wie auch immer. Wie jedes andere Alphabet ist es individuell, und du lernst es nur, indem du dich irrst, was verhindert, daß du die spirituelle Sprache globalisierst.“ (Paulo Coelho)
Jungs Neugier auf Grenzphänomene führte ihn am Ende zur Formulierung eines umfassenden ganzheitlichen Systems, das Materie und Psyche vereint: derSynchroni- zitäshypothese. Die Jungsche Psychologie ist von einem Menschenbild geprägt, das den Menschen unter stetiger schöpferischer Wandlung in einem umfassenden Sinnzusammenhang sieht, was sich mit dem Konzept der Synchronizität in die Kosmologie hinein erweitert und damit auf eine tief verborgene Ordnung und Einheit aller Dinge weist.
Synchronizitäten sind definiert als ein sinnvolles Zusammenfallen zweier Ereignisse, eines innerpsychischen und eines in der äußeren physischen Welt. Sinn wird eigentlich vom Menschen, von seinem Bewußtsein erschaffen und es ist unmöglich objektiven Sinn festzustellen. Doch innerhalb eines Weltbildes, welches das Unbewußte mit einbezieht, muß der Gegensatz mit einbezogen werden, die Hypothese eines vom Menschen unabhängigen, an sich bestehenden Sinnes. In den synchronistischen Phänomenen scheint sich ein a priori bestehender Sinn zu manifestieren, denn das innere psychische Bild ist mit dem äußeren Ereignis nicht kausal, wohl aber durch die Gleichartigkeit ihres Inhalts, durch Sinn verbunden. Von Synchronizität und nicht einfach von Synchronismus spricht Jung deshalb, weil die Situationen sich sowohl gleichzeitig ereignen als auch durch einen gleichen Sinngehalt ausgezeichnet sind.
Jung postuliert so neben der Kausalität auch eine akausale Ordnung, die Synchronizität. Es kann sich dabei auch um Ereignisse handeln, bei denen sich in der äußeren Realität Dinge ereignen, die eine innere Erfahrung sinnvoll wiederholen oder ergänzen. Letztlich entscheidet aber der Mensch für sich, ob er synchronistische Ereignisse als sinnvoll oder als Zufall sehen möchte. Hinter den Einzelvorgängen von synchronistischen Ereignissen läßt sich, außer dem für den einzelnen Menschen mehr oderwenigerwahrnehmbaren Sinn, ein universaler Zusammenhang der Ereignisse erkennen. Eine Einheit des Seins wird deutlich, und die anscheinend inkommensurablen Welten von Psyche und Materie können als ihre Aspekte verstanden werden.
Um Jungs Konzept der Synchronizität zu verstehen muß man auch seine Theorie der Archetypen kennen, denn beide sind miteinander verbunden. Archetypen kann man als direkte Bindeglieder zwischen der Psyche und der physikalischen Welt betrachten, sie sind die Wirkfaktoren - jedoch ohne kausale Qualität - welche die Synchronizität organisieren. In meinerArbeit möchte ich zwei entscheidenden Aspekten von Synchronizitäten auf die Spur kommen: einmal geht es mir darum die Frage zu klären, woher kommen Synchronizitäten, womit stehen sie im Zusammenhang, wie funktionieren sie und als zweites möchte aufdie allgemeine Bedeutung und ihren Sinn für den Einzelnen eingehen.
Die Auffassung von der Synchronizität hat eine lange philosophische Tradition und Jung hat sie in die Psychologie hineingebracht. Schon das chinesische Denken kannte und kennt das Denken in Synchronizitäten. Für uns westliche Menschen zählen eher Einzelheiten. Dem östlichen Geist ergänzen Einzelheiten das Gesamtbild, es fragt, welche archetypische Struktur im Moment wirkt und wie man seine Lebensentscheidungen treffen kann, damit man dem Sinne dieser archetypischen Struktur entsprechend lebt und nicht dagegen. Das I Ging, welches ich später näher erläutern werde, ist dafür beispielhaft. Ungefähr 300 v. Chr. sprach Hippokrates von der Sympathie aller Dinge; er sprach davon, daß alle Dinge zusammen ein Ganzes bilden und daß die Reaktion eines Teils aufdas Ganze einwirkt. Auch Heraklit, Plotin, Avicenna u. a. haben diesen Gedanken wieder aufgenommen. Augustinus brachte einen neuen Aspekt von Zeit in die christliche Vorstellung: den Gedanken, daß Gott und damit auch die Zeit nicht nur im Kosmos. sondern auch im Innersten der Seele wirkt. Die Synchronizitätsidee könnte auch erklären, warum magische Praktiken möglich sind. In der Alchemie wurde ähnlich gedacht, und das ist auch einer der Gründe, warum Jung alchemistische Texte heranzieht, um seine Idee zu erklären.
Der bekannteste Vorläufer von Jung ist in diesem Zusammenhang Leibnitz (1646 - 1716) mit seiner prästabilierten Harmonie. Körper und Seele folgen jedes ihren eigenen Gesetzen, stimmen aber doch miteinander überein, weil sie Repräsentationen des einen Universums sind. Die Seele repräsentiert das Universum wie auch der Körper. Auf Leibnitz, sowie die Alchemie gehe ich später noch ausführlicher ein, da sie in engem Zusammenhang mit Jungs Synchronizitätshypothese stehen. Für die Parapsychologie gibt das synchronistische Denken die Erklärung ab, wieso sich parapsychologische Ereignisse in Zeiten großer Emotionen abspielen können. Hierwaren es Schopenhauer und Kant mit ihren philosophischen Ideen, die Jung im Syn- chronizitätsgedanken inspirierten. Was wir heute synchronistische Ereignisse nennen, wurde damalsjedoch durch eine psychologisch-magische Kausalität erklärt. Durch mehrere Entwicklungen in der modernen Physik scheint sich die akausale Ge- ordnetheit von Geist und Materie zu bestätigen. Unter den Physikern war es W. Pauli, der von hier aus die Brücke zur Psychologie des Unbewußten schlug.
Mein Wunsch dieses außergewöhnliche Thema „Die Synchronizitätshypothese C. G. Jungs“ zu bearbeiten hat natürlich auch einen persönlichen Hintergrund. Das Werk Jungs hat mich zum einen schon immer sehr fasziniert und mir viele befriedigende Antworten im Hinblick auf die menschliche Psyche gegeben. An viele von Jungs Themen hatte ich mich jedoch bisher nicht heran gewagt, wie z. B. an seine Schriften überAlchemie und Religion. Als ich vorJahren sein Werk „Mysterium Coniunctionis“ aufschlug, war ich verwundert über Sprache und Ausdruck und es rief in mir eine gewisse Skepsis hervor, da ich nicht nachvollziehen konnte, wieso Jung sich damit beschäftigte. Dieses Werk zu lesen und zu verstehen, würde mir sicher heute noch Probleme bereiten, aber ich weiß jetzt um seine Bedeutung und warum sich Jung so intensiv mit alchemistischen Texten auseinandergesetzt hatte. Zum anderen hat mich das Thema Synchronizitäten deshalb interessiert, da ich glaubte sie selbst erfahren zu haben, diese seltsamen Zufälle oder Zeichen. Mir fiel auf, daß auch andere Menschen in meiner Umgebung daran glaubten - ohne eigentlich begründen zu können warum. Ich stellte mir bisher eine unbekannte Energie als Ursache für Synchronizitäten vor, ohne welche mir das ganze völlig absurd vorkam. Da ich jedoch bei Jung las, daß es diese nicht gibt, spornte dies meine Neugier weiter an, herauszufinden, was es mit Synchronizitäten auf sich hat und ob es sie überhaupt wirklich gibt. Auch die Aussage Jungs, daß Synchronizitäten mit parapsychologischen Phänomenen in Zusammenhang stehen sollten, weckten mein Interesse, denn ob es sie nun gibt oder nicht, konnte ich mir selbst nie beantworten. Mit dieser Arbeit habe ich mich sozusagen auch auf die Suche nach einer Antwort auf meine persönlichen Fragen begeben.
