Ziel der Hausarbeit ist es, die Trias Mensch, Nationalstaat, Weltgesellschaft, in ihrer
Beziehung untereinander und ihre Problematik bezogen auf die Forderung nach
universalen Menschenrechten darzustellen und auf Basis der Unterscheidung des
klassischen vom postnationalen Staatsbürgerschaftsmodell nach Y.N. Soysal, die EU
Bürgerschaft als eine neue Bürgerschaftsform einzuführen. Darauf aufbauend wird
zunächst die Inklusionsfunktion der Nationalstaaten nach M. Bös erläutert, um dann auf
das Problem der Wohlfahrtsstaatlichkeit in der heutigen Weltgesellschaft nach R.
Stichweh hinzuweisen.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
1.1. Ziel der Hausarbeit
2. Staatsbürgerschaft im Wandel
2.1. Entwicklungen nach 1945
2.2. Das klassische Modell der Staatsbürgerschaft
2.3. Das postnationale Modell der Staatsbürgerschaft
2.4. Die Europäische Unionsbürgerschaft
3. Die Funktion des Nationalstaates
3.1. Politische und kulturelle Inklusion
3.1.1. Begriff: Inklusion
3.1.2. Begriff: Exklusion
3.2. Der Wohlfahrtsstaat
4. Zusammenfassung
1. Einleitung
Seit Ende der 80iger Jahre ist die Beziehung Mensch, Nationalstaat und Weltgesellschaft zu einem der zentralen Themen in der Soziologie geworden. Innerhalb des allgemeinen Diskurses der Menschenrechte wurden die Rechte, welche mit der Zugehörigkeit zu einer nationalen Gemeinschaft einher gingen, zunehmend abstrahiert und auf globaler Ebene legitimiert.[1] Die Evolution von Nationalstaat und Weltgesellschaft ist ein komplexes Syndrom verschiedener Entwicklungstendenzen[2], auf die alle einzugehen mir unmöglich ist. Eine der wichtigsten Prozesse, die diese verschiedenen Entwicklungstendenzen immer wieder unterstützen sind Grenzziehungsprozesse, die nach dem 2. Weltkrieg in Europa vor allem auf die Grenzerweiterung zielten. Europas Grenzen sind weder eindeutig noch kongruent. Diese Entwicklungen sind vor allem für die Immigranten der Nachkriegsära von großer Bedeutung. Die Kodifizierung der Menschenrechte als globales Prinzip hatte auch eine Ausdehnung der Staatsbürgerrechte zur Folge, unabhängig von Status oder Zugehörigkeit zu einem nationalen Kollektiv.
Es herrscht eine grundlegende Dualität zwischen universalistischen Menschenrechten und dem territorial begrenzten Nationalstaat. Grenzen werden durch verschärfte Grenzkontrollen und die Betonung auf Nationalität konkretisiert, während die postnationale Form der Mitgliedschaft und der universalistischen Rechte der Person nationale Grenzen überschreitet und postnationale Dynamiken unterstützt.
Die Bildung von Nationalstaaten kann als institutionelle Antwort auf die Forderung nach der Verwirklichung universalistischer Menschenrechte interpretiert werden. Den Nationalstaaten sei es so einerseits gelungen an regionale Bedingungen und Wertorientierungen festzuhalten, und andererseits das Risiko der Rechtlosigkeit des Einzelnen im Globalisierungsprozeß zu beschränken.[3]
Da von einem „Verfall” oder einer „Bedeutungslosigkeit” der Nationalstaaten nicht die Rede sein kann, soll im Zuge des weltgesellschaftlichen Diskurses die Wechselwirkung zwischen Individuum, Nationalstaat und Weltgesellschaft bezüglich der Staatsbürgerschaft im Folgenden betrachtet werden. Dabei kann die EU Bürgerschaft, vor dem Hintergrund der Schwächung der Inklusion vermittelnden Funktion der Nationalstaaten im Zuge globalisierender Dynamiken als ein wichtiger Indikator im Wandel der nationalen Bürgerschaftsform gesehen werden.
