Psychosoziale Angebote basieren meist nur auf dem fachlichem Wissen und Verständnis der Professionellen, die in den Projekten und Entscheidungsgremien tätig sind. In wichtige Entscheidungsprozesse bezüglich der Qualitätsmerkmale und Standards der Arbeit wurden bisher also diejenigen, an die sich die Angebote richten kaum einbezogen, was vielleicht mit der in unserer Gesellschaft allgemein niedrigen Wertschätzung von Erfahrungswissen und der hohen Wertschätzung von akademischem Wissen zu tun hat. In diesem Sinne bedeutet die Beteiligung von Betroffenen die Anerkennung und Wertschätzung von Erfahrungswissen als unverzichtbarer Wissensressource für die Planung und Gestaltung des psychosozialen Bereichs.
Sowohl die Professionellenseite als auch die Seite der Betroffenen profitieren von der Beteiligung Betroffener an der Forschung und Planung von Angeboten. Professionellen bieten sich Lernmöglichkeiten anhand des Erfahrungswissens Betroffener zu extremen Krisen, Bedürfnissen in diesen Krisen, dem Sinn von Krisen, verschiedenen Bewältigungsstrategien und Lösungswegen aus extremen Krisen. Betroffene haben auch Erfahrungen bezüglich der Konsequenzen, die mit psychiatrischen Diagnosen verbunden sind, den Wirkungen von Psychopharmaka, verschiedenen Behandlungsmethoden und den damit verbundenen Gefühlen und der Funktionsweise des psychiatrischen Netzes.
enschen, die selbst Psychiatrieerfahrungen gemacht haben, wird durch ihre Beteiligung an der Forschung die Möglichkeit geboten ihre persönlichen Erfahrungen und ihr Wissen nutzen zu können und einen Beitrag einzubringen. Außerdem haben sie die Möglichkeit sicherzustellen, dass in der Forschung die Perspektive der Betroffenen angemessen berücksichtigt wird. Wenn sie beteiligt werden, können Betroffene Hilfsangebote so beeinflussen, dass sie selbst zukünftig eine bessere und passendere Hilfe erhalten. Durch gleichberechtigte Beteiligung in der Forschung können Menschen mit Psychiatrieerfahrungen auch neue Erfahrungen und Selbstvertrauen gewinnen und Lernen wie Forschung funktioniert. Betroffene können auch mit entscheiden, welche Art von Forschung wie durchgeführt werden sollte, damit das Ergebnis „normale“ - also nicht-professionelle – Menschen wirklich betrifft. Wenn sich Betroffene an der Forschung beteiligen, haben sie auch die Möglichkeit zu helfen, dass von ihnen für gut befundene Forschung verbreitet und in der Praxis umgesetzt wird.
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1. Der betroffenenorientierte Ansatz
1.1. Wieso sollte sich Forschung an Betroffenen orientieren?
Psychosoziale Angebote basieren meist nur auf dem fachlichem Wissen und Verständnis der Professionellen, die in den Projekten und Entscheidungsgremien tätig sind. In wichtige Entscheidungsprozesse bezüglich der Qualitätsmerkmale und Standards der Arbeit wurden bisher also diejenigen, an die sich die Angebote richten kaum einbezogen, was vielleicht mit der in unserer Gesellschaft allgemein niedrigen Wertschätzung von Erfahrungswissen und der hohen Wertschätzung von akademischem Wissen zu tun hat. In diesem Sinne bedeutet die Beteiligung von Betroffenen die Anerkennung und Wertschätzung von Erfahrungswissen als unverzichtbarer Wissensressource für die Planung und Gestaltung des psychosozialen Bereichs. 1
Sowohl die Professionellenseite als auch die Seite der Betroffenen profitieren von der Beteiligung Betroffener an der Forschung und Planung von Angeboten. Professionellen bieten sich Lernmöglichkeiten anhand des Erfahrungswissens Betroffener zu extremen Krisen, Bedürfnissen in diesen Krisen, dem Sinn von Krisen, verschiedenen Bewältigungsstrategien und Lösungswegen aus extremen Krisen. Betroffene haben auch Erfahrungen bezüglich der Konsequenzen, die mit psychiatrischen Diagnosen verbunden sind, den Wirkungen von Psychopharmaka, verschiedenen Behandlungsmethoden und den damit verbundenen Gefühlen und der Funktionsweise des psychiatrischen Netzes. 2
Menschen, die selbst Psychiatrieerfahrungen gemacht haben, wird durch ihre Beteiligung an der Forschung die Möglichkeit geboten ihre persönlichen Erfahrungen und ihr Wissen nutzen zu können und einen Beitrag einzubringen. Außerdem haben sie die Möglichkeit sicherzustellen, dass in der Forschung die Perspektive der Betroffenen angemessen berücksichtigt wird. Wenn sie beteiligt werden, können Betroffene Hilfsangebote so beeinflussen, dass sie selbst zukünftig eine bessere und passendere Hilfe erhalten. Durch gleichberechtigte Beteiligung in der Forschung können Menschen mit Psychiatrieerfahrungen auch neue Erfahrungen und Selbstvertrauen gewinnen und Lernen wie Forschung funktioniert. Betroffene können auch mit entscheiden, welche Art von Forschung wie durchgeführt werden sollte,
1 Für alle Fälle e.V. (Hrsg.) (2005): BlickWechsel., Kapitel 2
2 ebd.