Zu Beginn derfolgenden Arbeit, nehme ich Bezug aufJungs biographischen Hintergrund, da sein gesamtes Werk und insbesondere seine Beschäftigung mit dem Thema der Synchronizität eng verbunden sind mit Erfahrungen aus seinem Leben. Im ersten Teil meinerAuseinandersetzung mit dem Thema der Synchronizität gehe ich aufTheorien und Konzepte innerhalb Jungs Werk ein, welche den Hintergrund von Synchronizitätsereignissen erklären und Zusammenhänge mit diesen skizzieren. Insbesondere die Theorie der Archetypen, Jungs intensive Beschäftigung mit derAl- chemie, den Mythen und der östlichen Philosophie geben der Synchronizitätshypo- these einen Rahmen, sowie empirische Evidenz. Im zweiten Teil derAusführungen möchte ich Weiterentwicklungen des Synchronizitätskonzeptes innerhalb der Analytischen Psychologie aufzeigen, Parallelen aus anderen Wissenschaftszweigen ausführlicher erörtern, sowie neuere Forschungsergebnisse aufzeigen, welche Jungs Hypothese unterstützen, wobei ich die mögliche Bedeutsamkeit und Konsequenzfür die Wissenschaften aber auch für den einzelnen Menschen hervorheben möchte.
2.1. Biographisches
Jungs schöpferische Konzeptionen gehen den Menschen als Ganzes an und haben deshalb auch in den verschiedensten Fachgebieten außerhalb der Psychologie ein Echo gefunden, (z. B. in Parapsychologie und Physik) Sein Werk reicht in viele Lebensbereiche hinüber, denn Jung interessierte sich als Arzt und Psychiater nicht nur für die spezifischen Krankheiten der Seele, sondern mehr noch für das Geheimnis der menschlichen Psyche an sich.
Etwa ein Drittel seiner Patienten litt, wie Jung berichtete, „überhaupt an keiner klinisch bestimmbaren Neurose, sondern an der Sinn und Gegenstandlosigkeit ihres Lebens.“1 So war die Frage nach dem Sinn für Jung kein theoretisches oder philosophisches Problem, sondern entsprang den Erfahrungen und Notwendigkeiten seiner täglichen Sprechstunde. Meist ging das Gefühl der Sinnlosigkeit Hand in Hand mit dem Gefühl einer religiösen Leere. Wissenschaftliches Denken und Aussagen der Religion konnten diese Menschen nicht in Einklang bringen. Nach Jungs Erfahrung, ist keinerwirklich geheilt, „der seine religiöse Einstellung nicht wieder erreicht, was mit Konfession oder Zugehörigkeit zu einer Kirche natürlich nichts zu tun hat.“2 Diese Erkenntnis gewann Jung nicht nur durch die Arbeit mit seinen Patienten, sondern hat ihren Ursprung in seiner ganz persönlichen Lebensgeschichte.
Jungs Kindheit und Jugend waren stark geprägt durch seine Eltern. Besonders bei seiner Mutter nahm Jung eine unbewußte Persönlichkeit wahr, die ihm überaus mächtig vorkam und eine unantastbare Autorität besaß. Einerseits erschien ihm seine Mutter als die liebende, warme, gütige und_andererseits als die unheimliche, archaische Mutter. „Ich erkenne etwas von dieser archaischen Natur auch in mir. Sie hat mir die nicht immer angenehme Gabe verlieren, Menschen und Dinge zu sehen, wie sie sind. (...) Das .wirkliche Erkennen“ beruht auf einem Instinkt, oder einer partci- pation mystique mit anderen. Man könnte sagen, es seien die .Augen des Hintergrundes“ welche in einem unpersönlichen Akt derAnschauung sehen.“3 Jungs Mutter war zutiefst mit der Natur verbunden und gab dies an ihren Sohn weiter, der noch als ganz alter Mann bekennt: „Und doch gibt es so viel, was mich erfüllt: die Pflanzen, die Tiere, die Wolken, Tag und Nacht und das Ewige in den Menschen. Je unsicherer ich über mich seiber wurde, desto mehr wuchs ein Gefühl derVerwandtschaft mit allen Dingen.“4
Jungs Vater, von Beruf Pfarrer, erteilte seinem Sohn persönlichen Konfirmandenunterricht, der ihn aber „maßlos langweilte.“(...) „Ich hätte ihm gern meine religiösen Beschwernisse unterbreitet und ihn um Rat gefragt, aber ich tat es nicht, weil es mir schien, als ob ich wüßte, was er mir aus ehrenwerten Gründen, seines Amtes wegen antworten müßte.“5 Jung hatte alle Mühe, sich „zum Glauben ohne Verstehen zu zwingen“, um der Haltung seines Vaters zu entsprechen und durchschaute die Unzufriedenheit und Verzweiflung, denn sein Vater zweifelte selbst an der Echtheit des eigenen Glaubens und zerbrach am ungelösten Problem des christlichen Glaubens. Von da an entstand zwischen ihm und seinem Vater eine Kluft und keine Möglichkeit diese zu überbrücken. Auch von Gott und der christlichen Religion löste sich Jung unter tiefster Bestürzung, was aber eigentlicher Ausgangspunkt für seine spätere Suche nach Gott und dem Ganzen wurde, denn seinen tiefen Glauben verlor er nicht. „Meine Einigkeit mit der Kirche und mit der menschlichen Umwelt, wie ich sie kannte, zerbrach mir.(...) Die mir als einzig sinnreicher Zusammenhang mit dem Ganzen erscheinende religiöse Anschauung war zerfallen, d. h. ich konnte am allgemeinen Glauben nicht mehr teilhaben, sondern fand mich verwickelt in ein Unaussprechbares“6
Der geistigen oder religiösen Leere der Menschen unserer Zeit, zeigte Jung mit seiner Religionspsychologie anstelle des verlorengegangenen Glaubens den Weg der inneren Erfahrung. Damit forderte er ein ganz neues und intensives Beteiligtsein am religiösen Geschehen; denn die innere Erfahrung, die Begegnung mit den Inhalten des Unbewußten ist eine religiöse Erfahrung.7 „Es ist gleichgültig, was die Welt über die religiöse Erfahrung denkt; derjenige der sie hat, besitzt den großen Schatz einer Sache, die ihm zu einer Quelle von Leben, Sinn und Schönheit wurde und die Welt und der Menschheit einen neuen Glanz gegeben hat. (...) Gibt es tatsächlich irgend eine bessere Wahrheit über letzte Dinge als diejenige, die einem hilft zu leben? Das ist der Grund, weshalb ich die vom Unbewußten geschaffenen Symbole sorgfältig berücksichtige.“8
Die detaillierte Beschreibung des kollektiven Unbewußten wurde zu Jungs ganz persönlichen Hauptleistung. Es ging ihm dabei weniger um den relativ begrenzten Bereich des Verdrängten und Vergessenen, welchen er als das „persönliche Unbewußte“ bezeichnete, als um eine von ihm entdeckte - seelische Hintergrundswelt, dem „kollektiven Unbewußten.“
Jungs Erforschung der Psyche trug immer zutiefst persönliche Züge. Seine Erkenntnisse des Unbewußten erstreckten sich nicht nur auf Patienten und Versuchspersonen, er analysierte auch sich selbst, indem er seine Träume beobachtete. „Neben den inneren Ereignissen verblassen die anderen Erinnerungen, Reisen, Menschen und Umgebung. Die Erinnerung an die äußeren Fakten meines Lebens ist mir zum größten Teil verblaßt oder entschwunden. Aber die Begegnung mit dem Unbewußten haben sich meinem Gedächtnis unverlierbar eingegraben. Da war immer Fülle und Reichtum, und alles andere trat dahinter zurück.“9 Er ließ seine Intuitionen und inneren Wahrnehmungen jedoch nicht einfach für sich bestehen, sondern prüfte sie vor dem Hintergrund von Belegen allgemein menschlicher Erfahrung.