1.1. Ziel der Hausarbeit
Ziel der Hausarbeit ist es, die Trias Mensch, Nationalstaat, Weltgesellschaft, in ihrer Beziehung untereinander und ihre Problematik bezogen auf die Forderung nach universalen Menschenrechten darzustellen und auf Basis der Unterscheidung des klassischen vom postnationalen Staatsbürgerschaftsmodell nach Y.N. Soysal, die EU Bürgerschaft als eine neue Bürgerschaftsform einzuführen. Darauf aufbauend wird zunächst die Inklusionsfunktion der Nationalstaaten nach M. Bös erläutert, um dann auf das Problem der Wohlfahrtsstaatlichkeit in der heutigen Weltgesellschaft nach R. Stichweh hinzuweisen.
2. Staatsbürgerschaft im Wandel
2.1. Entwicklungen nach 1945
Yasemin Nuhoglu Soysals Grundlegendes Argument ist, daß die Staatsbürgerschaft in der Nachkriegszeit einem tieferen Wandel unterlag. Dabei wurden die 2 wesentlichen Elemente der Staatsbürgerschaft, Identität und Recht, im Rahmen der Menschenrechte immer stärker von einander getrennt. Das Recht wurde zunehmend abstrahiert und auf globaler Ebene legitimiert, während Identität immer noch partikular und territorial gebunden ist.[4]
4 globale Entwicklungen sind nach Soysal von entscheidender Bedeutung für das in Fragestellen der grundlegenden Prinzipien der Staatsbürgerschaft.
1) Die Internationalisierung der Arbeitsmärkte nach dem 2. Weltkrieg
Durch die folgende Migrationsbewegung nach Europa wurde die nationale und ethnische Zusammensetzung europäischer Staaten komplexer und vielschichtiger, womit auch die politischen und geographischen Rationalitäten in Frage gestellt wurden
2) Die massive Entkolonialisierung nach 1945
Dies führte zu einer Mobilisierung der unabhängig gewordenen Staaten auf internationaler Ebene und zu einer Ausweitung und Neustrukturierung des globalen Diskurses um Rechte.
Transnationale Akteure wie UNO oder UNES haben im Kontext individueller und kollektiver Rechte neue soziale Bewegungen gebildet, welche die üblichen Vorstellungen der Staatsbürgerschaft in Frage stellen
3) Die Entstehung von multi-level polities
Vor allem mit der Entwicklung der EU ist eine Ausdehnung und Aufteilung der Souveränität auf lokale, nationale und transnationale politische Institutionen zu vermerken. Die EU- Staatsbürgerschaft verleiht Rechte, die sich nicht zwingend auf einen Nationalstaat beziehen. Der Zusammenhang zwischen Staatsbürgerschaft und nationalem Territorium wird hier durchbrochen.
4) Der wachsende Einfluß des Diskurses und globaler Instrumente auf individuelle Rechte
Dieser findet vor allem Ausdruck in der Ausweitung der Menschenrechte, welche auf globaler Ebene zum organisierenden Prinzip werden. Unabhängig von der Mitgliedschaft zu einer Nation schreiben diese jeder Person universelle Rechte zu, welche durch internationale Vereinbarungen und Gesetze legitimiert und anerkannt sind.
Diese Entwicklungen sind vor allem für die Immigranten der Nachkriegsära von großer Bedeutung. Die Kodifizierung der Menschenrechte als globales Prinzip hatte auch eine Ausdehnung der Staatsbürgerrechte zu Folge, unabhängig von Status oder Zugehörigkeit zu einem nationalen Kollektiv.[5]
So berufen sich z.B. immer mehr nationale Gerichte auf transnationale Menschenrechtskonventionen als Grundlage ihrer Entscheidungen.