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damit das Ergebnis „normale“ - also nicht-professionelle - Menschen wirklich betrifft. Wenn sich Betroffene an der Forschung beteiligen, haben sie auch die Möglichkeit zu helfen, dass von ihnen für gut befundene Forschung verbreitet und in der Praxis umgesetzt wird. 3
Wesentlich an einem betroffenenorientierten Forschungsansatz ist also, dass das Erfahrungswissen einen gleichwertigen Rang gegenüber akademischem Wissen erhält. Dies muß aber ausdrücklich von beiden Seiten gewollt sein, da Offenheit und Respekt voreinander sowie der Wille voneinander zu lernen da sein müssen. 4
1.2. Probleme und Vorurteile bei der Beteiligung Betroffener
Grundsätzlich spricht die Tatsache, daß sich nicht alle jederzeit bei allen Themen gleich beteiligen können oder wollen nicht gegen die Strategie der Beteiligung. Ein Problem ist eher, daß es nicht genug an eventuell benötigter Fortbildung für Betroffene gibt, um an der Forschung teilnehmen zu können. Betroffenen dagegen, denen es gut geht, die sich gut artikulieren können und die vielleicht selbst auch eine Ausbildung im psychosozialen Bereich haben, wird abgesprochen, daß sie Betroffene repräsentativ vertreten können. Einige Professionelle argumentieren auch, daß es Aufgabe der Hilfe ist, ihre Nutzer aus dem Hilfesystem zu entlassen und sie nicht darin festzuhalten. Betroffenenorientierung in der Forschung wird vor diesem Argumentationshintergrund als nicht beendeter Hilfeprozeß angesehen und deswegen abgelehnt. 5
Psychiatrieerfahrene, die kritische Meinungen äußern, wurden (und werden?) oft persönlich angegriffen. Wenn sich Betroffene, die selbst im psychosozialen oder psychiatrischen Bereich arbeiten als Betroffene outen und ihr eigenes Erfahrungswissen offen in ihre Arbeit einfließen lassen, müssen sie immer noch nicht nur mit Diskriminierungen, sondern auch mit dem Verlust des Arbeitsplatzes und dem Entzug der Berufszulassung rechnen. Eine Betroffene sagt dazu: „ Ich habe auf der professionellen Seite als Betreuerin und Einzelfallhelferin gearbeitet und meine Psychiatrie-Erfahrung dabei nie verschwiegen. Dadurch mußte ich mich mit verschiedenen Vorurteilen herumschlagen. Einige Professionelle nutzten meine Psychiatrie-Erfahrung aus und würzten sie mit psychoanalytischen Deutungen, um
3 Royle, Jane/ Steel, Roger/ Hanley, Bec/ Bradburn, Jane (2001): Getting involved in research, S. 10
4 Für alle Fälle e.V. (Hrsg.) (2005): BlickWechsel., Kapitel 2
5 Für alle Fälle e.V. (Hrsg.) (2005): BlickWechsel., Kapitel 3
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mich bei unbequemen Fragen und Meinungen kaltzustellen. Dieses Verhalten war interessanterweise ausschließlich Konfliktsituationen vorbehalten. Und dabei kannten sie nur die offizielle Diagnose und sonst rein gar nichts von meiner persönlichen Geschichte. Zuverlässig funktioniert hat es trotzdem.“ 6 Es sind also Methoden und Strukturen nötig, die die Begegnung zwischen Betroffenen und Professionellen auf gleicher Augenhöhe fördern. Diese Begegnung sollte auch außerhalb der festgelegten Rollenaufteilung in Professionelle und Klienten auf „neutralem Boden“ erfolgen, eben um über- oder untergeordnete Machtpositionen zu vermeiden. 7
1.3. Wichtige Voraussetzungen für die Zusammenarbeit von Betroffenen und Professionellen
Das Wichtigste für eine gute partnerschaftliche Zusammenarbeit ist, daß das Ziel für alle klar definiert ist. Vertrauen innerhalb des Teams oder Arbeitskreises muß da sein und die Anonymität bei Interviews muß gesichert sein. Sehr wichtig ist auch, daß alle Entscheidungsabläufe transparent sind und der Informationsfluß so organisiert ist, daß alle Informationen für alle zugänglich sind. So müssen z.B. Protokolle und Einladungen auch diejenigen Beteiligten erreichen, die z.B. keine E-mail-Adrese und keine Möglichkeit der Internetnutzung haben. 8
Die wesentlichen Haltungen und Einstellungen, die für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit notwendig sind, lassen sich unter dem Schlagwort der „offenen Projektkultur“ zusammenfassen. Dies bedeutet vor allem Respekt voreinander als Individuen zu haben und als Professioneller ein ehrliches Interesse an der Meinung und dem Expertenwissen von Betroffenen zu haben. Die Erfahrung der selbst Betroffenen muß Anerkennung, Einfluß und Geltung gewinnen. 9 Die gleichrangige Mitarbeit von Menschen, die selbst Erfahrungen im Hilfesystem gemacht haben, bedeutet auch, daß eine Gleichrangigkeit in der Bezahlung und Beteiligung in allen Phasen der Forschung erfolgt, da nur dann von betroffenenkontrollierter Forschung im engeren Sinn die Rede sein kann. Dabei ist es aber wie schon gesagt nicht unbedingt nötig, daß Betroffene alle Forschungsaufga-
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