Seine Begegnung mit dem Unbewußten fand schon in frühesterJugend statt. Jung sah sich selbst zwischen 2 Persönlichkeiten (der Bewußten und der Unbewußten): „Spiel und Gegenspiel zwischen den Persönlichkeiten Nr. 1. und Nr. 2, die sich durch mein ganzes Leben zogen“ (...) „In meinem Leben hat Nr. 2 die Hauptrolle gespielt, und ich habe immer versucht, dem freien Laufzu lassen, was vom Inneren an mich heran wollte. Nr. 2 ist eine typische Figur; meist reicht aber das bewußte Verstehen nicht aus zu sehen, daß man das auch ist.“10
Später, nach derTrennung von Freud, zog Jung sich zurück und es begann für ihn eine Zeit der Desorientiertheit und Unsicherheit, in welcher er in Form von Phantasien und Visionen in sein eigenes Unbewußtes abtauchte und es zu verstehen suchte. Es war für ihn ein „riskiertes Experiment“ und auch „zweifelhaftes Abenteuer“ sich in die Tiefen des Unbewußten zu begeben, aber er erkannte dort auch die Bedeutung der mythenbildenden Phantasien, welche unserem Bewußtsein abhanden gekommen waren.11 Jahre später begann er das Erlebte in seinen Schriften zu formulieren und zu gestalten: „Ich habe mich nie von meinen anfänglichen Erlebnissen entfernt. Alle meine Arbeiten, alles, was ich geistig geschaffen habe, kommt aus den Initiali maginationen und -träumen. (...) Alles was ich in meinem späteren Leben getan habe, ist in ihnen bereits enthalten, wenn auch erst in Form von Emotionen oder Bildern.“12
Jung versuchte in seinen nachfolgenden wissenschaftlichen Arbeiten nachzuweisen, daß die Inhalte seiner psychischen Erfahrungen, nicht nur seine persönlichen Erlebnisse, sondern kollektive Erfahrungen waren , die sich auch bei anderen Menschen wiederholen können. Um sich und seine Patienten besser verstehen zu können beschäftigte sich Jung mit vergleichenden Studien der menschlichen Kulturen, Mythen und Religionen. Immer wieder befaßte er sich mit der Frage, ob man Religion und mystische Erfahrung empirisch- wissenschaftlicher Untersuchung unterwerfen könne. Schon als junger Mann plädierte er dafür, auch solche Themen der empirischen Forschung zu erschließen und sie der Überprüfung zu unterziehen. So weit es möglich war, suchte Jung in unabhängigen Quellen, die nichts mit ihm und seiner unmittelbaren Erfahrung zu tun hatten, nach Belegen und Verifizierungen für seine Theorien und Hypothesen.
Besonders die Begegnung mit der Alchemie wurde für Jung zum entscheidenden Erlebnis, denn hier ergaben sich für ihn die historischen Grundlagen. „Als eine Naturphilosophie des Mittelalters schlug sie eine Brücke sowohl in die Vergangenheit, nämlich zum Gnostizismus, als auch in die Zukunft, zur modernen Psychologie des Unbewußte.“13 Anfangs bereitete es ihm Schwierigkeiten die Texte und Bilder zu verstehen oder überhaupt einen Sinn darin zu entdecken, aber die Lektüre ließ ihn nicht los bis er in erkannte, daß es sich bei den Symbolen um alte Bekannte handelte.
Sein Verständnis für den typischen Charakter der Bilderwelt hatte Jung schon in der Mythenforschung erworben und vertiefte es nun weiter. „Die Urbilder und das Wesen des Archetypus rückten ins Zentrum meiner Forschungen, und ich erkannte, daß es ohne Geschichte keine Psychologie und erst recht keine Psychologie des Unbewußten gibt.“14 Durch das Verständnis der alchemistischen Symbolik gelangte Jung außerdem zum zentralen Begriffseiner Psychologie, dem Individuationsprozeß.
Oft sind Jungs Erkenntnisse von überraschender Neuheit, daß viele Menschen zuerst eine gewisse Furcht vor allem Neuen überwinden müssen. Auch in unserer Zeit erleben viel mehr Menschen, als man weiß, übernatürliche Eingebungen oder parapsychologische Phänomene. Sie sprechen nur selten offen davon, weil sie Angst haben auf die rationalistische Ablehnung ihrer Umwelt zu stoßen. So gehörten die sogenannten parapsychologischen Manifestationen des Psychischen schon früh zu Jungs Interesse. Sein erstes Werk, die Dissertation ,, Zur Psychologie und Pathologie sogenannter okkulter Phänomene“15 handelt von solchen Erscheinungen.
Jung war nicht nur in Hinblick auf die Wahl seines Studienfaches hin und her gerissen zwischen Natur und Geisteswissenschaften, sondern diese beiden wissenschaftlichen Richtungen beschäftigten ihn lebenslang und zogen sein Interesse auf sich.