Die Bedeutung dieser Entwicklung für die Immigranten liegt vor allem darin, daß sie formal meist keine Staatsbürger sind, aber trotzdem staatsbürgerschaftliche Rechte und Privilegien besitzen. So verfügt ein Ausländer mit unbefristeter Aufenthaltsgenehmigung über alle bürgerlichen Rechte, wie z.B. Recht auf Sozialleistungen, ökonomische Rechte, Recht auf öffentliche Bildung, etc., wie ein nationaler Staatsbürger.
Aus diesen Veränderungen folgt, daß der Nationalstaat als territoriale Einheit
1) die individuellen Rechte nicht mehr legitimiert. Die institutionelle und normative Grundlage der Staatsbürgerschaft liegt nun vielmehr auf einer transnationalen Ebene.
2) mit der klassischen Konzeption nationaler Staatsbürgerschaft im heutigen Europa überholt ist.
Rechte, Partizipation und Repräsentation in einem politischen Gemeinwesen sind zunehmend transnational festgelegt und bestimmen so ein neues Modell der Staatsbürgerschaft, welches die persönlichen Rechte in den Mittelpunkt stellt und nicht an ein nationales Territorium gebunden ist.
2.2. Das klassische Modell der Staatsbürgerschaft
Das klassische Modell der Staatsbürgerschaft unterscheidet sich nach Soysal in 3 Dimensionen vom postnationalen Modell der Staatsbürgerschaft, auf welche ich im Folgenden einzeln eingehen werde[6].
a) Die territoriale Dimension der Staatsbürgerschaft
Im klassischen Modell stimmen die Mitgliedschaft zu einem Staat und das staatsdefinierende Territorium überein. Es existieren klar definierte Grenzen, wobei die staatliche Herrschaft über die nationale Bevölkerung innerhalb dieser Grenzen ausgeübt wird.
b) Die Rechte und Privilegien der Staatsbürgerschaft
Hier herrscht das Prinzip der formalen Gleichheit; d.h., es gelten die gleichen Staatsbürgerrechte für jeden Staatsbürger, wobei diese Staatsbürgerschaft als einheitlicher Status anerkannt ist.
c) Die Grundlage und Legitimation der Staatsbürgerschaft
Im klassischen Modell beruht die Mitgliedschaft auf einer gemeinsamen nationalen Zugehörigkeit, wobei die Grundlage der Legitimität persönlicher Rechte innerhalb der Nationalstaates liegen.
2.3. Das postnationale Modell der Staatsbürgerschaft
Im Vergleich dazu nun diese 3 Dimensionen der postnationalen Staatsbürgerschaft[7].
a) Die Territoriale Dimension der Staatsbürgerschaft
Die Grenzen im postnationalen Modell der Staatsbürgerschaft sind „fließend”; d.h., daß die Individuen unabhängig von nationalen Grenzen und einer formalen Zugehörigkeit zu einer Nation Ansprüche und Forderungen geltend machen können. So besitzen z.B. türkische Staatsbürger als Gastarbeiter in Deutschland genauso das Recht, öffentliche Einrichtungen zu benutzen oder eine angemessene medizinische Betreuung zu bekommen, wie ein deutscher Staatsbürger. „Fließende Grenzen” der Mitgliedschaft zu einem nationalem Gefüge bedingt allerdings nicht ein „Verschwimmen” der territorialen Grenzen der Staaten. Im Gegenteil, alle europäischen Staaten versuchen durch eine restriktive Einwanderungspolitik ihre nationalen Grenzen zu verschärfen.
b) Die Rechte und Privilegien der Staatsbürgerschaft
[...]
[1] Vgl. Soysal 1996: S. 181
[2] Vgl. Stichweh 2000: S. 240
[3] Vgl. Bös 1998: S. 250
[4] Vgl. Soysal 1996: S. 181f
[5] Vgl. Soysal 1996: S. 182f
[6] Vgl. Soysal 1996: S. 184f
[7] Vgl. Soysal 1996: S. 185f
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