„Im Laufe meiner Studienjahre machte ich die Entdeckung, daß die Naturwissenschaft zwar unendlich viele Kenntnisse ermöglichte, aber nur spärliche Erkenntnis und diese in der Hauptsache spezialisierter Natur. Ich wußte aus meiner philosophischen Lektüre, daß alledem die Tatsache der Psyche zugrunde lag. Ohne Seele gab es weder Kenntnis noch Erkenntnis.“16
Als sich Jung zu Beginn seiner Studienzeit wieder sehr intensiv mit religiösen Fragen beschäftigte und nach neuen Anregungen in Literatur und Gesprächen suchte, stieß er auch auf Literatur über Geistererscheinungen und Spiritismus. Das Material schien ihm zweifellos authentisch, aber er stellte sich die große Frage: „ sind diese Geschichten auch physisch wahr?“17 Schon damals vermutete er, daß es mit dem objektiven Verhalten der menschlichen Seele zu tun haben müßte, denn diese Geschichten wurden zu allen Zeiten an allen Orten der Welt immer wieder berichtet. „So seltsam und zweifelhaft sie mir auch vorkamen, waren die Beobachtungen der Spiritisten für mich doch die ersten Berichte über objektive psychische Phänomene.“18 Aber noch stärker verwunderten ihn die Reaktionen seiner Umwelt, die mit „Spot und Unglauben“ und „ängstlicher Abwehr reagierte.“19 Denn wieso sollte es keinen Spuk geben und woher wußte man überhaupt, daß etwas unmöglich war? Und den Grund für die Ängstlichkeit vor solchen Dingen verstand er nun gar nicht. „Was mich aufs brennendste interessierte, war den anderen Staub und Nebel, ja sogar Grund zur Ängstlichkeit. (...) Es war doch nicht unerhört oder welterschütternd, daß es vielleicht Ereignisse gab, welche die beschränkenden Kategorien von Zeit, Raum und Kausalität überschritten?“20
In seinerAutobiographie schildert Jung verschiedene parapsychologische und spiritistische Erscheinungen mit welchen er im Laufe seines Lebens selbst im Berührung gekommen war. Jungs Interesse am Okkultismus und seine Ansichten zur Sexualtheorie kosteten ihn die Freundschaft mit Freud. „Es war für mich ein Stoß der ins Lebensmark unserer Freundschaft traf. Ich wußte, daß ich mich damit nie würde abfinden können. Was Freud unter .Okkultismus“ zu verstehen schien.(...) Für mich war die Sexualtheorie genauso okkult, d. h. unbewiesene, bloß mögliche Hypothese, wie viele andere spekulative Auffassungen.“21 In der Zeit der Freundschaft zu Jung lehnte Freud die gesamte Parapsychologie als Unsinn ab, erkanntejedoch Jahre später die Ernsthaftigkeit dieses Fragenkomplexes und die Tatsächlichkeit .okkulter“ Phänomene an. Jung sah sich rückschauend als der Einzige, der die zwei Probleme, die Freud am meisten interessiert hatten, sinngemäß weitergeführt hat: „ das der .archaischen Reste“ und das der Sexualität. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum zu meinen, ich sähe den Wert der Sexualität nicht. Im Gegenteil, sie spielt in meiner Psychologie eine große Rolle, nämlich als wesentlicher - wenn auch nicht einziger - Ausdruck der psychischen Ganzheit.“22 Jungs Hauptanliegen war, die Sexualität über die biologische Funktion hinaus, also ihre „geistige Seite und ihren numinosen Sinn zu erforschen und zu erklären.“23
Wichtige Stationen im Leben waren für Jung die verschiedenen Reisen die er unternahm, einmal nach Nordafrika, wo er sich dem Studium der Primitiven widmete und in die östlichen LänderChina und Indien. „In Indien stand ich zum ersten Mal unter dem unmittelbaren Eindruck einer fremden, hochdifferenzierten Kultur. Aufmeiner afrikanischen Reise waren ganz andere Eindrücke maßgebend gewesen als die Kultur; und in Nordafrika hatte ich nie die Gelegenheit gehabt, mit einem Menschen zu reden, der imstande gewesen wäre, seine Kultur in Worte zu fassen. Aber nun hatte ich Gelegenheit, mit Vertretern indischen Geistes zu sprechen und diesen mit dem europäischen Geist zu vergleichen.“24 Im Gegensatz zum Inder, der sich außerhalb von Gut und Böse fühlt und diesen Zustand durch Meditation oder Yoga zu erreichen versucht, strebt der Christ nach dem Guten und verfällt dem Bösen. Aber hier wendet Jung ein - der den Osten nicht nur im positiven Sinne sah - daß bei der indischen Einstellung, weder das Gute noch das Böse eigentlich Kontur haben und dies einen gewissen Stillstand bewirkt.25 Jung verglich auch Christus und Buddha miteinander, beide „eine Verkörperung des Selbst“ und damit das Christentum mit dem Buddhismus. Christus erkennt im Leiden einen positiven Wert und Buddha versagte sich das Leiden, damit aber auch die Freude. Und somit wird im Christentum auch mehr gelitten und im Buddhismus mehr gesehen und getan.26 Man muß in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß es ein wesentlicher Grundzug der Psychologie Jungs war, die Wichtigkeit entgegengesetzter Strömungen innerhalb der Persönlichkeit anzuerkennen und dafür fand er enge Parallelen in den philosophischen Systemen sowohl Indiens als auch Chinas.
Ein wichtiger Wendepunkt im Leben Jungs stellte die Entdeckung des Werkes „Das Geheimnis der goldenen Blüte“ durch die Vermittlung seines Freundes Richard Wilhelm dar.27 Es bestätigte seine Gedanken über die menschliche Psyche und sie bildete, wie er sagte, „das erste Ereignis, das meine Einsamkeit durchbrach.“28 Durch die Begegnung mit dem Osten nahm Jung die Gelegenheit wahr, sich mit dem chinesischen Text des , I Ging“ auseinander zu setzen, welcher unter anderem eine wichtige Grundlage für seine Theorie der Synchronizität werden sollte.
Seine Neugier auf Grenzphänomene führte Jung am Ende seines Lebens zur Formulierung eines umfassenden ganzheitlichen Systems, das Materie und Geist vereint und eine Brücke zwischen Zeit und Ewigkeit schlägt: eine Erweiterung der Theorie des Unbewußten, die Theorie von der Synchronizität. „Das Unbewußte gibt uns eine Chance, indem es uns etwas mitteilt oder bildhafte Andeutungen macht. Es ist imstande, uns gelegentlich Dinge mitzuteilen, die wir aller Logik nach nicht wissen können. Denken Sie an synchronistische Phänomene, an Wahrträume und Vorahnungen!“29
Jung hat mit seiner Landkarte der menschlichen Seele eine kohärente psychologische Theorie mit all ihren Dimensionen zu erfassen und ihre innere Dynamik zu erklären versucht.30 Da die menschliche Seele für Jung jedoch etwas sprunghaftes , lebendiges und wandelbares ist, läßt sie sich nicht bis ins letzte in rationale Begriffe und Theorien fassen und es bleibt somit in allen seinen Ausführungen immerwieder ein letztes Geheimnis offen. Auch ist die Kenntnis seiner Theorie nicht dasselbe wie die eigene Erfahrung der menschlichen Psyche. Sie gibt Richtung und Orientierung, aber den spezifischen Inhalt muß jeder selbst entdecken.
Jungs Bemühen wissenschaftlich und empirisch vorzugehen, ist ein Grund für die Ecken und Kanten in seiner Theorie und es scheinen sich dadurch oft Inkonsequenzen zu ergeben. Aber die empirische Welt, so wie das Leben, paßt nicht immer in die Schubladen des menschlichen Denkens oder menschlicherVorstellungskraft. „Wenn wir etwas nicht wissen können, müssen wir es als ein intellektuelles Problem aufgeben. Ich weiß nicht, aus welchem Grund das Weltall entstanden ist, und werde es nie wissen. So muß ich diese Frage als wissenschaftliches oder intellektuelles Problem fallen lassen. Aber wenn sich mir daraus eine Idee darbietet - z. B. aus Träumen oder mythischen Überlieferungen - so will ich sie mir anmerken. Ich muß sogar wagen, mir daraus eine Auffassung zu bilden, auch wenn sie auf immer eine Hypothese bleibt, und ich weiß , daß sie nicht bewiesen werden kann.“31So eröffnet seine Theorie auch oft eher Ausblicke und erlaubt eine ständige Erweiterung der Kenntnis der menschlichen Psyche.
In Jungs Erinnerungsbuch fehlt die Sphäre des Persönlichen nahezu vollständig, denn sein Blick war auf die archetypischen Zusammenhänge gerichtet, die er für sein eigenes Leben aufzeigen wollte. Anjela Jaffe schildert in ihrem Aufsatz „Aus Jungs letzten Jahren“ Begebenheiten, die Jungs Persönlichkeit durchscheinen lassen.
Jungs Achtung vor dem Leben bestimmten seine Haltung gegenüber den Patienten und auch seiner Grundeinstellung zu den Geschehnissen. Jaffe erzählt, daß der bedrückte Analysand vergebens auf Jungs Zuspruch oder Trost hoffte, denn Jung ging es darum, den Analysanden dahin zu bringen, das notwendige Leiden in das Leben einzuordnen, es als Teil seiner Ganzheit anzunehmen und zu tragen. Es wegzutrösten oder auszuschließen, würde ihn einer Lebenserfahrung berauben und bald neues Leiden wecken. Den Weg sah Jung, für sich selbst sowie für seine Patienten, in der inneren Bestimmung, der es zu folgen galt.
Oft ließ Jung „die Dinge sich selbst entwickeln“, „don't interfere!“ war einer seiner Leitsprüche, der so lange gültig blieb, als eine abwartende, beobachtende Haltung ohne Gefahr vertretbar war. Dabei war Jungs Haltung alles andere als Indolenz; sie entsprang vielmehr einer den Forscher kennzeichnenden Neugier dem Leben und den Ereignissen gegenüber. Er ließ geschehen, wandte den Ereignissen nicht den Rücken, sondern begleitete ihre Entwicklung mit gespannterAufmerksamkeit und voll Erwartung, was sich ergeben würde. „Jung schloß die Möglichkeit nie aus, daß das Leben es besser wisse als der korrigierende Verstand; und seine Aufmerksamkeit galt nicht so sehr den Dingen selbst, als jenem Unerkennbaren, das über Willen und Wissen des Menschen hinweg das geschehen anordnet.“32
Diese zwei Episoden zeigen deutlich, daß Jung nicht nurTheorien predigte, sondern sie selbst lebte. Sein Ganzheitsdenken, die Theorie des .wissenden Unbewußten“ mit den anordnenden Archetypen spiegelten sich in seiner Einstellung und seinem Handeln im Leben deutlich wieder.
2.2. Die Archetypen
Die Theorie derArchetypen ist entscheidend für Jungs Gesamtkonzeption der Psyche, da sie ihre Grundlage bildet. Archetypen sind wesentlich für das Zustandekommen synchronistischer Phänomene, denn sie ereignen sich im Umkreis archetypischer Konstellationen. Der Archetyp ist aber nicht als Ursache synchronistischer Phänomene zu betrachten. „In Wirklichkeit muß derArchetypus als Anordner der Phänomene angesehen werden. Er ist ihre Bedingung, nicht ihre Ursache.“33
Der Begriffdes Archetypus ist aus langjährigen Erfahrungen derTraumpsychologie und dem Studium der Mythologie C. G. Jungs entstanden. In Bildern und Materialien aus den Träumen seiner Patienten erkannte er die Grundstrukturen, die er als Archetypen bezeichnete. Jung unterscheidet zwischen dem unanschaulichen Archetyp und dem archetypischen Bild. „Die archetypischen Vorstellungen, die uns das Unbewußte vermittelt, darf man nicht mit dem Archetypus an sich verwechseln. Sie sind vielfach variierte Gebilde, welche auf eine an sich unanschauliche Grundform zurückweisen.“ Der „Archetypus an sich“ ist eine der menschlichen Psyche innewohnende Struktur, die „archetypischen Vorstellungen“ kommen in verschiedenen archetypischen Erscheinungsbildern zum Ausdruck (z. Bsp. Mutter-, Vater-, Kind- Archetyp).
Bei den Archetypen handelt es sich nicht um vererbte Vorstellungen oder Symbole, sondern um Möglichkeiten zu deren Erscheinung und Gestaltwerdung. „Vererbtwerden nicht die Vorstellungen, sondern die Formen, welche in dieser Hinsicht genau den ebenfalls formal bestimmten Instinkten entsprechen.“34 DerArchetypus an sich ist eine Tendenz Vorstellungen zu erzeugen, die variabel sind, aber ein bestimmtes Grundmuster haben. „Es gibt z. B. viele Darstellungen des Motivs derfeindlichen Brüder, aber es gibt nur ein Motiv.“35 Mit diesem einen Motiv meint Jung den Archetypus an sich, als Erbanlage der menschlichen Psyche, die sich praktisch überall und zu allen Zeiten antreffen läßt. Archetypen sind die Urquelle der gesamtmenschlichen Erfahrungen im Unbewußten, und beinhalten unerschöpfliches Material an uraltem Wissen um die tiefsten Zusammenhänge zwischen Gott, Menschen und Kosmos.
Um sich mit den Archetypen auseinander setzen zu wollen, ist es notwendig gleichzeitig die Instinkte zu betrachten, denn Archetyp und Instinkt sind miteinander verbunden und stehen in einem engen Wechselverhältnis miteinander. „Was wir In- stinkte nennen, sind physiologische Impulse, die mit den Sinnen außen wahrgenommen werden. Gleichzeitig aber erscheinen sie auch innen in Phantasien und verraten ihre Gegenwart oft durch symbolische Bilder. Diese inneren Erscheinungen sind es, die ich als Archetypen bezeichne.“36 Der Instinkt wurzelt im Physischen und dringt als Impuls, Gedanke, Erinnerung, Phantasie oder Emotion in die Psyche ein. Die instinktive Seite des Verhaltens beim Menschen ist sehr viel weniger determiniert als beim Tier, da Menschen die Fähigkeit besitzen auf instinktive Impulse hin zu entscheiden und zu reflektieren. Instinkte sind im psychischen Leben niemals frei von Bildern und Formen, man hat es immer mit einem Gemisch zu tun. Instinkte werden von archetypischen Bildern gesteuert: „Insofern nun die Archetypen regulierend, modifizierend und motivierend in die Gestaltung der Bewußtseinsinhalte eingreifen, verhalten sie sich so wie Instinkte.“37 Somit stellen Archetypen Abbilder von instinktiven Reaktionen auf bestimmte Situationen dar, die ein Verhalten herbeiführen können. Jung beschreibt den Zusammenhang zwischen Archetyp und Instinkt am Beispiel einer Blattschneideameise, die den Trieb hat sich zu ernähren und dabei das Bild des Baumes, des Blattes, des Transports usw. in sich trägt, welcher sich ohne dieser Bestimmung nicht verwirklichen könnte. So hat auch der Mensch a priori Instinkttypen in sich, welche die Vorlagen seinerTätigkeiten bilden und er so sein „pattern of behavior“ erfüllt.38
Archetypische Bilder haben eine ungeheure Macht über das Bewußtsein, die mindestens ebenso stark ist wie die Instinkte. Wenn dem Ich ein archetypisches Bild entgegentritt, kann es förmlich von ihm überwältigt werden und Bilder und Gedanken erzeugen welche die Kognitionen dominieren. Er mobilisiert geistige und philosophische Anschauungen und zieht den Menschen in seinen Bann. Ein Archetyp kann heilend sein oder zerstörend wirken. „Es hängt meist von der Einstellung des menschlichen Bewußtseins ab, als was er sich endgültig herausstellen wird.“39 Erscheint ein Archetyp im Traum oder im Leben, bringt er einen besonderen Einfluß mit sich, wel- cherzum Handeln antreibt.
Archetypen stehen dem nahe, was Plato unter „Idee“ verstanden hat. Nur daß bei Plato die Idee von höchster Vollkommenheit geprägt war, wohingegen bei Jung der Archetypus in seiner bipolaren Struktur die lichte sowie die dunkle Seite in sich trägt.40 Die Identifikation mit archetypischen Bildern und Energien bildet die Grundlage für Jungs Definition der Psychose.
Jung fand in den Wahnideen Schizophrener interessante Quellen archetypischen Materials, die ihm erstmals die Idee gaben an ein Unbewußtes zu denken, „...das nicht nur aus verlorengegangenen, ursprünglichen Bewußtseinsinhalten besteht, sondern aus einer gewissermaßen tieferen Schicht von ähnlich universalem Charak- terwie die mythischen Motive, welche die menschliche Phantasie überhaupt charakterisieren.“41 Dieses Material bezog er auf mythologische Symbole und fand somit überzeugende historische Parallelen und Beweise für die Existenz derArchetypen.
„ In solchen Fällen sucht man vergebens nach einer personalistischen Kausalität, um eine Erklärung für ihre eigenartige archaische Form und Bedeutung zu finden. Es ist deshalb viel eher anzunehmen, daß es sich um eine Art universell vorhandener Inhalte des Unbewußten handelt, welche dessen kollektive Schicht darstellen im Unterschied zu den persönlich erworbenen Inhalten der oberflächlichen Schichten, die man auch als das persönliche Unbewußte bezeichnen kann.“42 Im Unterschied zu Neurosen sind psychotische Erkrankungen, aufGrund der Überschwemmung der psychotischen Inhalte die durch Traumanalysen verstärkt werden können, innerhalb einer psychotherapeutischen Behandlung nur in beschränktem Maße behandelbar. Jung sah in der Erforschung der Schizophrenie, besonders unter Einbeziehung der Untersuchung von tieferen seelischen Schichten, eine derwichtigsten Aufgaben der Psychiatrie derZukunft, die mit Hilfe andererwissenschaftlicher Disziplinen durchgeführtwerden könnte. Der wesentliche Inhalt aller Mythologien und aller Religionen ist archetypischer Natur. Archetypische Bilder und Erlebnisse gehören zum wertvollsten Gut sämtlicher Religionen der Erde und wirken besonders dort, wo der religiöse Glaube im Menschen noch lebendig ist. In der heutigen westlichen Welt haben sieje- doch ihre magische Kraft eingebüßt.
Archetypische Träume sind im Unterschied zu persönlichen Träumen (persönlichen Unbewussten), die sich aufdie individuelle Lebensgeschichte beziehen, überpersönlicher Natur. Sie ereignen sich in den wichtigen Übergangsphasen des Lebens, wie z.B. Lebensmitte oderTod. Diese Eigenschaft haben auch Synchronizitäten, aufwel- che ich später noch zu sprechen komme. Archetypische Träume haben eine faszinierende Wirkung durch die in ihnen zum Ausdruck kommenden Bilder und Symbole aus Mythen und Religionen. In vielen Kulturen werden sie auch Große Träume genannt. Träume dienten Jung außerdem als Beweismaterial für die Existenz von Archetypen. Er untersuchte die Träume von Hunderten seiner Patienten auf typische Figuren, beobachtete ihre Entwicklung innerhalb derTraumserien, dokumentierte diese in zahlreichen Fallbeschreibungen und verdeutlichte deren Bedeutung durch Belege aus vergleichbarem mythologischem Material.
Häufig tauchen in Kinderträumen archetypische Motive auf, wie Jung zeigt. Es liegt im Wesen der Kinderträume, daß man meist keine Assoziationen dazu erhält. „Es ist ein Auftauchen eines Teils des Unbewußten, das fremd in der Zeit steht. Gerade diese frühen Träume sind von größter Bedeutung, weil sie aus der Tiefe der Persönlichkeit geträumt werden und deshalb nicht selten eine Vorausschau des Schicksals darstellen.“43 In „DerArchetypus derTraumsymbolik“ schildert Jung die Traumserien eines 10jährigen Mädchens, die immerwieder das religiöse Motiv der Zerstörung und Wiederherstellung sowie der Erschaffung der Welt und des Menschen hervorbrachten. Es gab keine Hinweise auf Spuren einer christlichen Erziehung oder ähnlichen Einflusses, eherAnalogien zu Erzählungen primitiver Volksstämme.
Die Symbolik, aufwelche ich hier nicht genauer eingehen möchte, spiegelte zwei Verfassungen derTräumerin wieder: das Zubewegen aufdie Pubertät und gleichzeitig auf ihr Lebensende (sie starb einige Zeit später an einer Infektionskrankheit). Ihre Träume eröffneten eine neue Perspektive auf Leben und Tod - eine Vorbereitung auf den Tod in Form von kurzen Geschichten, so wie man sie bei jemanden erwarten würde, der auf ein menschliches Leben zurückblickt. Wie in diesen Traumserien kommt es nach Jung nicht selten vor, „...daß sich solche archetypischen Wandlungsformen, die im Augenblick der Katastrophe sichtbar hervortreten schon lange vorher am Werke waren und die äußeren Umstände geschickt so arrangierten, daß sie unvermeidlich die Krise herbeiführen mußten.“44 Daraus schließt Jung, daß archetypische Formen nicht bloß statische Muster, sondern auch dynamische Faktoren sind.
Wie in dem vorangegangenen Bsp. gezeigt, können Träume einen vorwegnehmenden oder prognostischen Aspekt haben,.“..was bedeutet, daß die Archetypen eigene Initiative und eigene, spezifische Energie besitzen, die sie nicht nur befähigen, sinnvolle Deutungen (auf ihre Weise) zu geben, sondern auch in eine gegebene Situation mit ihren eigenen Impulsen und Gedankenforen einzugreifen.“45 Archetypen funktionieren hierwie Komplexe des persönlichen Unbewußten, die sich ebenfalls autonom verhalten und bewußte Absichten durchkreuzen. Die Autonomie derArchetypen steht im Zusammenhang mit derAutonomie synchronistischer Phänomene, denn Inhalte des Unbewußten funktionieren autonom.
Im Hinblick aufSynchronizitäten sind noch zwei weitere Eigenschaften derArchtety- pen von Bedeutung: „DerArchetypus als solcher, das strukturierende Element im Unbewußten, ist psychoiderNatur, das heißt nicht nur psychisch, sondern in einem gewissen Sinn auch körperhaft, physisch.“46 Der Mensch ist somit den autonomen Wirkungsfaktoren des psychoiden Unbewußten ausgesetzt, die anordnend sowohl auf Gedanken und Erkenntnis wie auf seelisches und biologisches Leben wirken.
Und: „Das Auftauchen derArchetypen hat nämlich einen ausgesprochenen numino- sen Charakter...(...) Seine Numinosität hat häufig mystische Qualität und entsprechende Wirkungen auf das Gemüt.“47 Die Atmosphäre des Numinosen beschreibt Jung auch als Erfahrung des Religiösen, denn die Wirkungen und Kräfte des Unbewußten sind meist von einem starken Affekt begleitet und wirken autonom, was der Mensch als übermächtig und göttlich empfindet.
2.2.1. Das Unbewußte und die Komplexe
Das Unbewußte umschließt das persönliche Unbewußte, welches Inhalte umfaßt, die der persönlichen Lebensgeschichte eines Individuums entstammen, wie z. B. Verdrängtes, Vergessenes und die Komplexe sowie das kollektive Unbewußte dessen Inhalte menschliche Verhaltensweisen und Reaktionen in allgemeinen Situationen darstellen, also z. B. väterliche und mütterliche Gestalten, Beziehung der Geschlechter, Geburt und Tod usw. Das Unbewußte verhält sich dem Bewußtsein gegenüber kompensatorisch indem das Bewußtsein aufdas Außen reagiert und sich somit der jeweiligen Situation anpaßt. Das Unbewußte reagiert den Notwendigkeiten des Inneren entsprechend und ermöglicht dem Menschen somit eine adäquate, ganzheitlich psychische Haltung.
Die Komplexe, autonome und emotional gefärbte Inhalte des persönlichen Unbewußten werden gewöhnlich verursacht durch eine psychische Verletzung oder ein Trau- ma und haben somit ihren Ursprung in der persönlichen Lebensgeschichte eines Individuums. Daneben gibt es noch familiäre oder soziale Komplexe, denn in einer Gesellschaft ähneln sich viele Menschen da sie in der selben traditionellen Kultur oder Familie aufwachsen. Mit dem Wort-Assoziations-Experiment konnte Jung solche Komplexe relativ präzise messen und somit seine Hypothesen in wissenschaftliche Fakten verwandeln. Eine gute Vorstellung über die Komplexe einer Person liefern auch Bilder Muster und Themen derTräume über eine gewisse Zeitspanne hinweg beobachtet. „Er (ein Komplex) stellt allgemein das Bild einer gestörten psychischen Situation dar, die lebhaft emotional betont ist und sich als inkompatibel mit der habituellen Bewußtseinslage oder Einstellung erweist.“48
Komplexe bedeuten jedoch nicht notwendigerweise eine psychische Störung einer Person, sondern weisen oft darauf hin, daß etwas Unvereintes oder Konflikthaftes besteht. „Und ebenso wie die Produkte der persönlichen Komplexe als Kompensationen für eine einseitige oder mangelhafte Bewußtseineinstellung verstanden werden können, so kann man auch die Mythen religiösen Charakters als eine Art geistiger Therapie für die Leiden und Ängste der Menschheit, wie Hunger, Krieg, Alter und Tod deuten.“49 In späteren Jahren arbeitete Jung seine Komplextheorie detaillierter aus und fügtejedem Komplex eine archetypische Komponente hinzu. Das Verständnis von Struktur und Funktionsweise der Komplexe ist grundlegend für Jungs Erforschung Parapsychologischer Phänomene auf die ich weiter unten noch eingehen werde.
2.2.2. Energie bei Komplexen und Archetypen
Psychische Energie (Libido) verteilt sich auf die verschiedenen Komponenten der Psyche. Ein Komplex lädt sich auf zweierlei Weise mit psychischer Energie auf: durch neue Traumata, die mit ihm verknüpft werden und mit Hilfe der Magnetkraft des archetypischen Kerns.50 Dieser Kern bezieht seine Energie einerseits aus dem Instinkt, dem er angegliedert ist (das archetypische Bild wirkt energiebindend) und andererseits empfangen Archetypen Energie aus der Kultur; dem Austausch mit anderen Menschen. Ein Komplex strebt nach Energieentladung, was durch Einbruch des Komplexes in das Bewußtsein geschieht, indem er das bewußte Subjekt mit einem Gedanken, einer Empfindung oder Stimmung konfrontiert. Nun ist es Aufgabe des Ich im Bewußtsein mit diesem Zustrom von Energie umgehen zu können, es zu kanalisieren und sich zunutze zu machen. Ob das Ich mit dem Zustrom von Energie umgehen kann, ist eine Frage der psychischen Gesundheit.
Jung geht also davon aus, daß psychische Systeme nicht in sich abgeschlossene er- nergetische Systeme sind. Streng geschlossene psychische Systeme sind pathologisch und zeichnen sich durch erstarrte Vorstellungen und Einstellungen aus. Ausserdem ist die Psyche ein System das sich selbst reguliert und somit der Gegensatzstruktur unterliegt. „Alles menschliche ist relativ, weil alles auf innerer Gegensätzlichkeit beruht, denn alles ist ein energetisches Phänomen. Energie beruht notwendigerweise auf präexistentem Gegensatz, ohne welchen es gar keine Energie geben kann. ... Alles Lebendige ist Energie und beruht daher auf Gegensätzlichkeit...“51 Der Libidobegriff wird hier nicht anders gebraucht als der analoge Ausdruck Energie in der Physik. Kein seelischer Wert kann verschwinden, ohne durch ein Äquivalent ersetzt zu werden, denn das Gesetz der Erhaltung der Energie wirkt sich nicht nur zwischen Gegensatzpaaren von Bewußtsein und Unbewußtem aus, sondern auch bei jedem einzelnen Element des Bewußtseins oder Unbewußten, indem die Besetzung eines Elements durch Energie naturgemäß von der Ladung des anderen dazugehörigen gegensätzlichen Elements Energie abziehen muß. Energetische Bewegung tritt dann ein wenn ein Gefälle in den Gegensatzpaaren gegeben ist. Z. B. bei Energieverlust des Bewußtseins geht Energie ins Unbewußte und belebt dort dessen Inhalte (Komplexe, Archetypen usw.) Unbewußte Inhalte können so psychische Störungen verursachen aber auch regulierend wirken und somit heilend.
2.2.3. Mythen und die Entstehung derArchetypen
Durch die Analyse von Träumen sowie in den Produkten der Psychose erkannte Jung zahlreiche Zusammenhänge die er mit mythologischen Ideen verknüpfen konnte. Jung sammelte eine große Menge verwandter Mythen, Märchen und religiöser Motive aus allerWelt um die spontanen Bilder und Themen, welche seine Patienten produzierten deuten zu können. Damit sammelte er Belege für die Existenz des kollektiven Unbewußten, was bedeutet, daß es im Unbewußten Material gibtwelches nicht durch Verdrängung aus dem Bewußtsein dorthin gelangt ist, sondern von Anfang an da war. Die menschliche Psyche weist somit genauso universale Strukturen aufwie der menschliche Körper.
Diese Mythen kann man heute noch bei primitiven Stämmen beobachten, was sich zum Beispiel beim Denken darin zeigt, daß nicht bewußt gedacht wird, sondern die Gedanken erscheinen einfach. „Der Primitive kann nicht behaupten, erdenke, sondern ,es denkt ihm“. Die Spontaneität des Denkaktes liegt nicht kausal bei seinem Bewußtsein, sondern bei seinem Unbewußten. Sein Bewußtsein ist bedroht von einem mächtigen Unbewußten, daher die Furcht vor magischen Einflüssen, welche jederzeit seine Absicht durchkreuzen können, und darum ist er auch umgeben von unbekannten Mächten, denen er sich auf irgendeine Weise anzupassen hat.“52
Die Mythologie eines primitiven Stammes ist gleichzeitig seine Religion, weshalb Mythen auch in verschiedenen Religionen derWelt wieder zu finden sind. Religion ist unter anderem auch eine lebendige Beziehung zu den eigenen seelischen Vorgängen, die nicht vom Bewußtsein abhängen. Aberwie entstehen nun Mythen? Mythen sind Abbilder physischer Vorgänge und von Primitiven erfunden um dergleichen erklären zu können. Solche mythischen Gebilde sind offenbar so in die Psyche eingegangen und wurden dort festgehalten, daß das Unbewußte auch heute noch ähnliche Bilder reproduziert. Jung stellte sich nun die Frage: „Warum registriert die Psyche nicht den tatsächlichen Vorgang, sondern bloß die Phantasie über den physischen Vorgang?“53
Als Antwort darauf schildert er ein eindrucksvolles Beispiel, das er selbst bei einem primitiven Stamm in Ostafrika beobachtete: DieserStamm betete jedes Mal bei Sonnenaufgang die Sonne an und Jung fragte, ob die Sonne denn Gott sei, als sie hoch am Himmel stand. Sie verneinten. Jung fragte weiter: „ Wenn die Sonne hier steht, so sagt ihr, sie sei nicht Gott, wenn sie aber dort im Osten ist, so sagt ihr sie sei Gott.“ Der Häuptling antwortete daraufhin: „So ist es. Es istwahr, daß die Sonne dort oben nicht Gott ist, aber wenn sie aufgeht, das ist Gott.“54
Für den Primitiven sind Sonnenaufgang und Erlösungsgefühl das selbe göttliche Ereignis, welches einen Affekt bei ihm hervorruft, der ihm näher liegt, als das physikalische Ereignis. „Was außen geschieht, geschieht auch in ihm, und was innen geschieht, geschieht auch außen.“55 Zwischen Subjekt und Objekt besteht bei ihm kaum ein Unterschied. Deshalb sind auch Kinder empfänglich für archetypische Träume in denen Verbindungen zu zahlreichen Mythen bestehen. Das Unbewußte herrscht in vieler Hinsicht noch vor, sie befinden sich genau wie der Primitive in einer „partcipation mystique.“ Das Denken der Primitiven, kommt dem synchronistischen Denken nahe, d.h. für sie gibt es keine sinnlosen Zufälle. Wie die Menschen in der Antike, deuten sie Synchronizitätsereignisse als einen Wink der Götter. Sie sehen zwar den Sinnzusammenhang, führen es aber auf eine Ursache zurück. Das magische Denken, glaubt an eine Art magische Kausalität. Jung hat aber ausdrücklich davor gewarnt, die Archetypen als Verursacher der synchronistischen Ereignisse anzunehmen. Die Naturwissenschaft hat sich mit größter Mühe aus diesem magischen Kausalitätsdenken herausgerungen und es ist keinesfalls Jungs Absicht, daß wir nun wieder auf diese Art Kausalitätsdenken zurückfallen.56
Es gibt zahlreiche Mythologien die sich von der Sonne und anderen Umweltereignissen, wie Mond, Regen, Donner usw. ableiten lassen.
Genau wie die physischen Umweltbedingungen einen Affekt verursachen, erregen auch die physiologischen Bedingungen, wie Hunger oder Sexualität, affektvolle Phantasien. Da sich solche typischen Situationen wiederholen, bilden sich daraus Archetypen. Auch Beziehungssituationen, wie Mann und Frau, Eltern und Kind oder Begebenheiten wie Tod, Krankheit, Geburt, welche im Leben einesjeden Menschen vorkommen sind ewig wiederholte Tatsachen und „erzeugen die mächtigsten Archetypen, deren beständige Tätigkeit auch in unserer rationalistischen Zeit noch überall unmittelbar erkennbar ist.“57 Gedankenformen, Impulse und Handlungen folgen einem Muster das angeordnet wurde, lange bevor der Mensch ein reflektierendes Bewußtsein entwickelte. Wahrscheinlich sind sogar die Ursprünge menschlicher Reflexionsfähigkeit die Folgen starker emotionaler Einflüsse. Wie oben dargestellt entstehen aus sich wiederholenden Situationen Mythen und damitArchetypen in der menschlichen psychischen Struktur, umgekehrtjedoch schaffen Archetypen auch Mythen, Religionen und Philosophien. Mythen und Archetypen scheinen sich somit wechselseitig zu bedingen. Die Archetypen als regulierende Formen sind die treibende seelische Kraft im Unbewußten.
[...]
1 Jung, C. G., Ziele der Psychotherapie. In: Grundfragen zur Praxis (Grundlage GW 16) S. 37
2 Jung, C. G., Ziele der Psychotherapie und Seelsorge. In: Zur Psychologie westlicher und östlicher Religion, GW11, §362
3 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung, S. 56
4 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung, S. 360
5 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedankenvon C. G. Jung, S. 58
6 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedankenvon C. G. Jung, S.61
7 Jaffe, Aniela, Der Mythus vom Sinn, S. 64
8 Jung, C. G., Psychologie und Religion. In: Zur Psychologie westlicher und östlicher Religion, GW 11, §116
9 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedankenvon C. G. Jung, S.51
10 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung, S.51
11 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedankenvon C. G. Jung, S. 192
12 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedankenvon C. G. Jung, S. 196
13 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung, S. 205
14 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung, S. 209
15 Jung, C. G., Zur Psychologie und Pathologie sogenannter okkulter Phänomene.In: GW
16 Band 1
17 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedankenvon C. G. Jung, S. 105
18 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedankenvon C. G. Jung, S. 106
19 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedankenvon C. G. Jung, S. 106
20 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedankenvon C. G. Jung, S. 106
21 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedankenvon C. G. Jung, S. 107
22 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedankenvon C. G. Jung, S. 155
23 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedankenvon C. G. Jung, S. 172
24 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedankenvon C. G. Jung, S. 172
25 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung, S. 278
26 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung, S. 279
27 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung, S. 283
28 Clark, J. In C. G. Jung und der östliche Weg, S. 24 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung, S. 201
29 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung, S. 305
30 Stein, Murray, C. G. Jungs Landkarte der menschlichen Seele, S.16
31 Jung, C. G., Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung, S. 304
32 Jaffe, Aniela, Aus C. G. Jungs letzten Jahren. S. 124
33 Jaffe, Aniela, Aus C. G. Jungs letzten Jahren. S. 48
34 Jung, C. G. Die Archetypen und das kollektive Unbewußte, Gesammelte Werke Band 9/1. § 155
35 Jung, C. G.: Traumund Traumdeutung. S. 52
36 Jung, C. G.: Symbole und Traumdeutung. S. 69f.
37 Jung, C. G.: Theoretische Überlegungen zum Wesen des Psychischen. In: Die Dynamik des kollektiven Unbewußten Band 8, § 404
38 Jung, C. G.: Theoretische Überlegungen zum Wesen des Psychischen. In: Die Dynamik des kollektiven Unbewußten Band 8, § 398
39 Jung, C. G.: Theoretische Überlegungen zum Wesen des Psychischen. In: Die Dynamik des kollektiven Unbewußten Band 8, § 406
40 Jacobi, Jolande. Die Psychologie von C. G. Jung. S.50
41 Jung, C. G.: Die Schizophrenie. In: Psychogenese der Geisteskrankheiten Band 3, S. 301
42 Jung, C. G.: Neuere Betrachtungen zur Schizophrenie. In: Psychogenese der Geisteskrankheiten Band 3,S. 290
43 Jung, C. G. Kinderträume. Vorlesungen S. 15 Jung, C. G. Kinderträume, Vorlesungen S. 60
44 Jung, C.G. Kinderträume, Vorlesungen S.62
45 Jaffe, Aniela, Aus C. G. Jungs letzten Jahren. S. 81
46 Jung, C. G.: Theoretische Überlegungen zum Wesen des Psychischen. In: Die Dynamik
47 des kollektiven Unbewußten Band 8, § 405
48 Jacobi, Jolande. Die Psychologie von C. G. Jung. S. 45
49 Jung, C. G.: Symbole und Traumdeutung. S. 62
50 Stein, Murray, C. G. Jungs Landkarte dermenschlichen Seele. S.92
51 Jacobi, Jolande. Die Psychologie von C. G. Jung. S. 58
52 Jung, C. G./ Kerenyi, Karl, Einführung in das Wesen der Mythologie. S.85
53 Jung, C. G., Die Struktur der Seele. In: Band 8 GW, §328
54 Jung, C. G., Die Struktur der Seele. In: Band 8 GW, §329
55 Jung, C. G., Die Struktur der Seele. In: Band 8 GW, §329
56 von Franz, Marie-Louise, Psyche und Materie S.31
57 Jung, C. G., Die Struktur der Seele. In: Band 8 GW, §336
- Citation du texte
- Jana Markus (Auteur), 2004, Die Synchronizitätshypothese bei C. G. Jung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186688
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